Die Erkenntnis
Während Sasuke regungslos vor ihr stand, begann Sakura ihn unauffällig zu mustern. Eine gefährliche Aura der Dunkelheit umgab Sasuke nun, äußerlich wie innerlich, dass konnte Sakura nun deutlich spüren. Er war längst nicht mehr der Junge, den sie gekannt hatte. Der Schmerz dieser Erkenntnis traf sie mit solch einer Wucht, dass Sakura für einen Moment gequält die Lider niederschlug. Die Schatten seiner inneren Dunkelheit umgaben ihn wie eine tief schwarze Aura. Die Nuance des Schwarzes tiefer, als es die dunkelste Nacht je sein könnte. Die Kälte, die von ihm ausging, ließ sie unwillkürlich frösteln. Wie von selbst schlangen sich ihre Arme beschützend um ihre Mitte. Bei seinem Anblick stach etwas tief in ihrer Brust. Es musste dem giftigen Einfluss Orochimarus geschuldet sein, der Sasuke so werden ließ. So abstoßend kalt.
,,Warum bin ich hier?", versuchte sie es noch einmal ihn zum Reden zu bewegen.
Es blieb Still im Raum. Eine Stille, die sie zermürbte. Dieses starrsinnige Schweigen ließ Sakura verzweifeln.
,,Bin ich nun deine Gefangene?"
Seine Lippen blieben zu einem schmalen Strich zusammen gepresst.
,,Sasuke, sprich mit mir!", schrie Sakura nun zornig. Ein Zorn, der sie zu überwältigen drohte. Ihre Hand, die sie zur Faust geballt hatte, zitterte.
Sie unternahm einen Versuch auf ihn zuzugehen, dabei verzog sie beim Auftreten vor Schmerz das Gesicht. Mist! Ihren blöden Knöchel hatte sie beinah vergessen. Dieser tat verdammt nochmal höllisch weh. Beim Aufspringen Minuten zuvor hatte das Adrenalin überwogen, sodass sie den brennenden Schmerz, der unangenehm ihren Knöchel empor pulsierte, gar keine Beachtung geschenkt hatte.
,,Dein Knöchel ist wahrscheinlich verstaucht", sagte Sasuke, ohne jegliche Emotion in der Stimme erkennen zu lassen.
Der Klang seiner Stimme ließ Sakura überrascht aufsehen.
,,Du kannst ja doch sprechen", presste sie mühsam unter Schmerzen hervor.
Langsam kam er mit erhobenen Händen auf sie zu, so als ob er eine weiße Fahne schwenken wollte. Es vergingen vielleicht Sekunden, bis er vor ihr stand, aber für Sakura fühlte es sich an wie Jahre. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie die Luft angehalten hatte. Endlich füllte sie ihre Lungen wieder mit Sauerstoff, um dann in die Augen des Mannes zu Blicken, der ihr einst so viel bedeutet hatte.
,,Ich möchte dir helfen."
Zum Beweis seiner Absichten zog er eine Salbe aus einem Beutel, den er bei sich trug. Misstrauisch beäugte Sakura die Salbe.
Sollte sie ihm glauben? Spielte es eine Rolle?
Einen Moment musterte sie ihn noch argwöhnisch, bevor Sakura ihn schließlich seufzend gewähren ließ. Die Schmerzen waren zu groß, um seine Hilfe abzulehnen. Hätte er sie töten wollen, hätte er es bereits getan, dessen war sie sich absolut sicher.
,,Warum bist du so nett zu mir?"
Die Erinnerung an ihr letztes Aufeinandertreffen war noch viel zu präsent. Die bloße Erinnerung an diesen eiskalten Blick ließ sie erschaudern.
Ihre Frage schien er zu ignorieren. Seine Konzentration lag auf ihrem Knöchel. Behutsam umfassten Sasukes warme Hände ihren Knöchel, um die Salbe auf die geschwollene Stelle aufzutragen. Die Berührung seiner Fingerspitzen brannte auf ihrer Haut, wie Feuer. Kurz überkam sie der Impuls zurückzuzucken, doch Sakura genoss seine Nähe, viel zu sehr, obwohl sie es nicht sollte. Schlagartig ließ der Schmerz ein wenig nach. Seufzend betrachtete Sakura Sasuke für einen Moment. Einen Moment zu lange.
Ihre Gesichter waren nun keinen Zentimeter mehr voneinander entfernt. Sakura spürte seinen warmen Atem wie ein flüchtiger Windhauch über ihr Gesicht streichen. Kurz erzitterte sie, während Sasuke schwer schluckte und die Lider schloss. Bewegungslos standen sie so voreinander. Die Sekunden verstrichen und dehnten sich zu Minuten aus. Der Raum schien in unsichtbaren Flammen zu stehen, denn die Hitze war überwältigend. Ihr Aufeinandertreffen entfachte ein Feuer, das viel zu schnell außer Kontrolle zu geraten schien. Schlagartig schoss die gefährliche Hitze auch durch Sakuras Venen. Sie wusste nicht, wie sie sich jetzt verhalten sollte. Sollte sie zurückweichen und sich bedanken?
Doch Sasuke nahm ihr die Entscheiung ab. Plötzlich und ohne Vorwarnung presste er seine Lippen auf ihre. Sein Verstand hatte sich einfach verabschiedet und sein Herz hatte das Handeln übernommen. Solange hatte er sich dieses Gefühl vorgestellt, wie es wäre ihre weichen warmen Lippen zu berühren. Die Wirklichkeit übertraf die Vorstellung bei weitem. Es berauschte ihn, brannte in seinen Venen. Er wollte Sakura noch näher zu sich ziehen, also begann er seine Hand auszustrecken. Abrupt schubste Sakura ihn unsanft von sich, womit sie den Kuss unterbrach. Erstaunt wich Sasuke einen Schritt zurück und ließ die Hand sinken. Verwirrt über sein Handeln blinzelte er ein paarmal.
,,Sasuke was soll das alles?", schrie sie, während Tränen über ihre Wangen liefen. ,,Vor drei Jahren sagtest du mir noch, ich wäre nervig. Was hat sich für dich geändert? Und erzähl mir nicht, du weißt nicht, was ich damit sagen will. Ich bitte dich, nur dieses eine Mal, sei ehrlich zu mir und zu dir selbst."
Ihr Blick glich einer Mischung aus Traurigkeit und Frustration, die Sasuke jedes Mal verursachte. Neugierig ließ Sasuke diesen Ausdruck auf sich wirken.
Natürlich war sich Sasuke mehr, als bewusst, dass er ihr Antworten schuldete. Aber gab es überhaupt welche? Das Einzige, was er über die Lippen brachte, war ein undeutliches tut mir leid. Dieser Moment, in dem sie einander so nah gewesen waren, hatte in ihm den Drang geweckt, Sakura zu berühren. Warum dem so war, wusste er selbst nicht. Oder warum er sie schlussendlich geküsst hatte. Es war ein fataler Impuls gewesen, gegen den Sasuke nicht ankämpfen konnte. Es war einfach über ihn gekommen.
Ihre Handfläche traf hart auf sein Gesicht, doch Sasuke verzog keine Miene oder wich zurück. Wie aus dem Nichts ergriff er ihr Handgelenk, um es fest zu umschließen. Der Schmerz dieser Berührung traf Sakura in Wellen und ließ sie scharf die Luft einziehen. Sicherlich würden unschöne Abdrücke zurückbleiben. Seine dunklen Augen durchbohrten ihre jadegrünen förmlich. Wieder lag diese unangenehme Spannung plötzlich in der Luft, welche bei Sakura Gänsehaut verursachte. Die Flammen der Erregung waren verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Kälte trat an ihre Stelle.
,,Hasst du mich für das was ich damals getan habe oder für den Kuss?"
Sakuras Lippen öffneten sich, während sie ihn ansah. Diese Frage kam unerwartet. Sakura versagte die Stimme, unfähig irgend einen Laut von sich zu geben. Abrupt löste Sasuke seinen Griff um ihr Handgelenk, wobei er sich von ihr abwandte. Sakura rieb sich über die schmerzende Stelle, während sie seinen Rücken betrachtete.
,,Das Einzige, was ich je wollte, war Rache. Dafür lebe ich." In seiner Stimme schwang Bitterkeit mit.
Traurig starrte Sakura auf das Wappen, dass noch immer auf Sasukes Rücken prangte. War er noch stolz darauf ein Uchiha zu sein?
Unerwartet kam Sakura ein Satz von Ino in den Sinn. Eine Blume hatte keine Bedeutung, wenn sie nicht blühte. Warum auch immer sie gerade daran dachte.
,,Weißt du, ich habe die Dunkelheit gesehen. All jene Abgründe, die du fürchtest, doch du ...." Seine Stimme brach.
Quälend langsam drehte er sich wieder zu ihr um.
,,Doch du ... Bist das Licht am Ende des Tunnels. Ich habe eine Verbindung zu dir, die ich nicht verstehe, die ich einfach nicht in Worte fassen kann schon damals. Je mehr Zeit wir gemeinsam als Team Sieben verbracht haben, desto mehr habe ich mich ungewollt begonnen euch zu öffnen. Sogar Naruto, diese Nervensäge, würde ich als meinen Freund bezeichnen. Ich wollte es mir nur nicht eingestehen. Verdammt Sakura, verstehst du nicht, du bringst mich von meinem Weg ab."
Endlich begriff Sakura, was Itachi gemeint hatte. Sasuke hatte niemals das richtige Gefühl des Hasses verspürt, nicht wie er musste um Itachi besiegen zu können. Seine Bindung zu ihr und auch zu Naruto hatten ihn davon abgehalten. Sein Geständnis erweichte Sakuras Herz. Langsam, beinah zaghaft streckte sie ihre Finger nach seiner Wange aus, um seine Haut zu berühren. Es war Still in dem Raum, außer ihren Atemgeräuschen hörte man nichts. Sasuke und Sakura standen einander einfach nur gegenüber, ohne ein Wort zu sprechen.
Doch es war immer noch die verhasste Stimme seines Bruders, die in seinem Kopf herumspuckte.
Wenn du mich töten willst, hasse mich, verabscheue mich und lebe ein abscheuliches Leben ... Lauf, lauf und klammere dich an das Leben. Und eines Tages, wenn du dieselben Augen hast wie ich, komm zu mir.
Diese Augen würde er nur erlangen, wenn er Naruto endgültig tötete. Sakuras Stimme riss ihn aus seiner Trance.
,,Ich weiß nicht, warum ich noch immer so für dich empfinde. Egal, wie sehr du versucht hast Naruto oder mich von dir zu stoßen, ich konnte dich nicht aufgeben. Ich konnte nicht. Wahrscheinlich liegt mir mehr an dir, als den meisten anderen, aber die Wahrheit ist, dass mir deine Nähe nun Angst macht."
Allmählich ließ sie ihre Hand von seiner Wange gleiten. Sofort fehlte ihm ihre warme Berührung.
,,Warum mache ich dir Angst, Sakura?", fragte Sasuke mit einem dieser fesselnden Blicke, die Sakura so unter die Haut gingen.
Sakura erwiderte Sasukes Blick unnachgibig.
,,Du machst mir Angst, weil ich weiß, welche Folgen es haben kann jemanden zu verlieren. Ich weiß, wie dramatisch sich Trauer auf Menschen auswirken kann, wie sehr sich Menschen dadurch verändern, weil es bei uns beiden so ist."
Nun belächelte Sasuke Sakura von oben herab. ,,Denkst du wirklich, dein Verlust lässt sich mit meinem vergleichen?", seine Stimme hatte einen gefährlichen Ton angenommen.
Wut über Sasukes Worte stieg in Sakura empor. Dachte er wirklich, sie würde kein Leid kennen? Ihre Gesichtszüge verhärteten sich.
,,Du kannst dir nicht im geringsten vorstellen, wie ich gelitten habe, als du gegangen bist!", brüllte sie ihren angestauten Zorn heraus. Endlich konnte sie es ihm ins Gesicht sagen.
In der Tat konnte Sasuke Sakuras Gefühle nicht nachvollziehen, denn er hatte niemanden außer seiner Familie je geliebt. Und diese Liebe, die Sakura glaubte zu empfinden, war Sasuke fremd, doch er wollte es spüren, dieses Feuer, dass in Sakuras Augen brannte, wollte er verstehen.
Erneut näherte er sich ihr vorsichtig, bis seine Lippen nur Zentimeter vor ihren schwebten. Sasuke wartete ab, suchte ihren Blick. Dieses Mal wollte er sichergehen, ob sie es auch wollte, als Sakura keinen Versuch unternahm ihn zurückzustoßen, betrachtete er es als Einladung. Ihre Lippen verschmolzen zu einem Kuss purer Leidenschaft. Es war für Sasuke ein eigenartiges Gefühl jemandem so nah zu sein, die letzte Person, bei der er solch ein Gefühl der Wärme verspürt hatte, war Itachi gewesen. Sein Bruder. Doch nicht nur seelisch wollte er Sakura nah sein, nein, auch körperlich. Sakura war tatsächlich die erste Frau, die er auf diese Weise begehrte.
Plötzlich schreckte Sasuke aus dem Schlaf. Sein Zimmer lag in völliger Dunkelheit. Schweißnass und schwer atmend versuchte er sich an die vollkommene Dunkelheit zu gewöhnen. Orientierungslos ließ er seinen Blick durch das Zimmer schweifen. Keine Sakura. Es war nur ein Traum gewesen. Schon wieder. Wie oft wollte er eigentlich noch von ihr träumen. Seine Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten, während er versuchte sich fieberhaft an die letzten Stunden zu erinnern. Da schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf. Natürlich, er hatte sie vor einigen Stunden ohne eine Antwort auf all ihre nervigen Fragen im Zimmer zurückgelassen.
Dieser Traum hatte sich jedoch so real angefühlt. Seine Wangen brannten noch immer wie Feuer und seine Lippen prickelten. Benommen erhob er sich. Ein seltsamer Drang überkam ihn. Er musste nach ihr sehen. Er war hin- und hergerissen zwischen seiner Pflicht, die er sich selbst aufgebürdet hatte und seinen besseren Instinkten.
In Gedanken versunken ging er den Gang zu Sakuras improvisiertem Zimmer hinunter. Gähnend saß Suigetsu vor der Tür, um Sakura zu bewachen, wie er es befohlen hatte.
,,Sasuke." Erneut gähnte er.
Aber etwas fühlte sich komisch an.
,,Geht es Sakura gut?"
Kurz kratzte sich Suigetsu am Kopf als würde er über Sasukes Frage nachdenken. ,,Ich denke", erwiderte er müde.
,,Geh schlafen, ich werde nach ihr sehen."
Nickend erhob sich Suigetsu, um sich mit leisen Schritten zu entfernen. Als Sasuke seine Finger um den Knauf der Tür legte, beschleunigte sich sein Puls. Leise drückte Sasuke die Tür einen Spaltbreit auf, sodass ein wenig Licht in den dunklen Raum drang. Seine Augen weiteten sich vor Schreck, bei dem was er vorfand ...
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