Kapitel 13
Ein lautes Klopfen an der Haustür schreckte mich aus meinen Gedanken. Ich hatte in einer Art Teufelskreis festgesessen. So wie eigentlich schon den ganzen Tag. Erneut klopfte es. "GGG, bist du da?", hörte ich Kimberleys Stimme von draußen rufen. Seufzend stand ich von der Couch auf. Grant war unterwegs, einkaufen oder sowas. Mich hatte er nicht mitnehmen wollen. Leider hatte er auch Wodka nicht mitgenommen, weswegen der Hund mich angriffslustig vom Esstisch aus anstarrte. Ja, er saß tatsächlich wie ein König auf dem Esstisch. Ich starrte möglichst genauso angsteinflößend zurück - obwohl ich mich insgeheim vor dem Köter fürchtete. "Hallo?", ertönte wieder Kims Stimme. Ich schlurfte zur Tür und ehe er seinen folgenden Satz, nämlich: "Ruby, wenn du da bis...", beendet hatte, hatte ich diese schon geöffnet. "Was willst du?", fragte ich, ließ mir meine schlechte Laune deutlich anmerken. "Wir wollen mit Wodka spazieren gehen."
Niall, der hinter Kim mit verschrenkten Armen in einem Schatten stand, betonte das Wir ganz besonders. Ich verfluchte mich innerlich für die verstrubbelten Haare. Es war eine Sache vor dem besten Internetfreund wie ein dahergelaufenes Bauernmädchen auszusehen, eine andere vor dem besten Freund des besten Internetfreundes das Trampeltier zu mimen. "Dann holt ihn euch, Grant ist auswärts", sagte ich. Bevor mir einer von ihnen antworten konnte, war ich zurück im Wohnzimmer auf der Couch. Ich kramte mein Buch aus den Kissen und tat, als wäre ich total vertieft. Während ich in Wirklichkeit Niall dabei beobachtete, den kleinen Pitbull vom Tisch zu heben und Kims suchendem Blick durch die Wohnung folgte. Wonach hielt er Ausschau? "Hat GGG gesagt, wo er hin wollte?", fragte er schließlich. Nialls Rückenmuskulatur - gut sichtbar dank des extrem engen Shirts, das er trug - spannte sich an. "Eh...nein." Ich hätte in dem Moment nichts lieber getan als herausgefunden, warum er sich dafür interessierte. Das wäre so einfach gewesen. Ich hätte die Sonnenbrille von der Nase nehmen können und dann Kim in die Augen geschaut und... wäre ein grässlicher Mensch gewesen. Kim musste einen guten Grund dafür haben. Heute verhielt ich mich seltsam. Das lag womöglich daran, dass ich nie zuvor mit so vielen Eindrücken konfrontiert worden war.
"Wenn er zurück kommt, sagst du ihm, dass wir mit Wodka eine Runde laufen?" Ich legte das Buch verkehrt herum auf meinen Schoss und schaute an Kims Kopf vorbei zur Spüle. "Klar, kann ich machen", sagte ich. Niall legte Wodka indessen eine Leine an. Wie mir auffiel, leistete der Hund keinerlei Widerstand. Ich hätte wetten können, das er mich sogar bei dem Versuch in Stücke gerissen hätte, ihn vom Tisch zu heben! "Man sieht sich", meinte Kim. Heute schien jeder mies gelaunt zu sein, nicht nur ich. Niall sagte nichts. Hätte ich mir denken können. Natürlich wäre es praktisch gewesen, ihn zu fragen, aus welchem Grund er am Mittag einfach verschwunden war. In Kimberleys Anwesenheit hätte er mir zumindest eine Antwort geben müssen. Aber ich zweifelte daran, dass diese Antwort so wahr ausfallen würde. Also beschloss ich, ihn am nächsten Tag zur Rede zu stellen. Ich wollte unbedingt wissen, ob er meine Präsenz in seinem Seelenstübchen gespürt hatte.
Nachdem ich das Buch ausgelesen und mir einen Tee gemacht hatte, kehrte Grant zurück. Es war spät am Abend und wir mussten das Licht im Wohnzimmer anschalten, um einander zu sehen. Kim, Niall und Wodka waren noch nicht wieder da. "Ich soll dir von Kim ausrichten, dass sie den Hund ausführen", teilte ich Grant mit, der sich gerade den Reis vom Vortag in die Mikrowelle schob. "Wann sind sie weg?" Ich überlegte. "Vor zwei, drei Stunden." "Ganz schön lange, findest du nicht?" GGG schaute aus dem Fenster. Ich folgte seinem Blick, sah aber rein gar nichts. Die Dunkelheit hatte sich auf die Hochhäuser gelegt wie Nebell, überall war es schwarz. Es wirkte wie in Nialls Seelenraum. Ein Schaudern durchfuhr mich, als ich mich an den Schatten erinnerte, der mich in die Tiefe geschubst hatte. Ein weiteres Schaudern, als das Licht in Erinnerung rückte. Dieses Licht. Was zur Hölle war es? Es schien mir nicht dazuzugehören.
"Gutes Buch?", fragte Grant. Er hatte das Buch von der Couch genommen und las den Rücken. "Sehr gut sogar. Kann ich dir absolut empfehlen!" Sofern er auf Feen, Einhörner und eine tragische Liebesgeschichte abfuhr. Andernfalls war das Buch definitiv nichts für ihn. "Ich kenne es", meinte er nur. Huh, das überraschte mich. "Die Autorin und ich, wir sind..." Er verstummte. Ohje, ich konnte mir vorstellen, was die beiden waren. Er hatte mir gar nichts von einer Freundin erzählt. Sollte ich deswegen beleidigt sein? "Wir waren ein Paar - in der Highschool." Er lachte ein freudloses Lachen. Ach so. "Und jetzt?", hakte ich nach. "Jetzt gehen wir unterschiedliche Wege, aber dennoch den gleichen." Das verstand ich nicht. "Wie meinst du das?" "Wir sind damals auseinander gegangen, obwohl wir uns immer noch gern hatten. Weil wir uns unsere Träume verwirklichen wollten." Und dafür hatten sie die Liebe aufgegeben? Gab es denn wichtigeres? "Ihrer wurde wahr." Demonstrativ hielt er das Buch in die Höhe. "Und deiner?", sagte ich. Er zuckte lediglich mit den Achseln. Damit war das Thema für ihn geklärt.
"Lass uns nach ihnen suchen gehen", schlug er vor. Ich willigte ein. Aber nur, da ich ein wenig kühle Luft gut vertragen konnte. Doch als wir die Türe geöffnet hatten, hallte ein Schmerzensschrei durch die Flure des Hauses. Ich wusste, wer geschrien hatte. Ich wusste es, weil ich seine Stimme mittlerweile in und auswendig kannte, trotz der Tatsache, dass er sie in meiner Gegenwart kaum benutzte. Die drei stolperten die Treppe hoch. Kim trug Wodka auf seinen Armen, während er Niall um die Schultern hielt. "Wodka hat ihn gebissen", erklärte er. Beinahe hätte ich gelacht. Braves Hündchen. Aber als ich sah, wie tief die Wunde in seinem rechten Bein ragte, wurde mir schummrig. Ich hatte nicht geahnt, dass dieser Hund so tief beißen konnte.
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