Kapitel 37
Nachdem ich Niall das Versprechen abgerungen hatte, gingen wir zurück zu der Veranstaltung, die inzwischen auch ohne uns ganz schön laut und aufregend geworden war. Wo man nur hinsah - sofern man dank der Dunkelheit überhaupt was sah - liefen kleine Kinder um die Wette. Deren Eltern hatten alle Hände voll zu tun, sie wieder einzufangen. Kim rannte auf uns zu, kaum waren wir wieder unter den Lebenden. "Wo seid ihr abgeblieben? Ich hab euch überall gesucht." Er boxte uns nach einander anklagend gegen den Arm. Niemand schien den Pistolenschuss bemerkt zu haben. Seltsam. "Euer Typ wird verlangt", scherzte Kim, klang dabei aber ziemlich verzweifelt. "Dustin hat seine Kumpels versammelt. Die wollten, dass ich den Alleinunterhalter gebe. Ich meine, wie alt sind die?" "13", sagte ich. Niall lachte. Er lachte! Hatte er vorhin mitbekommen, wie ich mit Dustin sprach, bevor er aufgetaucht war? "Was ist so lustig?", wollte Kim wissen. Ich verübelte ihm das nicht. An seiner Stelle wäre ich vermutlich ziemlich fertig gewesen. Niemand beantwortete seine Frage.
"Komm, wir leisten dir Gesellschaft beim Unterhalten." Niall nickte. Irgendwie gefiel es mir doch, dass ich ihn richtig anschauen konnte - wusste der Teufel, weshalb ich es konnte. Neben seinem guten Aussehen, war die Tatsache, ausnahmsweise nicht durchgehend zu Boden oder an den Augen vorbei schauen zu müssen, echt erleichternd. Wir verbrachten die nächste geschlagene Stunde damit, Dustin und seine Freunde zu beschäftigen. Anscheinend standen sie alle auf den selben Typ Frau - älter, brünett, klein, groß-äugig -, denn ich glaubte, mich an fünf verschiedene Typen in Dustins Alter zu erinnern, die Flirtversuche starteten. Irgendwann wurde es mir zu viel und ich benutzte Niall als eine Art Ausrede. Zu meiner Verteidigung, kleine Jungs konnten hartnäckig sein! "Tut mir ja leid, aber ich bin vergeben, Knirps", sagte ich zu einem, der mir die Hand geküsst hatte und zog Niall am Arm näher zu mir. Der Junge kratzte sich verlegen am Kopf, ehe er verschwand, für den Rest seines Lebens gedemütigt. "Versuchs doch bei Gleichaltrigen", rief ich ihm hinterher.
Ich ließ Niall, der, wie ich aus dem Augenwinkel bemerkte, ziemlich verdutzt dreinschaute, stehen und gesellte mich zu Kim und seinem Bruder. Sie streiteten und fuchtelten wild mit den Händen in der Luft herum. Den Grund für ihren Streit wusste ich noch nicht. "Ihr spielt doch gleich!", meinte Kim gerade zu Dustin, als dieser sich die Sweatjacke zu machte. "Ja, aber die Fete der Großen will sich keiner von uns entgehen lassen. Die startet in einer Stunde." Es war bereits stockfinster, einige Standinhaber hatten sogar Laternen aufgestellt. "Ihr wollt das Spiel ausfallen lassen?" Kim wirkte fassungslos. "Was ist schon dabei?" Dustin wippte vor und zurück. "Was dabei ist? Das ist nicht zu verantworten. Die Party der Großen ist gar nicht für kleine Jungs wie euch." Ich wollte mich gerade einmischen, als mich jemand an der Taille packte und zum Stehenbleiben zwang. Niall. Er fasste mich an denselben Stellen an, an denen er mich aus dem Rauch gezogen hatte. Ich war mir in dieser Hinsicht absolut und unwiderruflich sicher. Die Stellen, an denen er mir das Leben gerettet hatte. Vielleicht hätte ich mich bei ihm bedanken sollen, jetzt, wo wir uns nicht mehr ignorierten. Aber ich tat es nicht.
"Lass mich los, ich will Kim helfen", flüsterte ich, doch Niall hielt mich fest. Da sah ich eine Gestalt nicht weit von uns stehen. Erst als er in das Licht einer Laterne trat, erkannte ich Grant. Grant konzentrierte sich auf etwas, denn er runzelte die Stirn und eine Ader zeigte sich vor lauter Anstrengung. "Wir sind keine kleinen Jungs mehr", motzte Dustin in diesem Moment. Dann schüttelte er den Kopf. Man konnte praktisch beobachten, wie es in seinem Kopf zu rattern begann. Schließlich seufzte er. "Aber in Ordnung. Wir spielen heute Abend." Kurz darauf gingen er und seine Kumpels davon, um sich fertig zu machen. Kim schüttelte genauso verwirrt wie ich mich fühlte den Kopf, ehe er ihnen hinterher trottete. "Was war das?", sagte ich. Wieso hatte Dustin auf einmal seine Meinung geändert? Auf mich machte er nicht den Eindruck, als sei er so schnell zu überzeugen. Im Gegenteil! "Wie gesagt, frag Grant nach seinem Ring." Niall folgte den Footballspielern, bevor ich einmal blinzeln konnte. Dieser Kerl ging mir so auf die Nerven. Wir hatten zwar einstimmig beschlossen, uns nicht mehr zu ignorieren oder den anderen zu verletzten, aber ich konnte trotzdem nicht von allzu großer Zuneigung sprechen.
Der Abend versprach, gut zu verlaufen und als irgendeine Mannschaft gewonnen hatte(ich verstand nichts von Football), packte GGG mich und wir gingen nach Hause. Doch dort sollte die Party nicht enden. Noch vorher im Stadium hatte mir von der Tribüne gegenüber jemand gewunken. Und zwar wie wild. Ich htte mich praktisch durchgehend gefragt, wieso dieser Kerl mir winkte - ein weiterer Grund, aus dem es mir unmöglich war, wirklich aufzupassen. Er war in Grants Alter, jedoch mindestens einen Kopf kleiner, also fast so groß wie ich, und seine Haare schimmerten in einem orange-rot. Auf mich wirkte er wie einer von den sieben Zwergen, vor allem, da ich mich aus der Entfernung sogar traute, dem Rest seines Kopfes eine eingehende Musterung zu schenken. Sommersprossen zierten seine Haut, wohin man nur sah und die kleinen Härchen seiner Augenbrauen hingen in alle Richtungen ab. Es überraschte mich selbst, dass ich seine Augenbrauen so gut studieren konnte. Normalerweise hätte ich über diese Entfernung nicht mal seine Haarfarbe ausmachen können. Er hatte ein Grinsen auf den Lippen, das den Weltrekordhalter im Grinsen ablösen könnte. Ehrlich, ich hatte noch nie jemanden gesehen, der so glücklich und echt grinsen konnte. Mir ging schlagartig das Herz auf. Seine Arme waren zu lang für seinen Körper, weswegen mich sein Winken belustigte.
Ich hatte mehrmals probiert, Grant auf den merkwürdigen Fremden aufmerksam zu machen. Doch der alte Schnarchbär reagierte nicht. Entweder er wollte nicht reagieren oder er bekam es wirklich nicht mit. Ich tippte auf ersteres, da ich ziemlich hartnäckig war(Grant würde mehrere blaue Flecken am Oberarm davon tragen). Als wir später im Treppenhaus vor Grants Wohnung standen, trampelte jemand hinter uns die Treppen hoch, so laut, dass wir uns ohne Umschweife nach demjenigen umdrehten. Und siehe da, es war der rothaarige, kleine Kerl mit den riesen Tentakeln, der sich kurz darauf als Grants Bruder herausstellte. GGG hatte wirklich viele Geschwister. Es hätte mich nicht gewundert, wenn hinter dem Zwerg weitere fünf Leute hochgekommen wären, die allesamt zur Familie gehörten. Aber Grants Bruder erschien alleine.
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