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Es war Mrs Baker, die die Stille unterbrach. Sie räusperte sich, das ganze war ihr sichtlich unangenehm. "Entschuldigt bitte diese Unannehmlichkeit. Ich werde nachher mit Will etwas reden." Wir aßen stillschweigend weiter, Max war als erste fertig. Sie wartete, bis Ellie und ich fertig waren und führte uns dann in ihr Zimmer. Es war ein großes, geräumiges Zimmer, welches ziemlich ordentlich war und hauptsächlich aus den Farben weiß und braun zu bestehen schien. Irgendwie passte es total zu Maxime.
Sie deute auf das gemachte, große Bett, damit wir uns darauf niederließen und zog selber ihren Schreibtischstuhl hervor und ließ sich darauf nieder. "Es war ein bisschen blöd, dass Lucas heute eher da war", murmelte sie verstimmt und zog ihren Laptop aus einer Schublade am Schreibtisch. "Warum versteht sich Will mit seinem Vater nicht?", fragte ich neugierig, aber auch besorgt. Dabei ließ ich die Tatsache unkommentiert, dass Max ihren Stiefvater mit seinem Vornamen ansprach. Sie seufzte und klappte den Laptop auf. "Sie haben sich schon gestritten, als wir uns kennengelernt haben. Das hat scheinbar mit dem Tod von Will's Mutter angefangen, das hat bei Lucas wohl einen Schalter umgelegt. Er ist aggressiver und zorniger geworden. Bei Will hat das auch Auswirkungen gezeigt, aber mehr weiß ich nicht. Er redet nicht gerne darüber und ich will ihn nicht dazu zwingen", berichtete Max mit einer sorgenvollen Stimme. "Ich weiß nur, dass es ihn sehr beschäftigt, dass er keine Zuneigung von seinem Vater bekommt." Mein Herz zog sich zusammen und tatsächlich konnte ich Will sehr gut verstehen. Auf meine Art wusste ich, wie es war, wenn man von seinem Vater verstoßen wurde. Und es auch noch jeden Tag gezeigt zu bekommen, musste richtig hart sein. Ich schluckte. Max fuhr fort. "Er hat es allgemein nicht leicht. Ja, er ist ein Arschloch. Ein großer sogar. Aber in seinem Inneren ist er ein aufrichtiger und liebevoller Mensch. Und er ist ein toller Bruder, auf ihn kann ich mich immer verlassen." Tatsächlich wärmte dieser letzte Satz mein Herz etwas auf. Ellie grinste mich an. Verwirrt sah ich sie an, doch sie schüttelte nur den Kopf und meinte: "Wir sollten mit Geschichte anfangen."
Viele Fragen schwirrten in meinem Kopf, bezüglich Will und seinem Vater. Aber es interessierte mich auch, in welcher Beziehung Max und Will standen. Doch Ellie hatte recht, wir waren wegen den Hausaufgaben da. Tatsächlich weigerte ich mich aber, den beiden alles vorzusagen, sondern ließ sie selber alle Informationen heraussuchen. Dabei schaute ich selber in meinen Unterlagen und im Internet nach, um später dann mit ihnen alles abzuarbeiten. Es klappte ganz gut, bis mir auf dem Schreibtisch von Max etwas auffiel. Es war ein Foto. Auf dem waren Max und Will zu sehen, beide deutlich jünger. Sie waren am Strand und trugen nur lockere Kleider. Die Sonne hatte ihre Haut gebräunt und im Hintergrund sah man das Meer. Will hatte seine Schulter um Max gelegt. Dabei sah er wahnsinnig glücklich aus. Er strahlte regelrecht und diesmal erreichte dieses Lächeln auch seine Augen. "Wann war das?", fragte ich und deutete auf das Bild. Max drehte ihren Kopf und lächelte, als sie merkte, dass ich das Fott meinte. "Das war vor 5 oder 6 Jahren. Wir haben Urlaub auf Kreta gemacht und an dem Tag haben wir einen Ausflug gemacht. Lucas konnte da nicht mit, weil er sich den Magen verdorben hatte. Ich habe Will nie wieder so glücklich gesehen, danach." Sie seufzte und drehte sich wieder zu uns. Ellie, die zu meiner Überraschung bisher nichts zum Thema Will beigetragen hatte, meldete sich nun auch zu Wort. "Vielleicht wird er das wieder, wenn er endlich eine Partnerin gefunden hat", dabei sah sie mich verstohlen als, sodass mit vor Entrüstung die Röte ins Gesicht stieg.
"Warum schaust du mich so an?", rief ich empört. Ellie lächelte, zuckte aber nur mit den Schultern. Erst später fiel mir auf, dass mich nicht Ellie's Blick so gestört hatte. Sondern der Gedanke, Will würde eine Partnerin finden. Irgendwie wollte ich das nicht. Ich wollte nicht, dass er neue Mädchen kennen lernt und sich vielleicht sogar in sie verliebt. Dabei wünschte ich es ihm von Herzen, dass er glücklich ist.
Es neigte sich gegen Abend zu, als wir einigermaßen fertig waren. Tatsächlich hatten wir auch vieles geschafft, es fehlten nur ein paar Kleinigkeiten, die die beiden aber alleine machen würden. Ellie war bereits früher aufgebrochen, da sie auf ihre Brüder aufpassen musste und so machten Max und ich uns erst später fertig. Ich packte mein ganzes Zeug zusammen, bevor Max mich nach unten in den Flur führte, wo ich meine Schuhe und Jacke anzog. "Ich bringe dich noch bis zum Tor, ja?", ohne eine Antwort abzuwarten, schlüpfte Ellie in ihre Schuhe und öffnete die Haustür. "Danke", lächelte ich sie an und ging hinaus.
Mein Herz stockte, als ich eine Gestalt am Eingangstor stehen sah, die eine Zigarette rauchte. Es war Will. "Na, Willy, wieder da?", rief Max und trat zu ihm. Will funkelte sie böse. "Du sollst mich doch nicht so nennen", sagte er kühl, zog an seiner Zigarette und warf den letzten Stummel in den Aschenbecher. Dabei fiel ihm eine Haarsträhne in sein Gesicht, wo ich ganz stark dem Impuls wiederstehen musste, sie wegzustreichen. Allgemein war die Versuchung groß, über seine Wange zu streichen. Sofort schüttelte ich den Gedanken beiseite. Was war nur los mit mir? "Was willst du dagegen machen, he?", provozierte Ellie weiter. Blitzschnell griff Will an ihren Nacken und drückte sie leicht runter. "Hey, lass mich los!", fauchte Max und versuchte ihren Bruder zu boxen. Doch mit seiner durchtrainierten Figur war Will der jüngeren und kleineren Max deutlich überlegen. Doch er lächelte leicht und es sah wahnsinnig süß aus. Ich wusste gar nicht, dass Männer so niedlich lächeln können. Nun wandte Will die Aufmerksamkeit mir zu. Er ließ seine Schwester los. "Gehst du schon?" Das einzige, wozu ich imstande war, war Nicken. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Nie im Leben habe ich damit gerechnet, er würde mich direkt ansprechen.
"Wenn du willst, fahre ich dich", schlug er vor, was sowohl mir als auch Max einen überraschten Blick entlockte. Der berühmte und gutaussehende William Baker wollte MICH heimfahren? Träumte ich? Nein, das tat ich nicht. Es war die Realität. Nur leider war meine Zunge schneller als mein Verstand und drohte mir, alles kaputt zu machen. "Nein geht schon, ich will dir keine Umstände machen." Doch Will winkte nur ab. "Komm jetzt, bevor ich es mir anders überlege." Und so blieb mir nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Davor verabschiedete ich mich von Max, die nicht mitkommen wollte.
Nach wie vor sprachlos und überrascht, ließ ich mich auf den Beifahrersitz fallen. Will setzte sich neben mich und startete den Motor. "Na, so überrascht, dass dich jemand mit nimmt?", fragte er und fuhr los. "Ehrlich gesagt ja", gab ich zurück. "Wieso? Ist es so ungewöhnlich?" Ich sah ihn an und betrachtete dabei sein hübsches Gesicht. "Für mich schon", ich wusste nicht, was mich dazu verleitete so ehrlich zu sein, doch irgendwie konnte ich nicht anders. "Bis auf Ellie habe ich niemanden, der es tun würde." Ganz kurz blickte Will mich an, ehe er wieder auf die Straße sah. Schnell gab ich noch die ungefähre Richtung an, ehe ich meinen Blick abwandte und stattdessen auf seine Hand blickte, die ruhig auf der Schaltung lag. "Hast du keinen Freund? Eltern?" Ich schüttelte den Kopf. "Nein, ich bin Single. Und einen Vater habe ich nicht. Meine Mutter ist nie zuhause." "Verstehe", antwortete Will nur. Dann war schweigen. Die einzigen Gespräche waren nur noch die Richtungen, die ich ihm vorgab.
Schneller als mir lieb war, fuhr er in meine Straße und parkte vor unserer Wohnung. "Ich danke dir", bedankte ich mich, nahm meine Tasche und stieg aus. "Nichts zu danken", erwiderte Will höflich, aber auch kühl. Kommentarlos schlug ich die Tür zu und sah dabei zu, wie Will wieder davon fuhr. Erst als er um die Ecke verschwand, setzte ich mich in Bewegung. Dabei fühlte ich eine Leere in meinem Bauch. Als würde mir was fehlen. Selbst Anton konnte dieser Leere nicht entgegen wirken, als er später neben mir im Bett lag. Da ich zu aufgewühlt war, um zu schlafen, scrollte ich mich wieder durch Instagram. Dabei kam ich wieder mehr oder weniger zufällig wieder auf das Foto von Will auf der Mauer. Als ich es betrachtete, fing es in meinem Bauch an zu Kribbeln. Und etwas neues bildete sich in meinem Herzen. Es war für mich ein völlig neues Gefühl, was ich so noch nie gefühlt hatte. Sehnsucht. Ich wollte jetzt bei ihm sein. Seiner Stimme lauschen. Sein Gesicht betrachten. Ihm seine Haarsträhne aus dem Gesicht streichen. Und als auch noch mein Bauch anfing zu Kribbeln wurde mir zum ersten Mal klar, dass Ellie recht gehabt hatte. Nur wollte ich es nie wahrhaben. Jetzt konnte ich es nicht mehr leugnen.
Ich hatte mich in William Baker verliebt.
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