Kapitel 3
Eine einzelne Person stand in dem Krater zwischen Stahlrohren und Ziegelsteinen, zertrümmerten Bäumen und festgetrampelter Erde. Er bewegte sich nicht, doch Sakura war sich sicher, dass er sehr wohl noch am Leben war.
Sein Haar war orange, er war groß und kräftig und von dem, was sie von hier aus sehen konnte, war er nicht viel älter als sie oder ihre Freundinnen. Es schien, als würde ein riesiger grau-brauner Flügel aus seinem linken Ärmel wachsen, einem schwarzen Ärmel mit roten Wolken. Irgendwas an seinem gesamten Auftreten kam Sakura gefährlich bekannt vor, doch sie war viel zu weit weg, um sein Gesicht zu sehen. Das berüchtigte Zeichen von Akatsuki war allerdings sichtbar genug, um ihr einen kalten Schauer durch den Körper zu jagen.
"Wer ist das?", fragte Hinata neben ihr. Sie hatte ihr Byakugan aktiviert und scannte ihre Umgebung nach Feinden ab. Sakura bezweifelte, dass der Typ dort Verstärkung in seiner unmittelbaren Umgebung brauchen würde.
Tenten trat einen Schritt vor und drehte ein Kunai um ihren Zeigefinger. "Nicht Sasuke, so viel steht fest", sagte sie konzentriert.
Sakuras Herz schlug ihr bis zum Hals, sie schluckte bei dem Anblick der Zerstörung und diesem einen Jungen, der völlig allein dort stand und eine Menge Ärger versprach. Konohagakure hatte gut ausgebildete Shinobis, das war weit über die Grenzen des Feuer-Reiches bekannt. Große Namen wie Kakashi Hatake oder Naruto Uzumaki, ganz zu schweigen von ihrem Hokage Tsunade, würden sich ihm in den Weg stellen und doch stand der Junge mit den orangenen Haaren allein in der Verwüstung. Das tat man nicht, wenn man keine entsprechend große Bedrohung für ein Dorf wie Konoha darstellte. Oder er war komplett wahnsinnig. Und vielleicht wäre das sogar noch schlimmer. Sakura drehte sich der Magen um.
Sie wollte gerade einen zitterigen Atemzug nehmen, um ihre Freundinnen zu ihren Teams zu schicken, als eine vertraute Stimme ihren Blick von dem Krater wegriss.
"Sakura!", rief Yamato, während er aus der gleichen Richtung auf sie zugeraunt kam, aus der die vier Konoichi so eben hierher gelangt waren. "Ihr seid alle Heilerinnen, oder?"
Die Sorge auf seinem sonst so ernsten Gesicht jagte Sakura einen Schauer über den Rücken. Auch ihre Freundinnen drehten sich nun um, um seine Befehle entgegenzunehmen, doch Yamato schien nicht wirklich nach medizinischer Versorgung gesucht zu haben. Er wollte sie einfach nur so weit wie möglich von diesem Typen fern halten.
"Hattest du schon Gelegenheit, dir einen groben Überblick zu verschaffen?" Sie verstand seine Motive, doch müsste ihr Teamleiter nach all den Monaten, die sie sich nun schon kannten, endlich wissen, dass weder Sakura noch Hinata, Ino oder Tenten gerne aus dem Geschehen rausgehalten wurden. Wenn er erst einmal die Lage einschätzen wollte und sie deshalb wegschickte, war das eine taktisch vertretbare Entscheidung. Alles andere wäre nur überfürsorglicher Schwachsinn.
"Die meisten Verletzten werden schon rüber zum Krankenhaus gebracht, seht am besten nach, ob ihr noch Leute in Gassen und Hinterhöfen findet", befahl er und trat an den Rand des Kraters. Der Junge in der Mitte hatte sich immer noch keinen Zentimeter bewegt.
Theoretisch war das nicht ganz die Antwort, auf die Sakura mit ihrer Frage hinaus wollte, doch je mehr Angst sie in Yamatos Augen sah, desto weiter wollte sie ihre Freundinnen von diesem Ort entfernt wissen.
"Ino und Hinata, ihr habt ihn gehört", richtete sie an die beiden, dann wand sie sich mit ernster Miene nach rechts. "Tenten, such nach Shizune und lasst uns wissen, wo alle weiteren Verletzten hin sollen. Ich befürchte, das Krankenhaus wird schon bald überfüllt sein. Wenn ihr damit fertig seid, sucht nach euren Teamleitern oder anderen Jonin."
Als Tsunades persönliche — und beste — Schülerin und älteste Heilerin unter ihnen, hatte Sakura eine gewisse Befehlsgewalt, die sie nicht in Frage stellten. In sämtlichen anderen Situationen hätte Ino sich lieber selbst erdolcht als Sakuras Befehle zu befolgen, doch mit Yamato hier, der immer noch vor ihnen her tigerte, und Sakuras direkter Verbindung zum Hokage nickte sie einfach nur.
"Was machen wir mit ihm?", fragte Tenten mit einem ganz leichten Zittern in der Stimme und nickte zu dem Jungen. Sie hatte immer noch kleine Zweige und Blätter in den Haaren, ihre Wangen waren verschmiert mit aufgewirbeltem Schmutz und ihren rot unterlaufenen Augen nach zu urteilen, war der Staub nicht nur auf ihrer Haut gelandet. Sakura wollte gar nicht wissen, wie sie wohl aussehen mochte.
Da Yamato keine Anstalten machte zu antworten, trat Sakura einen Schritt auf ihn zu. "Das überlassen wir euch, würde ich sagen." Sobald Kakashi und Naruto hier eintrafen, würden sie die Sache schon regeln. Ein schöner Gedanke, den Sakura sich nur immer und immer wieder einreden musste, bis sie sich irgendwann selbst glauben würde. Doch für ihre Freundinnen musste sie stark und unerschrocken wirken. Wenn sie nicht an Naruto glaubte, wer sonst?
"Keine Sorge, den kriegen wir schon klein." Yamato winkte nun doch ab. "Ich würde mir mehr Sorgen um seine Begleiter machen", murmelte er hinterher.
Sakura erstarrte für eine Sekunde. Dann hatte ihre Intuition sie also nicht getäuscht. Hier steckte viel mehr hinter als sie in diesem Moment erahnen konnte.
Sie hatte gehofft, dass die drei anderen Yamatos letzten Kommentar nicht mehr mitbekommen hatten, doch Inos Augen weiteten sich leicht. "Begl-"
"Hey!", griff Sakura ein. "Unsere Priorität liegt jetzt bei der Krankenversorgung, verstanden? Los!" Sie machte eine scheuchende Bewegung mit der Hand und Hinata und Ino machten sich auf die Suche nach Verletzten, während Tenten sich auf direktem Wege zum Krankenhaus von Konoha begab, wo sie hoffentlich auf Shizune treffen würde.
Yamato nickt ihr noch einmal zu, dann rannte auch er am Rand des Kraters entlang.
"Warte", rief Sakura ihm hinterher. Innerlich verdrehte sie die Augen, weil er anscheinend im Moment nicht so weit dachte wie sie. "Yamato, wissen wir schon was das eigentlich Ziel war?"
Er zog eine Augenbraue hoch und sah hinüber in das Zentrum der Zerstörung. Er sah nachdenklich aus, als hätte er diese Möglichkeit in den letzten Minuten nicht wirklich beachtet. Ein fataler Fehler, sollte Sakuras Bauchgefühl recht behalten.
"Ersten Berichten zufolge handelt es sich bei dem Feind um Jūgo-"
Ein heißer Stich ging durch Sakuras gesamten Körper. Deshalb kam er ihr so bekannt vor. Sie konnte sich nicht wirklich an ihn erinnern, doch die Leute, mit denen sie Jūgo in Verbindung bringen konnte, waren tief in ihr Gehirn gebrannt.
"Karin!"
Nun war sie diejenige, die einfach so drauflos stürmte, doch einen Plan auszuarbeiten war in diesem Moment eine Nebensächlichkeit, die viel zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Zeit, die sie wohlmöglich nicht mehr hatten.
"Sakura, stop!" Yamato konnte sie gerade so aufhalten und packte sie an der Schulter, sodass sie so schnell nicht wieder abhauen konnte. Sakura hätte seinen Arm mit einem Fingerschnippen brechen können, doch ihn als Kämpfer zu verlieren wäre in dieser Situation wirklich ungünstig. Also schenkte sie ihm nur einen entsprechenden Blick und er zog seine Hand wieder zurück. Er schloss kurz die Augen, als wollte er einen lästigen Kopfschmerz loswerden, dann lehnte er sich leicht zu ihr. "Das weißt du doch gar nicht genau."
Er hatte also ein ähnlich schlechtes Gefühl. Sakura sah es ihm an, dass er alle anderen Möglichkeiten abwog, doch diese schien am plausibelsten. Er brauchte nur noch einen kleinen Stups.
Sakura fixierte seine dunklen Augen und brachte ihre Stimme auf die gleiche Lautstärke und Intensität, mit der auch er versucht hatte sie zu überzeugen. "Yamato, wenn es so eine große Explosion gibt, was denkst du wie schnell wir dann normalerweise einen kleinen Gefängnisausbruch bemerkt hätten?"
Yamato sah sich mit zusammengezogenen Augenbrauen für einen Moment um, beäugte all die neuankommenden Ninja, die um das Loch im Dorf standen, um erste Berichte an die Obrigkeiten weiterzuleiten. Keiner traute sich den Krater zu betreten, sie warteten wahrscheinlich auf die Elite, die hoffentlich bald auftauchen würde. Doch wann war bald? Wo steckte Naruto? Wo steckten Inos Vater, Hinatas Vater, Kakashi, Tsunade selbst und all diejenigen, die es vielleicht mit einem Sharingan Nutzer und Jūgo aufnehmen konnten?
Und viel wichtiger, was wenn Sakura recht hatte? Wie schnell würden sie diese Ablenkung unter Kontrolle bringen können, um die Geheimgefängnisse zu schützen? Was, wenn sie es nicht nur auf Karins Befreiung abgesehen hatten?
"Verdammt", fluchte er. Yamato strich sich über sein Kinn und schüttelte leicht den Kopf. Natürlich war diese Situation alles andere als ideal, doch wenn nicht bald etwas geschah, würde jegliche Hilfe zu spät kommen. "Geh, ich schicke so schnell ich kann jemanden nach. Erstmal ist es eine Vermutung, verstanden?"
Sakura nickte einmal und rannte dann geradewegs auf das versteckte Gefängnis zu, in dem sie nach Danzōs Tod ihre neuste Gefangene untergebracht hatten.
Vermutung. Dann würde sie ihn halt allein aufhalten müssen. Sakura hätte ihre Hand dafür ins Feuer gelegt, dass die Person hinter dieser Attacke steckte, dessen Angriff sie in den letzten Tagen so oft vorhergesagt hatte.
Hier war der Beweis, den Naruto, Kakashi und Ino so dringend gebraucht hatten. Sasuke war vollkommen und absolut außer Kontrolle. Das hier war kein rebellischer Junge mehr, der sauer auf seinen Bruder war. Das hier war eine verdammte Bedrohung für das gesamte Dorf und eventuell das ganze Land, wenn nicht sogar alle Shinobis der Welt. Wer sagte, dass er aufhören würden, wenn Sasuke einmal das dicke Blut der Zerstörung gekostet hatte? Mord war schon lange keine Hürde mehr für ihn, wer sagte dann, dass sein Blutdurst nach Konoha gestillt sein würde?
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