Kapitel 14
Sakura fand Sasuke am nächsten Morgen in dem Gemeinschaftsraum, in dem sie ihn schon so oft angetroffen hatte. Hier unten gab es hunderte Räume, Sakura fragte sich also, warum er genau diesen immer und immer wieder auswählte.
Es war merkwürdig gewesen, wie einfach sie sich hatte bewegen können, ohne von Suigetsu oder Jūgo aufgehalten zu werden. Fast schon verdächtig.
Die letzte Nacht hatte sie wirklich mental an ihre Grenzen gebracht. Sie hatte sich stundenlang in ihrem Bett gewälzt, gewartet, ob er zurückkommen würde, und abgewägt, ob sie ihn suchen sollte. Schlussendlich war Sakura in einem unruhigen, traumlosen Schlaf versunken, der ihr nichts als noch mehr Verwirrung beschert hatte. Sie hatte sich nicht erholen können, dafür waren nur noch mehr Fragen in ihr aufgestiegen.
Und Gefühle. Dinge, die sie in diesem Moment gestern gespürt hatte, die sie nicht kannte und erneut spüren wollte. Dinge, die ihr durch den Kopf gingen, als sie ihn nun im gelblichen Licht der Deckenleuchte sah.
Er saß auf der Couch, sein Kopf war hinten auf der Lehne abgelegt, seine Augen waren geschlossen. Vor ihm auf dem Tischchen stand ein kleiner Becher mit Tee, doch er qualmte schon lange nicht mehr.
Sein Katana lag griffbereit neben ihm, als kannte er keine Sekunde des Friedens. Nicht mal in seinem eigenen Versteck. Nicht mal im Schlaf.
"Du hättest verschwinden sollen, als du die Chance dazu hattest." Sasukes dunkle, kratzige Stimme hallte durch den kahlen Raum, doch er bewegte sich keinen Millimeter.
Ihre Tür war also tatsächlich extra offen geblieben.
Sakura wusste nicht, was sie mit dieser Information anfangen sollte. War es ein gutes Zeichen? Oder würde er sie wieder enttäuschen?
"Warum lässt du mich auf einmal freiwillig gehen?", sagte sie, ihre Stimme leiser als beabsichtigt.
Die Frage wanderte leicht wie eine Brise durch den Raum, doch es kam keine Antwort. Nur das leichte Anspannen seines Kiefers, als Sasuke ihre Stimme hörte. Ob seine Gedanken wohl zu den Geschehnissen der vergangenen Nacht wanderten, wenn er ihren Duft vernahm?
Ihre taten es alle mal, als sie weit genug in den Raum getreten war, um seinen vertrauten Geruch einzuatmen.
Verräterisch wie eh und je landeten ihre Augen auf seinen geschlossenen Lippen. Nun, da sie jeden Millimeter von ihnen kannte, war es schwierig, sie nicht anzustarren. Erinnerungen von Händen auf ihrem Rücken, in ihren Haaren, auf ihren Hüften ließen ihr einen Schauer über den Rücken laufen.
Ließ er sie deshalb gehen? Weil sie ihm am Ende doch etwas bedeutete?
"Hat es mit dem zu tun, was gestern-"
"Ich werde jetzt kein Gespräch mit dir darüber führen was gestern passiert ist", erklang Sasukes monotone Stimme erneut.
Er bewegte sich noch immer keinen Zentimeter. Seine Augen waren geschlossen und seine Brust hob und senkte sich sanft — der einzige Beweis dafür, dass er überhaupt lebte.
Natürlich hatte Sakura nicht damit gerechnet, dass es heute anders sein würde nach gestern und doch... hatte sie diese furchtbar naive Hoffnung gehabt, sie wäre endlich zu ihm durchgedrungen. Nur ganz kurz, nur lang genug, um seine Meinung zu ändern.
Das, was sie gestern gespürt hatte war echt gewesen. Er hatte sie natürlich aus einer Laune heraus geküsst, doch dann war mehr daraus entstanden. Dann hatte er sich genauso in ihr verloren, wie sie sich in ihm.
Eine Schwere legte sich auf Sakuras Herz, die sie stehenbleiben ließ. Sie war bis kurz vor den Tisch vor dem Sofa gekommen. Sasuke war keinen Meter von ihr entfernt und doch schien er so weit weg. "Warum nicht?" Warum also wollte er nun nicht darüber reden? Bereute er es? Warf er sie hinaus? War es das?
"Hör auf", gab Sasuke zurück und zum ersten Mal konnte sie ein leichtes Zucken seiner Augenbrauen erkennen — als wäre sie nicht die einzige, die vor Anspannung bald platzte.
Sie schüttelte den Kopf und schluckte. Wie konnte er sie bis zur Besinnungslosigkeit küssen und am nächsten Morgen so tun, als würde sie ihm wie eine nervige Fliege um den Kopf schwirren? Er behandelte sie genau wie früher, als sie Kinder waren. Sakura hatte wirklich gedacht, sie wären aus diesem Quatsch herausgewachsen, doch Sasuke verhielt sich, als wären sie noch immer zwölf.
Dieses ständige Wechseln seiner Gefühle ging ihr allmählich gewaltig gegen den Strich. Sie war seinetwegen hier. Sie wollte ihn verstehen und ihm helfen, doch jedes Mal, wenn sie dachte, sie machten einen Schritt nach vorn, machte er zwei zurück.
Es war zum verrückt werden. Es war so frustrierend. "Du bist so verwirrend-"
"Ich?" Sasukes Augen rissen auf und sein Blick landete gezielt auf Sakuras.
"Ja, du!", sagte Sakura und verschränkte die Arme vor der Brust. Langsam wurde sie wirklich sauer. "Ich verstehe einfach nicht, was du von mir willst."
"Ich will, dass du gehst."
Gestern Nacht hatte das aber noch ganz anders ausgesehen. "Wirklich?"
"Hör auf!"
"Fragen zu stellen?"
"Mich in den Wahnsinn zu treiben", zischte Sasuke und war blitzschnell auf den Beinen.
Er hatte wohl den Abstand zwischen ihnen unterschätzt, sein Atem machte nämlich einen Aussetzer, als er schließlich vor ihr stand.
Sakura musste den Kopf leicht in den Nacken legen, um ihm in die Augen sehen zu können, so nah standen sie sich. Sasukes heißer Atem traf ihre Wange und Sakura musste sich zusammenreißen, um nicht die Augen zu schließen. Wie einfach es wäre, sich in diesem Moment zu verlieren, sich fallen zu lassen und einfach den Kopf auszuschalten.
Er war nicht wahnsinnig. Er war verloren. Und obwohl sie immer so gefasst und kontrolliert wirkte, fühlte Sakura sich wie gelähmt wenn es um Sasuke ging.
Seine Wut war kein Wahnsinn. Wahnsinn war es, fünf Jahre lang einem Geist hinterherzujagen und nach jeder Kollision mit ihm ein anderes Ergebnis zu erwarten, obwohl die letzten tausend Male alles Enttäuschungen gewesen waren.
Ihr Blick rutschte für einen Wimpernschlag hinunter auf den Mund, der ihr gestern ein Gefühl wie auf Wolken geschenkt hatte und welcher ihr heute höchst wahrscheinlich das Herz brechen würde.
"Glaub mir, Wahnsinn sieht anders aus", sprach sie schließlich und blickte wieder hinauf.
Doch Sasuke zuckte nicht mal mit dem kleinsten Muskel. Sie war ihm bei gutem Licht noch nie so nah gewesen wie in diesem Moment. Gestern Abend hatte sie nicht viel gesehen — oder auch nur den Kopf dafür gehabt, sich mit seinen Augen zu beschäftigen — doch nun sah sie ihn genau vor sich.
"Hör auf mich reparieren zu wollen", sagte Sasuke. "Du hast nicht den blassesten Schimmer, was ich getan habe. Ich bin nicht der, für den du mich hältst."
War das das Problem? Er dachte, sie hätte ein falsches Bild von ihm. Er dachte, sie würde ihn idealisieren, einfach die Augen vor seiner Grausamkeit verschließen. Er dachte, er verdiene ihre Hilfe nicht, also stieß er sie immer und immer wieder weg. Etwas ähnliches hatte sie auch vorher schon vermutet, doch diese Bestätigung brach ihr fast das Herz.
Reparieren. Sie sollte ihn nicht reparieren. Wie kaputt musste er sein, was für eine Meinung musste er von sich selbst haben, um sich selbst so zu quälen?
Sasuke dachte, er wäre jenseits aller Rettung. Er tat dumme, impulsive Dinge, machte sich überall Feinde und hielt alles und jeden auf Abstand, um sich selbst zu bestrafen.
Und er hatte eine Menge zu bereuen. Seinen Verrat an seinen Freunden, seine Taten für Orochimaru, alles, was er seitdem auf eigene Faust getan hatte und ganz besonders bereute er seinen Bruder.
Er hatte sie nie töten wollen und doch war das aus seiner Sicht der einzige Grund, warum er sie mitgenommen hatte. Sie zu töten wäre Selbstbestrafung gewesen, nichts weiter. Er dachte, er würde sich selbst befreien, doch in Wahrheit verlor er sich immer mehr in seiner Selbstzerstörung.
Es mochte dumm und töricht sein, doch Sakura hob ihre Hand und strich mit sanften Fingern über die Stelle, wo sein Auge in die Schläfe überging. Sasuke zuckte unter ihrer Berührung, doch er ließ es geschehen.
"Diese Augen..." Sie sah sich selbst in ihnen, so dunkel war die Iris. "Es sind seine, nicht wahr?", hauchte sie.
Für den Bruchteil einer Sekunde ließ er seine Maske fallen und diese gestohlenen Augen waren die eines Jungen, den man viel zu früh aufgegeben hatte.
Dann machte er einen Schritt zurück und schlug mit einem lauten Klatschen ihre Hand weg.
"Es sind meine", sagte Sasuke, als würde man ihm einen Gewinn streitig machen.
Er wollte es so gern selbst glauben. Man hatte ihm wahrscheinlich gesagt, er hätte sie sich verdient, er hätte gewonnen und wäre der rechtmäßige Besitzer, er hatte alles richtig gemacht, doch es klappte nicht.
Sakura wollte gar nicht wissen, wie er die Welt durch die Augen seines Bruders sah. Sie hatte nicht einmal die leiseste Vorstellung wie er sich mit dem Wissen fühlte, jede Farbe, jede Schattierung, jeden Lichtstrahl, nur durch diesen gestohlenen Teil seines toten Bruders sehen zu können. Es war eine perverse, morbide Ironie, die sie bewegungsunfähig zurückließ.
"Es tut mir leid um deinen Bruder", flüsterte sie schließlich. Ihr Blick lag auf ihren roten Handrücken, genau dort, wo Sasuke sie getroffen hatte.
Plötzlich war Sasuke wieder genau vor ihr, griff nach ihrer Hand, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen und sprach mit einer Wut in der Stimme, die Sakura zum ersten Mal wirklich ernst nehmen konnte. "Lass es! Ich brauche dein Mitleid nicht. Hör auf mich retten zu wollen. Rette dich lieber selbst. Du hast es nötiger."
Sie wollte ihn nicht bemitleiden, sie wollte ihn nicht reparieren, sie wollte ihm doch einfach nur vermitteln, dass er nicht allein war. "Ich kenne dich-"
"Das ist das Problem! Du denkst immer, du weißt verdammt nochmal alles, aber du weißt nichts über mich oder meinen Bruder oder diese verdammte Welt. Du bist wie ein naives Kind, das man zu lang aus den Augen gelassen hat", sagte er frustriert. Seine Hand flog hoch zu seiner Stirn, als würde er einen Kopfschmerz zurückdrängen wollen, der ihm die Worte raubte. "Ich habe hier keine Verwendung für dich weil du die sturste, nutzloseste Person bist, die ich jemals kennenlernen musste. Du verschwendest meinen Platz und meine Zeit."
Sakura schluckte. Und ignorierte das klaffende Loch, dass seine Worte in ihrem Herzen immer und immer wieder aufrissen. "Ich bin nicht hergekommen, um mich von dir beleidigen zu lassen."
"Dann geh!", schrie er sie an und machte ein paar verärgerte Schritte um den Tisch herum.
"Schön!", rief sie zurück. "Verrotte doch in diesem Loch, wo du nicht mal im Schlaf Ruhe findest. Du hättest alles haben können-"
"Wo? In Konoha?!", sagte er mit einem abschätzenden, humorlosen Schnauben.
"Ja!"
"In Konoha ist nichts-"
"Ich bin in Konoha! Du hättest mich haben können! Es ist mir verdammt nochmal egal, was du getan hast", schrie sie und zwei Tränen lösten sich aus ihren Augenwinkeln.
Sie standen sich schwer atmend gegenüber, nur der Couchtisch trennte sie noch von einander. Sasuke schüttelte vehement den Kopf, doch dem Gebrüll war ein Ende bereitet worden.
"Das wäre es sicher nicht, wenn du wüsstest, was ich getan habe", sagte er mit kratziger Stimme.
Nun, da der Damm einmal gebrochen war, liefen immer und immer mehr Tränen Sakuras Wangen hinunter. Sie weinte für ihn, mit ihm, und für sich selbst, weil er auch ihr eine Zukunft zusammen vorenthielt. "Aber ich weiß es doch", gab sie schluchzend zurück.
"Du weißt nicht mal die Hälfte-"
"Das ist doch jetzt gar nicht der Punkt." Sie wurde wieder lauter. Wie konnte man so stur sein? Wieso konnte er nicht einfach akzeptieren, dass sie sie ihn vielleicht sogar akzeptieren konnte? Dass sie sich eine eigene Meinung bilden wollte?
Sasuke ging mit schnellen, aggressiven Schritten von der anderen Seite um den Tisch herum, um ihr auch ja nicht wieder zu nah zu kommen. Sein Ziel war unverkennbar die Tür, die ihnen bei all dem Geschrei wahrscheinlich auch nicht zu mehr Privatsphäre verholfen hatte. "Mich interessiert dein Punkt nicht. Nimm die Treppe links von hier, dann bieg rechts ab und-"
"Hör auf mich rauszuschmeissen!", fauchte Sakura und lief ihm hinterher.
Sasuke blieb abrupt stehen und drehte sich ruckartig zu ihr um. Er war so schnell, dass sie fast in ihn hineinlief.
"Ich versuche dir einen Gefallen zu tun. Kisame hat die Geduld verloren. Bei eurem nächsten Aufeinandertreffen wird er dich töten", sagte er nachdrücklich.
Sakura war zu perplex, um zu antworten, also wandte er sich wieder zurück zur Tür und machte mit seiner Wegbeschreibung weiter. "Nimm die dritte Treppe, an der du vorbeikommst und wenn die Wände grün werden, brich durch die erste Stahltür, die du siehst."
Das hier passierte also wirklich. Er hatte die Tür erreicht und drückte die Klinke herunter. Kein Zurückblicken, kein Wort des Abschieds, nur ein Fluchtweg, den sie auch ohne seine Hilfe gefunden hätte.
Sakura stand noch immer wie angewurzelt an der Stelle hinter ihm an der er sich zuletzt zu ihr umgedreht hatte. All die verschwendete Zeit, all den Unsinn von Suigetsu und Karin, den sie über sich hatte ergehen lassen, all die angestaute Wut, die sie aus Sasuke hatte heraus kitzeln wollen und die schließlich in Form ihres Kusses gestern an die Oberfläche gekommen war. All das umsonst. Alles für nichts.
Egal, welche Taktik sie angewandt hatte, am Ende hatte sie nichts erreicht, außer diesen Gefallen, den er ihr tat.
Kisame wollte sie also endgültig loswerden. Irgendwann hätte es so oder so dazu kommen müssen, doch Sasuke rettete ihr mit seiner ungenierten Warnung wahrscheinlich das Leben.
Am Ende konnte er es also einfach nicht ertragen, sie sterben zu sehen. Deswegen hatte er es auch noch nicht selbst getan oder es einem seiner Handlanger aufgetragen, sie auszuschalten.
Es war ein schwacher Funke, doch ein wenig Hoffnung brannte doch noch in Sakura, geschürt von Sasukes Gefallen, den er sicher nicht jedem gemacht hätte.
"Weißt du, warum ich hier geblieben bin?", sagte sie in die Stille hinein. Erst zögerte Sasuke für eine Sekunde, als würde er einen inneren Kampf ausfechten, den schließlich die falsche Seite gewann. Er zog die Tür auf und trat in den Flur — nach rechts.
Verdammt. Sakura hatte nur einen Augenblick um zu entscheiden, ob sie in ihre Freiheit laufen oder diesen letzten Funken Hoffnung bis zum letzen Moment ausnutzen würde.
Es war so dumm. Dumm, dumm, dumm, doch sie lief nach rechts. Inzwischen war ihr egal, wer zuhören könnte. Sie redete trotzdem weiter auf Sasuke ein. "Ich bin geblieben, weil ich dachte, ich könnte dich daran erinnern, wer du bist. Du tust so, als wärst du so kalt und gesammelt, aber du bist die hitzköpfigste Person, die ich nach Naruto kenne. Du hast früher Lieder über Freundschaft gesungen, du warst nicht allein. Wir waren da. Ich war da. Und vor allen Dingen warst du immer für mich da." Inzwischen hatte sie ihn erreicht und stoppte ihn, indem sie vor ihm stehen blieb. Sein Gesicht war starr und kalt wie eh und je, nicht mal die kleinste emotionale Regung war darauf zu erkennen. Wie hatte er sich ihr gegenüber wieder so verschließen können? Eine weitere Träne löste sich aus Sakuras Auge. Irgendetwas sagte ihr, dass dies hier ihre letzte Chance war. Was sie jetzt sagte würde ihre Zukunft bestimmen. "Wie oft hast du dich vor mich gestellt? Mich aufgefangen? Du bist der einzige Grund, warum ich noch lebe. Das ist das einzige, was ich wissen muss."
Ihr Blick suchte seinen, immer der sicherste Weg, um an die Wahrheit zu gelangen. Doch wenn die Augen der Spiegel der Seele waren, wie sehr konnte man sich auf ihre Reflexion verlassen, wenn sie dem gegenüber nicht einmal gehörten?
Sie sah nichts in Sasukes Gesicht. Ihre Worte hatten ihn nicht einmal zucken lassen.
Sie hätte einfach nach links die Treppe hoch verschwinden sollen, es wäre das gleiche Ergebnis herausgekommen.
Sasuke umrundete sie einfach in großem Bogen und setzte seinen Weg fort. Er sagte nichts, drehte sich nicht noch einmal zu ihr um und machte keine Anstalten, sie dort zu behalten.
Sakura fühlte sich leer. Sie hatte ihm ihr Herz ausgeschüttet, wie schon so oft und wie schon so oft hatte es keinen Effekt auf ihn gehabt. Sie war nicht genug. Er konnte sie nicht töten, so viel bedeutete sie ihm dann doch, aber ansonsten war da nur Gleichgültigkeit. Vielleicht auch ein wenig Hass, da sie ihn an eine Zeit erinnerte, der er versuchte zu entfliehen, doch nicht genug, um sie Kisame ans Messer zu liefern.
Wie hatte sie nur so furchtbar dumm sein können? Sie? Die Retterin? Eine kindische Fantasie, die überhand genommen hatte, nichts weiter.
Und nun hatte sie kostbare Lebenszeit damit verschwendet jemandem helfen zu wollen, der ihre Hilfe nicht annehmen konnte. Er war schlichtweg nicht in der Lage dazu, sich selbst genug zu verzeihen, um ihre Vergebung anzunehmen.
Sie stand noch eine Weile einfach so da und sah auf den dreckigen Boden zu ihren Füßen. Es würde sie eine Menge Überwindung kosten, jetzt den Weg nach links in die Freiheit zu bestreiten, ganz allein, ohne ihn, Mission gescheitert. Sie hatte es so sehr gehofft, doch diese Hoffnung war ebenfalls ein Kindheitstraum gewesen, in den sie zu viel hineininterpretiert hatte.
Sasukes stetige Schritte versiegten irgendwann und ein Knirschen verriet, dass er sich doch noch einmal umdrehte. "Geh nachhause und bereite dich vor. Etwas großes kommt auf euch zu", sagte er und als Sakura den Kopf hob, war er fast um die nächste Ecke verschwunden.
"Wirst du bei ihnen stehen, wenn wir uns das nächste Mal sehen?", rief sie ihm hinterher. Sie musste es einfach aus seinem Mund hören.
"Hoffe einfach, dass du mich nie wieder siehst." Und mit diesen Worten verschwand er. Seine Stimme war so gleichgültig, man hätte meinen können, sie hätten sich gerade erst kennengelernt.
Sakura schluckte und sah wieder hinunter. Diese Schwere auf ihrer Brust war Scham. Ekelige, erdrückende Scham, die ihr Selbstvertrauen wegfraß wie Säure. Jedes noch so abscheuliche Wort, das er über sie verloren hatte, war die unverblümte Wahrheit gewesen.
Manchmal konnte man alles für eine geliebte Person tun, was auch nur ansatzweise menschenmöglich war und doch war es nicht genug. Es würde nie genug sein, bis die andere Person es zuließ.
Mit zittrigen Beinen setzte Sakura sich wieder in Bewegung. Ihre Beine trugen sie immer weiter nach links, bis sie eine Treppe fand. Sie stieg die Stufen, eine nach der anderen, mit schweren Schritten hinauf und zerbrach ihr Herz mit jedem Auftreten ein wenig mehr.
Sasuke musste erst seinen eigenen Weg bestreiten, bis er schließlich an den Punkt gelangte, an dem er sich ein für alle mal entscheiden musste. Sakura hatte gedacht, sie könnte die Sache beschleunigen, ihn bis zu diesem Scheideweg drängen, doch so einfach machte es einem das Schicksal nicht.
Eines Tages würden sie sich wieder gegenüberstehen und sie würde seine endgültige Entscheidung kennen. Egal, wie er schließlich wählte, sie konnte einfach nicht damit leben, sich so von ihm getrennt zu haben.
Die Umstände würden wahrscheinlich nicht die besten für ein großes Wiedersehen sein, doch sie würde sich bereithalten und Ausschau halten.
Ihre gemeinsame Geschichte konnte einfach noch nicht zu Ende sein.
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