Teil 1
„Peeta? Peeta,a,a,a,a,a,a,a,a", hallt es in meinem Kopf wider. Ich spüre seine starken Hände an meinem Hals, fühle, wie mir die Luft wegbleibt.
Ich wehre mich, doch es geht nicht, ich kann mich nicht wehren und er ist viel zu stark. Selbst in so einem Moment, hat er Kraft mich anzugreifen, mir mit aller Kraft die Kehle zuzudrücken und zuzusehen, wie mir die Luft langsam ausgeht. Ich laufe rot an, Tränen schiessen mir in die Augen und ich kann nichts dagegen tun.
Ich kann einfach nur still liegen bleiben und warten, bis es vorbei ist. Ich weiss es ist grausam, aber wenn man das schon mehrere duzende Male erlebt hat, hat es etwas von der Grausamkeit und der Brutalität genommen. Kurz bevor ich wirklich ohnmächtig werde, wird der Griff um meinen Hals schwächer und Peeta lässt von mir ab.
Schwer atmend kniet er auf unserem Bett und ich bemühe mich nicht in Tränen auszubrechen. Ich weiss, dass er das nicht absichtlich tut, aber ich kann einfach langsam nicht mehr. Langsam drehe ich mich auf die Seite und spüre die heissen Tränen, die sich wie Bäche über meine Wangen ergiessen.
Meine Schultern beben, aber ich schluchze nicht, denn ich will ihn nicht unnötig in Panik versetzen. Also tue ich so, als ob ich wieder schlafen würde und bemühe mich ruhig und gleichmässig zu atmen.
Auch Peeta legt sich wieder hin, er liegt stocksteif neben mir, weil er nicht weiss, wie er damit umgehen soll. Seine nächtlichen Panikattacken sind schlimm genug, da muss er nicht auch noch miterleben, wie ich damit zu kämpfen habe.
Ich warte eine Stunde, dann ist er wieder eingeschlafen. Ich stehe leise auf und gehe ins Badezimmer, stütze mich auf den Rand des Waschbeckens ab und starre in den Spiegel. Schon wieder rote Striemen am Hals, schon wieder habe ich grosse Mühe zu schlucken, geschweige denn einen Ton heraus zu bekommen.
Ich starre in den Spiegel, die Frau die ich hier sehe, sieht älter aus als die 18 jährige, die sie eigentlich ist. Die Frau im Spiegel hat rote verquollene Augen, dunkle Schatten darunter und rote Striemen am Hals. Diese Frau ist nicht Katniss Everdeen, das Mädchen aus dem Wald.
Diese alte Frau ist Katniss Everdeen, der Spotttölpel. Die Jahre des Krieges haben mich gezeichnet, nicht nur die Narben an meinem Körper, auch mein Herz hat gelitten. Zu viele und zu schwere Verluste musste es hinnehmen, denn die Freiheit hat nun mal ihren Preis. Doch den war ich gewillt zu bezahlen und jetzt muss ich mit den Konsequenzen leben.
Ich kühle meinen Hals mit kaltem Wasser und hoffe, dass sie schnell verblassen.
Doch wem mache ich etwas vor?
Ich weiss genau, dass sie wieder wochenlang zu sehen sind. Am Anfang noch deutlich, dann leuchten sie rot und zeigen allen, was Peeta getan hat. Doch nach ein paar Tagen verblassen sie, bis sie irgendwann nicht mehr zu sehen sind.
Da ich sowieso nicht mehr schlafen kann, lasse ich mir ein Bad ein. Ich sehe dem Wasser zu, wie es in die Wanne läuft. Das Plätschern dröhnt in meinen Ohren und lässt meine gezeichnete Haut danach lechzen. Ich ziehe die schweissnassen Kleider aus und steige ins heisse Wasser, zucke zusammen, als das Wasser meinen Hals berührt, doch der Schmerz lässt schon wieder nach.
Mein ganzer Körper ist mit Wasser bedeckt, nur mein Kopf ragt noch über. Jemand hat mir mal gesagt, dass ich vorsichtig sein soll, wenn die Liebe kommt. Damals wusste ich nicht was damit gemeint war, doch heute weiss ich es nur zu gut. Man kann es nicht kontrollieren, man verliebt sich einfach.
Aber erst, wenn die Liebe da ist und man die Rosabrille abgesetzt hat und alle Farben sieht, dann muss man aufpassen. Ich habe das nicht getan, ich habe gedacht, dass die Liebe zu Peeta alles überstehen kann. Ich liebe ihn, daran wird sich nichts ändern, aber ich habe geglaubt, dass ich stark genug bin, es mit seinen Dämonen aufnehmen zu können.
Mein Fehler und meine Illusion, ich war unvorsichtig und bezahle jetzt dafür. Ich weiss, dass er es nicht absichtlich tut, und ich dachte ich könnte das einfach so wegstecken, aber ich kann einfach nicht mehr. Ich bin einfach nur noch müde. Müde und schwach. Ich möchte nicht mehr jede Nacht um mein Leben kämpfen, ich will einfach nur noch verschwinden. Also wieso tue ich es dann nicht einfach? Es wäre so einfach, hier und jetzt, einfach abtauchen und alles um mich herum vergessen.
Ach ja, die Treue zu Peeta, aber ich kann nicht mehr, also lasse ich los und sinke auf den Grund der Badewanne. Wasser schmiegt sich um meinen Körper, fühlt sich leicht wie Seide an und ist dennoch so tödlich, wie ein Pfeil mitten ins Herz. Luft sammelt sich in meiner Lunge. Wird es die letzte Luft sein, die ich eingeatmet habe, schiesst es mir durch den Kopf.
Ich schliesse die Augen und sehe Peeta vor mir. Mit seinem blonden Haaren, den blauen Augen und seinem wunderschönen Gesicht. Doch dann verwandelt er sich in den unberechenbaren Peeta, der, der mich töten will und es auch versucht.
Jetzt wo alles getan ist, gibt es nicht mehr zu sagen, du bist einfach gegangen und das so mühelos. Ich habe um uns gekämpft Tagelang, wochenlang, monatelang, doch es hat nichts gebracht. Also kann ich mich nicht mehr darauf verlassen, dass es besser wird, ich muss selbst eingreifen.
Und das hier ist der falsche Weg. Selbstmord ist keine Lösung, es ist feige und ich bin nicht feige, ich bin eine Kämpferin. Ich stosse mich mit meinen Händen vom Boden weg und durchbreche die Wasseroberfläche. Wasser schwappt über den Rand hinweg und klatscht auf den Boden.
Ich sauge Luft in meine Lunge, spüre das Brennen in meiner Kehle, aber es ist das Leben und ich will leben. Es klopft und ich höre Peetas Stimme, er sagt etwas, was ich nicht verstehe. Das Klopfen wird lauter, und nimmt an Kraft zu, weshalb ich aus der Wanne steige und s mir ein Handtuch um meinen Körper schlinge. Meine nassen Füsse erzeugen schmatzende Geräusche, als ich auf die Tür zugehe und sie öffne.
„Katniss?", stösst Peeta aus und klingt nervös, gar aufgelöst.
„Was ist?", frage ich leise.
„Dir geht's gut", presst er hervor und drückt mich an sich.
„Ja, alles ist in Ordnung", wiederhole ich noch leiser.
„Es tut mir so leid, ich will das nicht aber ich kann nicht ...", platzt es aus ihm heraus. Ich lege ihm einen Finger auf seine Lippen und bringe ihn damit zum Schweigen.
„Ist schon gut. Aber wir müssen reden", sage ich ernst.
„Gut." Er nickt und zusammen gehen wir zurück in unser Schlafzimmer und setzen uns aufs Bett.
„Ich kann nicht mehr so weiter machen, dass ist dir doch klar, oder?", frage ich ihn leise. Er nickt und sieht mich voller Reue an.
„Ich weiss, dass du das nicht absichtlich tust, aber ich kann so nicht mehr weiter machen. Sonst werde ich dich verlassen, glaub mir ich will das genauso wenig wie du, aber ich sehe keine andere Wahl", füge ich hinzu. Ich spüre, dass es ihn quält das zu hören, aber ich sehe wirklich keine andere Möglichkeit. Wir müssen diesen Teufelskreis durchbrechen. Ein für alle mal.
„Ich weiss auch, dass die erste Therapie nicht so angeschlagen hat, wie wir es uns erhofft hatten. Aber vielleicht wird uns eine zweite Therapie weiter helfen", sage ich vorsichtig und atme tief ein, um den Druck zu lösen, der sich auf meine Brust gelegt hat. Peeta schweigt, eine ganze Weile sogar. Doch ich spüre, dass er es einsieht. Was er auch muss, wenn er an uns festhalten will. Denn ich möchte es unbedingt.
„Es wird wohl am besten sein, wenn ich morgen fahre", sagt er und ich nicke schwach. „Ich liebe dich Peeta, vergiss das bitte nicht", wispere ich und küsse ihn. Ich ziehe ihn zu mir heran und fahre durch sein dichtes Haar.
Sein Mund wandert über meinen Hals, über meine Schultern, bis zu meinem Bauch. Das Verlangen kriecht sich langsam in uns hinein und entfesselt unsere Leidenschaft. Ich gebe mich ihm voll und ganz hin, denn es wird das letzte Mal für eine sehr, sehr lange Zeit sein. Wir küssen uns hungrig, lieben uns langsam und voller Hingabe.
Als ich die Erlösung finde, flüstere ich seinen Namen und auch er flüstert meinen. In einander verschlungen liegen wir so da und sehen wie die Sonne langsam aufgeht. Mein Kopf ruht auf seiner Brust, während ich seinem Herzschlag zuhöre, spiele ich mit seinem Haar.
„Ich liebe dich Katniss. Schreib es für mich auf die Himmelslinie und schrei es von der Dachspitze", flüstert er. Ich drehe mich auf die Seite, um ihm in die Augen sehen zu können.
„Ich werde es jeden Tag von der Dachspitze schreien und ich werde es bei jedem Sonnenuntergang an die Himmelslinie schreiben. Versprochen", flüstere ich leise und küsse ihn zärtlich.
„Wir schaffen das, okay?", sage ich als wir uns am Bahnhof ein aller letztes Mal in die Arme nehmen. Ich spüre, wie er nickt und kämpfe gegen die Tränen an. „Ich liebe dich und es wird nicht unmöglich sein.
Peeta, wir schaffen das. Hast du mich verstanden?", sage ich ernst. Er sieht mir in die Augen und nickt, sein Blick ist voller Zweifel und voller Liebe zu mir. Ich küsse ihn noch einmal, dann pfeift der Zug und Peeta muss einsteigen.
„Ich werde es an die Himmelslinie schreiben und von der Dachspitze schreien. Solange bis du wieder bei mir bist", rufe ich ihm zu. Er lächelt schwach, dann sind die Türen zu und der Zug setzt sich in Bewegung. Ich war glücklich, und werde es wieder sein. Mein Herz ist gebrochen und meine Narben sind offen.
„Bitte lass das was ich hoffe, nicht unmöglich sein", flüstere ich und weine leise vor mich hin. Es ist kalt und es ist noch Winter, dennoch entdecke ich vor meinem Haus eine Löwenzahnblüte. Ich pflücke sie und rieche daran, ein Lächeln stiehlt sich auf mein Gesicht.
Das ist das Zeichen das meine Hoffnung nicht unmöglich ist. Denn diese Blume steht für Hoffnung und die habe ich, solange wie diese Blume blüht, werde ich ebenfalls kämpfen.
Ich erinnere mich, dass mir jemand mal gesagt hat, ich solle vorsichtig sein wenn die Liebe kommt. Das stimmt, man muss vorsichtig mit ihr umgehen, doch dann wenn man das Gefühl hat die Liebe ist so dünn wie ein Seidenfaden, dann ist sie so stark, wie ein Fels.
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Ich hoffe es hat euch gefallen :D
eure Amanda
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