Kapitel 62
Nach der Schule vereinbarten Corine und ich eine Zeit um uns zu treffen. Sie würde um vier bei mir erscheinen, die Schulsachen im Gepäck. Grant verbrachte seinen Abend hoffentlich bei der Arbeit, ansonsten bezweifelte ich, dass Corine mich ein zweites Mal besuchen kommen würde. Grant war ein schräger Vogel, lieb ausgedrückt. Als ich zur Tür herein spazierte, stand er bereits dort und wartete auf mich. Ich musste nicht in sein Gesicht gucken, um den gespielt wütenden Blick zu bemerken. "Da bleibt man einmal lange aus und du widersetzt dich sofort", schimpfte er, ebenfalls gespielt, argwöhnisch. Ich beschloss, darauf einzugehen. "Reg dich nicht auf, Granny. Mir geht es blendend." Sollte ich ihm schon davon erzählen, dass er demnächst die Wohnung räumen musste? "Ahja, aber was wäre, wenn es dir schlecht ginge?" Ich schnaubte. "Dann wäre ich wohl kaum zur Schule gegangen." Das sah er ein, denn kurz darauf drehte er sich um und lief in sein Zimmer. Wie ein Kleinkind. Er war mein Pflegevater, da hatter er sich auch so zu benehmen! Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass wir Rollen tauschten. Aber eigentlich alberten wir momentan nur rum. "Hey, du", sagte ich und folgte ihm. "Gestern hast du mich gefragt, ob du eine Verabredung eingehen darfst, heute bin ich dran." Indessen beugte er sich über seine Kommode, wühlte darin herum. Ich wunderte mich schon gar nicht darüber, dass er seine Gürtel nie fand.
"Bist du nicht etwas zu jung für ein Date?", kam es dann prompt. "Eh...was?" Ich prustete los. "Naja, als ich so alt war wie du..." Er hielt inne. "Da hast du bestimmt an nichts anderes Gedacht als an deine Bälle", sagte ich. Erst im Nachhinein wurde mir bewusst, wie falsch dieser Satz gedeutet werden konnte. Verdammt. "Genau", bestätigte Grant. Er lachte leise. Zum Glück nahm er solche Bemerkungen auf die leichte Schulter. Heimleiterin Barbara hätte mir eins über die Rübe gezogen. "Ach so, ich treffe mich mit Corine. Nicht mit einem Jungen", erklärte ich. Was hatten sie heute nur alle mit Beziehungen zwischen Mädchen und Jungs, insbesondere zwischen mir und Jungs, respektive mir und Niall? "Ahja", meinte Grant. Im selben Moment steckte er den Kopf bis zum Haaransatz in die Schublade der Kommode. Bitte nicht in die mit den Socken oder der Unterwäsche. Was hätte das über ihn ausgesagt?! "Deswegen..." Ich überlegte mir eine einigermaßen nette Formulierung. Aber mir fiel nichts ein. "Hau ab", sagte ich einfachheitshalber. "Ich soll abhauen?" Endlich holte er den Kopf wieder aus der Schublade. "Ja." "Das ist nicht nett." Ich verschränkte die Arme vor der Brust und atmete tief durch. "So ist das Leben. Ich will nicht, dass du uns störst." War ich zu hart mit ihm? Eindeutig. "Myohmy, Ruby wird erwachsen", spottete GGG. "Wenigstens einer von uns beiden", konterte ich. "Touche."
Dann verließ ich sein Zimmer und ließ ihn in dem Glauben, sein Gürtel sei in der Kommode. Insgeheim wusste ich nämlich, dass er da nicht steckte. Sein Gürtel befand sich an einem besonderen Platz, den Grant frühestens morgen aufsuchen würde. Wenn überhaupt. Zwanzig Minuten später und fünf Minuten, bevor Corine hier aufschlagen würde, fiel die Haustür hinter meinem Pflegevater ziemlich laut ins Schloss und ich war allein. Zuerst hatte ich vorgehabt, ein wenig Ordnung zu schaffen, aber letzten Endes lief es darauf hinaus, dass alles so unordentlich blieb wie sonst auch. Wir würden einfach in mein Zimmer gehen. Wenn wir Hunger bekamen, bedienten wir uns an meinen Vorräten(Grant hatte mir extra einen kleinen Bunker gebaut). Solange würde keiner von uns sterben - zumindest nicht aus Hungersnot oder Platzangst. Die Türklingel ertönte und ich drückte ohne nachzuschauen, ob es wirklich Corine war, auf den Knopf, der sie öffnete. Nein, ich fürchetet mich nicht vor Einbrechern und hatte schon gar keine Angst vor Serienkillern, allein schon, weil sich in dieser Stadt einer rumtrieb. Doch es war kein Serienkiller, der zur Tür hereinspaziert kam. Genauso wenig Corine. Im Türrahmen erschien Kim, gefolgt von einer Person, die ich nicht kannte, aber irgendwie auch doch kannte. Der Mann. Das erste Opfer. Seine Seele.
Er spazierte hinter Kim in den Raum. Ob mein bester Internetfreund ihn bemerkte? "Kim?", fragte ich vorsichtig, mit schwacher Stimme. Der Stress der letzten Tage stach auf mich ein wie ein Messer. "N'Abend, Ruby", begrüßte mich Kim. Er schnellte in meine Richtung und umarmte mich, als seien wir so dicke Freunde wie damals im Internet. Dabei hatten sich die Zeiten geändert. Ich hatte gefühlt mehr Zeit mit Niall verbracht als mit Kim. Das musste definitiv was heißen. Die Seele des toten Mannes warf mir einen merkwürdigen Blick zu. Resigniert, desinteressiert und...als ob er mich einfach nur zur Kenntnis nahm. Sonst nichts. Frechheit. Er hätte wenigstens verblüfft sein können über die Tatsache, dass ich dazu imstande war, ihn zu sehen. Was zur Hölle machte er hier? Ich fragte mich längst nicht mehr, was seine Existenz zu bedeuten hatte. Ich war schließlich verrückt. Und Verrückte sahen Dinge, die so nicht stimmten. "Sorry, aber ich hab keine Zeit für dich", meinte ich direkt. Kim sah den Mann nicht. So viel stand fest. Andernfalls hätte er niemals so gelassen agiert. "Wann könntest du jemals keine Zeit für mich haben?" Hä? Er fuhr sich durch die Haare und klopfte seine Jacke, die nebenbei bemerkt schwarz war, ab. Das passte nicht zu Kim. "Probierst du ein neues Image aus?" Er zuckte die Schultern. "Jeder muss sich mal neu entdecken." Garantiert.
"Hör zu, ich bin verabredet...", begann ich. "Ach echt? Hier ist garkeiner. Huhu, Rubys Verabredung? Komm raus, komm raus!" Er benahm sich seltsam. Im nächsten Moment sprang jemand durch die offenstehende Tür in die Wohnung. "Hi ihr hübschen Menschen!" Keine Ahnung, wie sie ins Haus gelangt war oder ob Gott sie schickte, aber ich hätte Corine knutschen können. "Perfektes Timing", rief ich ihr entgegen. Kim fuhr herum. Die Seele des toten Mannes ebenso. Hatten wir nun ein Vierer-Date?
Hach, fühlt sich das toll an. Ich hab mich heute noch nicht hingelegt und gechillt. Schlag ich euch allen vor, auch mal zu machen hahahah. Okay nein, ihr seid bestimmt nicht so unproduktiv wie ich (2.11.16) - Nachtrag, 19.11.16: Tja. Was nun? Denkt ihr, Ruby schafft es, Kim vor die Tür zu setzen? Und was denkt ihr hat die Seele des Mannes auf sich? Aiiii ich weiß etwas, das ihr nicht wisst. Those feelingsssss. Goals. xxx
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