Kapitel 63
Ich packte Kim am schwarz-gekleideten Arm. Von mir aus, dann begann heute eben seine schwarze Phase. Viele Teenager durchlebten sie oder? Aber jetzt hatte ich keine Zeit für ihn und das musste er akzeptieren. Morgen konnte ich den Seelenklempner für ihn spielen. Hoffentlich nahm er die Seele des Mannes mit. Ich gruselte mich davor, sie anzusprechen - vor allem, in Corines Anwesenheit. Wenn sie noch nicht dachte, ich sei bekloppt, dann würde sie es nach diesem Schauspiel definitiv denken. "Führt ihr besondere Mädchengespräche oder warum schmeißt du mich raus?" Auf einmal klang er wieder völlig normal. Seine Stimme verlor den überheblichen Unterton. Ich hielt inne. Corine hielt inne. Die Seele des toten Mannes lief auf und ab. Es machte mich schier wahnsinnig. Was glaubte er, wo er war? Auf dem Spielplatz? "Was wird sie tun?", rief er aufgebracht, anscheinend in Selbstgespräche verwickelt. Ich fixierte ihn kurz. Doch bevor ich ihn ansprechen konnte, sagte Corine etwas zu mir. "Lass ihn doch bleiben. Er ist dein bester Freund, also...kann er doch ruhig bei verrückten Dingen mit reden." Immer noch hielt ich dies für eine schlechte Idee. Warum wusste ich nicht, aber irgendwie fand ich es nicht gut, dass er Corine nahe kam. Kim war mein bester Internetfreund - oder mal gewesen -, aber momentan verhielt er sich wie ein Schwerstverbrecher und außerdem rein gar nicht wie ein Freund. Er war in keinem meiner Tiefpunkte an meiner Seite gewesen und überhaupt hatten wir uns so gut wie gar nicht gesehen.
"Genau, Ruby", pflichtete Kim ihr bei. Typisch. "Na gut." Widerwillig gab ich nach. "Böse Entscheidung!", rief die Seele des Mannes aus. "Klappe!", rief ich zurück. Beide, Corine und Kim, starrten mich einen Augenblick lang an. Upps. "Ich dachte, ich hätte was gehört", sagte ich. "Okay", machte Kim. Er zog seine Jacke und Schuhe aus, stellte, beziehungsweise legte, sie einfach irgendwohin. Ich wandt mich an Corine. "Am besten du legst deine Sachen auf die Couch. Dort werden sie am ehesten nicht dreckig." Sie kicherte vergnügt. Wenigstens eine von uns hatte ihren Spaß. Ich stellte mir gerade die Frage für Kims spontanen Besuch, als die Seele des Mannes in mein Blickfeld stolzierte. Kim und Corine gingen bereits vor in mein Zimmer. Ich hörte Corine anerkennend: "Gemütlich!", sagen. Die Seele stand mir im Weg. "Verschwinde!", zischte ich leise. "Pardon. Ich habe nicht angenommen, dass du mich sehen kannst." Er war um einiges älter als die Barista. Und gefasster. Er hatte seinen Tod wohl akzeptiert. "Klar und deutlich." Meine Stimme war besonders leise, damit meine Freunde mich nicht hörten. Kim lugte aus dem Zimmer. "Kommst du? Wir hängen hier schon ab und warten auf dich." Ich verdrehte die Augen. Abhängen. Dieses Wort. "Jetzt verzieh dich endlich!" Ein letztes Mal machte ich eine Handbewegung Richtung Haustür, die Corine geschlossen hatte. Der Mann tat einen Schritt zur Seite. Danke, dachte ich. Dann ging ich in mein Zimmer.
Doch anders als erwartet, folgte die Seele des Mannes mir. Ich verkniff mir jegliche Kommentare und hielt zur Beruhigung kurz die Luft an. Danach setzte ich mich auf mein Bett neben Corine. Kim hatte sich auf dem Schreibtischstuhl platziert. Wow, er besaß Selbstlosigkeit. Das hatte ich vorher nicht mal annähernd vermutet. "So. Und jetzt labert ihr einfach exakt wie wenn ich nicht hier wäre. Ich kann nicht versprechen, dass ich mich unsichtbar mache, aber ich habe auch sowas wie einen besten Freund und von daher kenn ich mich aus in Sachen 'Lästern'." Sein bester Freund mutierte in letzter Zeit stark zu meinem besten Freund, besah man sich der Fakten. Beinahe hätte ich ihm genau das an den Kopf geworfen. Aber Niall war so ziemlich der letzte, von dem ich momentan anfangen wollte. Ich hatte heute schon reichlich von ihm gehabt. "Einverstanden", sagte Corine. Sie legte sofort los. "Ich kam heute gar nicht dazu, dir von Claudine zu erzählen!" "Claudine?" Wer war Claudine? "Die Rothaarige, dieses giftige Miststück, das dich letztens so feindlich angeguckt hat. Sie war diejenige, die sofort ihre Tratschtussis gepackt hat, als Niall und du...Du weißt schon." Ich erinnerte mich. "Meine Feindin", sagte ich, Anführungsstriche in die Luft malend. "Niall und Ruby? Was habe ich verpasst?" Kim trommelte auf die Sitzfläche seines Stuhls. Er saß im Schneidersitz. Das gehörte nicht zum Thema.
"Trägt nichts zur Sache bei", meinte ich kühl. Corine schien anderer Meinung. "Kurzfassung: Er hat sie bedrängt und zwar vor der ganzen Cafeteria." Kim holte in gespieltem Schock Luft. "Nein!" Corine nickte, wobei ihre Haare auf und ab wippten. Sie nahm keine Notiz davon, dass Kim Niall im Grunde genommen gar nicht kennen konnte. Stattdessen schnappte sie begeistert nach Luft. "Doch! Das war eine Szene! Du hättest dabei sein müssen!" Kim klatschte vergnügt in die Hände. Ich knirschte mit den Zähnen. Die Seele des toten Mannes wirkte, als sei sie auf meiner Seite. Er grummelte etwas Unverständliches. Schade, dass die anderen beiden ihn nicht sehen konnten. "So aufregend war das gar nicht. Eigentlich tat es ganz schön weh", warf ich ein, in dem jämmerlichen Versuch, ihre Aufregung zu bremsen. Fehlschlag. Corine kicherte. "Heute hat er sie übrigens nicht bedrängt, eher das totale Gegenteil!" Ich schlug mir die Hand gegen die Stirn. Corine tratschte, was das Zeug hielt. "Zurück zu Claudine!", fuhr ich dazwischen. Themawechsel, mit Strohhalm und drei Eiswürfeln. Schnell, bitte! Aus dem Augenwinkel sah ich Kim den Mund öffnen - vermutlich um etwas einzuwerfen -, doch Corine war schneller. "Richtig, richtig. Wo war ich stehen geblieben?" Erneut dachte ich daran, mich selbst zu rügen. Manchmal war das Mädchen verpeilter als ich. "Du hattest gar nicht angefangen."
"Genau. Also, du wirst es nicht glauben, aber sie hat mich eingeladen, an ihrem Tisch zu sitzen! Sie hatte so einen Zettel geschrieben und in meinen Spind gesteckt, auf dem die Worte: 'Du darfst dich geehrt fühlen, denn Claudine Penelope Gorden lädt dich ein, in der Mittagspause bei ihr zu sitzen', standen. Genau so. Die heißt wirklich Claudine Penelope Gorden, was ich auch nur weiß, weil ich Sandra gefragt habe. Ich denke ja, dass Claudine mich nur eingeladen hat, um dir eins auszuwischen. Du warst krank, weswegen sie die Gelegenheit am Schopf packen konnte. Natürlich habe ich abgelehnt." Ich empfand zutiefste Verbundenheit. Wir kannten uns nicht lange und waren trotzdem sowas wie beste Freundinnen. Womöglich erzählte ich ihr irgendwann von meiner Gabe und von dem Abend, den sie leider vergessen hatte. Irgendwann. Wenn ich selbst damit zurecht kam. Es würde mir gut tun, jemanden zum Reden zu haben, der nicht Niall oder Grant hieß. Denn wie ich bereits gelernt hatte, die beiden neigten dazu, keine guten Zuhörer zu sein. Schon gar nicht in meinem Fall.
Kim kratzte sich am Kinn, ehe er fragte: "Du warst krank?" Ohje. Jetzt musste ich auspacken. Nicht nur Kim wusste nicht, welche Krankheit ich überhaupt gehabt hatte. Corine gegenüber hatte ich ja ebenfalls nur gesagt, ich sei müde und erkältet gewesen. "Ruby war erkältet", erklärte Corine. "Echt? Davon wusste ich nichts. Du hättest mich doch anrufen können! Ich wohne keine Minute entfernt!" Da hatte er recht. Aber komischerweise hatte ich keine Sekunde daran gedacht, ihn zu kontaktieren. Wir waren also doch eher internetbekannt, als internetbefreundet. Außerdem war er gar nicht zuhause gewesen. Das wusste ich, weil Grant so etwas angedeutet hatte. "Du warst außer Haus", sagte ich schulterzuckend. "Falsch."
(2.11.16) Nachtrag, 20.11.16: Well, guys. I'm looking forward to finishing this novel today ahhh. das war genug englisch für heute. Aber um zum punkt zu kommen: Ich will heute wirklich fertig werden und das fühlt sich so...erfrischend an. Seit mehreren Jahren will ich ein fucking buch beenden aber irgendwie haben mir meine anderen bücher nie so richtig spaß gemacht. und jetzt sitze ich hier mit 96 Kapiteln und bin fast durch. Das ist so entgültig. Ich könnte kreischen. aber das tue ich nicht, weil heute sonntag ist und meine nachbarn mich sowieso nicht so mögen. hahaha xxx
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