Kapitel 64
"Wie falsch?" Ich krallte mir ein Kissen, damit ich etwas zutun hatte. Der Abend verlief komplett anders als geplant. "Ich war zuhause. Warum denkst du...Ah du hast GGG gefragt, richtig?" Um genau zu sein, hatte nicht ich ihn gefragt, sondern er mich darauf hingewiesen. Vermutlich weil er genauso gut wusste wie ich, dass Kims Anwesenheit nicht unbedingt von Vorteil gewesen wäre. Er hatte eine starke Neigung dazu, seine Mitmenschen zur Weißglut zur bringen, sofern er sie nicht ins Grab stieß, würde ich behaupten(also Kim, nicht Grant). Gerade einer Person, die sich selbst gerne ins Grab stoßen würde, tat diese Art Mensch gut. Meine ausbleibende Antwort verstand er natürlich falsch. "Ignorieren wir die Tatsache, dass du ihn tatsächlich nach meiner Anwesenheit gefragt hast. Meine Pläne hatten sich kurzfristig geändert. Ich hätte kein Problem damit gehabt, Krankenschwester zu spielen." Corine schaute zwischen uns beiden hin und her. Ich puddelte einen Faden von dem Kissen in meinen Händen. "Ich schon", gab ich schließlich zu. "Tut mir leid, aber es hat sicher seine Gründe, dass du eine Technikschule besuchst", witzelte ich, als er nicht reagierte. Stille breitete sich im Raum aus. Er nahm es zu persönlich. Entschuldigung, dass ich lieber die Wahrheit sagte! Manch anderer wäre bestimmt dankbar gewesen, weil ich ihm keine Lügen auftischte!
Die Seele des Mannes schüttelte enttäuscht den Kopf. Galt seine Enttäuschung mir? Kim? Er sollte verschwinden, mit Kim im Gepäck. Corine rettete die durchaus verkorkste Situation, indem sie einen Fakt aus meiner Bemerkung genauer unter die Lupe nahm. "Du besuchst eine Technikschule? Das klingt interessant." Interessant war zwar die kleine Schwester von langweilig, doch Kim kannte weder den einen noch die andere. Er ging sofort drauf ein, ohne mir noch weitere Beachtung zu schenken. Beleidigte Leberwurst. Er fing an, Corine die interessantesten Geschichten über seine Schule und über seinen angestrebten Beruf zu erzählen. Ich schlief fast ein. Die Seele ebenfalls, zumindest schloss sie für den Bruchteil einer Sekunde die leeren Augen und lehnte an meinem Schreibtisch, der im nächsten Moment ein lautes Rums von sich gab, als die Arme der Seele aus Versehen ein paar Ordner zu Boden fegten. Kim und Corine fuhren aus ihrer Unterhaltung auf. Ich erstarrte. Sie hatten es gehört und gesehen. Die Ordner lagen wahrhaftig auf dem Boden. Wie war das möglich? Erneut fixierte ich den Mann, dann die Ordner und letzlich wieder den Mann. "Gruselig", meinte Corine. Ich lachte verunsichert. "Kann man wohl sagen. Dabei findet die Mutprobe und der Gruselkram ja erst in einer Woche statt." Damit bot ich ihr ein neues Thema, mit dem sie Kim in ein Gespräch verwickeln konnte. Währenddessen warf ich dem Mann einen bösen Blick zu und deutete unmerklich auf meine Zimmertür.
"Ich bin gleich wieder da, muss mal für kleine Mädchen", lautete meine Entschuldigung. Aber ich schätzte, die beiden bekamen es gar nicht mit, so vertieft waren sie. Schrecklich, was wenn Kim plötzlich zu einem echten Schurken wurde und Corine entführte? Ich glaubte an alles. Wer sagte, dass Kim kein Schurke war, wenn ich der Menschheit ein Ende bereiten würde? Richtig, niemand. Die Möglichkeiten standen ihm offen. Wir erreichten die Toilette, bevor ich meine Gedankengänge vollendet hatte. "Also wirklich, ich werde dich nicht begleiten." Der Mann rümpfte die Nase, als ich die Tür öffnete und, "Nach dir", flüsterte. Seufzend öffnete ich die Tür noch weiter. "Ich muss gar nicht. Geh jetzt da rein!" Vielleicht hätte ich den Anstand haben sollen, ihn zu siezen. Aber er verhielt sich mir gegenüber respektlos, deswegen machte ich es nicht. Das 'Sie' sparte ich mir, weil er sonst gedacht hätte, er habe irgendwas zu sagen. Hatte er nicht. Mein Zuhause, meine Regeln. "Von mir aus", gab er nach. Dann hielt er sich die Nase zu - so dreckig war unsere Toilette nun auch wieder nicht - und schlüpfte hinein. Ich drehte mich zu meinem Zimmer um. Gelächter drang durch einen Türspalt, den ich offen gelassen hatte. Gut so. Wenigstens beschäftigten sie sich. Danach folgte ich der Seele.
"Nun gut, damit wir eines klar stellen. Das hier ist meine Wohnung, ich lebe hier und auch wenn sie Kim auf Schritt und Tritt folgen oder so - mein Beileid übrigens - steht es ihnen keinesfalls zu, diese Wohnung zu betreten und obendrein Krawall zu machen, ja?" Meine Stimme hörte sich verzogen an in meinen Ohren. Gleichzeitig fremd und...autoritär. Wow, ich war selbst ganz erstaunt darüber. Normalerweise gehorchte man mir weniger wie einem Frettchen, das Hunger hatte. "Deine Wohnung? Als ich das letzte Mal hier war, gehörte sie Grant. Und du bist bekanntlich bloß seine Pflegetochter. Ein freches Mundwerk und keine Ahnung hast du noch dazu. Ich folge Kim nicht." Was trug das zur Sache bei? "Wenn Grant nicht da ist, bin ich für diese Wohnung verantwortlich und hey, ich werde mich nicht dafür rechtfertigen, dass ich weiß, wie man mit Menschen - oder Toten - wie dir umgeht. Du verlässt jetzt diese Wohnung und das Gebäude, auf der Stelle." Anstatt meine Anweisungen zu befolgen, ließ er sich auf den Klodeckel fallen. Er besah sich seiner Nägel, die ziemlich kaputt und abgenagt aussahen, strich sich sein Hemd glatt(wie gut, dass er, anders als die Seele der Barista, eines trug) und begann mich nicht mehr zu beachten. Wer dachte er, wer er war? Ein Toter, mit halben Schädel, den er, nur so nebenbei bemerkt, sehr gut mit einen Hut bedeckte? "Hallo? Spreche ich Chinesisch?" Er blickte nicht auf. Dennoch sprach er. "Vermutlich nicht. Ich habe mal einen 'Chinesisch für Anfänger'-Kurs besucht. Das klang definitiv anders als deine Flüche."
Schnaubend schüttelte ich den Kopf. Dieser Kerl ging mir auf den Leim. Er war ja noch schlimmer als Kim! Im Spiegel fing ich meinen Blick auf. Hilflos, erschöpft, erniedrigt. Nur wegen Kim und seinem Anhängsel. Der Mann hatte gesagt, er würde Kim nicht folgen. Aber er war doch hinter ihm zur Tür herein spaziert! "Für wen halten sie sich eigentlich?", platzte ich herraus. Mir reichte es. Meine Nerven waren absolut am Ende. "Meine Name ist Griffin. Du kennst meinen Sohn - Niall." Beinahe verschluckte ich mich an meiner eigenen Spucke. Das durfte nicht wahr sein. "Wie..Wa..W." Ich schwieg. "Und du, nehme ich an, bist dann Cherubyn."
Muahaha. Mein Grinsen reicht bis nach Nevada. Plottwist? I think so. Griffin. Nialls Dad. Griffin. Nialls Dad. Ratter, ratter, ratter. Eure Gehirnzellen dürften sich jetzt antrengen. Oder auch nicht. xxx
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