Zwei
ZWEI
Nicht das Klappen der Tür riss mich aus dem Schlaf, sondern das gedimmte Licht, das plötzlich anging. Da wurde mir erst bewusst, dass ich eingeschlafen sein musste. Ich blinzelte, rollte mich herum, wobei sich das dünne Laken um meinen nackten Körper wickelte. Irgendwo am Ende des Bettes war das Rascheln von Stoff zu hören. Metall klimperte leise und fiel zu Boden. Gleich darauf senkte sich die Matratze des Bettes und bevor ich überhaupt richtig wach war, kroch er über mich.
Er sagte kein Wort, küsste mich stattdessen gierig und zerrte gleichzeitig an dem verhedderten Laken.
Nur langsam kam ich im Wachzustand an, dann schob ich ihn etwas von mir und blinzelte ihn an.
„Wie spät ist es?"
„Keine Ahnung." Mit einem Schulterzucken machte sich Taemin wieder über das Laken her, rollte mich ein Stück nach links, ein Stück nach rechts, bis der Stoff sich löste und seine Hände auf meine nackte Haut gelangen konnten. Sie waren heiß und ich atmete überrascht ein. Da grinste er, beugte sich erneut herab und küsste mich hart.
„Mmmh, du schläfst nicht wieder ein, Baby, hm?"
Stumm schüttelte ich den Kopf, schob eine Hand in seine Haare und zog ihn etwas herab. Er war nackt, sein ganzer Körper so erhitzt, dass man es wahrnehmen konnte, ohne ihn zu berühren und das machte mich unruhig. Ich wollte ihn küssen, wollte das genießen, aber er entzog sich mir viel zu schnell wieder. Erneut rupfte er an dem Laken, seine Hand landete schwer und heiß auf meinem Bein und strich von meinem Knie aus nach oben und nach innen. Ich atmete hektisch ein und sah in seine Augen. Sie waren dunkel, die Pupillen so groß, dass sie beinahe die ganze Iris einnahmen und mir war klar, dass er sich irgendwas eingeworfen hatte, was womöglich jetzt erst seine volle Wirkung entfaltete.
Verdammt! Wenn er drauf war, wurde er meistens von einer Begierde getrieben, die selten zielführend war und jedes erotische Zwischenspiel konnte dann zu einem elenden Kraftakt werden, der mit Leidenschaft und Erfüllung nur wenig gemein hatte. Trotzdem wusste ich natürlich, was er von mir erwartete. Ich rückte näher zu ihm hin und öffnete die Beine etwas. Da glitt seine Hand dazwischen und seine Fingerkuppen stießen auf den Schmuckstein. Für einen Moment konnte man die Überraschung in seinen Augen aufblitzen sehen, dann huschte ein verschlagener Ausdruck über seine Miene.
„Was für ein braves Täubchen" nuschelte er und sein Atem streifte meine Lippen. Er roch nach Alkohol, aber es war ok. Seine Hand presste sich in meinen Schritt, die Finger drückten auf den Stein, sodass ich leise aufkeuchte.
Taemin küsste mich, leckte über meine Unterlippe, dann packte seine Hand grob mein Bein und drückte es zur Seite.
„Mach die Beine auseinander. Weiter." Sein Blick fiel auf den glänzenden mintfarbenen Stein, während ich gehorsam die Beine für ihn öffnete und eine wilde Gier leuchtete in seinen Augen auf.
„Wunderschönes Täubchen." Sein dunkel verhangener Blick schlingerte zurück zu meinen Augen, er beugte sich herab und sein Mund verharrte an meinem. „Ich will dich", raunte er heiser. „Ich will dich so sehr..."
Ja, das konnte man sehen, man konnte es spüren, die fiebrige Anspannung, die seinen ganzen Körper in Aufruhr versetzte. Womöglich war das sogar zu viel. Ich umfasste sein Gesicht und hielt ihn einen Moment fest, bis sein Blick sich tatsächlich auf meinen fokussiert hatte.
„Dann nimm dir, was dir gehört", hauchte ich gegen seine Lippen und konnte erneut spüren, wie er erschauerte. Nein, es war nicht meine bevorzugte Art, wenn es auf diese Weise zwischen uns geschah, aber ich wusste auch, was er in solchen Momenten brauchte und war gewillt, es ihm zu geben.
Rasch tastete ich unter dem Kissen nach dem Gleitgel um es ihm in die Hand zu drücken. Ohne ein Wort nahm mir Taemin die Tube ab, verteilte etwas von dem Gel auf seinen Fingern, um es anzuwärmen und legte die Finger danach um seine zuckende Erregung. Ein ungeduldiges Grollen entrang sich seiner Kehler und er leckte sich unruhig über die Lippen, während er auf Knien zwischen meine Beine rutschte. Jetzt griff er nach dem Glitzerstein, zog langsam an dem Plug und ich grub mit einem undefinierbaren Laut die Finger in das Laken.
Es fühlte sich etwas unangenehm an, vielleicht hatte ich ihn ein wenig zu lang getragen und war bereits zu trocken. Oder ich hätte nicht damit einschlafen sollen. Aber dann gab mein Körper das Toy frei und ich zuckte unwillkürlich, wegen der plötzlichen, ebenso unangenehmen Leere.
„Bitte..." Ich schob mein Becken in seine Richtung, sah ihn an und grub die Zähne in meine Unterlippe. Wenigstens musste ich nicht wirklich betteln, denn ich sah noch wie er sich selbst mit wenigen Handgriffen bearbeitete, bevor er sich bereits zwischen meinen Beinen positioniert und seine Spitze in mich drückte.
Oh Gott, ja! Ich seufzte, hob ihm erneut mein Becken entgegen und Taemin schob sich mit einem einzigen harten Stoß in mich.
Da drängte doch ein unartikulierter Laut über meine Lippen, gleichzeitig packte ich ihn an den Haaren und hielt ihn fest, als er sich aufrichten wollte.
„Warte... ssh, ssh.. warte... bitte..." Mein suchender Mund fand den seinen und wir küssten uns atemlos. Doch noch bevor ich soweit war, zog er sich zurück und stieß ein weiteres Mal tief in mich, sodass ich hemmungslos in seinen Mund stöhnte.
Oh scheiße, ehrlich, es war nicht sanft, natürlich nicht, aber es war gut und ich wusste, würde er so weitermachen, würde ich es wohl kaum lange genug aushalten. Wieder riss ich an seinen Haaren.
„Mach langsam, bitte..."
Aber er dachte ja nicht daran. Ein weiterer rauer Kuss folgte, dann griff er meine Handgelenke und drückte sie in die Matratze. Mein Becken ruckte ihm entgegen, er stieß erneut zu und dieses Mal traf er exakt jenen Punkt, der mir ein kehliges Stöhnen entlockte. Ich konnte es nicht mal unterdrücken.
Taemin grinste infam, richtete sich etwas auf und ließ meine Hände los. Dafür wurden meine Beine höher gedrückt und damit nahm er mir jede Chance auf Kontrolle. Immer wieder stieß er zu, brachte mich dazu, dass ich mich unter ihm aufbäumte und meine Beine zu zittern begannen. Dann umfasste er auch noch meinen harten Schaft und ich stöhnte erneut haltlos.
Ich stand so kurz vor meinem Höhepunkt und er hatte gerade erst begonnen. Allerdings ließ er mich auch nicht aus seinen Fängen. Er nahm mich in einem gnadenlosen Rhythmus, bearbeitet mich zusätzlich mit der Hand und der Triumph leuchtete aus seinen Augen, während ich mich auf meinen Bauch ergoss.
Womöglich machte ihn das ja noch mehr an, zu sehen, wie schnell er mich über die Grenze treiben konnte, denn jetzt genoss er jede Bewegung, langsam, tief und gründlich, sodass ich erschöpft wimmerte.
Es waren die Scheiß-Drogen, die ihn bis an die Kante kickten, aber gleichzeitig dafür sorgten, dass er nicht kommen konnte - nicht so. Nicht, wenn er so extrem versessen darauf war, mich unter ihm in ein zitterndes und jammerndes Bündel zu verwandeln. Und wenn ich jetzt nicht die Kontrolle über die Situation bekam, würde er mich im schlimmsten Fall wundficken und es nicht mal merken.
Also griff ich wieder in seine Haare, packte zu, bis der Schmerz zu ihm durchdrang und er knurrend den Kopf hob. Er mochte nicht, wenn ich mich zu dominant präsentierte, wenn ich versuchte, ihm meinen Willen aufzuzwingen, aber es gab ein paar Möglichkeiten. Eine davon war ein grober Überraschungsangriff. Das würde er mir nicht lange durchgehen lassen, schon klar, aber wenn ich geschickt und schnell genug war...
Sekundenlang verlor sich sein Rhythmus und er starrte mich schweratmend an.
„Du kleines Luder", raunte er dabei verwaschen, wollte mich gerade wieder zurück in das Laken drücken, als ich gerade so viel Spielraum bekam, dass ich ein Stück von ihm abrücken konnte. Im nächsten Moment spürte ich, wie er aus mir glitt und gleich darauf folgte sein aufgebrachtes Fluchen.
„Scheiße, Baby! Halt still! Du-"
„Sshh", machte ich, klemmte ein Bein um ihn und brachte ihn mit einer schnellen Drehung zu Fall. Ein Umstand, der allein seiner fehlenden Koordination zuzuschreiben war. Mit einem dumpfen Ächzen fiel er auf den Rücken, brauchte wieder die entscheidenden Sekunden zu lange, um zu reagieren, da war ich bereits über ihm und hielt ihn, eine Hand auf seiner Brust, dort fest.
„Sshh", machte ich wieder und lächelte vage. „Lass mich das machen."
Mein Glück, zu wissen, dass er es mochte, wenn ich auf ihm saß, mein Glück auch, dass ich wusste, dass es in dieser Stellung weitaus einfacher für ihn war, trotz Alkohol oder Drogen doch noch zum Schuss zu kommen. Logische Hochrechnung, er musste nicht gleichzeitig mich zum Kommen bringen, sich koordiniert bewegen und sich auf seinen Körper konzentrieren. Genaugenommen musste er... gar nichts machen, denn in dieser Position konnte ich einfach alles steuern. Mein Erregungslevel, vor allem aber seins, ich konnte auf jede Nuance reagieren, konnte entscheiden was er brauchte und das in seinem Zustand garantiert besser als er selbst.
Tatsächlich ebbte seine Gegenwehr jetzt langsam ab und er grinste dreckig.
„So willst du es?"
„Mmh - du doch auch", flüsterte ich und kroch ein Stück höher. Prompt packte er zu, umfasste meinen halbharten Schwanz und ich raunte dumpf. Ich beugte mich zu ihm, küsste ihn und tastete gleichzeitig nach der Tube mit dem Gleitgel. Endlich gefunden, richtete ich mich auf, löste seine Hand behutsam und quetschte ihm stattdessen etwas von dem Gel auf die Finger.
„Jetzt."
Während er der Aufforderung nachkam und mir das kühle Gel eine Gänsehaut über meinen Körper jagte, schloss ich für einen kurzen Moment die Augen. Sollte er denken, dass er alle Macht über mich hatte, aber mit dem glitschig-feuchten Film war es deutlich einfacher zu ertragen und auch ungleich leichter zu beherrschen. Mein leises Seufzen dann und wann war für ihn. Meine Zähne, sinnlich in meine Unterlippe gegraben, all das war für ihn. Mittendrin hörte es auf, seine Hand klatschte auffordernd auf die Außenseite meines Beins und ich sah ihn wieder an. Es würde auch jetzt nicht nett werden, das war mir klar, aber da musste ich jetzt wohl durch.
Meine Hand umfasste seinen pulsierenden Schaft, meine Finger rieben ein wenig härter als nötig über seine feucht glänzende Spitze, bis Taemin ein dumpfes Stöhnen ausstieß. Das war mein Zeichen.
Rasch kroch ich ein Stück höher, positionierte mich und dirigierte ihn langsam in mich. Okay, das war... immer noch verdammt intensiv - ich atmete ruhig aus und versucht mich so gut es ging zu entspannen - aber immerhin war es so etwas leichter zu händeln. Für mich persönlich hätte ich vermutlich noch eine halbe Tube des Gels gefordert und damit gerne eine unglaubliche Sauerei angestellt, aber das hier war für ihn, also blendete ich den leichten Schmerz aus. Ein bisschen was konnte ich schon aushalten, es war ja nicht das erste Mal.
Noch während ich mich auf ihn sinken ließ, wollte Taemin sich aufrichten, aber ich hielt ihn zurück, schüttelte nur den Kopf und er ließ sich wieder umfallen. Je weniger er agierte, desto einfacher für mich. Ich konnte mich bewegen wie ich wollte, konnte selbst entscheiden, wie viel Stimulanz ich noch ertragen konnte und ihm trotzdem geben, was er brauchte.
Relativ schnell spürte ich, wie sein Becken meinen Bewegungen entgegenzuckte, seine Bauchmuskeln vibrierten unter der aufgestauten Erregung, aber der letzte Kick kam einfach nicht. Auch nicht, als ich meine Position veränderte, das Becken kippte, die Muskeln in meinem Inneren anspannte, auch wenn sich dabei seine Finger in meine Oberschenkel gruben und er mir ein atemloses „fuck" entgegenraunte.
„Fuck, Baby, mach weiter, genau so."
Es war eine Tortur, und es war anstrengend, und schweißtreibend. Meine Haare klebten feucht in meiner Stirn, Schweißtropfen perlten über meine Schläfen, mein ganzer Körper war von einem feuchten Film überzogen. Ich veränderte den Rhythmus, spannte erneut die Muskeln an und lehnte mich etwas zurück. Eine Hand abgestützt, fasste ich mit der anderen in meinem Rücken zwischen seine Beine. Sanft massierte ich seine Hoden und jetzt bäumte er sich mit einem ungehaltenen Stöhnen auf. Ich lächelte, ich hatte ihn in der Hand - wortwörtlich. Ich konnte ihm den letzten Kick geben, den er brauchte also tat ich es.
Als er kam, gruben sich seine Hände in meine Hüften und er presste mich so hart auf seinen Schoß, dass ich ein dumpfes Wimmern ausstieß. Keine Chance, jetzt konnte ich mich nicht mehr bewegen, aber das war auch nicht nötig. Ich konnte spüren, wie er in mir kam, heiße Spuren, die mein Innerstes auskleideten. Dann richtete er sich auf, packte mich mit einer Hand um die Mitte und hielt mich genau so fest. Sein Becken schob sich in unkontrollierten Zuckungen gegen mich und ich biss die Zähne zusammen.
Gerade war ich von einem eigenen möglichen Höhepunkt meilenweit entfernt und meine Erregungskurve krachte immer weiter ein, weil ich einfach fertig war. Allerdings wusste ich auch, dass Taemin nicht zufrieden sein würde. Seine linke presste sich in meinen Rücken, um mich in genau der Position zu halten, die rechte schob sich zwischen meine Beine, sodass ich dumpf keuchte.
„Nicht", flüsterte ich, umschlang seinen Nacken und kippte zitternd nach vorn. „Bitte, ich kann nicht..."
Normalerweise war es einfacher, ihm seinen Willen zu lassen, aber es ging einfach nicht.
„Taem, bitte..." Mein Mund streifte seine Lippen, meine Hände streichelten unablässig über seinen Nacken, seinen Hals, seine Wangen. „...bitte... ich kann nicht... bitte..."
Es war ein schwacher Versuch und vielleicht nur deswegen von Erfolg gekrönt, weil ich tatsächlich nur noch ein zitterndes Bündel in seinen Händen war. Ich sackte nach vorne, die Stirn auf seiner Schulter und jaulte ganz leise, während er mich etwas anhob, sodass er aus mir glitt.
„Mmh, Baby...", schnurrte er an meinem Ohr. „So fertig, hm?" Es klang fast belustigt, auch wenn nichts daran wirklich belustigend war. Ich war fertig, ich war am Ende und gerade nicht mal fähig, mich von ihm herunterzuschieben, also blieb ich auf ihm kauernd hocken und registrierte nur am Rande, wie er meinen Rücken streichelte und durch meine Haare glitt.
Bis ich wieder zu Atem gekommen war, fröstelte es mich leicht und kalte Schauer erschütterten mich dann und wann. Da half es auch nicht mehr, dass seine Hand warm - nein, immer noch heiß - und fest über meinen Rücken strich.
Irgendwann griff er jedoch in meine Haare, zog daran, sodass ich aufsehen musste und ich begegnete seinem funkelnden Blick mit einem leisen Seufzen.
„Du schläfst ja doch schon", murrte er undeutlich, also ließ ich mich gegen ihn sinken, umfasste behutsam sein Gesicht und drückte meinen Mund auf seine Lippen.
„Tut mir leid", hauchte ich, weil ich wusste, dass er auch das mochte. Ich durfte sein Baby sein und es auch zeigen.
„Ist okay", murmelte er rau, versuchte mich dennoch zu küssen und erst als er bemerkte, dass ich auch das kaum erwiderte, löste er sich seufzend von mir, berührte meine Wange, strich mit dem Daumen über meine Haut. „Dann leg dich wieder her."
„Ich muss ins Bad", widersprach ich, richtete mich vorsichtig auf, sah ihn an und wartete auf sein okay. Er konnte verdammt wütend werden, wenn ich mich einfach so aus dem Bett stahl und seine Lust längst noch nicht befriedigt war. Vor allem wenn Drogen im Spiel waren.
Aber jetzt nickte er nur stumm, also krabbelte ich von ihm herunter und aus dem Bett. Ich bewegte mich langsam und mit Bedacht, auch weil ich wusste, dass er mich beobachtete und ich keine Diskussion anzetteln wollte, die er in dieser Verfassung sowieso nicht führen konnte. Im Bad sperrte ich mich ein, obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass er mir nicht folgen würde.
Für einen Moment starrte ich nur in den Spiegel und versuchte in dem Abbild, das ich sah, mich selbst zu erkennen, aber es gelang mir kaum. Was war nur aus mir geworden, war ich tatsächlich nur noch eine Marionette, deren Fäden er zog, ganz wie es ihm beliebte?
Das Schlimmste daran war ja eigentlich, dass meine Gefühle immer noch dieselben waren. Nach wie vor war er der Mittelpunkt meiner Welt und ich wollte mein Leben mit niemanden sonst teilen. Wenn es denn ein Leben wäre! Ich war nicht unglücklich, ich war unzufrieden, das war ein gewaltiger Unterschied. Es gab keine Tränen, aber dieses überwältigende Gefühl von Wut, dass sich langsam immer weiter aufbaute und immer mehr Raum einnahm.
Das und die bange Frage, ob er mich auch liebte - so sehr wie ich ihn.
Ich fluchte verhalten, wandte mich vom Spiegel ab und säuberte mich notdürftig. Noch war kein gereiztes Rufen zu mir durchgedrungen, also öffnete ich die Schublade auf meiner Seite des Doppelwaschtisches. Dort lagerte immer, neben allen anderen Dingen, die ich nicht mit ihm teilte, eine Packung Schmerztabletten, beruhigende Hautlotion und Wundsalbe. Ich drückte vorsorglich zwei Tabletten aus dem Blister und schluckte sie mit einem halben Glas Wasser, bevor ich die Schachtel wieder zurückwarf und endlich das Bad verließ.
Am Bett angekommen musste ich zu meiner grenzenlosen Überraschung feststellen, dass Taemin eingeschlafen war. Für einen Moment setzte ich mich auf die Bettkante, wartete ab, doch da er nicht erwachte, kehrte ich noch einmal ins Bad zurück. Eine gewisse Erleichterung erfasste mich, als ich unter die Dusche trat, denn jetzt machte ich mir keine Gedanken mehr, ob er gleich barsch nach mir rufen und erneut meine Hingabe fordern könnte. Stattdessen genoss ich das beruhigende Gefühl von warmem Wasser auf der Haut, nicht nur, um mich nicht mehr wie ein roh zerriebenes Stück Fleisch zu fühlen. Es war tröstend, der Dampf, die Wärme, der duftende Schaum. Bis ich endlich das Wasser abstellte, war die ganze Luft schwer und warm. Von draußen war kein Laut zu hören, also zog ich erneut die Schublade auf, nahm die kleine Salbentube heraus und versorgte mich selbst. Noch war es nur unangenehm, aber ich hatte auch keine Lust darauf, abzuwarten, wie schlimm es wirklich werden würde.
Danach rubbelte ich mir die Haare trocken, hüllte mich in ein großes Badetuch und griff mir, auf dem Weg zurück, frische Unterwäsche aus der Kommode. An Ort und Stelle ließ ich das Badetuch fallen, zog mich an und kehrte endlich zum Bett zurück. Wie erwartet schlief Taemin immer noch, also setzte ich mich vorsichtig neben ihn und betrachtete ihn eine Weile.
Wenn er schlief, wenn er nicht von all den bedrohlichen Gedanken geprägt war, die ihn jede Stunde des Tages begleiteten, wirkte er viel jünger. Seine Gesichtszüge waren weicher und diese Losgelöstheit vermittelte eine Verletzlichkeit, die er andernfalls niemals preisgab.
Allerdings hatte ich auch noch nie erlebt, dass ihn etwas so dermaßen ausgeknockt hätte. Verunsichert streckte ich die Hand aus, berührte seine Wange, aber er regte sich nicht. Behutsam strich ich ihm die wirren Haarsträhnen aus der Stirn, ließ meine Fingerspitzen die Kontur seines Gesichts entlangwandern und legte meine Hand am Ende auf seine Brust. Sein Atem ging ruhig und ich konnte seinen Herzschlag fühlen, fest und gleichmäßig, das beruhigte mich etwas, dennoch hielt mich ein seltsam-aufwühlendes Gefühl gefangen.
„Liebst du mich?", flüsterte ich brüchig in die Stille hinein und meine Fingerspitzen zuckten überrascht, als er plötzlich mit einem leisen Brummen den Kopf wandte. Mein Puls jagte in die Höhe und ich verharrte reglos, doch er wachte nicht wirklich auf.
Erst nach einer Weile entließ ich den angehaltenen Atem und streichelte erneut seine Brust.
Taemin raunte leise, seine Augenlider flatterten, dann blinzelte er mich plötzlich an und gleichzeitig fasste er nach meiner Hand und hielt sie fest.
„Baby", raunte er verwaschen. „Da bist du ja..." Er seufzte schwer. „Komm her..."
Also legte ich mich zu ihm, kroch vorsichtig unter die dünne Decke und zog sie über uns beide, bevor ich mich in seinen Arm schmiegte. Er drückte das Gesicht in meine Haare und raunte zufrieden.
„Du riechst gut, Täubchen", nuschelte er im Halbschlaf, rollte sich dabei ein Stück herum und zog mich enger an sich. Vielleicht hätte ich diesen Moment besser genießen können, wenn mein Kopf nicht so vollgestopft gewesen wäre, mit all diesen schwermütigen Gedanken, die selbst seine unmittelbare Nähe nicht vertreiben konnte.
Nein, ich fand einfach keine Ruhe. Wieder strich meine Hand über seine Brust, tasteten meine Finger über jeder Erhebung und Vertiefung, die sie berührten, bis ich ihn erneut ganz deutlich seufzen hörte, dann hielt ich still.
„Liebst du mich?", fragte ich lauter und mit deutlich mehr Mut, als ich selbst erwartet hätte. Halb neben, halb unter mir bewegte sich Taemin leicht und seine Hand fuhr ein wenig unkoordiniert in meine feuchten Haare.
„Das weißt du doch", murmelte er rau.
Ja - nein. Wusste ich, und auch wieder nicht, denn eigentlich war ich immer derjenige, der es sagte und seine Antwort war zumeist ein schlichtes „dito", „ja" oder „ich weiß". Das konnte alles heißen oder etwa nicht?
„Nein", sagte ich und war selbst überrascht von meinem forschen Tonfall.
„Nein, ich meine das ernst. Liebst du mich?"
Auch wenn ich wusste, dass es absolut unsinnig war, ausgerechnet jetzt mit ihm reden zu wollen, brach es einfach aus mir heraus. Es ließ sich nicht aufhalten.
Taemin raunte irgendwas, was ich nicht verstand, dann blinzelte er erneut und jetzt schaffte er es immerhin mich sekundenlang zu fokussieren, bevor sein Blick wieder wegdriftete.
„Wer bist du? Hmm...meine Frau? Baby... Was... soll das jetzt?" Jedes seiner Worte war schwer und schleppend und die Vernunft sagte mir, dass es völlig sinnlos war, überhaupt nur darauf einzugehen, aber meine Emotionen ließen sich gerade nur schwer bändigen.
„Es ist eine ganz einfache Frage, okay?", stieß ich aufgebracht hervor und setzte mich auf. „Ein einfaches ja oder nein genügt, ist das wirklich so schwer?"
Jetzt schlug er die Augen auf. Für einen Moment huschte sein Blick über die Decke über ihm, als folgte er einem unsichtbaren Insekt, dann erst sackte er langsam herab und hielt an meinen Augen an. Aus seiner liegenden Position starrte er mich an und ich war mir nicht sicher, ob er mich auch erkannte. Schließlich zog sich seine Stirn in Falten. War er verärgert, verwirrt? Womöglich, ich konnte es tatsächlich nicht sagen, doch plötzlich hob er die Hand und seufzte.
„Ja", knurrte er. Eine lange Pause entstand und er seufzte erneut schwer. „Ja, ich... liebe dich, okay? Zufrieden? Wunderbar..." Damit schüttelte er den Kopf, schloss die Augen wieder und legte einen Arm darüber.
„Ich fasse es nicht, dass... du...", verstand ich noch, der Rest war sinnloses Gebrabbel.
Scheiße.
Ich kauerte immer noch auf Knien neben ihm und starrte ihn an. War ich zufrieden?! Natürlich nicht! Jetzt machte ich mir Sorgen, war frustriert und...
Ach, Scheiße verdammte! Was war nur in mich gefahren, dass ich mitten in der Nacht, noch dazu in so einer Nacht, mit diesem Müll ankam? Aber jetzt wurde ich richtig sauer, auf ihn, noch mehr auf mich und natürlich war ich auch nicht mehr müde. Wortlos kroch ich aus dem Bett und tigerte aus dem Schlafzimmer. Ich hatte gute Lust mich sinnlos zu betrinken, ließ es aber sein, der Schmerztabletten wegen. Ich hätte auch gute Lust gehabt, irgendwelche bekackten Drogen zu versuchen, aber vermutlich wäre auch das nur bei einem Gedanken geblieben, weil er mir jeglichen Konsum untersagt und mich über all die Zeit hinweg so konsequent von all dem Zeug ferngehalten hatte, dass ich wahrscheinlich nicht mal unten im Club fähig gewesen wäre, mir irgendwas zu besorgen.
Und so landete ich am Ende mit angezogenen Beinen in der Ecke des Sofas, von wo aus ich die Wand anstarrte und angestrengt versuchte, den Auslöser meiner Wut zu benennen. Es gelang mir nicht und als ich doch noch müde wurde, blieb ich stur hocken, wo ich war. Es war das erste Mal in über acht Jahren, dass ich nicht in unserem gemeinsamen Bett schlief.
Geweckt wurde ich von einer sanften Berührung, die mich fast so sehr irritiert, wie das was ich sah, als ich blinzelnd die Augen aufschlug. Taemin hockte vor mir und betrachtete mich nachdenklich.
„Warum liegst du auf der Couch?"
Das wusste ich auch nicht, aber es fiel mir leider sofort wieder ein, während ich mich aufrichtete. Zu schnell noch dazu, was auch keine gute Idee war, denn jetzt zuckte ein schmerzhaftes Reißen quer durch meinen Unterleib und ich stöhnte überrascht auf.
„Was ist?"
„Nichts." Kopfschüttelnd biss ich die Zähne zusammen, atmete bewusste ruhig ein und aus und wartete darauf, dass der Schmerz abebbte.
„Ich hab mich heute Nacht nicht gut gefühlt", log ich. „Deswegen..." Meine schwache Geste umfasste die Couch.
Taemin regte sich nicht und starrte mich immer noch an, nachdenklich vielleicht oder auch abwartend. Da ich diese durchdringende Nähe gerade so gar nicht abkonnte, wollte ich wegrutschen und aufstehen, doch mein Körper streikte und bei meinem zweiten schmerzhaften Keuchen, presste Taemin die Lippen zusammen, sodass sie nur noch eine dünne Linie bildeten.
„Okay, Baby" murrte er schließlich. „Was ist los, rede mit mir. Habe ich dir wehgetan?"
„Nein", wiegelte ich ab.
„Was dann, brauchst du irgendwas?"
„Nein."
Er atmete langsam aus, legte die Hände auf meine Knie und senkte einen Moment lang den Kopf, bevor er den Blick hob und mich erneut ansah.
„Ich hab dir wehgetan", wiederholte er leiser und während ich noch den Kopf schütteln wollte, schnalzte er bereits unwillig mit der Zunge. „Warum lügst du mich jetzt an?"
„Weil...!" Ach, vielleicht war es wirklich schon egal. „... es keine Rolle spielt", schloss ich lahm. „Es ist nicht wichtig und es ist auch nicht schlimm. Du... warst einfach ziemlich drauf gestern."
Jetzt seufzte er, seine Stirn sank ein weiteres Mal auf meine Knie und seine Hände strichen über meine Oberschenkel.
„Es tut mir leid", hörte ich ihn murmeln und nach wie vor ruhte seine Stirn auf meinen Knien.
Die Geste an sich, aber nicht zuletzt diese seltsame demütige Haltung, milderten meine aufgebrachte innere Unruhe und ich strich durch seine Haare, verflocht meine Finger immer wieder neu mit den hellen, silberblonden Strähnen, während ich zusah, wie sie langsam durch meine Finger glitten. Vielleicht wäre das jetzt der weitaus bessere Augenblick gewesen, die Frage zu stellen, die mir auf der Seele brannte und ich wollte mich am liebsten selbst ohrfeigen für mein dummes Aufbegehren mitten in der Nacht.
Aber jetzt... jetzt? Vielleicht...
Plötzlich klopfte mein Herz ganz schnell und mein Mund war mit einem Mal wie ausgetrocknet.
„Taem...", meine Stimme war rau und seltsam fremd, „... liebst du mich?"
Die Frage war heraus, bevor ich darüber nachdenken konnte und ich hielt den Atem an. Jah, da war dieses Gefühl und die vage Idee, dass alles, was in der Nacht geschehen war, für immer ausradiert würde, wenn er mir jetzt schlicht antwortete. Dann könnte ich mir einreden, dass es nur an den verdammten Drogen gelegen hatte und...
„Ah scheiße Täubchen..."
... müsste nicht...
„... fängst du schon wieder damit an. Was ist denn los? Warum klingst du seit gestern so, als wärst du von der neuesten Telenovela gehirngewaschen?"
„Und warum klingst du wie ein Arsch?", fauchte ich zurück.
„Ernsthaft?" Er hob den Kopf und sah mich genervt an. „Und ich dachte, ich hätte einen miesen Trip gehabt. Was hab ich falsch gemacht? Sag's mir einfach und ich kann es korrigieren."
„Nichts", schnappte ich trotzig.
„Wow." Taemin rollte mit den Augen, hockte aber immer noch vor mir. „Klingt nur nicht nach nichts. Warum stellst du mir Fragen, deren Antwort du kennst?"
Tat ich das? Ich sah in seine Augen und versuchte seine Gedanken nachzuvollziehen, aber es gelang mir nicht, also schüttelte ich den Kopf. „Du sagst es nur nie."
„Okay." Seine Hände klopften auf meine Beine und rieben darüber. „Ich liebe dich." Er sah mich an, ganz ernst und da ich schwieg, legte er gleich darauf den Kopf schief und grinste ein wenig. „Nein? Ja? Hat sich jetzt irgendwas verändert?"
Ich wich seinem Blick aus, zuckte aber gleichzeitig die Schultern. Nein, es hatte sich nicht wirklich was verändert, außer dass sich das miese Gefühl von gestern deutlich verschlimmert hatte. Also atmete ich tief durch und sah ihn wieder an.
„Und warum lässt du mich dann ständig allein? Du gehst morgens aus dem Haus und kommst irgendwann in der Nacht wieder. Du bist kaum noch hier. Wir reden nicht einmal mehr miteinander, wir... ficken nur noch und das wars. Zu was macht mich das, hm? Bin ich nur noch ein Sexsklave, dein persönliches Luxus-Sextoy?"
„Das ist nicht wahr", knurrte Taemin und presste sekundenlang die Lippen aufeinander, bevor er aufstand und vor mir zurückwich.
Doch es war die Wahrheit und das Schlimme daran war, dass er es auch wusste. Bevor ich jedoch weiterreden konnte, schnitt er mir mit einer harschen Geste das Wort ab.
„Okay, hör zu Täubchen. Du bist offenbar aufgebracht und ich kann nicht wirklich nachvollziehen warum. Wenn es wegen letzter Nacht ist, dann entschuldige ich mich - okay? Nochmal. Es tut mir leid. Yunseok hat irgendwelchen neuen Scheiß mitgebracht und ich hab's probiert. Hätte ich nicht tun sollen, Lektion gelernt."
„Halt, warte du...", seine Worte lenkten mich ab. „Du... nimmst irgendwelches Zeug und weißt nicht mal, was es ist?"
Ein Schulterzucken antwortete mir. „Er hat Gratisproben verteilt."
Okay, mir war klar, das hier war nicht der springende Punkt, aber es brachte mich dennoch auf. Weil ich nicht verstand, wie er so leichtsinnig sein konnte, er war nie leichtsinnig - zumindest bis jetzt nie gewesen - und das war der einzige Fakt, der mich jedes Mal wieder ruhig ausharren ließ, wenn er ging. Hätte ich ihn je für leichtsinnig gehalten, wäre ich vermutlich die Wände hochgegangen.
Empört schnappte ich nach Luft, da drehte er um, kam zu mir zurück und umfasste mein Gesicht, sein Mund verschloss den meinen und er küsste mich so sanft, wie ich es selten erlebt hatte.
Als er sich wieder von mir löste, strich er mir durch die Haare. „Baby, sei ehrlich zu mir. Ich will nicht mit dir streiten, aber ich muss jetzt weg und ich kann nicht gehen, wenn ich mir nicht sicher bin, dass es dir gut geht."
Dann bleib hier! - war ich versucht zu sagen, schwieg jedoch und wich stattdessen seinem Blick aus.
Taemin seufzte, seine Finger berührten mein Kinn. „Sind wir okay?", fragte er leise und ich konnte nicht anders als zu nicken.
„Sind wir."
„Okay", flüsterte er, beugte sich herab und küsste mich noch einmal.
Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und ich sah ihm nach, wie er den Raum durchschritt. Die Tür fiel zu und sofort machte sich ein vages nervöses Flattern in meinem Inneren breit. Da war noch etwas anderes, irgendetwas stimmte nicht, nur konnte ich den Finger nicht auf den Punkt legen.
***
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