Schmerz
,,Wir gehen", sagte Sasuke schroff, wobei noch immer jenes Angebot in seiner Stimme mitschwang.
,,Du hast es dir also nicht noch einmal überlegt?", fragte sie vorsichtig, mit leiser Hoffnung in der Stimme.
Er sah sie an. ,,Sollte ich?"
Sie ahnte den Gedanken in seinem Kopf.
Bruder... um dich zu töten, tauche ich in die tiefste Finsternis. Um jeden Preis werde ich stärker.
Sasuke würde daran festhalten. Es war zu seiner schwachsinnigen Ideologie geworden.
Niedergeschlagen und mit hängenden Schultern folgte Sakura Sasuke nun durch die vielen verschlungenen Gänge. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie, wenn sie einen Versuch der Flucht unternommen hätte, sich in den Gängen verirrt hätte. Während sie sich den Weg hinaus bahnten, sprach Sasuke kein Wort. Allmählich sah sie am Ende des Tunnels ein Licht. Sonnenstrahlen, dachte sie sehnsüchtig. Die Sonne war etwas, das sie in ihrer Gefangenschaft wirklich vermisst hatte. Ein Geräusch wurde Lauter, je näher sie dem Ausgang kamen. Fast entzückt stellte sie fest, dass es Vogelgezwitscher war. Es war seltsam, dass sie sich jetzt an so etwas banalem erfreuen konnte, was sie vorher kaum wahrgenommen hatte. Endlich trat sie ins Freie, doch sofort erstarrte sie.
,,Bist du verletzt, Sakura?", fragte Naruto, wobei er einige Schritte auf sie zu kam. Keinen Moment ließ Naruto dabei Sasuke aus den Augen, der wie versteinert, an Ort und Stelle stand.
Sakura schüttelte mit dem Kopf. ,,Mir gehts gut."
Ein flüchtiges Lächeln umspielte nun Narutos Mundwinkel. Ganz, wie er es sich gedacht hatte. Sasuke hatte Sakura kein Haar gekrümmt, augenscheinlich sogar gut behandelt. Da war noch immer etwas Gutes in ihm. Ein Funke, der nie erlöschen würde.
,,Du hättest nicht kommen sollen", sprach Sakura leise, dabei sah sie weder Naruto noch Sasuke an.
Insgeheim waren ihre Worte an beide gerichtet. Sasuke hätte sie nicht vor Itachi retten sollen und Naruto hätte nicht hierherkommen dürfen. Ihr Magen zog sich unangenehm zusammen, je länger das Schweigen zwischen Naruto und Sasuke anhielt. Der Schmerz, der die drei verband, war plötzlich so greifbar. Diese ohnmächtige Hilflosigkeit, die Wut und Enttäuschung. Aber vor allem überwog die Trauer.
Trauer darüber, was die Drei verloren hatten.
,,Ein Held kommt immer zu spät", sagte Naruto nach einer Weile, wobei er Sakura ein Lächeln schenkte, das sie aufmuntern sollte. Doch es bewirkte das Gegenteil, denn sie gab sich eine Mitschuld an dieser Begegnung. Wieder einmal stand sie zwischen den Fronten, zwischen ihrem besten Freund und dem Jungen, den sie liebte. Und wieder konnte sie nur hilflos zusehen.
Endlich ergriff Sasuke das Wort, denn er war es leid, Naruto reden zu hören. ,,Ihr könnt Sakura mitnehmen. Ihr steht es frei zu gehen, mit wem sie will."
Überraschung zeichnete nun Narutos Gesicht. Sasukes Worte kamen unerwartet. Hatte er doch geglaubt Sakura wäre Sasukes Geisel. Eine Möglichkeit Geheimnisse in Erfahrung zu bringen.
,,Willst du damit sagen, dass Sakura gar nicht deine Gefangene ist?"
Unwillkürlich wanderte Sasukes Blick zu Sakura neben sich. Ein Blitz fuhr ihm direkt ins Herz, als er sprach und dabei nur sie ansah.
,,Nein. Das war sie nie."
Ihr Herz verkrampfte sich bei seinen Worten. Sasukes Stimme klang so kalt, während seine Augen eine gänzlich andere Sprache sprachen. Seine Bitte stand wie eine Mauer zwischen ihnen. Am liebsten hätte Sakura einen Schritt auf ihn zugemacht und seine Hand genommen, doch sie konnte nicht. Wie angewurzelt blieb sie an Ort und Stelle. Allmählich wandte er seinen Blick von ihr ab, schließlich hatte er es gewusst. Beinah schon erwartet. Sie würde sich immer für Konoha entscheiden anders als er. Sakura wusste, was er wollte. Die Entscheidung hatte bei ihr gelegen sich ihm anzuschließen. Es war ihr freier Wille es nicht zu tun. So etwas wie Akzeptanz durchzuckte seine dunklen Gedanken. Er würde auch ohne sie weitermachen können. Zumindest glaubte er das.
,,Ihr Anderen seid mir vollkommen egal, ich möchte nur mit Naruto reden. Alleine."
Das war es also, das Ende. Es tat weh. Sakuras Kummer war größer denn je. Es war eine Chance gewesen zu bekommen, was sie schon immer gewollt hatte. Er hatte ihr eine Möglichkeit geboten, doch sie hatte sie verstreichen lassen. Das Gefühl der Endgültigkeit legte sich tonnenschwer auf ihre Brust und machte ihr das Atmen schwerer. Vermutlich würde sie Sasuke nie wiedersehen. Es war nicht das Ende, dass sie sich gewünscht hatte. Worte lagen ihr auf der Zunge, doch vermochte sie nicht diese auszusprechen. Und der Moment dazu war längst verstrichen.
Prüfend warf Kakashi einen Blick auf Naruto, der immer noch Sasuke fixierte. Narutos Entschlossenheit war in jeder Sekunde spürbar. Dieser Bengel war im Hinblick auf Sasuke erwachsen geworden und er wollte die Verantwortung schultern, obwohl es Kakashi als einen seiner Fehler ansah. Doch mit keinem Wort würde sich Naruto davon abbringen lassen Sasuke gegenüberzutreten. Einen Moment huschte sein Blick zu Sasuke. Dieser fixierte Naruto genauso. Es war, was beide wollten. Die Entscheidung die Kakashi nun zu treffen hatte, fiel ihm nicht sonderlich schwer, schließlich würden sie in unmittelbarer Nähe bleiben. Naruto wäre keine Sekunde in Gefahr. Mit einer raschen Handbewegung gab Kakashi den Befehl zum Rückzug, dabei blieb sein Blick kurz an Sakura hängen. Eine Frage lag in seinem Blick, die Sakura mit einem Kopfschütteln beantwortete. Er nickte wissend, denn das hatte er erwartet. Ihre Entscheidung war es zu bleiben.
,,Du willst immer noch nicht zurück kommen. Nicht wahr?" Narutos Blick wurde unendlich traurig, während sich ein typisches Grinsen auf Sasukes Lippen ausbreitete. ,,Ich glaube du verstehst es noch immer nicht Naruto, aber ich erkläre es dir gerne noch einmal. Ich komme nie wieder zurück. Egal wie sehr du es versuchst."
,,Bedeutet es dir gar nichts, was wir zusammen erlebt haben?"
,,Nein", kam ruhig und kalt von Sasuke.
Bei diesen harschen Worten zuckte Sakura unwillkürlich zusammen. So deutlich war er ihr gegenüber nie geworden. Diese Worte fühlten sich für sie wie ein Schlag in die Magengrube an. Schnell verdrängte sie diesen Gedanken wieder, um sich auf das Gespräch zu konzentrieren.
,,Wir könnten dir mit Itachi helfen. Du musst es nicht alleine tun. Das weißt du doch, oder?", versuchte Naruto es erneut zu Sasuke durchzudringen.
Abfällig betrachtete Sasuke Naruto kurz, bevor er ihm zornig entgegen schrie: ,,Ich brauche eure verdammte Hilfe nicht. Ich brauche niemanden. Es ist allein meine Sache!" Tausend Gedanken schwirrten durch seinen Kopf. Seine Nasenflügel bebten, während er sich versuchte zu beherrschen, um seine grenzenlose Wut nicht herauszuschreien. Er kämpfte mit sich selbst, stärker wie nie zuvor.
Naruto schloss die Augen, verdrängte die vielen Erinnerungen an eine Freundschaft, die ihm so viel bedeutete. Auch jetzt noch, selbst im Angesicht der Tatsache, dass sie Sasuke augenscheinlich zu wenig beachtete. Sein Herz fühlte sich schwer an, als er sprach: ,,Wenn das so ist, lässt du mir keine Wahl. Lass es uns jetzt ein für alle mal klären."
Nun wandte sich Sasuke ein vermutlich letztes Mal zu Sakura um. Sein Blick streifte sie für wenige Sekunden, in denen die Welt sill stand. ,,Es tut mir leid", brachte er so leise über die Lippen, dass sich Sakura anstrengen musste ihn zu verstehen. Der Wind, der sich nun verstärkte, wirbelte eine bunte Blätterpracht auf, um sie zwischen ihnen fliegen zu lassen, bevor sie zu Boden fielen. Sakura wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte. Doch eines war ihr in den paar Tagen klar geworden, eine Verbindung bestand zwischen ihnen. In einem Moment war Sasuke sanft und im nächsten eiskalt. Es war frustrierend. Sakura verstand es einfach nicht. Nun noch weniger.
Er starrte Sakura an, und sie erwiderte seinen Blick, ihr Gesicht ruhig und furchtlos. Da war kein Hass mehr in ihren Augen, aber da war auch kein Mitgefühl. Es dauerte nur ein paar Sekunden, dann unterbrach sie die Verbindung und den Augenkontakt, und Sasuke blieb allein in der Düsternis seiner Gedanken zurück.
Nun begaben sich Naruto und Sasuke in ihre Kampfposition, während sie einander stumm fixierten. Sakura kam es so vor, als würden sie wortlos miteinander kommunizieren. Traurig hob Sakura ihren Blick zum nun deutlich dunkler werdenden Himmel, als hätte dieser die Stimmung dieser Situation erfasst. Sakuras Hände zitterten, und sie sank auf die Knie, ihre Augen ins Nichts gerichtet.
,,Die Zeit war nicht sinnlos ... für mich bist du der beste Freund geworden", sprach Sasuke leise.
Diese Worte waren nur für Naruto bestimmt.
Narutos Gesichtsausdruck wurde unendlich traurig, als er leise erwiderte: ,,Ich bin dein Freund? Wieso dann das?"
,,Gerade deshalb", war Sasukes schlichte Erwiderung.
,,Ich hole dich Heim! Mit allen Mitteln! Ich habe es versprochen."
Versprechen waren nicht immer gemacht, um gehalten zu werden.
Doch Sakura und die weiteren Ninja aus Konoha waren nicht die einzigen Zuschauer, welche Interesse an diesem Kampf hatten.
,,Warum haben Sie den Neunschwänzigen auf so eine banale Mission geschickt", sinnierte Zetsu, während er Sasuke und Naruto eingehend studierte.
,,Für Naruto Uzumaki ist Sasuke Uchiha nicht banal", entgegnete Tobi. Kopfschüttelnd richtete Zetsu seine Aufmerksamkeit wieder auf den Kampf. ,,Freundschaft oder so etwas werde ich nie verstehen."
,,Das wird ein Spektakel", meinte die andere Hälfte von Zetsu beinah freudig. Davon war Tobi nicht überzeugt. ,,Sie werden nicht bis zum Äußersten gehen, glaub mir", brummte er verstimmt. ,,Und wenn schon, vielleicht ist der Neunschwänzige danach so geschwächt, dass wir ihn uns schnappen können."
Neben ihnen erschienen unverhofft Itachi und Kisame. ,,Ihr wollt wohl auch den Kampf sehen?" Keiner von Beiden sagte etwas. Itachi fixierte seinen Bruder und dann fiel sein Blick auf Sakura. Das Mädchen litt Qualen. Itachi spürte ihre Zerrissenheit. Sie wollte bei seinem Bruder sein, doch das Dorf war nun mal ihr zu Hause, ihr Leben, dass sie nicht hinter sich lassen konnte. Auf eine gewisse Weise verstand Itachi sie. Tu nichts unüberlegtes Sasuke, betete Itachi stumm. Ansonsten wäre sein Plan bedeutungslos.
Es begann zu regenen. Dicke Tropfen fielen vom Himmel, als ob dieser weinen würde. Plötzlich tauchte Kakashi, wie aus dem Nichts hinter Itachi auf. Sein Kunai presste er fest gegen Itachis Kehle, doch dieser blieb vollkommen regungslos. Er verspürte keine Furcht.
,,Du hast mein Chakra gespürt, Hatake Kakashi", murmelte Itachi noch immer den Blick auf Sasuke und Naruto gerichtet.
Kisame hob in einer raschen Bewegung sein Schwert, doch Itachi hob die Hand.
,,Er ist nicht deswegen hier."
Ein Blitz erhellte den dunklen Himmel, kurz darauf folgte das laute Donnergeräusch.
,,Menschen leben ihr Leben an das gebunden, was sie als richtig und wahr akzeptieren. So definieren sie "Realität". Aber was bedeutet es, "richtig" oder "wahr" zu sein? Lediglich vage Konzepte ... ihre "Realität" könnte eine Illusion sein. Können wir davon ausgehen, dass sie einfach in ihrer eigenen, von ihren Überzeugungen geprägten Welt leben?", fragte Itachi in die aufgekommene Stille.
Nun betrachtete auch Kakashi seine beiden Schüler. Es schmerzte ihn, zu sehen wie sich die beiden bekämpften. Irgendwie verstand Kakashi, was Itachi andeuten wollte. Dieser Kampf wurde aus den falschen Gründen ausgetragen. Jene Rivalität, die Sasuke und Naruto füreinander verspürten, war gleichzeitig das Band der Freundschaft, dass sie verband. Dieser Kampf würde nie enden, solange beide nicht verstanden, dass sie einander brauchten. Kakashi ließ das Kunai sinken.
,,Ein anderes Mal", sagte er, bevor er verschwand. Kakashi war sich sicher, dass im Moment keine Gefahr für Naruto von Itachi ausging. Der Uchiha war nicht wegen Naruto gekommen. Er plante etwas anderes.
Als Feuer und Eis aufeinander trafen, flimmerte die Luft. Ihre Fäuste prallten mit solch einer Wucht aufeinander, dass beide ein Stück zurückgeworfen wurden. Der Erdboden schien unter ihren Schlägen zu erzittern. Hart und bis aufs Blut bekämpften sich Naruto und Sasuke mit Kunai, Händen und Füßen, doch keiner der beiden versuchte ein tödliches Jutsu anzuwenden. Aber auch ohne dieses fügten sie sich gravierende Verletzungen zu.
Naruto wischte sich das Blut vom Mund. ,,Damals im Tal des Endes, da gab es für mich keinen Zweifel, du wolltest mich töten. Auch bei unserem Aufeinandertreffen in Orochimarus Versteck. Aber jetzt ist etwas anders. Du nutzt das Chidori nicht. Warum?"
Abfällig spuckte Sasuke Blut auf den Boden. ,,Hör auf mit deinen dummen Fragen. Kämpfe lieber."
Dieser Blick. Er plant schon den nächsten Angriff, stellte Naruto fest.
,,Weisst du, Naruto ein erstklassiger Ninja erkennt schon beim ersten Angriff, was sein Gegner denkt. Dazu bedarf es keiner großen Worte. Naruto, du bist so simpel."
Das Gefühl der Angst lähmte Sakura von Kopf bis Fuß, während sie mit leerem Blick den Kampf verfolgte. Doch nicht nur ihr Blick war leer, sondern auch ihr Herz. Die zwei Menschen, die ihr am meisten bedeuteten bekämpften, sich bis aufs Blut. Egal wohin sie sah, überall war so viel Blut und sie konnte nicht sagen von wem es stammte. Von Angst beherrscht schloss sie hastig die Augen, um nicht sehen zu müssen, was die beiden sich antaten. Den verzweifelten Wunsch dazwischenzugehen unterdrückte sie. Es würde nichts bringen, wie damals.
Nach einer gefühlten Ewigkeit beendeten beide erschöpft ihr Kräftemessen, wobei man nicht eindeutig sagen konnte, wer von beiden wirklich stärker war.
,,Ich werde sterben, bevor ich jemals aufgeben werde! Hörst du, Sasuke! Ich bringe dich dazu zurückzukehren... eines Tages.", brachte Naruto unter schweren Atemzügen über die Lippen.
Ein letztes Mal sahen sich die ehemaligen Freunde in die Augen. Es war ein langer, bedeutungsvoller Augenkontakt. Selbst Sakura konnte von dem Ort, an dem sie stand die Verbindung zwischen Naruto und Sasuke spüren. So rein, so roh. Erneut trieb es ihr Tränen in die Augen, jene sie hastig fortblinzelte.
Schließlich war es Sasuke, der den Augenkontakt zu erst brach. Geschwächt begab er sich zu Karin, die ihn sofort stützte. Narutos Worte ignorierend und ohne noch einmal zurück zu sehen, verschwand Sasuke mit seiner Gruppe in den Wald.
Keuchend fiel Naruto auf seine Knie, um im selben Moment nachvorne zu Boden zu kippen. Sofort bekam es Sakura mit der Angst zu tun. Gerade, als sie sich in Bewegung setzen wollte, um ihrem Freund zu helfen, hielt sie eine Hand zurück. Ihr Blick traf auf ein vertrautes schwarzes Augenpaar. Sie hielt den Atem an. Itachi.
,,Er hat dir angeboten mit ihm zu gehen. Warum hast du es nicht getan?"
Ungläubig starrte Sakura zu Itachi auf. Woher wusste er von Sasukes Bitte?
,,So einfach ist das nicht ...", begann Sakura, doch Itachi brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen.
,,Es könnte so einfach sein."
Beinah mitleidig wandte sich Itachi mit diesen Worten ab. ,,Kümmer dich um den Neunschwänzigen. Akatsuki will ihn noch immer."
Irritiert über Itachis Worte versuchte Sakura zu begreifen, was Itachi eigentlich wollte.
,,Du bist doch auch ein Mitglied bei Akatsuki."
Abermals schenkte er ihr nur ein vieldeutiges Lächeln, bevor er sie mit vielen unbeantworteten Fragen zurückließ.
Was sollte sie nur tun?
Wenn Rache Gerechtigkeit ist, dann bringt Gerechtigkeit nur noch mehr Rache und wird so zu einem endlosen Kreislauf aus Hass.
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