29.
Das Bett ist sehr hart und verursacht Rückenschmerzen, irgendwo laufen kleine Krabbeltierchen herum und außerhalb der Hütte herrscht ein paar Mal ein ziemlich lauter Lärm. So um halb vier Uhr morgens sind René und ich beide gleichzeitig wach.
"Noch eine Nacht drücke ich hier nicht durch. Tut mir leid, aber ich will hier weg aus diesem Dorf."
"Ja, mir gefällt es auch nicht wirklich. Aber diese wenigen Stunden überleben wir schon irgendwie."
Wir schauen uns an. Er hat seinen rechten Arm unter seinem Kopf angewinkelt; ich ebenfalls, nur mit dem anderen Arm. Ich nähere mich ihm und drücke ganz leicht meine Lippen auf die seinen.
"Ich liebe dich", flüstere ich.
Als es hell wird, sind René und ich ziemlich froh. Wir sind beide hundemüde und hungrig. Zum Essen dürfen wir noch bleiben, erlaubt uns Alessandro. Seine Frau ist heute schon ein bisschen freundlicher, doch sie sieht uns anscheinend noch immer nicht gern. Was sie wohl gegen uns hat?
Nach dem Essen berichtet René Alessandro, dass wir ihn wieder verlassen wollen.
"Danke für die Unterkunft, aber jetzt müssen Hannah und ich weiterziehen", erklärt er ihm auf Italienisch.
Wir verabschieden uns noch einmal, dann können wir endlich dieses seltsame Fischerdorf hinter uns lassen und wo anders hingehen.
Wir schlendern gerade neben dem Meer entlang, Hand in Hand. Das Rauschen der Wellen entspannt uns. Ein paar Möwen gleiten über unseren Köpfen dahin. Ein paar Touristen sind auch unterwegs und lächeln uns freundlich zu, als wir bei ihnen vorbeigehen. Mein Freund beobachtet mich mit neugierigen Augen.
"Was ist?", frage ich.
Er lacht leise. "Nichts", murmelt er und schaut auf das Meer hinaus. Es ist noch ziemlich früh am Morgen und die Luft ist noch etwas frisch. Wenn wir aus einem anderen Grund hier wären, wäre ich jetzt überglücklich, aber leider geht das nicht.
Plötzlich greift uns jemand von hinten an. René reagiert schnell. Es ist ein junger Mann, den ich nicht kenne. Er prügelt sich mit ihm. Ich stehe einfach nur blöd daneben und habe keinen Plan, was ich tun soll. Ja, was soll man in so einer Situation tun? Ich schnappe panisch nach Luft, als der Angreifer René ein Messer an die Kehle hält. Mein Freund liegt unter ihm und ringt nach Luft. Schweißperlen stehen ihm auf der Stirn und die Wut blitzt in seinen Augen.
"Was willst du von uns?", stößt René zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und versucht, den Mann von ihm wegzudrängen, doch keine Chance.
"Was ich will? Dich holen und zu James und Tom bringen! Die machen dir dann nämlich die Hölle heiß!" Er wirft einen Blick zu mir. "Und deine Freundin schnappe ich mir dann." Er grinst mich mit gelben Zähnen an. Seine fettigen braunen Haare hängen ihm ins Gesicht. Ein kalter Schauder läuft mir den Rücken hinunter, und ich wende mich kurz ab.
René versucht es erneut. Ich sehe, wie ein roter Tropfen am Hals meines Freundes zu Boden tropft.
"Nein! Lass ihn in Ruhe!", schreie ich und stürze auf den Mann.
"Hannah, halt dich fern! Ich mach das schon!", ruft mein Freund und reißt sich endlich von dem Angreifer los, den ich so weit gebracht habe, dass er jetzt am Boden liegt. Jetzt ist René derjenige, der die Oberhand hat.
Von einer Sekunde auf die Andere sieht der Typ wie ein kleiner Junge aus. So zerbrechlich und ängstlich. Aber das könnte auch eine Täuschung sein.
"Bitte lasst mich gehen! Es tut mir leid! Ich wollte mich nie James anschließen, aber er hat mir keine Wahl gelassen!" Er schaut erbärmlich drein. René funkelt ihn wütend an.
"Ach ja? Ich weiß, James ist ein ganz schlimmer Typ. Aber du musst ihn auch nicht mehr sehen; dafür werde ich schon sorgen." Er nimmt das Messer, das einen Meter entfernt auf dem Asphalt liegt und hält es seinem Angreifer nun ebenfalls an den Hals. Ich mache mir nicht allzu viele Gedanken darüber, was René wirklich vorhat. Schließlich ist er mein Freund und ich kann ihm vertrauen. Sicherlich spielt er nur, um dem Mann ein bisschen Angst zu machen. Ich bin sogar ein wenig stolz auf ihn, weil er sich so tapfer schlägt und Männlichkeit zeigt.
René sticht dem Typen in die Haut, bis ein leichtes Rinnsal auf den Boden rinnt.
"René!", rufe ich. Meine Stimme bricht ab. Ich schaue mich nervös um. Warum sind hier eigentlich keine Menschen? Immerhin ist das hier ein Strand. Obwohl ... Der Mann hat uns nicht umsonst hier angegriffen. Wahrscheinlich hat er gewartet, bis wir an einer Stelle ankommen, wo normalerweise nie Leute sind. Und das hier ist so eine Stelle. Scheiße.
Mein Freund ist richtig in Trance. Er schneidet immer tiefer. Der Angreifer zittert nun am ganzen Leib.
"Du wirst mir nichts antun, und schon gar nicht mein Mädchen bekommen", zischt René.
Langsam zweifle ich daran, dass er nur schauspielert. "René, hör jetzt auf! Es reicht!" Aber er tut es nicht. Nein, ich bin ihm total egal. Er ignoriert mich einfach. Ich werde immer aufgeregter. Ich mache einen Schritt auf die beiden zu und versuche wieder, meinem Freund das auszureden, was er gerade vorhat.
Plötzlich schreit der Mann auf. René zittert nun ebenfalls, aber nicht vor Angst, sondern vor Wut. Er sieht aus, als würde er nichts lieber wollen, als seinen Angreifer auf der Stelle unter die Erde zu bringen. Ich schlage mir die Hand vor den Mund, als ich sehe, was René angestellt hat.
Ich stürze hin und reiße ihm das Messer aus der Hand. Der Griff ist ganz glitschig und warm. Ich schreie.
"Nein!"
"Hannah! Verdammt, beruhige dich!"
"Nein! Was hast du getan?!" Tränen fließen an meinen Wangen herunter. Mit verschleiertem Blick schaue ich René an. Er starrt mich mit großen Augen an. Ich habe auf einmal Angst vor ihm.
"Du hast ihn umgebracht!"
"Was denkst du denn?! Dass ich jetzt ein braver Junge bin, nur weil ich dich befreit habe? Du hast es noch immer nicht gecheckt, oder? Das bin ich halt! Das ist mein wahres Ich! Du kennst mich doch überhaupt nicht!", brüllt er mich an. Mit jedem Satz, der aus seinem wutverzerrten Mund entweicht, kommt er einen Schritt näher. Ich atme nur stoßweise und stolpere ein paar Schritte zurück. Ich hätte nie gedacht, dass mein Freund zu so etwas fähig ist. Ich habe gerade eine Seite von ihm kennengelernt, die ich nie kennenlernen wollte. Ich habe Angst vor ihm. René ist ein Mörder.
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Oh, tut mir leid, dass es jetzt sooooo lange kein Update gegeben hat! Aber irgendwie hatte ich keine Motivation und Idee. Seid mir bitte nicht all zu böse und verzeiht mir :)
Danke!
Eure Lina_Cel_♥♥
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