18. Kapitel
Desto Näher die Riptide Tortuga kommt, desto lauter wird es. Seit Monaten sind sie in keinen Hafen eingelaufen und dementsprechend sind auch die Ressourcen aufgebraucht. Das alt bekannte Kreischen der Möwen und das Schreien der Handelsleute auf den Stegen erreichen Jyndira's Ohr und unweigerlich muss sie grinsen. „Wir haben ein kleines Problem", sagt Piper der sich neben sie gestellt hat. „Wieso das denn?", reagiert Jyndira auf die nichtssagende Aussage. „Dort", er zeigt mit dem Zeigefinger auf ein Schiff, welches am Hafen vor Anker gegangen ist, „ein englisches Schiff. Seit dem Vorfall mit Norrington, vor ein paar Jahren, konnten wir ihn zwar gut umgehen, doch ist seine Wut immer noch nicht verraucht." „Dann sollten wir den Rotröcken einfach weiterhin aus dem Weg gehen", antwortet sie schlicht und ein wenig abwesend, da sie wieder an den jungen Menschen denken muss dem sie die Taschenuhr geschenkt hat. Sie fragt sich wirklich, was wohl aus ihm geworden ist und ob er sich überhaupt noch an sie erinnert. „Das sagt sich so einfach, doch jemand wie Teague beispielsweise trägt eine Zielscheibe auf dem Rücken und muss sich seit her vor seinen Rivalen verstecken." „Wenn das der Fall ist, woher weiß Edward wo er zu finden ist?", fragt sie und schaut dem Bootsjungen zu wie er vergeblich versucht den Anker aus der Halterung zu heben. „Nun das ist eine gute Frage, dessen Antwort ich nicht mächtig bin", und so endet das Gespräch.
„Holt die Segeln ein, schließt die Luken und holt die Planke", hört man Kenway über das Schiff brüllen. Es herrscht ein wenig Unordnung auf dem Deck, da jeder seinen Aufgaben nachgeht, doch ist die Stimmung überraschenderweise heiter. Verwundert schaut sie sich um, da sie diesen Gemütswandel nicht ganz nachvollziehen kann. Doch liegt das nicht an ihrer Auffassungsgabe, sondern eher an dem Paradoxon. Die Männer, so wurde ihr berichtet, sind Seemänner und fühlen sich daher nur auf dem Wasser wohl, doch sehnen sie sich stets nach dem Festland. Sie schaut sich auf dem Schiff um und betrachtet die Männer die ihren Aufgaben nachgehen, sie dagegen sitzt auf der Treppe zur Brücke und langweilt sich ein wenig. Ihr wurde nie eine wirkliche Aufgabe zu geteilt und ist daher sogar noch nutzloser als Black Jack. „Die gesamte Crew verlässt das Schiff, abgesehen von Cyclops. Doch bin ich mir bei dir nicht so sicher und so wollte ich dich fragen, ob du schon was vor hast, denn wenn nicht würde ich mich freuen, wenn du mich zu Teague begleiten würdest", ertönt auf einmal die Stimme von Kenway hinter ihr. Er geht die Treppe hinunter und bei jedem Schritt biegt sich das Holz. Als er die letzte Treppenstufe passiert hat stellt er sich vor sie und schaut zu ihr hinunter. „Also?", fragt er ein wenig schüchtern. „Nein, ich hatte nichts vor. Eigentlich wollte ich Cyclops Gesellschaft leisten, da er sonst so allein ist, aber ich denke er kommt auch gut allein zurecht. Ich nehme an Piper würde uns ebenfalls begleiten?" „Nein. Er möchte Mr. Turin helfen die Kammern zu füllen", sagt er und gibt ihr die Hand. Sie nimmt diese jedoch nicht an und steht alleine auf und ist dadurch immer noch kleiner als Kenway. „Dann besuchen wir ihn wohl nur zu zweit. Ich habe ihn seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gesehen und freue mich auf ein Wiedersehen", sagt sie grinsend und sieht den leicht eifersüchtigen Blick von Edward nicht.
Das Schiff kommt heil an einem Steg zum stehen und fast übereilt verlässt die Crew das Schiff. „Also dann. Machen wir uns auf den Weg", ergreift Kenway das Wort und läuft geschickt über die Planke, welche über die Reling gelegt wurde und auf der man leichter auf den Steg kommt. Sie folgt ihm und betritt das wankende Stück Holz. Obwohl sie über die Jahre echt besser wurde was das Laufen angeht fühlt sie sich bei so etwas immer noch nicht wohl. Kenway versucht es erst gar nicht ihr Hilfe anzubieten sondern wartet geduldig bis sie sicher auf dem Steg steht. „Wo müssen wir denn hin?", fragt sie und gemeinsam verlassen sie den Hafen. „Zu einer gewissen Madam Brolin", antwortet er mit fester Stimme, doch sieht sie an seinem Gesichtsausdruck das er selbst keine Ahnung hat. „Wie wollen Mr. Turin und Piper Nahrung und Rum besorgen, wenn wir rein gar nichts zum tauschen haben?", lenkt sie das Thema um, damit sie Edward nicht noch mehr in Verlegenheit bringt. „Beelzebub hat eine verstrickte Vergangenheit und obwohl ich ihn schon seit meinem fünften Lebensjahr kenne, kenne ich doch nicht alles von ihm", antwortet er geheimnisvoll und beantwortet ihre Frage nicht wirklich. Doch sie sieht ein, dass sie aus ihm nicht mehr heraus bekommt und so laufen sie einfach still nebeneinander her.
Doch ist es für sie kein Problem, da sie wieder von den vielen Eindrücken überflutet wird und obwohl sie schon häufig in Tortuga war gibt es immer wieder etwas neues das sie sehen und erkunden kann, so auch heute. Vor einem kleinen Laden steht ein kleinwüchsiger Mann, der versucht in das Schaufenster hineinzuschauen. Das ist aber nicht das Interessante an ihm, sondern sein geflügelter Begleiter. Da sie nicht versteht um welches Geschöpf es sich handelt zieht sie an dem Ärmel von Kenway ohne den Blick von ihm abzuwenden. „Was ist los?", antworten tut sie aber nicht sondern schaut wie paralysiert zu dem Mann. Er versucht herauszufinden was sie so fasziniert und folgt ihrem Blick. „So etwas nennt man Krankheit", versucht er die Erscheinungsform des Mannes zu rechtfertigen. „Nein, das meine ich nicht. Das Tier auf der Schulter, was ist das?", spricht sie es nun endlich an. „Ein Papagei", antwortet er belustigt, „du hast so etwas noch nie gesehen?", fragt er ungläubig. Als Antwort schüttelt sie mit dem Kopf und abrupt bleibt Kenway stehen. Ohne sein Vorhaben auf zu klären verlässt er die asphaltierte Straße und geht zu dem kleinen Mann. Er beugt sich zu ihm hinunter und spricht mit ihm. Jyndira gibt sich große Mühe die Worte zu verstehen die sie miteinander wechseln, doch ist die umliegende Atmosphäre nicht sonderlich leise und so schafft sie es nicht mehr als nur Wortfetzen zu verstehen. Lange warten muss sie aber nicht, da Edward mit dem Mann auf sie kommt. „Ihr habt also noch nie einen Papageien gesehen?", beginnt der kleine Mann höflich ein Gespräch. „Nein, noch nie." Staunend begutachtet sie das bunte Gefieder und ist verwundert, dass dieser Vogel nicht einfach wegfliegt. „Wollt ihr sie anfassen?", fragt er freundlich und sie ist überrascht über diese Offenheit. „Gerne, wenn es keine Umstände macht." Der Mann schüttelt zur Antwort mit dem Kopf und entfernt das Vögelchen von seiner Schulter. „Streckt den Arm aus", um es zu verdeutlichen hält er seinen Arm hin, damit sie versteht was er meint. Sie winkelt ihren Arm vor der Brust an und der Mann setzt den Vogel vorsichtig ab. Augenblicklich krallt sich der Vogel in ihren Unterarm, um einen ordentlichen Halt zu bekommen. Vorsichtig streichelt sie das Köpfen und muss lächeln. „Wie kommt es, dass sie nicht einfach wegfliegt?", stellt sie die Frage die ihr im Kopf herum spuckt. „Also zum einen kann sie nicht mehr fliegen. Ihr Flügel war gebrochen und ich hatte nicht die nötigen Mittel hin wieder zu richten und zum anderen sind Vögel sehr treue Tiere." Verstehend nickt sie. „Wo bekommt man so ein Geschöpf her?" „Ich habe sie auf einer Insel gefunden. Ein Krokodil hat nach ihr geschnappt und den Flügel erwischt, aus Mitleid nahm ich sie mit und kümmere mich seit dem um sie", erzählt der Mann von dem Aufeinandertreffen. „Das ist eine echt rührende Geschichte", antwortet sie und entfernt den Vogel von ihr und überreicht ihm dem Mann. „Das ist wohl wahr." Er nimmt ihr den Vogel ab und platziert ihn wieder auf seiner Schulter. „Nun denn, ich wünsche euch noch einen angenehmen Tag", und mit diesen Worten will er sich abwenden und gehen, doch hält ihn Kenway davon ab. „Halt! Eine Frage hätte ich noch", sagt Kenway schnell. Der Mann dreht sich noch einmal um und wartet geduldig darauf was er zu sagen hat. „Kennt Ihr eine gewisse Madam Brolin?" Der Mann überlegt und es dauert seine Zeit bis er eine Antwort von sich gibt. „Ja und Nein. Madam Brolin ist keine Frau so wie man es vom Namen her denken könnte. Nein, es ist ein Gewürzt, ein äußerst seltenes würde ich meinen. Das erstaunliche an dem Kraut ist, das die Blätter im frischen Zustand hochgradig giftig sind, aber im gekochten und getrockneten Zustand sehr heilend und regenerierend sind. Ihr könnt es käuflich erwerben, für einen gewissen Preis versteht sich, in der Hollow Apotheke. Diese ist gleich die Straße runter und dann rechts", er weißt mit seinen kleinen Fingern in die Richtung in die sie gehen sollen und schaut danach wieder zu ihnen hoch. „Einen schönen Tag noch", und dann verschwindet der kleine Mann zwischen den vielen anderen Passanten. Verblüfft schauen Beide ihm hinter her. „Nun, jetzt wissen wir wenigsten wo sich Teague versteckt", schlussfolgert Jyndira und macht sich sogleich auch auf den Weg, gefolgt von Kenway.
Sie finden die Apotheke, doch hat sie sich etwas anderes darunter vorgestellt. Es sieht eher aus wie die Höhle eines Schamanen als ein Gebäude eines Mediziners. Über dem Eingang ist ein altes, morsches Schild mit der Aufschrift Hollow Apotheke, welches leicht im Wind weht und bei jeder Bewegung knarrt. Die Fenster sind mit bunten Tüchern bedenken, wodurch der Blick ins Innere verwehrt wird. Auch die Fassade ist ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden und das gesamte Gebäude wirkt nicht sonderlich seriös. Kenway scheint das aber nicht zu stören, denn er geht einfach auf die Tür zu und schiebt diese langsam auf. Durch das leise Quietschen der Tür machen sie sich bemerkbar und umgehend hört man das überrumpelte aufspringen eines Menschen. Kenway wirft einen nichtssagenden Blick zu ihr und überschreitet die Schwelle hinein in das Gebäude, doch kommt er nicht weit, da er von einem sehr verstreuet Mann begrüßt wird. „Offen? Wer sagt das ich habe Offen?", erklingt die fiepende Stimme des Mannes. „Keine Kunden. Keine Kunden. Habe geschlossen", und mit diesen Worten versucht der Mann Edward aus seinem Laden zu drängen. „Entschuldigt, werter Mann", versucht Kenway sein Anliegen zu erklären, „wir sind hier wegen Madam Brolin." „Geschlossen. Steht hier." Er stößt nun Edward fast aus dem Türrahmen und zeigt auf das Schild, welches leicht durch die Tücher verdeckt wird. Groß und deutlich steht dort das Wort 'GESCHLOSSEN', eigentlich kaum zu übersehen. „Es liegt einfach an den Buchstaben, sie sind zu klein", sagt sie ironisch und Kenway muss bei ihren Worten grinsen, da die Buchstaben fast das komplette Schild einnehmen. „Nein. Nein. Steht dort." Jetzt, da der Mann auch aus dem Haus getreten ist kann sie ihn ordentlich sehen und muss über seine Erscheinung schmunzeln. Er trägt eine bunte Kopfbedeckung mit den verschiedensten Farben, sein Gewand hat viele bunte Taschen aus denen diverse Pflanzen herausschauen und zu allem Überfluss trägt er keine Schuhe, wodurch man seine schwarzen Zehennägel sehen kann. Durch seinen verstreuten Blick, den sehr asymmetrischen Gesichtszügen und dem großen Leberfleck auf der Wange aus dem drei lange, schwarze Haare wachsen kann man ihn als sehr unansehlich bezeichnen. „Wir wollen nicht stören, wir brauchen nur Madam Brolin", versucht Edward ein weiteres mal auf den Schamanen einzureden, doch will er ihn gar nicht hören. „Nicht haben, was du willst. Gehen, sofort." Er will gerade die Tür schließen, doch hält eine Hand, bestückt mit Ringen, die Tür vom inneren des Hauses auf. „Nicht so eilig mein alter Freund, du willst doch die Kundschaft nicht verscheuchen? Aye?", hört sie die Stimme eines jungen Mannes. „Geschlossen. Dein Vater hat es so gesagt", rechtfertigt sich der Eigentümer. „Dessen bin ich mir bewusst, doch sind die Beiden sehr wohl willkommen. Sei nicht so unhöflich, stell dich vor", redet der Unbekannte weiter auf den Schamanen ein. Der alte Mann dreht sich um und schaut zu Kenway und Jyndira, welche sichtlich überfordert sind mit der Situation. „Holger Hollow", sagt er mit piepsiger Stimme. „Mein Name? Ist Holger Hollow." „Na geht doch und jetzt? Verschwinde", redet der Fremde weiter mit Hollow. Er nickt und zieht sich zurück. Der Türrahmen ist nun nicht mehr belegt und aus dem nur spärlich beleuchteten Raum tritt der Fremde hinter der Tür hervor. Zum Vorschein kommt ein recht junger Mann mit geflochtenen Haar und einem großen Hut auf dem Kopf. Er hat den gleichen Klamottengeschmack wie Teague und man könnte meinen sie sind verwandt. „Und ich bin Captain Jack Sparrow", stellt sich der Fremde ebenfalls vor und so lernt sie den Sohn von Teague also doch noch kennen.
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