7
Tatsächlich ließ mich dieser Gedanke nicht schlafen. Ständig wälzte ich mich hin und her und versuchte meinen Kopf zu orden. Dabei klopfte mein Herz wie wild und dauernd sah ich sein Gesicht vor Augen. Seine warmen, braunen Augen. Sein dichtes Haar. Oh Mist! Ich habe mich immer gesträubt, Gefühle für jemanden aufzubauen. Und ausgerechnet William schaffte es, meine Mauern einzureisen! Der William, den ich eigentlich gar nicht kannte. Der William, der für mich unerreichbar war. Anton fauchte, als ich ihn erneut mit meinem Fuß erwischte. Ich beugte mich vor, nahm ihn und drückte ihn fest an mich. Fast sofort fing der alte Kater an zu schnurren und schmiegte sich an mich. Diesmal konnte ich eine Träne nicht zurück halten. Mein Herz tat so weh. Ich wollte einfach nur zu ihm.
Irgendwann war ich doch eingeschlafen und erwachte am nächsten Morgen jedoch bereits nach 7. Normalerweise wachte ich nie so früh auf, wenn es nicht sein musste, aber heute konnte ich nicht länger im Bett bleiben. Ich brauchte Ablenkung, sofort.
In der Küche machte ich das Radio an und lauschte den Liedern, während ich mir einen Tee machte. Appetit hatte ich heute gar keinen. Anton merkte, dass etwas nicht stimmte und wich mir keine Sekunde von der Seite. Aber selbst er konnte mich nicht trösten. Warum Will? Hätte ich mich nicht in jemand anderen verlieben können? Wieder sah ich sein Gesicht vor mir und konnte es einfach nicht aus meinem Kopf bannen. Nicht mal mehr das Radio nahm ich war, sondern dachte nur an ihn. Wie gerne ich jetzt bei ihm sein würde. Ich holte tief Luft und schaffte es diesmal mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Im Radio wurden gerade die Nachricht erzählt, die ich jedoch nicht wirklich interessant fand. So nippte ich an meinem Tee, bis ich mich fast daran verschluckte. Es wurde von Michelle berichtet. "Seit einigen Tagen wurde die Schülerin Michelle Cooper vermisst. Heute morgen wurde ihr Leichman bei den Doks gefunden. Die Polizei sucht gerade nach Zeugen. Es wird vermutet, dass sie entführt und getötet wurde."
Mir lief es kalt den Rücken hinunter. Michelle war tot?! Das konnte doch nicht war sein. Auch wenn ich Michelle nur flüchtig kannte, so war es ein großer Schock für mich. Ich erinnerte mich an sie, an ein gutherziges Mädchen, welches noch ihr ganzes Leben vor sich hatte. Das war einfach nicht fair! Das hatte sie nicht verdient! Wer tut bitte sowas und warum? Verbittert biss ich mir auf die Unterlippe und schloss meine Augen. Wer entführte bitte eine Schülerin um sie dann zu töten? Mir war klar, dass etwas mit der Sache nicht stimmte. Allein, dass meine Narben gejuckt haben, war ein Indiz dafür. Aber das sie Entführt und Ermordet wird, habe ich nie im Leben gedacht.
Ich musste hier raus, sofort. Sonst würde ich komplett durchdrehen. Anton maunzte verwirrt, als ich plötzlich aufstand und meine Jacke anzog. Die Mühe, mir eine ordentliche Hose anzuziehen, machte ich mir nicht. Ehrlich gesagt, dachte ich nicht mal daran.
Draußen steckte ich mir erstmal Kopfhörer ins Ohr und mit der Stimme von James Arthur überließ ich meinen Füßen, wohin sie mich führten. Hauptsache ich komme auf andere Gedanken.
Es tat gut die frische Luft einzuatmen und abschalten zu können. Was Will jetzt wohl tat? Cassy, nein! Kurz hast du ihn verdrängt und nun denkst du wieder an ihn! Aber es war schwieriger ihn aus meinem Kopf zu bekommen, als ich dachte. Ich wollte ihn nicht lieben. Ich konnte ihn doch nicht lieben!
Kurz war ich versucht Ellie anzurufen und ihr alles zu erzählen, aber ich sah schon ihr triumphierendes Gesicht vor mir und hörte ihre höhnische Stimme in meinem Ohr, die sagte; "Ha, wusste ich es doch!"
Nein, ich konnte es niemanden anvertrauen. Dieser Gedanke weckte eine neue Einsamkeit in mir. Warum konnte nicht alles normal sein?
Einige Zeit lief so durch die Straßen von Willow Creek. Es war ein ruhiger Samstagmorgen und kaum jemand war schon auf den Straßen. Kein Wunder, langsam fing es auch an später hell zu werden. Die Blätter fielen inzwischen bunt von den Bäumen und hinterließen einen schönen Teppich auf den Straßen. Ich hatte es endlich geschafft, meine Gedanken etwas freizubekommen als mein Handy in der Jackentasche vibrierte. Ich zog es heraus und erblickte die Nummer meiner Mutter. Glücklich nahm ich den Anruf an und ließ mein Handy wieder in die Tasche meiner schwarzen Winterjacke gleiten. "Hallo, Mum!", rief ich fröhlich. Es freute mich wahnsinnig, dass sie mich anrief. Auch wenn ich es gewohnt war, dass sie selten da war, so vermisste ich sie dennoch jedes Mal. "Hallo, Spatz! Wie geht's dir?" Es tat so gut, ihre Stimme zu hören. Aber das war eine gute Frage. Wie ging es mir den? Ich war verwirrt. Und traurig. Wegen Michelle und William. Konnte ich es meiner Mutter sagen? Bevor ich es mir anders überlegen konnte, sprudelte ich sofort los. "Ich weiß auch nicht. Eine aus der Schule ist gestorben", berichtete ich und spürte, wie meine Stimme zu stocken begann. "Davon habe ich gehört", meinte meine Mutter bedrückt. "Ich hoffe du passt auf dich auf." Ich nickte nur, auch wenn sie es nicht sehen konnte. "Gibt es noch etwas neues?", fragte sie weiter. Ich biss mir auf die Lippe und war versucht, ihr von Will zu erzählen. Aber irgendwie wolllte ich es noch für mich behalten. Ich war noch nicht bereit darüber zu reden.
"Nein, bei dir?", fragte ich zurück und bekam eine Stöhnen als Antwort. "Der übliche Stress. Ich bin jetzt froh, zwei Tage in Seattle bleiben zu können bevor ich heim komme." Sie war so eine glückliche. Ich war noch nie irgendwo außerhalb von Willow Creek und meiner alten Heimat. Wie gerne würde ich auch mal reisen und die Welt sehen. Aber das blieb mir vorerst verwehrt. "Naja gut, ich muss jetzt los. Mein Taxi ist. Ich wünsche dir einen schönen Tag und pass bitte auf dich auf. Hab dich lieb, mein Schatz." "Ich hab dich auch lieb", antwortete ich und legte auf. Mein Herz fühlte sich etwas leichter an. Es hat gut getan, mit ihr zu sprechen und ich war froh, dass es ihr gut ging. Ich war inzwischen an einem kleinem Park angekommen und ließ mich auf eine Bank nieder. Über mir raschelten die Blätter einer großen Eiche. Es tat gut die Ruhe zu genießen. Meine Hände lagen verschränkt auf meinen Beinen und plötzlich kam in mir der Wunsch auf, Will's Hand zu halten. Ich strich über meinen eigenen Daumen und stellte mir vor, es war sein großer Finger, der mich streichelte. Unbewusst entwich mir ein tiefer Seufzer und mein Herz klopfte wie wild.
Da riss mich aber eine bekannte Stimme zurück in die Realität und ich hob meinen Kopf. Überrascht erkannte ich Ellie, die mir winkend zu lief. Ein kleiner Dackel, den ich noch nie zuvor gesehen habe, lief vor ihr und beschnüffelte den Boden. Ich sprang auf und umarmte Ellie ganz fest. "Wie schön dich zu sehen", begrüßte ich sie und ließ sie wieder los. Ihre Augen strahlten. "Ich freue mich auch", erwiderte sie und wir ließen uns wieder auf die Bank nieder. "Aber eine Frage habe ich", setzte ich an. "Wer ist das?" Dabei zeigte ich auf den Hund, der sich vor Ellies Füße gelegt hatte und mich mit seinem Dackelblick forschend ansah. Genervt seufzte meine beste Freundin. "Das ist Rapunzel, der Hund von unserer Nachbarin. Sie ist dieses Wochenende weg und ich soll mich um ihren Hund kümmern", berichtete Ellie genervt. Mitleidig sah ich sie an. Ellie hatte so schon immer ziemlich viel zu tun und nun musste sie auch noch einen fremden Hund ausführen.
"Und was machst du so früh draußen?", lenkte Ellie vom Thema ab und sah mich forschend an. Sie wusste ganz genau, dass ich eigentlich kein Morgenmensch war. "Ich musste auf andere Gedanken kommen", gab ich knapp zurück, worauf meine Freundin eine Augenbraue hochzog und mich schief angrinste. "Naaa, will dir eine bestimmte Person nicht aus dem Kopf?", neckte sie mich. Mir war bewusst, dass Ellie mich nur aufziehen wollte, aber das war die Antwort auf die Frage und das traf mich hart. Ich blickte weg, ein Kloß bildete sich in meinem Hals und die ersten Tränen schlichen sich in meine Augen. Fuck, ich wollte nicht heulen. Auf einen Schlag kippte die Stimmung. Ich spürte regelrecht wie das Grinsen aus Ellie's Gesicht schwand und die Verwirrung sich bei ihr meldete. "Cassy?", fragte sie besorgt und legte mir eine Hand auf die Schulter. Meine Mauer brachte und die Tränen liefen über mein Gesicht. Ich schlug die Hände vor meinen Mund und schloss die Augen. Nein, nein, nein!
"Oh nein, tut mir leid. Habe ich was falsches gesagt?" Ich hörte deutlich wie verunsichert Ellie war, aber das war ich mindestens genauso. Noch nie hatte ich solche Gefühle für jemanden gehabt und das brachte mich komplett durcheinander. "Nein", schluchzte ich. "Es stimmt." Meine Stimme brach ab und es fiel mir wahnsinnig schwer, die nächsten Worte auszusprechen. "Du hast Recht. Du hattest die ganze Zeit recht. Ich habe mich in Will verliebt."
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