Kapitel 13
Für einen Moment war es totenstill, obwohl sich einige Schüler in dem Korridor versammelt hatten. Nur der verwirrte Schüler, den Ari mit dem Confundus getroffen hatte, bemerkte nichts von all dem: er öffnete das Buch, dass er übrigens falsch herum hielt, und begann zu lesen; sein Freund lag ausgeknockt neben ihm am Boden.
,,Volltreffer", kommentierte Ari in die Stille, was der Ausschlag dafür war, dass alle auf einmal begannen wild durcheinander zu reden.
Ein Vertrauensschüler aus Ravenclaw maß uns mit einem bösen Blick, weckte mit einem gemurmelten Zauber seinen bewusstlosen Mitschüler auf und wies die beiden an, ihm zum Krankenflügel zu folgen.
,,Und ihr alle, verschwindet jetzt!", herrschte er uns an.
Das ließen wir uns nicht zwei Mal sagen.
Ari und ich warteten noch, bis wir um die nächste Ecke gehastet waren, dann sahen wir uns an und begannen gleichzeitig laut zu lachen.
,,Oh man, das war vielleicht mal was!", keuchte Ari und hielt sich die Seiten.
,,Aber hey, Glückwunsch! Das war der beste Schockzauber, den ich je gesehen habe!", sagte sie und boxte mich freundschaftlich gegen die Schulter.
,,Danke!", sagte ich und grinste bis über beide Ohren.
Unser Hochgefühl endete allerdings nur wenige Ecken später, als Professor Dumbledore mit strenger Mine auf uns zu kam.
,,Grüner Hippogreif, er wird doch wohl nichts von dem Duell mitbekommen haben, oder?", wisperte Ari in meine Richtung und ich musste heftig schlucken. Konnte man dafür der Schule verwiesen werden ...?
,,Guten Abend, junge Damen. Verzeiht die späte Störung, Samantha, aber wir haben etwas wichtiges zu besprechen. Wenn du mir bitte in mein Büro folgen würdest?"
Er lächelte, doch seine Augen blieben ernst, was mir ein flaues Gefühl im Magen bereitete.
,,Natürlich, Sir", antwortete ich trotzdem und tauschte einen Blick mit meiner Freundin aus;
inzwischen brauchte es keine Worte mehr, dass wir uns verstanden.
,Was, bei Merlins pinker Unterhose, will er von dir?!', sagte Ari mit ihrer gekräuselte Nase und dem leicht schief gelegter Kopf, mit meinem leicht gequälten Lächeln wollte ich wiederum verdeutlichen, dass ich beim besten Willen keine Ahnung hatte.
Sie seufzte und sagte: ,,Wir sehen uns dann im Zimmer, ich nehme dir was vom Essen mit."
,,Danke", antwortete ich und meinte es auch so. Ohne Essen schlafen zu gehen wäre grauenhaft! Das war mein Körper nicht mehr gewohnt - und ich war froh drum.
Zusammen mit dem vor sich hin summenden Direktor lief ich jetzt also durch das Schloss, scheinbar ohne Eile. Trotzdem spürte ich, dass gleich etwas passieren würde und zerbrach mir den gesamten Weg über den Kopf, was das wohl sein könnte. Um das Duell von eben würde es sicher nicht gehen, das war mir klar.
Nachzufragen erschien mir aber nicht als respektvoll, also schwieg ich und lauschte den unterschiedlichen klassischen Sonaten, die Dumbledore von sich gab.
,,Tiramisu", nannte der Schulleiter das Passwort zu seinem Büro, als wir vor einer riesigen, vogelartigen Statue zu stehen kamen, und deutete mir auf die nun erscheinende Treppe zu steigen. Staunend lies ich mich von ihr emportragen, bis zu einer Tür, die Dumbledore für mich öffnete.
Dahinter befand sich der wohl kurioseste Raum, den ich je gesehen hatte. Das vordere Zimmer war groß und rund, das Hintere, das mit drei Stufen nach oben zu erreichen war, war ebenfalls rund - aber deutlich kleiner.
Zu meiner rechten hingen große, eingerahmte Portraits von verschiedenen Zauberern, zu meiner Linken zogen sich hohe Regale die runde Wand entlang - was ein ganz schönes Phänomen war. Die Regale waren gefüllt mit abschreckend dicken und alten Büchern, aber auch Instrumenten und seltsamen Gegenstände, für die mir nicht mal ein Name einfiel.
Die Regale und Portraits wurden immer wieder von bodentiefen Fenstern unterbrochen, die sich alle bis an die kuppelartige Decke zogen und dort den Blick in den Abendhimmel freigaben.
Nachts konnte man hier bestimmt gut die Sterne angucken ...
Professor Dumbledore hatte mir einen Moment zum Staunen gelassen, jetzt führte er mich weiter durch sein beeindruckendes Büro, vorbei an einem massiven Schreibtisch und hoch, in den zweiten Raum. Hier umringten mehrere Sessel einen ovalen Tisch, auf dem bereits eine Kanne Tee, zwei Tassen, sowie eine Schale Bonbons standen.
Das versprach interessant zu werden.
Wir setzten uns, und als jeder eine Tasse warmen Jasmin Tee in der Hand hielt rückte Dumbledore endlich raus mit der Sprache.
,,Wie viel weißt du über deine Eltern, Samantha?"
Es fühlte sich an, als würde die Zeit stehen bleiben. Meine Eltern? Hatte er etwas zu ihnen rausgefunden? Wusste er vielleicht sogar ...
Wie verdammt oft hatte ich versucht, etwas über sie herauszufinden.
,,Nur, dass sie wohl starben als ich vier Jahre alt war, Sir. Meine neue Familie hat mir gesagt, die Nachbarn meiner Eltern haben mich zu ihnen gebracht."
Nachdenklich strich Dumbledore durch seinen Bart.
,,Vier Jahre alt sagst du? Keine Zweifel ..."
Ich wagte kaum zu atmen. Er wusste es, es klang ganz so!!
,,Die ganze Geschichte geht tiefer, als du vielleicht denkst und ja, es ist auch etwas gefährlich, dir davon zu erzählen.
Aber, und da waren wir uns einig, du verdienst die ganze Wahrheit über deine eigene Familie. Und vor allem verdienst du jemanden, der dich endlich liebt und immer für dich da ist."
Er warf mir einen langen Blick zu.
Das war genau das, wovon ich jede Nacht bei den Smiths geträumt hatte.
Liebe.
Verständnis.
Ich war dem Ganzen gerade so nah, das spürte ich ...
,,Heißt das, sie sind gar nicht gestorben? Meine Eltern?"
,,Deine Mutter lebt leider nicht mehr-"
,,Aber mein Vater?" Vor lauter Aufregung war ich dem Professor ins Wort gefallen, doch in diesem Moment war es mir egal.
,,Aber, warum konnte ich nicht bei ihm aufwachsen? Hat er mich etwa nicht bei sich gewollt?"
Dumbledore unterbrach meine Fragen, indem er freundlich aber bestimmt eine Hand hob. Ich verstand und senkte den Kopf.
,,Dein Vater konnte dich nicht behalten oder später suchen, weil du ihm in jener verhängnisvollen Nacht von grausamen Zauberern entrissen wurdest und aus seinem Gedächtnis gelöscht wurdest. Von den selben Zauberern, die deine Mutter töteten."
Bitte was?!
Es fühlte sich an, als würde das wilde Gedanken-Karussell in meinem Kopf abrupt zum Stillstand gekommen sein. Sehr abrupt.
Ich schluckte schwer und bemerkte nur nebenbei, wie ich Dumbledore mit weit aufgerissenen Augen anstarrte.
,,Aus dem Gedächtnis gelöscht ...?", wiederholte ich leise, meine trance-artige Haltung nicht verlassend.
Mein Gegenüber nickte und seufzte.
,,Das ist dunkle Magie und einer der schlimmsten Verbrechen, die man einem Menschen antun kann. Das wohl gefährlichste daran ist, dass man nicht merkt, wenn jemand die eigenen Erinnerungen verändert hat. Was man vergessen hat kann man schließlich schwer vermissen, stimmts?"
Meinem Vater wurde die Erinnerung an mich gelöscht, unbemerkt bis ... jetzt. Wie musste es ihm damit gehen, nun wieder zu wissen, dass es mich gab?
Ich war dabei, einen Teil Familie wieder zu finden. Meiner Familie.
Meine Starre löste sich langsam und machte einem warmen Gefühl in meinem inneren Platz.
Ich war kein Waisenkind mehr, bestimmt hatte mein Vater auch ein schönes Haus und ich konnte immer in den Ferien, wenn Ari und all die anderen Heim fuhren, auch in den Hogwarts-Express steigen, von jemandem liebevoll empfangen werden.
Oh, wie lange hatte ich davon geträumt ...
Konnte ich ihn bald kennenlernen? Wie war er wohl? Hoffentlich ein bisschen so, wie ich ihn mir vorstellte. So, wie die Eltern mancher Kinder, die ich am Spielplatz nebenan beobachtet hatte.
Wo er wohl lebte? Und - Moment mal.
,,Wie haben sie das überhaupt herausgefunden, Sir? Wenn man es doch gar nicht bemerkt, wenn einem Erinnerungen fehlen."
Klar, man sagte Dumbledore eine hohe Intelligenz nach, aber irgendwie erschien mir es etwas zu ... kurios, dass er das gegen die Gesetze der Magie herausbekommen hatte.
Der alte Mann nickte mir anerkennend zu.
,,Eine sehr gute Frage! Es kommt immer auf die Präzision an, mit der der Zauber gewirkt wurde, wie lange und ganzheitlich er das Gedächtnis manipuliert. Mit anderen Worten: wie gut gezaubert wurde. Nun, zu unserem Glück wurde der Zauber nicht besonders gut ausgeführt."
Er gluckst.
,,Wir vermuten außerdem, dass der Täter gar nicht die Erinnerung an dich auslöschen wollte, sondern die an sich selbst. Er hat beim Wirken des Spruchs aber wahrscheinlich an dich, das Kind dessen Schicksal er so sehr veränderte, gedacht."
Ich fasste mir mit einer Hand an die Stirn. Das wurde ja immer komplizierter!
Mitfühlend legte Dumbledore den Kopf schief, als er meine kraus gezogene Nase und den zweifelnden Blick bemerkte.
,,Ist alles ziemlich viel auf ein Mal, nicht wahr?"
Schnell winkte ich ab. Natürlich waren diese Offenbarungen viel und verwirrend noch dazu. Aber ich wollte alles wissen, jedes noch so kleine Detail.
,,Um auf deine Frage zurückzukommen:", sprach Dumbledore schließlich weiter,
,,Es war gar nicht ich, der das bemerkt hat, sondern dein Vater selbst. Immer öfter hatte er Szenen im Kopf, bei denen Teile zu fehlen schienen, ob das von dir ausgelöst wurde, oder weil die Wirkung langsam nachlässt.
Er kam zu mir und zusammen haben wir es geschafft, die gedankliche Barriere durch Magie aufzulösen."
Von mir ausgelöst.
Von mir ausgelöst?!
Das bedeutete ja - dass ich ihn bereits kannte?!
,,Wer sind meine Eltern?"
Meine Stimme war ganz ruhig, meine Augen fest auf den alten Mann vor mir gerichtet.
,,Katherina und Severus Snape."
Katherina und Severus. Mir lief ein Schauer über den Rücken, als die beiden Namen innerlich in mir weiter klangen. Es schien, als würde etwas in mir sie wiedererkennen ...
Mein Kopf wollte mir einreden, dass es komisch war. Dass Snape nur mein Lehrer ist.
Doch mein Herz war lauter, dieses eine Mal war es das.
Ich erinnerte mich an das erste Treffen mit Severus Snape in der Winkelgasse, das seltsam vertraute Gefühl. An das Gespräch gestern, bei dem es sich in keinem Moment seltsam angefühlt hatte, mit ihm zu reden. Und all die flüchtigen Blickkontakte im Unterricht oder auf den Gängen, die mir eine Gänsehaut gaben.
Und plötzlich zweifelte ich nicht mehr an Dumbledores Worten.
Ich bin eine Snape.
Bis vor einer Stunde hatte ich geglaubt, beide meiner Eltern wären verstorben - und jetzt?
Ich fühlte, wie meine Augen feucht wurden, als dieser Gedanke in mein Bewusstsein sickerte.
Es waren Tränen der Freude, dass ich nun wusste, wer meine Eltern waren.
Tränen der Hoffnung, auf einen Neuanfang als Familie.
Aber auch Tränen der Trauer, dass ich meine Mutter Katherina wirklich niemals wieder sehen konnte.
Dass ich so viele Jahre getrennt von ihnen gelebt hatte.
Wann hatte ich zuletzt so viel auf einmal gefühlt? Ich wusste es nicht.
Doch ich liebte es.
Dumbledore reichte mir ein heraufbeschworenes Taschentuch, dann legte er seine faltigen Hände über die Meinen und setzte zum Sprechen an.
Was er sagen wollte würde ich wohl nie erfahren, denn in diesem Moment klopfte es drei Mal an die Bürotür und er schloss den Mund wieder.
Stattdessen warf er mir einen prüfenden Blick zu und sagte:
,,Komm rein, Severus."
Guten morgen ihr Lieben und einen schönen zweiten Advent euch!
Jetzt weiß Sam also, wer ihre Eltern sind ...
Ich habe mir große Mühe gegeben, die Erklärungen gut verständlich zu erklären - ich hoffe es ist mir gelungen?
Falls ihr trotzdem noch etwas irritiert seid - keine Sorge, in den nächsten beiden Kapiteln wird noch mehr aufgeklärt. :)
Das nächste Kapitel ist übrigens schon in Arbeit, ihr müsst also dieses mal versprochen nicht so lange warten, bis es weiter geht.
Bis dann <3
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