26.
Es ist ein Fehler gewesen, die Haustür zu öffnen. Es ist jetzt eine Woche her, dass Julian bei uns war und seit dem ist er mir nicht mehr aus dem Kopf gewichen. Die ganze Zeit denke ich an früher und an Sachen, die wir das erste Mal gemeinsam erlebt haben.
René weiß nicht, was er zu diesem Thema sagen soll. Er lässt mich einfach in Ruhe, wenn er merkt, dass meine Gedanken wieder einmal eine Achterbahnfahrt unternehmen. An einem Mittwochmittag treffe ich mich mit Felicia. Sie betrachtet mich mit einem wachsamen Blick.
"Sag mir, was du denkst. Ich werde dir helfen, versprochen. Egal was es ist."
Ich seufze. "Okay. Ich glaube ich bin verliebt."
Feli lächelt mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an. "Und das bringt dich derart zur Verzweiflung?"
"Ja."
"Aber warum solltest du nicht in René verliebt sein? Das wäre ja scheiße, wenn du ihm alles nur vorspielst!" Sie zögerte kurz. "Das tust du doch nicht, oder?"
"Nein! Ich liebe ihn wirklich, aber ... Ich hab etwas anderes gemeint. Ich glaube, dass ich noch immer in Jul verliebt bin. Und in René!"
Felicia klappt die Kinnlade hinunter. "Nein, oder?!"
"Tut mir leid." Plötzlich laufen mir die Tränen an den Wangen herunter. "Es war immer so schön mit ihm! Wenn ich ihn sehe, tauchen sofort hunderte Erinnerungen auf, die mich traurig machen, weil es nicht mehr so ist wie früher."
RENÉ
"Ich bin mir sicher, daß liegt nur daran, weil jetzt im Moment alle Tennagererinnerungen hochkommen, aber das vergeht wieder."
"Nein." Ich schlucke schwer. Mir ist zwar bewusst, dass man andere Menschen nicht belauschen soll, aber mit mir will Hannah ihre Sorgen ja nicht teilen und wie komme ich sonst an Informationen?
"Ich weiß nicht. Es ist einfach ... René ist ganz anders als Julian. Er ist männlich, hat eine tiefe raue Stimme. Er ist wunderschön und einfach mein Traummann, aber Jul ist schüchtern, zurückhaltend und das genaue Gegenteil. Er ist derjenige, der mich schon ewig kennt. Was soll ich tun?"
"Lass mich darüber nachdenken. In ein paar Tagen werde ich dir Rat geben, okay?" Ich spähe um die Ecke. Sie umarmen sich. Dann erheben sie sich und ich mache, dass ich von hier weg komme. Ich laufe raus und irgendwo hin. Der Wald ist am besten. Als ich schon ziemlich erschöpft bin, lasse ich mich an einem Baum hinuntergleiten und lege meinen Kopf in meine Hände. Fuck! Wieso, René? Wieso vergreifst du dich an einem Opfer?
Wenn sie sich entscheidet, sich von mir zu trennen, bin ich verloren. Für sie habe ich schließlich mein vorheriges Leben aufgegeben und dafür bin ich ihr auch dankbar. Ich will nicht mehr so werden. Und diese Gefahr würde zurückkehren, wenn sie mich jetzt alleine lässt.
Als ich zwei Stunden später bei ihr anläute, öffnet sie mit nervösem Blick.
"René! Wo warst du?"
"Ich ... Ich hab was eingekauft. Hast du Zeit?"
"Ja sicher."
"Spaziergang?"
Sie nickt und lächelt mich leicht an. Wie schnell sich alles ändern kann in so wenigen Tagen. Wir gehen in dem Wald, in dem ich vorher war, spazieren. Wir reden nicht viel. Irgendwie gibt es nichts zu besprechen. Na ja, eigentlich gäbe es eine Menge.
Ich greife angespannt nach ihrer Hand, die sie Gott sei Dank annimmt.
"Du wirkst heute so unglücklich", sagt sie auf einmal.
"Das tust du schon seit über einer Woche." Unser Gespräch ist beendet. Na super. Ich mache mir Sorgen. Wieder bei ihr zu Hause trennen sich unsere Wege.
HANNAH
Hab ich ihm etwas getan? Keine Ahnung.
Schließlich halte ich es nicht mehr aus. Ich steige in den Bus und fahre zu Julian heim. Hoffentlich ist er da. Ich muss mit ihm reden und zwar sofort! Als ich aussteige, zittern meine Hände und meine Knie sind weich. Ich steige langsam die Treppen zur Haustür hinauf und atme tief ein und aus.
Es ist egal, was passiert. Hauptsache, du hast es versucht. Er hat sich auch getraut, rede ich auf mich ein. In Zeitlupe nähert sich mein Zeigefinger dem Klingelknopf. Plötzlich wird die Tür aufgerissen und ein lachendes Pärchen rennt mich fast um. Juli und seine Blondine. Scheiße! Gerade bin ich dabei, das Grundstück wieder zu verlassen, als jemand ruft: "Hannah? Warte mal!" Ich bleibe stehen. Er hat mich nicht vertrieben! Zumindest jetzt noch nicht.
"Hannah. Willst du zu mir?"
"Nein, ich wollte nur zu deinen Meerschweinchen", erwidere ich sarkastisch und rolle mit meinen Augen.
"Komm rein. Wir können ja noch ein wenig warten."
Wie lange ich schon nicht mehr in seinem Zimmer gewesen bin! Es hat sich nicht viel verändert, nur die Bilder an den Wänden. Kein einziges von uns beiden hängt mehr hier. Nur noch seine Freunde, seine Blondine und er selbst. Was hab ich mir auch vorgestellt?! Dass er in Wirklichkeit noch total auf mich steht und diese Tussi nur benutzt, um mich eifersüchtig zu machen?
"Ähm, Schatz? Ich glaube es ist besser, wenn du uns kurz alleine lässt", sagt Julian zu seiner Freundin. Misstrauisch begutachtet sie mich.
"Keine Angst, ich lege ihn schon nicht flach!", fahre ich sie genervt an. Sie schnaubt und verlässt enttäuscht das Zimmer.
Erst jetzt merke ich, dass mich mein Exfreund die ganze Zeit angeschaut hat.
"Du hast dich verändert", sind seine ersten Worte.
Ich muss schmunzeln. Sollte das ein Kompliment gewesen sein?
"Ich wollte mit dir reden. Tut mir leid wegen neulich, aber ..."
"Ist schon gut. Ich verstehe dich. Mir tut es auch leid. Ich hätte nicht einfach so auftauchen sollen."
Schweigen.
Dann setzen wir beide gleichzeitig an, etwas zu sagen und müssen dadurch kurz lachen. Es liegt Peinlichkeit in der Luft. So hab ich mir das nicht vorgestellt, aber ich kenne ihn ja. Er ist noch immer so schüchtern.
"Ich denke, wir haben beide Fehler gemacht und das ist uns auch klar. Ich schlage vor, wir vergessen den ganzen Scheiß, okay?" Er nickt.
"Jap. Ist okay. Dann sind wir ab jetzt Freunde?"
Ich lächle und nicke. "Ja."
"Wie geht's dir, Hannah?"
"Tja. Jetzt fühle ich mich besser, nachdem das hier erledigt ist."
"Stimmt es wirklich, dass René dein Entführer ist?"
Ich nicke. "Okay. Das kann ich mir irgendwie nicht vorstellen. Äh, dass er sowas macht schon, aber dass du mit ihm zusammen bist. Also... freiwillig, meine ich."
"Das denkt so ziemlich jeder. Es hat auch in der Zeitung gestanden. Aber so ist es halt mal. Und nein, das mache ich nicht, weil ich in den Medien sein will!"
"Nein, nein. Das hab ich nicht behauptet."
Es herrscht wieder kurzes Schweigen. Eine Frage brennt mir auf der Zunge.
"Wie heißt deine Freundin?"
"Stefanie. Ich kenne sie aus dem Kindergarten. Witzig, nicht?"
"Warte mal, Stefanie? Diese Stefanie, die mit uns in den Kindergarten gegangen ist?!"
"Oh, ähm ... Das könnte möglich sein."
"Du hast sie immer gehasst!" Wir müssen lachen.
"Ja ... Jetzt nicht mehr, wie es scheint."
"Oh Mann", gebe ich belustigt von mir. Auf einmal sind meine ganzen Sorgen verschwunden. Es tut so gut, mit Julian zu reden!
"Wie alt ist dein Freund eigentlich?", fragt Jul plötzlich. Ich zögere kurz. "Zweiunddreißig."
"Wow, okay. Na ja, wenigstens schön reif, nicht wahr?" Er lächelt mich an, doch ich bleibe dieses Mal ernst. Er merkt das und kapiert, dass ich das nicht sehr lustig finde.
"Ich denke, ich werde dann gehen."
"Sorry, ich wollte dich nicht beleidigen", entschuldigt er sich sofort.
"Nicht schlimm. Danke für das Gespräch und dass du mich nicht rausgeworfen hast." Als er mich zur Tür begleiten will, winke ich ab. "Ich weiß noch, wo der Ausgang ist." Unten in der Küche steht Stefanie an der Theke angelehnt und trinkt einen Eiskaffee. Da ich eigentlich glücklich bin, muss ich einfach einen Kommentar loswerden: "Mhh dein Getränk sieht lecker aus. Vielleicht bringst du mir ja mal eines vorbei? Wäre supernett von dir!" Ich schicke ihr ein Küsschen und grinse sie an, danach schließe ich die Haustür hinter mir und fahre nach Hause. Endlich hab ich es hinter mir und kann beruhigt mit René zusammen sein.
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Tut mir leid, dass es so schleppend weitergeht! Endlich habe ich Ferien und schreibe weiter.
Wie gefällt euch die Geschichte bis jetzt? Kommentare würden mich freuen! :*
Und ich habe noch eine Bitte: Schreibt eure Ideen für das nächste Kapitel ebenfalls in die Kommentare. Ich werde mir dann etwas aussuchen :)
Eure Lina_Cel_♥♥
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