Kapitel 56
Am nächsten Tag ging ich wieder zur Schule. Eigentlich nur, weil Grant morgens noch nicht zuhause war. Er hätte mich nicht gehen lassen, völlig egal, wie gut oder gesund ich mich fühlte. Überfürsorglich, nannte man sowas. Aber irgendwie gefiel es mir, dass er überfürsorglich war. Dies verschaffte mir das Gefühl, ihm wichtig zu sein. Ich hinterließ ihm einen Zettel, auf dem ich ihm zu einem gelungenen Date gratulierte und abschließend, in einer kleinen Randnotiz, erwähnte, wie gut ich mich heute fühlte und dass ich es mir deshalb nicht nehmen ließ, wieder zur Schule zu gehen. Am liebsten hätte ich Kameras aufgestellt um Grants Reaktion zu filmen. Nachdem ich mich fertig gemacht hatte, gab ich auf meinem Handy die Wegbeschreibung zur Schule ein, die ich leider noch nicht ganz so auswendig konnte. Als ich das Schultor passierte, sprang mich sofort ein brünettes Etwas an. Letztlich stellte sich heraus, dass dieses brünette Etwas bloß Corine und ich verrückt war. "Warum warst du nicht da? Wir hätten Handynummern austauschen sollen! Oh Gott, Krankheit oder Familienstress? Ich kenne sowas. Damals als meine Großtante gestorben ist, bin ich auch erstmal ein paar Tage daheim geblieben. Mir war elend zumute.." Irgendwie hatte ich ihr Gelaber vermisst.
"Nichts schlimmes, ich war erkältet und ziemlich..kaputt", beruhigte ich sie. Ja. Kaputt traf meinen Gefühlszustand perfekt. Ehrlich gesagt, hatte der sich gar nicht geändert. "Dann ist gut. Also, nein, nicht gut. Aber...Ich kann sowas nicht, von wegen 'Oh, tut mir leid wegen deiner Großtante. Sie war bestimmt ein toller Mensch'. Naja und wenn sie das nicht war, bist du in der Zwickmühle, weißt du? Du kannst nicht einfach antworten 'Danke, ja das war sie', weil sie's eben nicht war." Ich probierte mich an einem Grinsen. "Deine Großtante muss aber ein herzensguter Mensch gewesen sein", murmelte ich. Aus dem Augenwinkel heraus erkannte ich, wie sie ihren Lockenkopf schüttelte. Sie lachte. Ich schätzte, dass sie sogar rot wurde. "Keineswegs. Wann immer ich sie früher besucht habe, hat sie zuerst nachgesehen, ob ich meine Fingernägel gepflegt hatte, ob ich auch ja keinen Fleck auf meinen Klamotten hatte und ob meine Haare anstatt luftgetrocknet mit dem Föhn frisiert worden waren. Das konnte sie sehen! Ich meine, okay, wenn ich so alt gewesen wäre wie jetzt, aber damals zählte ich nicht mal sieben Jahre", empörte sie sich. Corine ließ sich auch noch über ihre Großtante aus, als wir längst im Schulgebäude und auf dem Weg zum Kursraum waren. Ich hörte ihr ab und an zu, konnte mich jedoch leider nicht besonders gut konzentrieren. Vielleicht hätte ich doch noch einen Tag das Bett hüten sollen. Auf einmal klangen meine flauschige Bettdecke und das riesige gemütliche Kissen so viel verlockender.
Nachdem wir uns auf unsere Plätze gesetzt hatten, fing Corine an, mich in ihre Selbstgespräche mit einzubeziehen. Und ausnahmsweise war ich froh darüber, zumal es mich von meinen eigenen wirren Gedankenzügen wunderbar ablenkte. "Soll ich dir nachher mal zeigen, was du alles verpasst hast?" Sie holte ihre Blöcke und Ordner aus der Tasche und klatschte sie einfach so auf den Tisch. "Eigentlich nicht viel. Die Lehrer hier schwächeln echt im Gegensatz zu meiner alten Schule! Da wurden in der zweiten Schulwoche schon die ersten Klausuren geschrieben." Um sie daran zu hindern, mich mit weiteren Informationen über ihre alten Lehrer zu bombardieren, nickte ich und sagte: "Klar, du kannst es mir auch mitgeben und ich bring es dir Montag zurück." Einen Moment später kam mir eine Idee. "Hey, hast du nicht Lust, heute Nachmittag mit zu mir zu kommen? Du kannst mir die ganzen Schulsachen geben und wir quatschen noch ein bisschen - oder so ähnlich." Mit Verabredungen kannte ich mich bekanntlich nicht aus. Was tat man, wenn man sich mit Freundinnen traf? Rumhängen? Chillen? Was bedeutete dieser über-trendige Blödsinn? "Hört sich gut an", antwortete Corine. "Hier meine Handynummer." Sie kritzelte etwas auf einen kleinen Zettel, den sie aus einem ihrer Blöcke gerissen hatte. Meinem ordnungsfanatischem Hirn missfiel das sehr, doch ich stoppte mich selbst davor, einen Kommentar abzulassen. Jedem das seine. "Damit wir nächstes Mal Bescheid wissen, sobald der andere krank ist." Erneut nickte ich. "Oder falls die herzensgute Schwester der Großtante um die Ecke gebracht wurde."
Corine lachte über meinen miesen Scherz und das rechnete ich ihr hoch an. "Die Schwester meiner Großtante, mit Namen Cecilia Bernstein, ist extrem in Ordnung. Sie ist Besitzerin eines Zooladens und in ihrem Haushalt selbst leben fünf rot-getigerte Katzen!", begann Corine zum zweiten Mal mit ihren Familiengeschichten. Ich staunte nicht schlecht, als sie mir bereitete, wie viele Tanten, Cousinen und Onkels sie hatte. Und obwohl ich die ganze Zeit, bis der Lehrer den Saal betrat, tatsächlich aufmerksam zuhörte, spürte ich mein eigenes Herz bei jeder ihrer zum Sterben komischen Geschichten, ein Stück tiefer sinken. Wie gerne hätte ich auch von meinen ätzenden Cousin Emilio erzählt, der mit ganzen vier Jahren, die Meerschweinchen der Nachbarn im Gartenteich erwürgt hatte. Schade, dass Emilio nur in meiner Fantasie existierte - wenigstens provitierten die Meerschweinchen davon.
Die nächsten Stunde rauschten an mir vorbei. Manche Lehrer erzählten von interessanten Dingen, aber diese Dinge kamen nie vollständig bei mir an. Redete ich nicht mit Corine, verkroch ich mich in Selbstmitleid. Normalerweise war ich kein Mensch, der viel Hehl um sein Leid machte, überhaupt gab es dafür nie besondere Gründe. Ich zeigte nie, wie es mir ging, trotz der anderen Kinder, die mich mieden - vielleicht waren Niall und ich doch nicht ganz so verschieden, wie anfangs gedacht. Doch hier in der großen echten Welt verlief alles anders. Ich erkannte mich nicht wieder.
OH MEINE HEILIGE FUCKING SCHEIßE, LEUTE, ICH FASSE NICHT, DASS DIESES 'BUCH' ERNSTHAFT AUF PLATZ 13 IN ÜBERNATÜRLICHES IST. DANKE DANKE DANKE OMG ICH SITZE HIER KURZ VORM HYPERVENTILIEREN. OKAY, NEIN: ICH HYPERVENTILIERE NICHT. ABER OMG. AAAAAAAHAH xxx
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