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Kapitel 26

Werte Signorina,

geht es Euch gut? Euer plötzliches Fehlen ist mir aufgefallen und es beunruhigt mich zutiefst. Jeden Augenblick bange ich, ob Euch etwas zugestoßen ist und die wachsende Sorge um Euch und Euer Wohlergehen quält mich.
Zögert nicht mit einer Antwort, reicht sie einem meiner Freunde oder meinem Bruder, wenn Ihr sie mir nicht persönlich geben wollt.
Bitte, ich flehe Euch an, gebt mir ein Zeichen, dass Ihr wohlauf und gesund seid. Beendet diese marternde Ungewissheit.

Ihr seid immer in meinen Gedanken und Gebeten.

Euer besorgter Freund

GM

Obwohl sein Brief seit Wochen im hintersten Winkel der untersten Schublade ihres Schreibtisches zwischen einem Stapel alter Briefe ruhte und sie ihn nur ein einziges Mal gelesen hatte, kannte Fioretta dessen Inhalt auswendig. Ein Bote hatte ihn ihr überreicht, als sie gerade Maestro Botticellis Atelier betreten wollte. Natürlich hatte sie der Brief neugierig gemacht, da sich nur ihr Name in einer nüchternen, klaren Handschrift auf dem Umschlag befunden hatte. Den Namen des Absenders hatte sie vergeblich gesucht. Das Siegel war ihr vollkommen unbekannt und je länger sie über den mysteriösen Brief nachdachte, während sie für Maestro Botticelli still dasaß, desto mehr bezweifelte sie, ob dieses Siegel überhaupt echt war. Das Pergament war federleicht und hochwertig, also musste der Absender sehr vermögend sein. Als Kind hatte sie die Wappen aller florentinischen Zünfte und wichtigen Familien auswendig gelernt. Doch das Zeichen auf dem Brief war ihr vollkommen unbekannt. Fioretta besaß keine Freunde außerhalb von Florenz, deshalb hatte sie sofort ausgeschlossen, dass der Brief aus einer anderen Stadt kam. Dann hätte man ihn vermutlich auch direkt zu ihr nach Hause geliefert und nicht in Sandros Studio.
Kaum hatte sie sich am Abend in ihr Gemach zurückgezogen, hatte sie den Brief aus einer Tasche ihres Kleides hervorgeholt, das unbekannte Siegel gebrochen und die kurzen Zeilen überflogen. Mit jedem Wort waren ihre Verwunderung und Neugierde Ernüchterung und Wut gewichen. Kein Wunder, dass sie die Handschrift nicht erkannt hatte. Kein Wunder, dass Maestro Botticelli irritiert die Stirn gerunzelt hatte, als er einen Blick auf den Brief erhascht hatte. Natürlich hatte er einen Weg gefunden sie zu kontaktieren. Gab es etwas, was diese Familie nicht konnte, wenn sie es nur wollte? Automatisch hatte Fioretta seine klare Handschrift betrachtet und konnte nicht anders als sich für ihre eigene Dummheit zu schelten. Dies war nicht die weiche, schwungvolle Handschrift eines Gelehrten, so wie die ihres Vaters. Dies war nicht die Schrift eines Priesters oder einer Frau. Dies war die Schrift eines Bankiers und dass er ein ganzes Stück Pergament für diese wenigen Worte geopfert hatte, unterstrich nur seinen Reichtum und seine Arroganz.
Wie konnte er es wagen sie auf offener Straße zu ignorieren und ihr dann einen Brief zukommen zu lassen, der keine Entschuldigung enthielt, sondern nur seine angebliche Sorge um ihr Wohlergehen?
Im ersten Moment hatte sie den Brief verbrennen wollen. Doch als sie ihn in die Nähe der Kerze hielt, war sie nicht in der Lage ihn Preis zu geben. Eine volle Stunde saß sie vollkommen erstarrt mit dem Brief in der Hand vor ihrer Kerze und konnte dieses dämliche Stück Pergament einfach nicht zerstören. Irgendwann stand sie frustriert auf, faltete den Brief wieder zusammen und stopfte ihn achtlos in einen Stapel im hintersten Winkel ihres Schreibtisches, damit sie später gar nicht erst in Versuchung kommen würde ihn noch einmal zu lesen. Damals hatte sie nicht damit gerechnet, dass sie ihn nicht in den Händen halten musste, um die Worte klar und deutlich vor sich zu sehen.
Normalerweise nahm Fioretta ihre Korrespondenz, die zugegebener maßen nicht viele Menschen umfasste, sehr ernst und antwortete auf jeden Brief unverzüglich. Aber Giulianos widersprüchliches Verhalten verletzte und verwirrte sie so sehr, dass sie einfach nicht die richtigen Worte fand. Wenn sie bloß wütend auf ihn gewesen wäre, hätte sie ihm eine kurze Antwort geben können, die ihn nüchtern aufforderte sie endlich in Ruhe zu lassen. Aber so sehr sie sich selbst auch zu überreden versuchte diese Worte auf ihr bestes Stück Pergament zu bringen, sie konnte es nicht. Sie konnte seinen Brief nicht zerstören, konnte ihn nicht vergessen und erst recht konnte sie ihm nicht antworten. Also hüllte sie sich in Schweigen, ignorierte den nachdenklichen Ausdruck, den Maestro Botticellis Augen manchmal annahmen, wenn sich ihre Blicke trafen und vor allem versuchte sie diesen einen Mann aus ihren Gedanken zu verbannen, den sie einfach nicht vergessen konnte.

Nun war sie seit einigen Wochen auf dem kleinen Landgut ihres Vaters außerhalb von Florenz, auf dem ihr Vater seiner zweiten großen Leidenschaft nachging, die sie anders als ihre gemeinsame Liebe zu Büchern allerdings nicht teilte. Nur hier ging ihr Vater dem Beruf nach, den sein Vater vor ihm ausgeführt hatte: dem Schmieden von kleinen und großen Kunstwerken. Als Kind hatte sie ihn einmal verwundert darauf angesprochen, weshalb er ausgerechnet in der heißesten Zeit des Jahres so viel Zeit am Feuer verbrachte und ihr Vater hatte nur sanft lächelnd geantwortet: „Gott hat mir zwar einen anderen Beruf gegeben als meinem Vater. Aber beim Schmieden fühle ich mich meinem Vater näher als über den staubigen Seiten von Büchern."
Ihre Zeit verbrachte sie mit vier Dingen: Modell sitzen, weil ihr Portrait in Florenz nicht fertiggestellt werden konnte, langen Spaziergängen im Garten, lesen und warten. Worauf sie wartete, wusste sie nicht. Aber eine kleine Stimme in ihrem Kopf sagte ihr, dass sie bereit sein musste. Auch wenn diese Stimme ihr nicht sagte, wofür.

Wie jeden Morgen seit ihrer Ankunft auf dem Land saß Fioretta auf der Fensterbank und versuchte sich die Zeit des Wartens mit einem Buch zu verkürzen. Einen kleinen Teil von ihr zog es bei diesem herrlichen Wetter nach draußen für einen morgendlichen Spaziergang durch den Garten. Doch solange Maestro Botticelli sie jeden Morgen aufsuchte, um an ihrem Gemälde weiterzuarbeiten, musste sie hier drinnen auf ihn warten. Der Garten war zwar nicht riesig, aber dennoch groß genug, dass sie seine Ankunft nicht bemerken würde, wenn sie sich im hinteren Teil des Gartens aufhielt, der ihr am liebsten war.
Mittlerweile hatte sie auch ausreichend Übung darin sich so stark auf die Worte vor ihr zu konzentrieren, dass ihr Geist keinen Gedanken an ihn zuließ. Das Letzte, was sie wollte, war schon wieder über diesen verwirrenden Mann nachzudenken.
Erst als das vertraute Klappern von Hufen zu ihr durch das leicht geöffnete Fenster drang, klappte sie ihr Buch zu und legte es neben sich auf die Fensterbank. Dann erstarrte sie und hoffte, dass sie sich irrte. Ihre Hand ruhte bereits auf dem Holzrahmen des Fensters, um es zu schließen. Langsam drehte sie ihren Kopf und blickte hinaus auf die Gärten und die scheinbar grenzenlosen Weiten der Toskana. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Ihre Ohren hatten sie nicht getäuscht. Zwei Reiter trieben ihre Pferde die Einfahrt hinauf. Sofort blieb ihr Blick an einem der beiden hängen. Ihn hätte sie überall erkannt. Sein volles, dunkles Haar glänzte rabenschwarz im warmen Sonnenlicht. Das intensive Blau seiner Kleidung strahlte mit dem unendlichen Sommerhimmel um die Wette. Seine Haltung war so selbstbewusst, als hätte er in seinem gesamten Leben nie etwas anderes getan als zu reiten. Doch vor allem ritt er, als wäre ihm die ganze Welt zu eigen. Neben ihm verblasste nicht nur jeder andere Mann, sondern auch die Schönheit der Toskana. Kein Wunder, dass manche ihn nur noch Prinz der Jugend nannten. Denn er war das Sinnbild eines jungen Adligen ihrer Zeit. Stark, gebildet, schön - einfach vollkommen in einer Welt des Unvollkommenen.
Gänzlich erstarrt beobachtete sie, wie die Pferde auf dem kleinen Platz vor ihrem Haus zum Stehen kamen und die Reiter geschickt von ihren Rücken glitten. Ruckartig hob der Prinz der Jugend seinen Kopf und blickte ihr direkt in die Augen, die sich vor Schreck weiteten. Ertappt sprang Fioretta zurück. Ihr ganzer Körper zitterte wie Espenlaub. Sein leises, amüsiertes Lachen drang durch das leicht geöffnete Fenster und entfachte ihre Wut auf ihn von Neuem. Erbost schloss sie die Augen und versuchte ihren Körper wieder unter Kontrolle zu bekommen. Als sie die Augen wieder öffnete, strich sie behutsam ihr Kleid glatt und atmete tief durch. Dann streckte sie den Rücken durch, reckte das Kinn und verließ gemächlich das Zimmer. Er mochte die erste Schlacht gewonnen haben. Aber in diesem Krieg würde niemand anderes als sie den Sieg erringen.
In der Eingangshalle plauderte ihr Vater bereits mit den Neuankömmlingen. Sobald sie die erste Treppenstufe herabstieg, spürte sie den Blick des Medicis auf sich. Doch sie gönnte ihm nicht die Genugtuung ihm auch nur einen Hauch von Beachtung zu schenken. Stolz wie eine kleine Königin schritt sie die Treppe herab und hätte ihn noch nicht einmal begrüßt, wenn er nicht auf sie zugetreten wäre und ihre Hand ergriffen hätte, um sie in einer Geste an seine Lippen zu führen, die ihr vor ein paar Wochen noch charmant erschienen wäre, nun ihr Herz jedoch nicht im Mindesten berührte. Zumindest versuchte sie sich dies einzureden. Auch wollte sie sich weismachen, dass sein Duft, sein berauschender Duft, sie nicht mehr anzog. Dass er ihr nicht einmal sonderlich gefiel, auch wenn er mit dieser Mischung aus Leder und Pferd sogar noch männlicher roch als in Florenz.
„Wie schön Euch wiederzusehen, Signorina Gorini", begrüßte Giuliano sie eine Spur zu unbekümmert und ehe sich ihr schlechtes Gewissen melden konnte, unterbrach sie ihn.
„Messer Medici", gab sie kalt zurück und befreite ihre Hand entschlossen aus seinem lockeren Griff. Sofort vermisste sie die Wärme, die durch seinen Handschuh gekrochen war. Ohne ein weiteres Wort lief sie an ihm vorbei und fragte den Künstler, ob sie sofort beginnen könnten. Sichtlich überrumpelt nickte Maestro Botticelli. Fioretta zögerte nicht länger. Mit schnellen Schritten ging sie zu dem Zimmer, welches ihr Vater Maestro Botticelli als Atelier zur Verfügung gestellt hatte, solange dieser an Fiorettas Portrait in Fiesole arbeitete. Die drei Männer ließ sie ohne einen weiteren Blick überrascht zurück. Es kümmerte sie auch nur ein klein wenig, dass sie vor ihrem Vater dieses eine Mal unhöflich erschienen war. Wenn Vater wüsste, mit welcher Unfreundlichkeit der junge Medici ihr begegnet war, würde er ihn vermutlich aus dem Haus jagen. Kurz spielte Fioretta mit dem Gedanken umzudrehen und genau dies von ihrem Vater zu verlangen. Doch näherkommenden Schritte erinnerten sie daran, dass dies weder der Ort noch die Zeit für ein solches Geständnis war.
Als ihre Hand bereits auf der Türklinke lag, warf sie einen hastigen Blick über ihre Schulter und eine Welle der Enttäuschung durchflutete sie, als sie den Mann erkannte, der ihr nacheilte. Sofort schalte sie sich für ihre Naivität und kehrte dem Künstler entschlossen den Rücken zu. Eine Spur zu kraftvoll öffnete sie die Tür und stapfte in das kleine Übergangsatelier. Wie hatte sie auch nur einen Augenblick sich danach sehen können, dass Giuliano de' Medici ihr nachlief?

Die Sitzung war eine einzige Qual. Sie war schlimmer als jene, die sie über sich hatte ergehen lassen müssen, nachdem der Medici sie in Florenz ignoriert hatte. Der Grund dafür lag auf der Hand. Aufgrund der morgendlichen Kühle hatten die Diener in der ganzen Villa die Fenster geöffnet, aber nun drang nicht nur frische Morgenluft hinein, sondern mit ihr auch die Stimmen ihres Vaters und des Medici. Obwohl sie die Worte, welche die beiden wechselten, nicht verstehen konnte, so zuckte sie doch jedes Mal zusammen, wenn sie den Klang seiner Stimme vernahm. Jeder süße, vertraute Ton war wie ein Stich ins Herz.
Je länger sie dasaß und nichts anderes tun konnte, als einen Punkt am Fensterrahmen anzustarren, desto mehr begann ihr Kopf zu schmerzen. Nachdem der erste Anflug von Wut sich aufgelöst hatte, war ihr Geist erwacht. Aber so sehr sie sich auch den Kopf zerbrach, sich selbst Fragen stellte, die sie besser nicht laut äußerte und ihr gesamtes Wissen hin und her wendete. Ihre Vernunft konnte keine Antworten finden. Sie hätte damit leben können, dass er aus ihrem Leben so plötzlich verschwand, wie er darin aufgetaucht war. Sie hätte damit zu leben gelernt, wenn er sie ignorierte und vergaß. Doch sie konnte ganz und gar nicht damit leben, dass sie an einem Tag seine Freundin und am nächsten Tag eine Fremde für ihn war. Hatte sie das durch irgendeine Tat verdient? Wieso stellte Gott sie nur auf eine solche Probe?
Nach einer Ewigkeit erklärte der Künstler leise, dass sie nun gehen könnte. Etwas ungelenk erhob sie sich von dem Stuhl und widerstand dem Drang ihre müden Glieder zu strecken.
Rasch zwang sie sich zu einem freundlichen Lächeln, ehe sie sich von dem Künstler verabschiedete. Vermutlich müsste sie dankbar sein, dass Maestro Botticelli nicht zu der Sorte Menschen gehörte, welche einen durch lästige Fragen in unangenehme Situationen brachte, nur weil sie jede Stille mit einem Gespräch füllen mussten. Maestro Botticelli konnte die Stille ertragen, wenn er arbeitete und dafür schätzte Fioretta ihn sehr.
Doch im Moment war sie zu ausgelaugt und durcheinander, um sich erneut bei ihm zu erkundigen, ob er die Sachen nicht einfach für den nächsten Tag stehen lassen wollte. Tief in ihre eigene Welt versunken verließ sie das Zimmer und bemerkte gar nicht, wie ihre Zofe aus dem Schatten trat und ihr mit leise raschelnden Röcken folgte. Automatisch schlugen Fiorettas Füße den Weg zu ihrem Zimmer ein. Vielleicht wäre es das Beste, wenn sie sich auf ihr Zimmer zurückzog, bis Maestro Botticelli und der Medici das Haus verließen.
Als sie bereits die halbe Treppe erklommen hatte, hielt die Stimme ihres Vaters sie zurück. Erschrocken fuhr sie zusammen und drehte sich so ruckartig zu ihm um, dass sie das Gleichgewicht verlor. Ziemlich unsanft stolperte sie in Maria, die Fioretta lang genug kannte, um auf solche kleinen Zwischenfälle vorbereitet zu sein und sie, wenn nötig, aufzufangen. Obwohl Fioretta an ihre Ungeschicklichkeit gewöhnt sein müsste, schoss ihr sofort das Blut in die Wangen und sie murmelte eine hastige Entschuldigung in die Richtung ihrer Zofe. Eilig trat sie einen Schritt beiseite und strich ihre Röcke glatt. Als sie den Kopf hob, blickte sie direkt in die unergründlich schwarzen Augen von Giuliano de' Medici. Der Prinz der Jugend stand auf der dritten Stufe, seine Hand zog er gerade zurück und auch wenn sie es niemals zugeben würde, wärmte sein Anblick ihr Herz. Voller aufrichtiger Sorge blinzelte er sie an, bereit sie aufzufangen, wenn Maria gescheitert wäre.
Doch im gleichen Moment erinnerte sie sich wieder an den leeren Ausdruck in seinen Augen, als sein Blick in Florenz einfach über sie hinweggeglitten war. Schlagartig war ihr bitterkalt und heiß zugleich. Sie wollte sich schon von ihm abwenden, als er im Bruchteil eines Wimpernschlags zu ihr aufschloss und ihren Arm behutsam ergriff. Die Wärme seiner Hand schien sich durch den festen Stoff ihres Ärmels zu brennen und ihre Haut zu versengen. Hilfesuchend blickte Fioretta zu ihrem Vater, der sie geistesabwesend betrachtete. Vorsichtig rief sie nach ihm. Erschrocken zuckte er zusammen und blinzelte sie fragend an. Verwirrt schaute er von ihr zu Giuliano und auf seinem Gesicht erschien das breite Lächeln, welches seine Lippen nur dann formten, wenn er sich wieder daran erinnern konnte, was er vorgehabt hatte.
„Ach ja", sagte er mehr zu sich selbst und fügte dann lauter hinzu: „Wie gut, dass wir dich noch angetroffen haben, meine Liebe. Ich möchte, dass du unserem geschätzten Gast unseren Garten zeigst. Messer Medici war sehr daran interessiert und ich muss mich leider um dringende Angelegenheiten kümmern."
Fioretta lag schon die Frage auf der Zunge, um was für dringende Angelegenheiten es sich dieses Mal handelte. Einen Schwertknauf oder einen Schlüssel oder doch eher eine Figur, die es zu berechnen gab. Doch sie schluckte ihre Provokation herunter, wand ihren Arm entschlossen aus dem Griff des ungeladenen Gastes und gab Maria mit einem knappen Nicken zu verstehen, dass sie ihr folgen sollte. Als sie sich in Bewegung setzte, meinte sie den Medici leise seufzen zu hören. Doch sie ignorierte ihn.
Mehrere Minuten stapfte sie wortlos neben ihm her und machte sich nicht einmal die Mühe, ihm die einzelnen Blumen zu erklären. Wenn er sich für Botanik interessieren würde, hätte er sie schon in Florenz zu den Pflanzen ihres Stadtgartens befragen können. Außerdem wollte nicht sie diejenige sein, die ein Gespräch begann.
Wie es sich für eine gute Zofe und Anstandsdame gehörte, lief Maria in angemessenem Abstand hinter ihnen. Maria war nah genug, um ein Auge auf sie beide zu haben und doch war sie weit genug entfernt, dass sie sich hätten ungestört unterhalten können.
Plötzlich hielt der Medici inne, um eine besonders üppige, weiße Rose zu begutachten. Ungeduldig verdrehte Fioretta die Augen und blieb stehen, auch wenn sie es gar nicht abwarten konnte seiner Gegenwart endlich zu entfliehen.
„Mein Bruder überlegt König Edward einen Kredit zu gewähren", sagte der Medici und brach das Schweigen. Vor Erleichterung bekam Fioretta weiche Knie, bis ihr die Bedeutung seiner höflichen Bemerkung klar wurde. Seine Familie war reich genug, um mit Königen zu verhandeln. Ihre dagegen war so unbedeutend, dass sie niemals einen König auch nur zu Gesicht bekommen würde.
„Das ist schön für Euren Bruder", erwiderte sie spitz und wollte patzig von ihm erfahren, was dies mit einer Rose zu tun habe.
„Edward ist noch nicht lange König von England", erklärte der Bankier alarmiert. „Er hat seine Krone auf dem Schlachtfeld errungen. Aber es ist ihm nicht gelungen alle seine Feinde zu besiegen. Gerade versucht er sich darin durch einen üppigen Hof Wohlstand und Stärke zu zeigen, um somit die Gunst des Volkes und des Adels zu gewinnen. Dafür braucht er unser Geld. Mir wäre es lieber, wenn er erst einmal seine Kriegsschulden begleichen würde, ehe er sich noch mehr bei uns verschuldet. Sein Symbol ist eine weiße Rose, vermutlich musste ich deshalb an ihn denken."
Fioretta beschloss das Gespräch an dieser Stelle zu beenden. Normalerweise hätte sie gern ihr Wissen mit ihm geteilt. Dieser englische König, der sich seinen Thron mehrfach erkämpft hatte, faszinierte sie. Welcher Mann, welcher König, heiratete schon eine Frau, die weit unter ihm steht, nur weil er sie aus ganzem Herzen liebte? Manche hielten Elizabeth Woodville für eine Hexe, die den jungen König mit einem Zauber belegt und somit ihrer Familie die Herrschaft über England gesichert hatte. Die Mutter der Königin, Jacquetta, entstammte dem Haus Luxemburg und nach dem Tod ihres ersten Mannes, dem Duke of Bedford, hatte sie heimlich Richard Woodville geheiratet, einen Ritter aus dem Gefolge des Dukes. Aus dieser Ehe waren mehr Kinder hervorgegangen, als Fioretta benennen konnte. Vielleicht hatte Elizabeth Woodville deshalb allen Widerständen getrotzt und sich heimlich mit ihrem eigenen König vermählt. Vermutlich ging es der jungen Frau nicht um Macht, sondern sie konnte nur eine Verbindung nicht aufgeben, die wie die Ehe ihrer Eltern auf Liebe und nicht auf Politik beruhte. Aber Fioretta konnte nicht so tun, als wäre alles wie immer. Wie eine Heuchlerin wäre sie sich vorgekommen, wenn sie ihm nun einen Hauch Normalität zugestanden hätte.Aber sie konnte nicht so tun, als wäre alles wie immer. Sie konnte und wollte ihm nicht vergeben, ohne darum gebeten worden zu sein. Vergebung konnte nur dem gewährt werden, der voller Aufrichtigkeit darum flehte.
Flüchtig blickte der junge Medici über seine Schulter, um sich zu vergewissern, dass niemand seine Worte hörte.
„Warum seid Ihr so kalt zu mir, Fioretta?", fragte er geradeheraus und sie schnappte entrüstet nach Luft. Seine Dreistigkeit hatte soeben ein neues Level erreicht. Ihr ganzer Körper begann vor Empörung zu beben, ihr Blut kochte vor Wut.
„Nun, wenn Ihr nicht wisst, weshalb ich nicht gut auf Euch zu sprechen bin, seid Ihr wirklich genau so, wie alle Welt sagt", entgegnete sie spitz und funkelte ihn herausfordernd an. Verletzt zuckte er zusammen und blinzelte sie an. Ein kleiner Teil von ihr hatte erwartet, dass er ihre Bemerkung mit einem verführerischen Lächeln und einem leichtfertigen Spruch abtun würde. Doch er schien von ihren Worten wirklich getroffen zu sein. Verwirrt machte sie auf dem Absatz kehrt und wollte schon davoneilen, als er sanft ihren Arm ergriff und sie zurückhielt. Behutsam zwang er sie sich zu ihm umzudrehen und ihn anzusehen.
„Verdammt, Fioretta", zischte er. Die Verwirrung und der Schmerz in seinen Augen raubten ihr die Luft zum Atmen. Aber sie ermahnte sich sofort sich nicht erneut von ihm täuschen zu lassen.
„Bitte erzähle mir, was passiert ist", wisperte er gequält. „Was hat dich so sehr verletzt, dass du mich mit einem Schlag ignorierst? War es mein Bruder? Meine Schwester? Was ist geschehen?"
„Wie könnt Ihr es nur wagen mir eine solche Frage zu stellen? Wie könnt Ihr nur dermaßen meine Intelligenz beleidigen? Wie könnt Ihr Euch erdreisten die Schuld auf andere zu schieben, wenn der Fehler allein der Eure ist?", entgegnete sie wütend und blickte bedeutungsschwer auf seine Hand auf ihrem Oberarm. Widerwillig gab er sie frei und blickte sie geduldig an. Wie von selbst kamen ihr die Worte über die Lippen und bevor ihr Geist begriff, was sie da gerade tat, erzählte sie ihm alles. Wie er sie auf offener Straße ignoriert hatte. Wie sie sich umgehört hatte und man ihr erzählte, dass er noch immer um seine Geliebte Simonetta Vespucci trauerte, verschwieg sie. Denn sie brachte es nicht über sich auszusprechen, dass seine Zuneigung für sie niemals mehr als Freundschaft bedeuten konnte. Fioretta wusste, wenn sie diese Befürchtung einmal laut sagen würde, würde sie real werden und ihr Herz war noch nicht bereit jegliche Hoffnung aufzugeben. Denn ihr dummes, naives Mädchenherz sehnte sich nach einer logischen Erklärung, nach einem Grund, den ihr Verstand verstehen konnte.
„Es ist kompliziert", gab er niedergeschlagen zu und ihr Herz drohte zu zerbrechen. War sie bereit zu hören, wie unerwidert ihre Gefühle waren und dass sie tatsächlich niemals eine Zukunft mit ihm haben würde.
„Dann erkläre es mir einfach, Giuliano!", schrie sie ihn an und vergaß jegliche Vorsicht. Am liebsten hätte sie ihn geschüttelt, aber er war zu groß für sie. „Denn ich ertrage es nicht mehr. Du kannst mich nicht in einem Moment deine Freundin nennen und mich im Nächsten wie eine Fremde behandeln!"
Frustriert fuhr er sich durchs Haar und einen Herzschlag wurde sie ruhig. Denn sie war sich sicher, dass er ihr jetzt alles erklären und alles einen Sinn ergeben würde. Hoffnungsvoll schaute sie zu ihm auf und fing seinen Blick auf. Seine schwarzen Augen schimmerten sanft und voller Trauer auf sie herab. In diesem Moment begriff sie, dass sie niemals eine Erklärung von ihm erhalten würde. Denn in diesem Augenblick hatte er sie aufgegeben und es waren keine weiteren Worte mehr notwendig. Ihr Herz zerbrach in tausend kleine Teilchen. Mühsam schluckte sie ihre Tränen herunter.
Wie in Trance nickte sie, als würde sie verstehen, was sie niemals begreifen konnte. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und dieses Mal hielt er sie nicht zurück. Das einzige Geräusch, was sie hörte, waren ihre Schritte, die sich immer weiter von ihm entfernten. An der Ecke hätte sie gern Halt gemacht und sich umgedreht, um einen letzten Blick auf ihn zu erhaschen. Doch ihre Tränen ließen sie erblinden und so sehr sein Verhalten sie verletzte, sie wollte nicht, dass er sie weinen sah.
Blind huschte sie zurück in die Villa und verschwand in ihrem Zimmer. Weinend vergrub sie ihr Gesicht in ihrem Kissen. Sie registrierte nicht einmal, dass Maria ihr wie ein Schatten folgte und ihr behutsam den Hut abnahm, damit sie bequemer lag. Dafür hörte sie bald darauf nur zu deutlich das Klappern von Hufen, die seine Abreise verkündeten. Sie hatte ihn verloren, ohne zu wissen, weshalb.


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