Kapitel 10
Noch am selben Abend wurde in den Nachrichten über die Leiche des Mannes, den Kim und ich gefunden hatten, berichtet. Es war wohl so, dass sich bisher keiner gemeldet hatte, der ihn erkannt hatte. Jeder fragte sich, wer er gewesen war. Die Polzei vermutete einen Unbekannten, der aus Versehen zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort gewesen war. Blöd, immerhin kreuzten Kimberley und ich keine Stunde später an eben diesem Ort auf. Unter normalen Umständen und bei meinem Glück läge meine Leiche nun neben der des Mannes. "Ich kann nicht glauben, dass sie die Story so präsentieren", beschwerte sich Grant, als ich den Fernseher ausschaltete. Das Gelaber konnte ich mir nicht länger anhören.
"Tja, sie erzählen nur, was sie wollen." Kim stand am Spülbecken und trocknete das Geschirr ab. "Wenigstens ist nirgendwo die Rede von einer süßen kleinen Brünette und ihrem Internetfreund, die den toten halbnackt und verstümmelt im Gebüsch fanden", warf ich ein. Ein Schaudern lief mir den Rücken runter.
"Stimmt, die Nachrichten platzen fast vor Informationen über den Toten, aber ihr werdet mit keinem Wort erwähnt." GGG kratzte sich mal wieder am Bart. Wodka sprang an seinen Beinen empor. Ich hatte mich absichtlich ein paar Meter entfernt auf der Couch nieder gelassen. "Das finde ich nicht fair", räumte Kimberley ein. "Wir verdienen den ganzen Ruhm. Ohne uns hätten die doofen Reporter nichts zu berichten!", sagte er. Ich schnaubte. "Wer auch immer ihn erledigt hat, läuft frei herum und das einzige, an das ihr denkt, ist die Presse?", spottete GGG. "Guter Punkt." Kimberley stellte den letzten abgetrockneten Teller auf die Ablage, bevor er um den Küchenthresen herum zu mir ging. "Vielleicht sollten wir einen Horrorfilm gucken und uns vorbereiten!" Er sprang auf das andere Ende der Couch, die ins Wanken geriet. Bei dem Geräusch, das er dadurch verursachte, zuckte Wodka zusammen. Ich befürchtete, dass der Köter im nächsten Moment auf Kim und die Couch - in dem Falle auch auf mich - zu rasen und sie verschlingen würde. Grant hielt ihn rechtzeitig zurück. "Wie dem auch sei, ich gehöre nicht zu den Männern, die ihren Töchtern Pfefferspray mit zum ersten Schultag in einer fremden Stadt geben", sagte er. "Aber Ruby, tu mir den Gefallen und pass ein wenig auf dich auf!" Gerührt davon, dass er mich tatsächlich als seine Tochter umschrieb, brachte ich bloß ein Nicken zustande.
Kimberley breitete sich auf der Couch aus. Schon bald lagen seine Füße auf mir drauf. "Runter von mir!", knurrte ich. Er lachte. "Da kannst du noch so viel versuchen, du bist zu süß um mir einen Befehl zu erteilen!" Ich war...was? Ich riss die Augen auf. Hatte er mich eben als süß bezeichnet? Schnell schüttelte ich den Kopf. Vollkommen egal. Da fiel mir etwas ein. Er hatte mir eine Frage stellen wollen, gestern, kurz bevor wir den Ball und das ganze Blut fanden. Ich erinnerte ihn daran. "Ach das!" Er warf einen Blick auf GGG, der uns schweigend beobachtete. Als Kim mir nach einiger Zeit immer noch nicht geantwortet hatte, seufzte Grant, ehe er aufstand. "Dann lasse ich euch wohl alleine." Oh nein. Nicht, wenn Wodka hier blieb. "Kein Problem, wir gehen in mein Zimmer", entgegnete ich eilig. Ich ignorierte seinen verwirrten Blick und schubste Kimberley von mir runter. "Autsch." Das geschah ihm recht.
In meinem Zimmer ließ sich Kim sofort auf meinem Bett nieder, nahm es völlig für sich ein. Ich hatte sowieso vorgehabt, mich auf den Schreibtischstuhl zu setzen. "Also?", hakte ich nach und schob die Sonnenbrille näher an meine Nase. Meine Augen wanderten zu seinem Kopf. Während ich die Konturen seines Kinns musterte, begann er zu sprechen. "Ich wollte wissen, ob du mir..." Hübsches Kinn. "Naja, ich kann wenig damit anfangen, wenn du mir erzählst, dass meine Seele einen weißen Anzug trägt. Und deshalb habe ich mich gefragt, ob du es mir erklären kannst." Wieso hatte ich erahnt, dass es zu so einer Frage kommen würde? Und aus welchem Grund enttäuschte es mich, keine andere Frage aus seinem Mund zu hören? "Das ist nicht so leicht", sagte ich. Abwartend sah er zu mir auf. Ich wich seinem Blick aus. "In ihren Seelenräumen tragen Seelen normalerweise, was sie am liebsten tragen - zumindest wirkt es auf mich so. GGG hat dasselbe Holzfällerhemd an wie jetzt gerade." "Du meinst dieses ultrahässliche rot-blau-karierte?" Ich nickte. Ein kleines Grinsen schlich sich auf meine Lippen. Es sah wirklich scheußlich aus.
"Aber ich hasse Anzüge. Besonders weiße!", protestierte er, als ihm bewusst wurde, was ich ihm versuchte zu verklickern. "Jedenfalls war das, wie du sagst, bei dir nicht der Fall. Dein Seelenraum war weiß. Alles, von deinen Schuhen bis zu deinem Hemdkragen war weiß. Ich glaube, du hast sogar weiß geschimmert." Das schien ihn nicht im geringsten so sehr zu verunsichern wie mich. Im Gegenteil. Seine Miene hellte sich auf. "Bedeutet das nicht, dass meine Seele weiß ist?" "Sozusagen." Das wiederum hieße, dass seine Seele astrein war. Aber reine Seelen existierten nicht. Selbst Kimberley musste irgendwo einen Fehler haben - womöglich tief verborgen, doch er konnte nicht astrein sein. "Beim nächsten Mal sag ich meiner Seele, sie soll einen Heiligenschein aufsetzen", scherzte er. Augenverdrehend wies ich ihn zurecht. "Meiner Meinung nach solltest du dich nicht so sehr deswegen freuen." "Wieso?", fragte er. Diesmal scherzte ich: "Weil perfekt sein langweilig ist?"
Er schmiss das Kissen nach mir. Es traf mich unvorbereitet und riss mir die Brille von der Nase. Flink wie ich war, schloss ich prompt die Augen und fiel vom Stuhl. Super sexy. Ich blieb einfach auf dem Boden sitzen. "Im Ernst, ich weiß nicht, was es mit euren Seelen auf sich hat, aber gesund kann es nicht sein." Weder Kims weißer noch Nialls dunkler Seelenraum verhieß etwas gutes. "Unsere Seelen?" Seine Stimme klang verwirrt. Ups. "Pardon, deine Seele. Ich bin ein bisschen müde", log ich. Ich wollte ihn wirklich nicht belasten. Erst würde ich mich schlau machen und wenn später feststand, was mit Niall nicht stimmte, konnte ich ihn immer noch einweihen. "Dann leg dich besser schlafen. Morgen ist schließlich Montag." Richtig, hatte ich fast vergessen.
Next one. Ayyyy, jetzt fängt die Schule an. Leider ist im Reallife heute auch Montag, aber was solls. Rubys erster Schultag wird bestimmt weniger langweilig als meiner muhaha xxx
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