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Kapitel 9

3. Juni 1469

Noch nie in seinem ganzen Leben war er jemals so erleichtert gewesen wie in diesem Moment. Sobald die vertraute Silhouette von Florenz am Horizont erschien, erschien es Apollo, als würde endlich eine schwere Last von ihm abfallen. Für einen Augenblick gab er sich ganz der Bewunderung für die Schönheit dieses Anblickes hin, dann gab er seinem Pferd mit seinen Schenkeln ein Zeichen und fand sich im nächsten Moment schon direkt neben der Kutsche wieder. Ein Paar dunkelbraune Augen begegnete seinem Blick. Clarice Orsini. Lorenzos Ehefrau. Noch immer war Apollo alles andere als glücklich darüber, wie sehr ihn Giuliano mit dieser Reise nach Rom hereingelegt hatte, nur um Lorenzos Frau nach Florenz zu chauffieren. Mehr als einmal hatte er sich darüber gewundert, weshalb Lorenzo sie nicht einfach selbst in sein Haus begleitet hat. Für seine Frau wäre es gewiss um ein Vielfaches angenehmer gewesen und auch für Apollo wäre es unterhaltsamer gewesen. Aber wer war schon Apollo, dass er Lorenzos Entscheidung verurteilte noch ein kleines Weilchen länger seine Freiheit mit seiner Geliebten zu verbringen, anstelle die langweilig ruhigen Straßen Italiens zu bereisen mit einer... mit einer Frau wie Clarice Orsini. 'De Medici, korrigierte er sich selbst automatisch. Von nun an war sie Clarice de'Medici.
Grinsend blickte Apollo auf Clarice herab und nickte in Richtung der Silhouette von Florenz. Sofort huschte ihr Blick zu der Stadt herüber und er nutzte diese Möglichkeit sie erneut genauer zu betrachten. Sie war jung und süß. Sie war noch keine erlesene Schönheit wie Lucrezia Donati, aber Apollo war sich sicher, dass sich dies in einigen Jahren verändern würde. Wenn sie lange genug am Leben blieb. Aber seine prophetischen Kräfte sagten ihm, dass sie zumindest die nächsten zehn Jahre überleben würde. Ihr hellbraunes Haar hatte sie sorgsam unter ihrem langen, blauen Schleier versteckt. Auf ihren Lippen erschien ein gezwungenes Lächeln, wodurch ihre vollen Lippen seltsam schmal wirkten. Im nächsten Augenblick bohrten sich ihre dunklen Augen in ihn. Natürlich war sie von Florenz' Schönheit nicht wirklich beeindruckt und Apollo ertappte sich bei der Frage, ob dies daran lag, dass sie Rom gewöhnt war – eine Stadt, die nicht nur viel älter, sondern auch deutlich berühmter war. Hatte er nicht auf die gleiche Weise empfunden, als er damals nach Florenz kam, um Giuliano zu helfen? Jahrhundertelang war Rom sein Zuhause gewesen, aber dort gehörte er einfach nicht mehr hin. Sein Platz war nun in Florenz und dieses sterbliche Mädchen teilte dieses Los. Sie würde lernen müssen, damit zu leben. So wie er.

Sobald sein Pferd die Stadtgrenze übertrat, drohte ihn die Präsenz der anderen Gottheit zu überwältigen und er musste für einen Augenblick die Augen schließen. Genüsslich kostete er diesen Moment aus und er spürte, wie ihre Magie sanft über seine Wange strich. Grinsend schlug er die Augen auf und versuchte die überraschende Sanftheit ihrer Magie zu verstehen. Einmal als Artemis und er noch sehr jung gewesen waren, hatte seine Zwillingsschwester versucht ihre Kräfte heimlich bei ihm anzuwenden. Apollo war sofort schlecht geworden und auch jetzt erschauderte er bei der Erinnerung an die Kälte ihrer Magie. Doch die Kräfte dieser Göttin, die sich noch immer vor ihm in Simonettas Körper versteckte, waren so zart und sanft, dass er sie beinahe nicht gespürt hätte. Sobald sie ihre Magie zurückzog, blieb nur noch ihr süßer Geschmack auf seiner Zunge zurück.
Bei den Göttern, wie sehr hatte er dieses Gefühl vermisst, welches ihre Anwesenheit in ihm auslöste. Ihre Aura haftete bereits an jeder Ecke von Florenz wie ein Tropfen hochwertiges Parfum an einer reichen Frau. Durch sie wirkte die Stadt plötzlich so viel schöner. Nachdem er sie nun einmal wahrgenommen hatte, fragte er sich immer wieder, weshalb sie ihm noch nie zuvor aufgefallen war.
Ungefähr eine Stunde später schrubbte sich Apollo den Dreck der Reise von seinem Körper. Dies war noch so eine moderne Veränderung, die ihm das Leben in Italien erschwerte. Noch vor ein paar Jahrhunderten hätte er sich in die Thermenanlage der Villa zurückziehen und sich für ein paar Stunden nach allen Regeln der Kunst von den Sklaven des Hauses verwöhnen lassen können. Der Palazzo der Medici besaß noch nicht einmal eine Toilette mit fließendem Wasser. Was für ein Verlust!
Doch bevor er sich seinen Tagträumen von längst vergangenen Zeiten hingeben konnte, riss ihn ein leises Klopfen aus seinen Gedanken. Genervt legte Apollo den Lappen aus der Hand und überlegte, ob er sich ein frisches Hemd anziehen sollte. Doch er fühlte sich noch immer so verdreckt, dass er sich dagegen entschied.
Mit langen Schritten lief er zur Tür und öffnete sie. Auf der Schwelle stand Lorenzo und starrte ihn so erschrocken an, als hätte er noch nie die nackte Brust seines Bruders gesehen. Betont erschrocken sah Apollo an Giulianos Körper hinab. Für einen Sterblichen war der Junge wirklich gut gebaut. Auch wenn seine besten Teile von einem Handtuch verborgen waren. Lorenzo tadelte ihn leise, dass er in diesem Aufzug nicht die Tür öffnen könne, ohne zu fragen, wer dahinter auf ihn wartete. Manchmal war Lorenzo so prüde wie Artemis. Amüsiert über diesen Vergleich verdrehte Apollo die Augen und ging aus dem Weg, damit Lorenzo rasch Giulianos Zimmer betreten konnte. Eine Spur zu laut fiel die Tür hinter Lorenzo ins Schloss. Ungerührt ging Apollo zurück zu der Waschschüssel, wrang den Lappen aus und rieb sich damit über die Arme.
In seinem Rücken verriet das Rascheln von Stoff, dass es sich Lorenzo gerade auf einem der Stühle bequem machte. Das Schweigen hielt an, bis Apollo zufrieden mit seinem Werk den Lappen zurück in die Schüssel gleiten ließ, sich die Nässe von der Haut mit einem Handtuch abrieb und endlich in die frischen Sachen schlüpfte, die bereits auf seinem Bett lagen.
Entspannt lehnte er sich gegen die Tischkante und blickte auf den Sterblichen hinab. Nervös spielte Lorenzo mit dem untersten Knopf seiner Jacke, während er gedankenverloren aus dem Fenster starrte, doch seine Augen nahmen nichts anderes war als die Bilder, die sich in seinem Geist formten.
„Was kann ich für dich tun, Lorenzo?", fragte Apollo und legte den Kopf schief. Sofort schrak der Sterbliche aus seinen Gedanken auf und ließ den Knopf seiner Jacke los, als hätte er sich an ihm verbrannt. Anscheinend war ihm diese nervöse Angewohnheit unangenehm.
So leise, dass Apollo seine Worte kaum verstehen konnte, gestand ihm Lorenzo, dass er den Rat seines Bruders benötige. Apollo verdrehte die Augen, während er heimlich in Lorenzos Gedanken eintauchte. Sie waren voller Bilder von Lucrezia und einem Portrait, das vermutlich Clarice darstellen sollte. Seine Gedanken waren so bunt und schrill vor Angst, dass Apollo das schauspielerische Talent des Sterblichen bewundern musste. Rasch zog er sich aus dessen Geist zurück und musterte Lorenzo, der nach Außen so gelassen und ruhig wirkte. Wenn Apollo nicht in seinen Geist eingetaucht wäre, hätte er nie vermutet, dass in Lorenzo ein solcher Aufruhr herrschte.
„Sie ist sehr freundlich", meinte Apollo und war amüsiert über den hoffnungsvollen Blick, den Lorenzo ihm sofort zuwarf. Bemüht sachlich fuhr er fort: „Clarice ist sehr behütet aufgewachsen und sehr religiös erzogen worden, Lorenzo. Sie ist keine zweite Lucrezia Donati. Ich würde sogar sagen, dass sie das komplette Gegenteil von ihr ist. Aber sie ist Clarice de'Medici und ich weiß, dass sie sich in dieser Stadt einen Namen machen wird. Ich weiß, du erwartest keine Prophezeiung von mir und ich werde dir auch die Möglichkeit nicht nehmen eure Zukunft unvoreingenommen gemeinsam zu gestalten, indem ich dir etwas weissage. Aber so viel kann ich dir sagen, sie ist deine Frau und sie wird diejenige sein, die dir einen Erben schenkt. Doch bis es so weit ist, musst du beweisen, dass du ihr würdig bist. Also geh und mache dir selbst ein Bild von ihr."
Sobald Apollo geendet hatte, murmelte Lorenzo irgendetwas vor sich hin, was Apollo nicht verstand, dann zog sich Lorenzo wieder in die Welt seines Geistes zurück. Dieses Mal widerstand Apollo der Versuchung noch einmal in diese Welt einzutauchen.
Nach einer Weile stieß sich Apollo von der Tischkante ab, ging einmal um seinen Schreibtisch herum und setzte sich auf seinen Stuhl. Als er angekommen war, hatte er seine Tasche unbedacht darauf abgelegt. Jetzt zog er sein Notizbuch hervor, schlug es auf, schnappte sich eine neue Feder und begann seine Gedanken fließen zu lassen. Schon bald war das Kratzen der Feder das einzige Geräusch, welches im Raum zu hören war.
Nur am Rande seines Bewusstseins nahm er wahr, wie Lorenzo sich erhob und auf leisen Sohlen das Zimmer verließ. Doch auf der Türschwelle drehte sich Lorenzo noch einmal zu ihm um und erinnerte ihn: „Morgen findet übrigens das Fest zu Ehren meiner Hochzeit. Sei pünktlich."
Sobald sich die Tür hinter Lorenzo schloss, legte Apollo seine Feder beiseite und schloss die Augen. Mit einem Schlag war er unglaublich müde.

Apollo war so erschöpft, dass er weder erwachte, als er bei Sonnenuntergang in seinen eigenen Körper glitt, noch als er bei Sonnenaufgang wieder in Giulianos Körper zurückkehrte. Seit Jahrhunderten hatte er keine Nacht mehr durchgeschlafen. Das Fest verpasste er dennoch nicht. Ungefähr eine halbe Stunde bevor die ersten Gäste eintrafen, platzte Giulianos Mutter unaufgefordert in das Zimmer ihres jüngsten Sohnes und riss Apollo aus seinem traumlosen Schlaf.
Dankbar für ihre Tat wusch sich Apollo den Schlaf aus dem Gesicht und machte sich auf den Weg zum Fest. In der Eingangshalle lief er Bianca und Guglielmo in die Arme. Sofort nahm Bianca ihn in Beschlag und versuchte aus ihm alles über Clarice zu erfahren. Diese Medici waren wirklich erpicht darauf seine Meinung über das Mädchen zu erfahren. Warum konnten sie nicht einfach zu ihr gehen und sich selbst ein Bild machen? War das wirklich zu viel verlangt? Clarice hatte ihn auch nicht mit nervigen Fragen über diese Familie genervt, weshalb konnten die Medici nicht die gleiche Zurückhaltung an den Tag legen wie ihr neuestes Familienmitglied?
Aus dem Augenwinkel nahm Apollo eine Bewegung wahr und automatisch huschte sein Blick zu der kleinen Gestalt, die unsicher vor Lorenzo stand und ihn stumm musterte. Die junge Frau wirkte so unsicher und nervös, dass Apollo sofort Mitleid mit ihr hatte.
„Ah, Clarice", rief Apollo nach ihr und löste sich dankbar für ihr Auftauchen von der viel zu neugierigen Bianca. Mit drei langen Schritten war er bei ihnen und legte lässig seinen Arm um Lorenzos Schultern. Mit gespielt brüderlichen Stolz blickte er auf Lorenzo herab und schlug ihm spielerisch auf die Brust. Dann wandte er sich lächelnd mit feierlicher Stimme an die Braut: „Clarice de'Medici, es ist mir eine Freude dir deinen Gatten und meinen Bruder Lorenzo di Piero de'Medici vorzustellen."
Wie in einer schlechten Komödie breitete sich auf Lorenzos Gesicht ein übertrieben glückliches Lächeln aus, während er die Hand seiner Braut nahm und sie langsam an seine Lippen führte. Dabei schüttelte er Apollos Arm ab, indem er sich leicht über ihre Hand beugte. Wie es sich gehörte, deutete Lorenzo den Kuss nur an.
„Endlich lernen wir uns kennen, Gemahlin", raunte Lorenzo, als er Clarices Handrücken von seinen Lippen zog. Aus ihren großen, unschuldigen Augen blickte Clarice ihrem Mann so treu und sanft entgegen, dass Apollo sich nur noch überflüssiger fühlte. Bevor Clarice etwas erwidern konnte, machte Apollo auf dem Absatz kehrt und suchte sich ein Getränk. Nach den Strapazen der vergangenen Wochen und den peinlichen Situationen des heutigen Tages brauchte er unbedingt Wein.
Für gewöhnlich waren die Getränke auf der anderen Seite des Gartens im Schatten des Laubenganges aufgebaut und auch jetzt wurde Apollo nicht enttäuscht.
Gerade als er sein zweites Glas geleert hatte, gesellte sich ein alter Mann neben ihn. Doch erst als Apollo sein drittes Glas bestellen wollte, erkannte er ihn als Giulianos Vater wieder und lächelte ihm verlegen zu. Schnell senkte er sein Glas, worauf Piero zu lachen begann.
„Wegen mir musst du doch nicht aufhören zu trinken, Giuliano", meinte Piero sanft und legte väterlich seine große, warme Hand auf Apollos Schulter ab. „Verrate nicht deiner Mutter, dass ich dir das gesagt habe. Aber genieße deine Jugend, aus diesem Kelch kannst du nur einmal im Leben trinken."
Am liebsten hätte Apollo Piero sehr wohl darauf hingewiesen, dass er aus diesem Kelch jederzeit trinken konnte und er niemals alt werden würde, doch er blieb stumm. War er wirklich noch die gleiche Gottheit wie vor dreitausend Jahren? Hatte die Zeit wirklich keine Spuren auf seiner Seele hinterlassen? Aber Piero de'Medici erschien ihm nicht der geeignete Partner für diese Art von philosophischem Gespräch zu sein. Vielleicht sollte er heute Nacht seinem kleinen Bruder Dionysos einen Besuch abstatten und ihm zu einem Symposion überreden. Sicher vermisste Dionysos die alten Zeiten genauso schmerzlich wie er.
In diesem Augenblick trat Lucrezia Donati zu Lorenzo und Piero sog neben Apollo scharf die Luft ein, wodurch Apollo sich wieder auf die Realität konzentrieren musste. Die Falte auf Pieros Stirn wurde tiefer und sein Blick huschte zu Clarice herüber, die im Garten in ein Gespräch mit ihren Schwägerinnen vertieft war. Als hätte Lorenzo den Blick seines Vaters gespürt, flüsterte er Lucrezia rasch etwas ins Ohr, dann drehte er sich um und lief zu seiner Braut. Piero verstärkte unmerklich den Druck seiner Hand auf Apollos Schulter.
„Danke, mein Sohn", sagte Piero und das Lächeln, welches er Apollo schenkte, war so warm, dass Apollo für einen Augenblick vergaß, dass Piero gar nicht sein eigener Vater war. „Ich bin sehr stolz auf dich. Du hast unserer Familie einen sehr großen Dienst erwiesen"
„Immer im Namen der Familie", erwiderte Apollo leise und Piero zog glucksend seine Hand zurück. Fragend drehte Apollo den Kopf und musterte eingehend Pieros vom Alter gezeichnetes Gesicht. Doch Piero nahm sich wortlos ein eigenes Glas Wein und prostete Apollo augenzwinkernd zu. Nachdem Piero das Glas in einem Zug geleert hatte, ließ er Apollo mit seinem Wein und seinen Gedanken allein. Gerade als Apollo seinen Kelch an die Lippen ansetzte, setzte sie ihren Fuß über die Schwelle. Automatisch senkte er seinen Kelch erneut und drehte sich zum Eingang des Palazzo. Anmutig wie die Göttin, die sich in ihr verbarg, schritt Simonetta neben ihrem Mann in den Hof der Medici. Ihre Augen begegneten offen und neugierig seinem Blick und er drohte in ihrer Schönheit zu versinken. Sie war so nah und zugleich so unerreichbar fern.
Nachdem Lorenzo Marco und Simonetta Vespucci mit seiner neuen Frau bekannt gemacht hatte, warteten bereits weitere Neuankömmlinge darauf dem Paar ihre Glückwünsche übermitteln zu können, weshalb Marco Simonetta rasch weiterführte. Doch Simonetta flüsterte Marco etwas ins Ohr, löste sich bestimmt von ihm und lief zu Lucrezia Donati, um die sich bereits die meisten Frauen der Oberschicht Florenz' versammelt hatten. Auf Lucrezias Gesicht tauchte bei Simonettas Anblick eine solch ehrliche Freude auf, dass Apollo gar nicht bemerkte, wie Sandro zu ihm trat.
„Ungefähr einen Monat nach deiner Anreise sind sie sich zufällig in der Basilica di San Lorenzo begegnet. Seitdem sind die beiden die besten Freundinnen", erklärte Sandros Stimme und ließ ihn ertappt zusammenfahren. Sofort murmelte Apollo, dass er sie nicht so anstarren wollte, worauf ihm Sandro ein kleines Lächeln schenkte.
„Du warst eine gefühlte Ewigkeit fort, Giuliano", meinte Sandro verständnisvoll. „Ich habe sie beinahe jeden Tag heimlich aus der Ferne bewundert. Aber ihre engelsgleiche Schönheit überwältigt mich dennoch jeden Tag aufs Neue."
Verlegen nippte Apollo an seinem Wein und entspannte sich sofort. Rasch forderte er Sandro auf ihm von all den Ereignissen zu erzählen, die er in den letzten Monaten verpasst hatte. Begeistert begann Sandro zu berichten.
Immer wieder erwischte sich Apollo dabei, wie sein Blick zu der Göttin auf der anderen Seite des Gartens huschte. Diese schien jedes Mal, wenn sie sich unbeobachtet fühlte, Clarice de'Medici so intensiv zu studieren, als würde sie ihr direkt in die Seele schauen und alle Geheimnisse des Mädchens ergründen wollen. Nach einer Weile begann sich Apollo zu fragen, was an Clarice so besonders war, dass sie nicht nur das Interesse der Medicis, sondern auch das dieser antiken Göttin auf sich zog. Denn auch wenn sie sehr freundlich zu ihm gewesen war, so unscheinbar und langweilig war sie ihm während ihrer ganzen Reise vorgekommen. So kam Apollo nicht umhin einen kleinen Stich in seiner Brust zu spüren. Vor Überraschung hätte er beinahe sein viertes Glas fallen gelassen. Er kannte dieses Gefühl nur zu gut. Es hatte ihn in der Vergangenheit zu einigen dummen Entscheidungen getrieben. Aber er war ohne jeden Zweifel eifersüchtig auf diese kleine Sterbliche, die von der Göttin eben jene Aufmerksamkeit erhielt, nach der sich Apollo insgeheim so verzehrte.
Nach einer Weile schlenderte Marco Vespucci zu ihnen, um sich ein Glas Wein zu holen. Sofort nutzte Apollo seine Chance und verwickelte Marco in ein Gespräch über Kunst. Berechnend musterte Sandro ihn von der Seite, doch er spielte seine Rolle. Nachdem sie sich über die verschiedenen Kunstrichtungen unterhalten hatten, schlug sich Apollo von seiner eigenen Unachtsamkeit gespielt genervt gegen die Stirn und deutete mit einem entschuldigenden Lächeln auf Sandro.
„Wir unterhalten uns über Kunst und ich vergesse darüber ganz dir den größten Künstler unserer Zeit vorzustellen", meinte Apollo und schüttelte den Kopf über sein eigenes Versäumnis. Dann machte er Sandro und Marco schnell miteinander bekannt. Marco begann natürlich sofort Sandro nach seinen Projekten auszufragen und je mehr er hörte, desto beeindruckter schien er.
„Sandro ist viel zu bescheiden, um sein eigenes Talent gebührend bewerten zu können", erklärte Apollo voller Inbrunst. „Du musst unbedingt sein Atelier besuchen! Niemand kann die Schönheit einer Landschaft oder einer Person so naturgetreu einfangen wie Sandro. Falls du jemals deine Frau malen möchtest, Marco, dann musst du dich an Sandro wenden. Wenn jemand dieser gewaltigen Aufgabe sie für die Ewigkeit auf einer Leinwand festzuhalten gewachsen ist, dann Sandro Botticelli!"
Sofort blickte Marco zu seiner Frau hinüber, die gerade aus vollem Herzen lachte. Noch nie hatte Simonetta in Apollos Gegenwart so glücklich ausgesehen und er wollte der Grund dafür sein, dass ihr Gesicht diesen wunderschönen Ausdruck annahm.
„Ich werde darüber nachdenken", antwortete Marco und bevor er noch etwas erwidern konnte, rief jemand seinen Namen und Marco verließ sie.
„Warum hast du das getan, Giuliano?", wollte Sandro wissen und Apollo lächelte ihn wissend an. Mit feierlichem Ernst stieß er ihre Gläser zusammen und wisperte in Sandros Ohr: „Weil du mein Freund bist, Sandro und wenn du sie malen willst, dann brauchst du die Erlaubnis ihres Mannes. Wer weiß, wann sich eine weitere Gelegenheit ergeben hätte. Aber die Idee ist jetzt in seinem Kopf und vertrau mir, eines Tages wird er zu dir kommen und dich anflehen, dass du Simonetta malst."

~ Ὄλυμπος ~

Gelangweilt polierte Artemis ihren Bogen und versuchte dieses beklemmende Gefühl von sich abzuschütteln, welches sie schon so lange in sich wachsen fühlte. Es war kein gutes Zeichen, wenn sich eine Gottheit der Schwermut hingab. Doch Artemis konnte nicht anders, als ihr altes Leben zu vermissen. Früher war sie eine hoch geschätzte und viel verehrte Göttin gewesen. Früher war sie mit ihren Freundinnen jahrelang durch die Wälder gezogen und gejagt. Doch diese Zeiten war seit vielen Jahrhunderten endgültig vorbei.
Mit dem Erstarken dieser jüdischen Sekte, die sich zu der neuen Religion entwickelt hatte, deren Namen Artemis nicht einmal denken wollte, waren ihre Macht und ihre Freiheit Stück für Stück geschwunden.
Vor fast vierhunderten Jahren hatte Zeus ihnen verboten sich weiterhin in das Leben von Sterblichen einzumischen und so hatte Artemis sich dem Gesetz ihres Vaters beugen müssen. Widerstandslos war sie auf den Olymp zurückgekehrt. Aber dieser Palast, in dem sie nun schon viel zu lange wohnte, wurde einfach nicht zu ihrem Zuhause. Es entsprach nicht ihrer Natur für so lange Zeit an einem Ort zu bleiben. Aber sie war verdammt ihre Ewigkeit hier zu verbringen, bis Zeus seine Meinung ändern würde.
Nachdem die Reinigung ihres Bogens abgeschlossen war, schaute sich Artemis in dem viel zu vertrauten Raum um. Vielleicht sollte sie mal wieder alles umdekorieren, damit sie sich in ihren schwachen Momenten der Illusion hingeben konnte, dass sie gerade erst hier eingezogen war. Ihres Gefängnisses überdrüssig seufzte Artemis, verstaute ihren Bogen in seiner Wandhalterung und schaute aus dem Fenster hinaus. Dort erstreckten sich die schier endlosen, jedoch in Wahrheit sehr endlichen Weiten des Olymps. Vom Fenster ihres Thalamos hatte sie einen atemberaubend schönen Blick über ihren Garten, den sie im Gegensatz zu den anderen Göttern bewusst verwildern ließ. Die Gärten ihres Zwillingsbruders, an dessen Besitz ihre Residenz grenzte, dagegen waren geradezu unnatürlich perfekt gepflegt. Schönheit und Perfektion stumpften ab, wenn man sie jeden Tag sah.
Nachdenklich musterte sie die symmetrisch angelegten Gartenabschnitte ihres Bruders und fragte sich, wann sie das letzte Mal mit ihm gesprochen hatte. Zwar traf sie ihn zu den halbjährlichen Sitzungen des Olympischen Rates, aber selbst zu diesen Treffen wechselten sie kaum mehr als die üblichen Floskeln der Begrüßung und des Abschieds. Wann hatte sich ihr Verhältnis nur so verschlechtert? Auf Delos waren sie unzertrennlich gewesen, doch irgendwann hatten sie einander aus den Augen verloren und nun war ihr eigener Zwilling ein Fremder für sie.
Apollo und sie waren schon immer sehr unterschiedlich gewesen. Diese Gegensätzlichkeit war sogar noch durch die neuen Aufgaben betont wurden, die sie in Rom erhalten hatten. Denn während ihr Bruder jeden Tag den Sonnenwagen über den Himmel fuhr, hatte Artemis die Pflichten der Göttin des Mondes übernommen. Zum Glück musste sie den Wagen nicht jede Nacht fahren, die Tiere kannten den Weg und sie musste ihn nur besteigen, wenn sie schnell von einem Ort zum anderen reisen und dabei keine Magie verwenden wollte.
Auf einmal sehnte sie sich nach der Zeit zurück, in der Apollo ihre zweite Hälfte gewesen war. Als Kinder hatten sie keine Geheimnisse voreinander gehabt und ihre Leidenschaft für die Jagd hatte er in ihr geweckt. Zu einem ihrer ersten Geburtstage hatte Mutter Apollo Pfeil und Bogen geschenkt, während sie Artemis eine Puppe als Geschenk übergab. Apollo hatte sofort gespürt, wie unglücklich Artemis über dieses Geschenk gewesen war und am nächsten Tag hatte er sie noch vor Sonnenaufgang geweckt und mit ihr in die Tiefen der Wälder gelaufen. Dort hatten sie abwechselnd mit seinem Bogen das Schießen geübt. Irgendwie hatte ihr Bruder sie damals immer verstanden, während sie heute das Gefühl hatte weder ein Teil seines Lebens zu sein noch irgendetwas über ihn zu wissen.
Nachdem Vater auf Delos erschienen war und sie ihr Zuhause aufgeben mussten, um auf dem Olymp erzogen zu werden, hatte Apollo sich immer mehr von ihr zurückgezogen. Einen Grund für diese zunehmende Distanz hatte er ihr nie genannt und heute war er zu spät.
Artemis hatte gelobt niemals zu heiraten und auf ewig Jungfrau zu bleiben. Heiraten oder eine Affäre anfangen wollte sie noch immer nicht. Sie begehrte weder Männer noch Frauen auf diese Weise. Doch sie hatte nie geglaubt, dass sie eines Tages vollkommen allein sein würde. Sie hatte ihre Mutter verloren, ihre Jägerinnen, aber vor allem hatte sie ihren Zwilling verloren.
Mit einem Seufzen lehnte sich Artemis aus dem Fenster, lehnte den Kopf in den Nacken und schaute direkt in die Sonne. Dort war der Wagen ihres Bruders. So nah und doch so fern.
Eiskalte Wut flackerte in Artemis auf und brachte ihren Körper zum Beben. Seitdem sie den Olymp nicht verlassen durfte, hatte sie immer wieder die Nymphen über ihren Bruder tratschen hören. Sein exzessives Nachtleben war das einzige Gesprächsthema auf dem Olymp, weil es für ein wenig Abwechslung sorgte. Bis jetzt hatte es Artemis immer abgeschreckt, aber nun konnte sie nicht anders als sich zu fragen, weshalb ihr Bruder sich so verändert hatte. Früher war er so fürsorglich und sanft gewesen, heute war er so kalt und rücksichtslos. Vielleicht war es an der Zeit ihm einen Besuch abzustatten und bevor sie tausend Gründe finden konnten, die dagegensprachen, schnippte sie mit den Fingern. Im nächsten Augenblick verwirbelte der Wind spielerisch ihr Haar und die vertraute Aura ihres Bruders sorgte dafür, dass sie sich für einen Herzschlag komplett fühlte.
Dann zuckte ihr Bruder erschrocken zusammen und unmerklich sackte der Sonnenwagen einen Meter nach unten. Fluchend riss er an den Zügeln der Pferde, die sofort auf ihre alte Höhe zurückschossen. Weil sie Apollos Wut nicht ertragen konnte, lehnte sich Artemis über das Gestell des Wagens und blickte hinunter auf die Welt der Menschen. Gerade flogen sie über einen dichten Wald und allein der Anblick der Baumkronen brachte ihr totes Herz zum Schlagen.
„Welche Ehre verschafft mir deinen Besuch, Schwester?", wisperte Apollos Stimme und überrascht drehte sie ihm den Kopf zu. Stur wich er ihrem Blick aus, doch in seinem Gesicht konnte sie keine Anzeichen von Wut oder Genervtheit erkennen. Ganz im Gegenteil. Sein Gesicht war vollkommen frei von Emotionen. Sein Körper dagegen verriet nur zu deutlich, wie unangenehm ihm die Situation war. Seine abweisende Kälte versetzte ihr einen Stich mitten ins Herz. Wieso hatte sie von ihm auch etwas anderes erwartet? Während sie versuchte den Schmerz in ihrem Inneren zu verdrängen, begann ein Teil von ihr zu bereuen, dass sie ihn überhaupt aufgesucht hatte.
„Ich habe gerade an dich gedacht und weil wir uns so lange nicht gesehen haben, dachte ich mir, dass wir...", fing sie an, doch sein abfälliges Schnauben brachte sie sofort zum Verstummen. Augenblicklich ärgerte sie sich über sich selbst. Apollo war ihr Zwilling und er kannte sie besser als jedes andere Wesen in dieser und jeder anderen Welt. Natürlich war er in der Lage sie sofort zu durchschauen. Das hatte er schon immer gekonnt und Worte waren schon immer sein Spezialgebiet gewesen, während sie damit noch nie etwas hatte anfangen können. Wie hatte sie nur so dumm sein können?
Langsam breitete sich das Schweigen zwischen ihnen aus und voller Sehnsucht schaute sie auf die Welt der Menschen unter ihnen. Die Stadt unter ihnen erinnerte sie an Nemausus, aber sie sie sah so anders aus, dass sie sich nicht sicher war. Allein der Tempel des Agrippa und das Amphitheater, welche wie die letzten Relikte einer toten Zeit einen starken Kontrast zu den modernen Häusern bildeten, hatten ihr den Namen der Stadt in Erinnerung gerufen. Das leise Säuseln des Windes sorgte dafür, dass sie sich wieder frei und jung fühlte.
„Wenn du nur hier bist, weil dir langweilig ist, dann geh", sagte Apollo nach einer Weile und zerriss die Stille. Entsetzt starrte sie ihn an, aber in seinem Gesicht war noch immer nichts als kalte Emotionslosigkeit. Wo war nur die sanfte Bruderliebe hin, die sie sonst immer darin gelesen hatte und der sie sich so sicher gewesen war?
„Ich meine es ernst, Artemis", fuhr Apollo ungerührt fort. „Wie du siehst, habe ich eine Aufgabe zu erfüllen. Geh einfach und finde Zerstreuung auf eine andere Weise. Ich habe zu tun und kann für dich nicht den Satyr spielen."
Automatisch öffnete sie den Mund, um ihm zu widersprechen. Doch er hatte recht. Ihr war noch nicht einmal in den Sinn gekommen, dass ihr Erscheinen ihm ungelegen sein könnte. Wie hatte sie nur erwarten können, dass er für sie alles stehen und liegen ließ? Sie waren beide keine Kinder mehr. Tränen stiegen in ihr auf, aber sie erreichten ihre Augen nicht.
„Du fehlst mir", wisperte sie leise und zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit erwiderte er ihren Blick. Seine Augen waren vollkommen leer vor Erschöpfung. Langsam streckte sie die Hand nach ihm aus, um ihm eine wirre Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen. Doch sofort verschloss sich sein Gesicht und er wich vor ihr zurück. Kraftlos fiel ihre Hand herab.
„Du hast dein Leben und ich habe mein Leben. Wir haben unsere Entscheidungen vor langer Zeit gefällt, Schwester. Nun müssen wir die Konsequenzen dafür tragen", murmelte Apollo und am liebsten hätte Artemis ihm ihren ganzen Frust entgegengeschrien. Aber in seiner Stimme schwang eine solche Endgültigkeit mit, dass kein einziges Wort über ihre Lippen gelangte. Apollo hatte bereits vor langer Zeit die bittere Wahrheit erkannt und natürlich war er ihr damit zuvorgekommen. Schon immer war es seine Stärke gewesen, dass er von anderen unterschätzt worden war. So hatte er all seine Siege errungen. Python, Vater, Ares und so viele andere Namen kamen ihr in den Sinn. Aber niemals hatte Artemis es für möglich gehalten, dass sie eines Tages ihren Namen ebenfalls auf dieser Liste finden würde und dieses Wissen brachte sie beinahe um den Verstand. Denn es machte ihr nur umso deutlicher bewusst, wie fremd ihr eigener Zwilling ihr geworden war. Aber auch wenn sie es nicht klar benennen konnte, spürte sie, dass mehr hinter seiner Gefühlskälte stecken musste. Während sie seufzend abwandte und mit einem Fingerschnipsen nach Hause zurückkehrte, nahm sie sich vor in Zukunft ein Auge auf ihren Bruder zu haben. Denn irgendetwas stimmte nicht mit ihm.
An diesem Tag lief sie lange wie ein eingesperrtes Tier in ihrem Thalamos auf und ab und versuchte sich einen Reim aus ihm zu machen. Doch dadurch wurde ihr immer mehr bewusst, dass nur eine einzige Person die Schuld an der Kühle zwischen ihnen trug und diese Person war sie selbst. Denn Artemis war es gewesen, die ihren Bruder immer wieder im Stich gelassen hatte. Weshalb sollte er ihr nun all die Gefühle geben können, die sie selbst vor tausenden von Jahren ohne nachzudenken geopfert hatte? Wie sollte er ihr nur jemals vergeben können, wenn sie sich selbst nicht vergeben konnte?

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