Kapitel 78
Wir hielten uns noch ein bisschen dort auf, stritten über meine Stimme, die, ihm nach, total hoch und niedlich klang, meiner Meinung nach, jedoch ganz anders war. Schließlich redete ich nicht wie ein Eichhörnchen. Danach wurde er von Claudine in die Menge gezogen. Ich hatte sie gar nicht kommen sehen. Naja, mir war es egal. Zumindest versuchte ich auf Teufel komm raus mir dies einzureden. Niall konnte mit ihr tanzen, feiern, tun, was er wollte. Sie würden dazu noch genügend Zeit zur Verfügung gestellt bekommen. Und ich verwettete das Eichhörnchen, das mir meine Stimme geliehen hatte, darauf, dass sie diese Zeit nutzen würden. Sehnsüchtig blickte ich ihnen hinter her. Wie gerne hätte ich selbst jemanden gehabt, der mich am Arm packte und einfach zwang, der Tanzfläche einen Besuch abzustatten. Dann wäre ich nicht so einsam und allein am Rand gestanden. Außer mir trieben sich bloß die Raucher hier rum. Ätzend, demütigend und verqualmt.
Ich trottete zurück zu dem Ort, an dem ich Kim verlassen hatte und setzte mich auf einen Stein, der dumm rumstand. Daraufhin wartete ich. Ich wartete Stunden, so kam es mir jedenfalls vor. Natürlich hätte ich mein Fahrrad suchen und heimwärts fahren können, doch ich wusste, dass Corine mir das nicht verziehen hätte. Obwohl ich nicht sicher war, ob ich ihr ihren Alleingang verzieh. Wo steckte sie nur? Und vor allem, mit wem? Irgendwann neigte sich die Party ihrem Höhepunkt, meine Armbanduhr schlug null Uhr eins und Claudine ergriff das Mikrofon. Erleichtert und um einiges angespannter, als ich es zugegeben hätte, spannte ich meinen Körper an und setzte mich aufrechter hin, damit ich über die Menschenmenge hinweg direkt zu ihr schauen konnte. Niall war der einzige von denen, die ihr vorhin zur Seite standen, der noch da war. Vermutlich lagen Daizy, Nik und Kim schon im Koma.
"Der Moment auf den ihr alle gewartet habt", trällerte Claudine ins Mikrofon. Überraschenderweise hörte sie sich kein bisschen beschwibst an. Mist. "Huch. Ruby! Du glaubst, niemals-" Ich unterbrach Corine, die auf mich zugerast kam und sich in einem Ast am Boden verhedderte, mit einem "Shhh!" und wandt meinen Blick nicht von meiner Feindin ab. Ihre roten Locken leuchteten im Schein der Fakeln. Sie sah noch teuflischer aus als ohnehinschon. Ich konnte verstehen, wieso Niall nicht nein zu einem Tanz gesagt hatte. Schönheit trug ihren Namen. Goldlöckchen hatte ihr ihre Locken geschenkt, Pumukel die Farbe und ich beneidete sie um das Selbstbewusstsein, mit dem sie unverhohlen ins Publikum starrte. "Lasst uns gemeinsam verkünden, was den drei Neuen bevorsteht!" Sie sprach, als sei sie eine Königin und die Jugendlichen ihre Untertanen. Alle hingen an ihren Lippen, verfielen nur kurz in ausgelassenen Jubel. Sogar Nialls Augen blieben durchgehend auf diesem Mädchen gerichtet. Und da merkte ich, ihr Selbstbewusstsein war längst nicht das einzige, um das ich sie beneidete.
"Macht doch mal Platz und lasst sie vortreten!" Konnte sie es endlich sagen? Nachdem ich aufgestanden war, sprang ich von einem Fuß auf den anderen, hin und her, weil ich vor Nervosität nicht mehr klar denken konnte. Beinahe wäre ich ausgeflippt. Hatte ich erwähnt, dass ich Mutproben hasste? Corine schob mich vorwärts und ich verschob mein beleidigte Leberwurst-Gehabe auf später. Momentan benötigte ich ihre Unterstützung, damit ich nicht in Ohnmacht fiel. Aber nicht nur Corine schob mich, wie mir mit einem Seitenblick auffiel. Auch die anderen Jugendlichen drängten uns nach vorne, direkt in Claudines Visier. Da, zu meinem Glück und meiner Erleichterung, blieb Nialls Blick nicht länger an Claudine hängen, sondern an uns - oder an mir. Er schaute mir tief in die Augen und ich blickte mindestens genauso intensiv zurück. Sein Blick nahm mir einen Großteil der Anspannung. Ich wurde mir bewusst, dass es absolut nichts gab, worüber ich mir hätte Sorgen machen müssen. Das war bloß ein blödes Ritual. Nichts weltbewegendes und schon gar nichts schlimmes. Aus welchem Grund war ich bitte so furchtbar nervös?
Das Licht der Fakeln schien sich zu verdoppeln, es wurde heller und heller. Wir standen sozusagen im Scheinwerferlicht. Peinlich. Ein Glück konnte ich nicht sagen, dass einer der Umstehenden nüchtern wirkte. Im Gegenteil. Morgen würden sie alle vergessen haben, dass ich rot wurde und Corine am Ellenbogen fasste, sowie nach hinten stolperte und fast die ganze erste Reihe mit mir riss. So viel zu meinem Gefühlszustand, wenn ich ein Nervenbündel war. Sogar Eichhörnchen beherrschten sich besser als ich! "Also schön. Corine, Ruby und Matthew", begann Claudine. Achso. Matthew stand selbstverständlich auch bei uns. Schweißperlen liefen ihm die Stirn runter. Tja, hätte er mal weniger angezogen. "Ihr seid heute hier um der Gemeinde der Brookes Highschool für Jungen und Mädchen beizutreten. Ihr seid hier um euren Ehrgeiz, euren Mut und euren Willen auf die Probe zu stellen." Jemand übergab sich. Corine kicherte. Ob wegen dem Kotzenden oder wegen Claudines lächerlicher Rede, konnte ich nicht feststellen. Beinahe wäre ich mit eingestimmt. Hätte sie vielleicht noch salbungsvoller reden können? "Gemeinsam werdet ihr nun, sobald die Uhr eins schlägt, in das Baumhaus klettern, dies tun." Hielt ihr jemand den Text auf einem Schild in die Höhe? Oder konnte sie ihn auswendig. Halt. Wir sollten..bitte was? Stirnrunzelnd fuhr ich zu dem Haus in der Baumkrone herum. "Dort werdet ihr verweilen, bis die Uhr ein zweites Mal eins schlägt. Zwölf Stunden genügen um euch zu testen. Absolviert ihr dies, so seid ihr herzlich willkommen-" Ich schnaubte und fiel ihr ins Wort.
"Und was wenn nicht?", rief ich ihr entgegen. Sie trat einen Schritt zurück, stieß Niall dabei mit ihrem Hinterteil an. Er wich nicht zurück. Tief Luft holen. Die Menge wurde mucksmäuschenstill. Anscheinend stellte man hier keine Fragen. Pech gehabt. "Entweder das oder ihr werdet bis zu eurem Abschluss mit dem Hohn eurer Mitschüler leben müssen." Eigentlich hörte sich diese Drohung gar nicht übelmäßig schlimm an. Hohn und Spott war ich gewohnt. Ich hätte heimkehren können. Ich hätte es tun sollen. Ich hätte die größte Katastrophe verhindern können, indem ich nach Hause fuhr. Aber ich blieb. Nur, weil ich mir diese Blöße nicht geben wollte. Ich stolzes Huhn.
It's showtime xxx
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