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Kapitel 10

Unbemerkt glitt der Löffel aus ihren Fingern, einen Herzschlag lang trudelte er um sich selbst, dann schlug er mit einer solchen Endgültigkeit auf dem Boden auf, dass Simonetta erschrocken zusammenfuhr. Im nächsten Augenblick bückte sich bereits ein Diener nach dem heruntergefallenen Besteck, hob es auf und eilte in Richtung Küche davon, um ihr einen neuen Löffel zu besorgen.
Aber Simonetta achtete nicht auf den unbedeutenden Sterblichen, der wie jeden Morgen ihr Frühstück servierte. Ihre ganze Aufmerksamkeit war auf ihren Mann gerichtet, der zwar über ihre Unachtsamkeit die Stirn runzelte, aber sich nicht davon genötigt sah den Blick von seinem Brief zu heben und sie weiter zu beachten.
Abgesehen von seiner kühlen Begrüßung hatte er an diesem Morgen nur sieben Worte an sie gerichtet. Doch diese wenigen Worte hatten gereicht, um ihr Inneres in Aufruhr zu versetzen. Ganz beiläufig hatte er gerade zu ihr gesagt: „Ich habe beschlossen dich malen zu lassen."
Wie unschuldig diese Worte doch in ihren Gedanken nachhallten. Nur zu deutlich spürte sie, dass Marco mit dieser Entscheidung Dinge in Gang gesetzt hatte, die sie sich noch nicht einmal in ihren kühnsten Träumen ausmalen konnte. Seine Entscheidung machte Simonetta Angst.
Als Aphrodite hatte sie sich in ihren wilden Jahren einen Spaß daraus gemacht vom Olymp herabzusteigen und die sterblichen Handwerker zu wahren Künstlern zu machen. Aber in Simonettas Körper war die Göttin weich und viel zu menschlich geworden, als dass sie darin einen unterhaltsamen Zeitvertreib finden konnte. Alle dieser sterblichen Künstler waren im Verlauf des Arbeitsprozesses zu ihren Liebhabern geworden und für jeden hatte sie sich selbst entschieden. Niemand hatte sie gezwungen zu ihnen zu gehen und stundenlang Modell zu sitzen, zu stehen oder zu liegen. Je nachdem, was der Künstler von ihr für seine Vision verlangte. Simonetta war eine verheiratete Frau. In Florenz musste Aphrodite Simonettas Ruf bewahren und sie kannte dieses Spiel nur zu gut. Wenn sie einmal zur Muse eines Künstlers geworden war, konnte er niemals genug von ihr bekommen, bis sie seiner überdrüssig wurde und nichts als ein irreversibel gebrochenes Herz zurückgeließ. Wenn sie nun nicht einmal entscheiden konnte, dass sie für die Vision eines Künstlers gebraucht wurde, wie sollte sie dann gehen können, wenn es Zeit war zu gehen?
„Und du bist nicht auf die Idee gekommen, dies vorher mit mir zu besprechen?", wollte sie bestürzt wissen und zum ersten Mal an diesem Morgen sah Marco ihr direkt in die Augen. Erschrocken keuchte sie auf und schrak vor der Ungeduld zurück, mit der er sie betrachtete. Erst jetzt erkannte sie, dass sie wirklich keine Wahl hatte. Denn ihre Stimme zählte nicht.
„Du bist meine Frau und ich will ein Gemälde von dir in der großen Halle anbringen", erwiderte er gereizt und zerstörte den letzten Funken Respekt, den Aphrodite noch vor ihm empfand. Wenn sie gekonnt hätte, hätte Aphrodite ihn in diesem Augenblick zu Staub zerfallen lassen oder ihn in irgendein unterwürfiges Tier verwandelt. Aber sie konnte ihm nichts von all den Dingen antun, die ihr göttlicher Verstand ihr genüsslich in allen Farben ausmalte. Denn Simonetta brauchte diesen Mann und Aphrodite hatte von den grausamen Treibjagden auf Frauen gehört, die weit weniger Magie in sich trugen als Aphrodite. Aphrodite hatte Cattocchina versprochen ihrer Tochter zu einem Leben zu verhelfen und dieses Leben würde unter keinen Umständen auf einem Scheiterhaufen enden.
Dennoch stieg Übelkeit in Aphrodite auf und sie musste Simonettas Augen schließen, weil sie Marcos Anblick nicht ertragen konnte. Automatisch rieb sie sich verzweifelt mit der Hand über ihre geschlossenen Augen. Ein ganzer Strudel wild durcheinander tobender Gefühle drohte sie zu überwältigen, weshalb sie am ganzen Körper zitterte wie Espenlaub.
Nur am Rande ihres Bewusstseins registrierte sie, wie das Knarzen eines Stuhles und das Rascheln von Stoff ihr verrieten, dass Marco vom Tisch aufgestanden war. Seine näherkommenden Schritte hallten von den hohen Wänden des Raumes und mit einem Mal wollte Simonetta nur noch weg von ihm. Als er direkt vor ihr stand, war ihre Angst so groß, dass sie alle anderen Gefühle in den Hintergrund trieb. Langsam schlug sie die Augen auf und hob den Blick, damit sich ihre Blicke kreuzten. Gütig und mitfühlend und so unnachgiebig hart schaute Marco auf sie herab.
„Zerbrich dir nicht deinen hübschen Kopf, meine Liebe", sagte Marco überheblich und strich über ihre Wange, als würde er einem ungezogenen jungen Hund den Kopf tätscheln, nachdem er eine besonders putzige Missetat begangen hatte. „Der Mann ist der beste Maler in ganz Florenz. Du verdienst nur das Beste, Simonetta und mit weniger werde ich mich niemals zufriedengeben. Eine Kutsche wird dich, natürlich erst nachdem du dein Frühstück beendet hast, direkt dorthin bringen. Lucrezia Ardighelli habe ich bereits darüber informiert, dass du heute nicht zu ihr kommen kannst."
Ein letztes Mal strich er lieblos über ihr Gesicht, dann rauschte er aus dem Speisezimmer und stieß beinahe mit dem Diener zusammen, der ihren frischen Löffel in der Hand hielt. Dann war er fort und Simonetta fühlte sich vollkommen elend. Ihr Appetit war ihr vergangen.

„Wir sind da, Madonna Vespucci", erklärte die Stimme des Kutschers sanft und erschrocken riss Simonetta ihre Augen auf. Als sie seine ungezügelte Neugier entdeckte, übernahm die Göttin in ihr die Oberhand. Ihm würde sie keinen weiteren Gesprächsstoff geben, mit dem er sich in der Gesindelküche wichtigmachen konnte. Als er ihr beim Aussteigen half, drückte sie sanft seine Hand. Dann stolzierte sie hoch erhobenen Hauptes durch die schmale Holztür in das kleine Atelier des Künstlers von Marcos Vertrauen. Den ganzen Weg über hatte sie gegrübelt, wer dieser Maler sein sollte. Aber sie konnte sich einfach kein Reim aus den wenigen Informationen machen, die sie von Marco erhalten hatte. Simonetta war sich noch nicht einmal sicher, ob sie jemals zuvor in diesem Teil von Florenz gewesen war. Vermutlich hatte Lucrezia ihn ausgelassen oder sie hatte ihr nicht viel über die Menschen erzählen können, die hier lebten. Simonetta wusste nur, dass sie sich vollkommen unwohl in ihrer Haut fühlte. In diesem Leben war Aphrodite nur ein einziges Mal gemalt worden und dieses Portrait hatte dafür gesorgt, dass sie hier als Gemahlin von Marco Vespucci gelandet war.
Sobald sie über die Schwelle getreten war, umfingen sie die vertrauten Gerüche einer künstlerischen Werkstatt. Es roch nach Öl, Leinen, frischer Farbe und allerlei Substanzen, die zum Anreichern der Farben unabkömmlich waren. Niemand schien ihr Ankommen zu bemerken.
Sofort wurde ein Teil ihrer Angst von Neugier ersetzt. Mit klopfendem Herzen und großen Augen blickte sie sich in dem überraschend hellen Raum um. Überall stapelten sich Entwürfe, Malutensilien, Holzplatten sowie fertige, halb vollendete und leere Leinwände. Eine große Holzplatte war bereits in eine Halterung eingespannt. Vermutlich sollte darauf Simonettas Gesicht gebracht werden. Schnell wandte sie den Blick ab und sofort sprang ihr eines der vollendeten Gemälde ins Auge. Automatisch trat sie näher an das Bild heran und musterte das vertraute Gesicht des jungen Mannes. Je länger sie ihn betrachtete, desto größer wurde ihr Unbehagen. Auf dem Holz war niemand anderes als Giuliano di Piero de'Medici. Doch Simonetta war sich sicher, dass sie direkt in die Augen des anderen Gottes sah, der sich in Giulianos sterblichem Körper aufhielt, wenn es ihm gefiel und sich so unbeschwert unter den Sterblichen bewegte. Das Gemälde war wunderschön und wer auch immer es gemalt hatte, war mit einem unbeschreiblich großen Talent gesegnet. Vermutlich war der Gott hinter dieser sterblichen Medici-Fassade daran nicht ganz unbeteiligt. Doch es spielte keine Rolle. Auch der Macht der Götter waren Grenzen gesetzt und dieser Künstler war mehr als hervorragend. Vermutlich war er der beste Künstler, in dessen Hände sich Aphrodite jemals gegeben hatte.
„Ihr seid wirklich gekommen", hauchte eine Stimme hinter ihr verzückt und Simonetta zuckte erschrocken zusammen, als hätte man sie bei etwas Verbotenem entdeckt. Langsam drehte sie sich zu dem Sprecher um und blickte direkt in das freundliche Gesicht eines Mannes, mit dem sich der andere Gott gern zu umgeben schien. Sie hätte wissen müssen, dass er hinter all dem hier steckte. Wie eine unerfahrene Waldnymphe war sie ihm direkt in seine Falle getappt. Mit einem Mal bekam sie keine Luft.
„Ich sollte nicht hier sein, verzeiht mir. Aber ich kann das einfach nicht", wisperte Simonetta panisch, drängte sich an dem jungen Mann vorbei und rannte aus dem Atelier. Ihre Kutsche war bereits fort. Ungläubig starrte auf die ihr unbekannte Straße und versuchte sich verzweifelt in Erinnerung zu rufen, wie sie auf schnellstem Weg nach Hause gelangen konnte.
Plötzlich legte sich eine warme Hand auf ihren Arm und zog sie zurück. Ein kleiner Aufschrei entfuhr ihren Lippen, aber sie war viel zu überrascht, als dass sie sich gegen ihn wehren konnte. Im nächsten Moment ratterte eine Kutsche über den Fleck, an dem sie bis eben gestanden hatte.
„Geht es Euch gut, Madonna Vespucci?", erkundigte sich eine Stimme besorgt. Fahrig strich sie sich eine wirre Haarsträhne aus dem Gesicht und drehte den Kopf, sodass sie ihrem Retter direkt in die Augen schauen konnte. Es war der junge Maler, der sie so aufrichtig anschaute, dass ihr Herz zerbrach. Warum war er so freundlich zu ihr? Was hatte sie schon zu bieten, dass sie seine Freundlichkeit verdient hatte? Simonetta besaß nichts als ein hübsches Gesicht und ein Leben, welches zu Einsamkeit und Kälte bestimmt war. Weshalb also behandelte sie ein Fremder besser als ihr eigener Gemahl?
„Ich weiß es nicht", gestand sie ihm mit erstickter Stimme. Sofort legte der junge Mann seinen Arm um sie und führte sie zurück in seine kleine Kunstwelt. Er roch nach Farbe und von seiner Haut ging eine so wohlige Wärme aus, dass Aphrodite bewusst wurde, wie lange sie nicht mehr berührt worden war. Der letzte Mann, dem sie sich hingegeben hatte, war Ares und ihr göttliches Leben schien ihr mit einem Mal so unwirklich und weit entfernt. War sie nicht vor Einsamkeit und Leere geflohen? Wieso war sie nur dazu in jedem Leben aufs Neue verdammt?
Seinen Arm zog der Maler erst zurück, als er sie auf einen Stuhl platziert hatte und er im Inneren des Hauses verstand. Bevor Simonetta die Kraft aufbringen konnte sich zu erheben, stand er auch schon wieder vor ihr und drückte ihr einen Becher Wein in die Hand. Obwohl der Wein schrecklich schmeckte, kam er ihr vor wie Ambrosia.
Ohne Hast zog der junge Mann einen weiteren Stuhl heran und setzte sich ihr gegenüber. Mit einem Mal war er peinlich genau darauf bedacht den sittsamen Abstand zwischen ihnen zu wahren. Ein Teil von ihr sehnte sich danach, dass er diese Grenzen erneut überschritt.
Eine Weile saßen sie schweigend auf ihren Holzstühlen, während Simonetta langsam ihren Becher leerte. Der junge Mann zerriss das Schweigen zuerst und erkundigte sich, ob sie bereits Modell gestanden hatte. Halbherzig nickte Simonetta und versuchte ihre Gefühle vor ihm zu verbergen. Doch der junge Mann seufzte nur und fuhr sich mit der Hand durch seine dichten, dunkelbraunen Locken.
„Was hat Euch Euer Mann gesagt?", wollte er schließlich wissen und Simonetta gab Marcos Worte wahrheitsgemäß und ohne jegliche Emotionen wieder. Der junge Mann nickte und lächelte sie schüchtern an. Der Maler war süß in seiner Bewunderung und dabei hatte er ihr wahres Ich noch nicht einmal gesehen.
„Ich bin Sandro Botticelli", stellte er sich sanft vor. „Aber ich kann Euch nicht malen, wenn Ihr es nicht selbst wollt."
Irritiert sah sie ihn über den Rand ihres Bechers an und zum ersten Mal an diesem Tag fragte sie sich ernsthaft, ob sie sich von diesem jungen Mann malen lassen sollte. Was versprach er sich davon? Sie war einfach nur Simonetta. Konnte das genügen?
„Aber warum wollt Ihr mich malen, Maestro?", raunte sie verwirrt. „An mir ist gar nichts Besonderes."
„Sagt so etwas nicht. Für mich seid ihr so viel mehr als ein hübsches Gesicht. Ihr seid die Muse, auf die ich mein Leben lang gewartet habe und wenn Ihr mich lasst, dann werde ich Euch unsterblich machen, Madonna", gestand Sandro leise und ihr Herz begann in ihrer Brust zu rasen. Früher hätte sie ihn ausgelacht und ihn einfach stehen gelassen. Doch heute berührte es sie zutiefst, dass ein Mensch ihr dieses Geschenk der Götter so vollkommen ohne zu zögern schenken wollte. Langsam hob sie den Blick und sah direkt in sein Herz. Es war so voller aufrichtiger Wärme und Güte, dass ihr Herz an diesem Tag erneut zerbrach. Denn Sandro war nicht die Person, auf die sie ihr ganzes Leben lang gewartet hatte. Sandro Botticelli liebte sie von ganzem Herzen. Aber er war nicht ihr Seelenverwandter. Ihr Herz setzte einen Schlag aus und pochte dann gleichmäßig und träge weiter in ihrer Brust. Eine kleine, verräterische Träne stahl sich aus ihrem Augenwinkel und bahnte sich langsam ihren Weg zu Boden über ihre Wange. Gerade als sie von ihrem Kinn fiel, schoss Sandros Hand nach vorn und fing diesen Tropfen auf, als würde er ihm zur Unsterblichkeit verhelfen.
In diesem Augenblick wurde die Tür zum Atelier geöffnet und die Luft brachte Sandros Blätter zum Rascheln. Langsam drehte Simonetta den Kopf, obwohl sie genau spürte, wer das Studio betrat. Ihr närrisches Herz begann in ihrer Brust zu tanzen. Als sich ihre Blicke über Sandros Schulter kreuzten, wusste sie, dass sie nun nicht mehr fortgehen konnte.
„Ich gebe Euch meine Erlaubnis mich zu malen, Maestro", sagte sie und ihre Stimme war nicht mehr als schwaches Flüstern. Doch es genügte, um Sandro und Giuliano ein strahlendes Lächeln auf die Gesichter zu zaubern. Auch wenn eine kleine Stimme in ihrem Kopf ihr einflüstern wollte, dass sie gerade einen unwiderruflichen Fehler begangen hatte.
Zunächst glaubte Simonetta, dass der andere Gott direkt zu ihr kommen würde, doch er blieb vor der leeren Holzplatte stehen, lehnte sich gegen einen Tisch, auf dem unzählige Zeichnungen und Entwürfe wild durcheinander lagen. Langsam verschränkte er die Arme vor der Brust. Kein einziges Mal wandte er den Blick von ihr ab.
„Seid Ihr bereit, Madonna?", fragte Sandro aufgeregt und hielt ihr fordernd die Hand hin. Wie eine Schlafwandlerin ergriff sie seine Hand und ließ sich von ihm aufhelfen. Sobald sie auf ihren Füßen stand, ließ er ihre Hand los. Widerwillig wandte sie den Blick von dem anderen Gott ab und schenkte Sandro ein kleines Lächeln der Dankbarkeit, während sie ihm ihren leeren Becher in die Hand drückte. Als ihre Finger seine Haut zufällig berührten, lief ein unmerklicher Schauer durch Sandros Körper. Sofort trat Simonetta einen Schritt zurück und wandte den Blick von ihm ab. Diese Reaktion rief ihre Nähe bei den meisten Männern hervor, denn sie war ein Teil ihres Wesens. Sie wollte hoffen, dass es für Sandro noch nicht zu spät war. Doch ein Blick in sein Herz genügte, um sein weiteres Schicksal zu kennen. Sandro Botticelli hatte sich bereits in die Liebe verliebt und da er nicht ihr Seelenverwandter war, würde ihn diese Liebe zu einem Leben in Einsamkeit verdammen. Keine Frau würde ihm jemals genügen, solange er Aphrodite im Herzen trug. Vielleicht war dies der Grund, weshalb Aphrodite ebenfalls ein liebloses Leben bestimmt war.
Mit gesenktem Blick folgte sie Sandro durch das Künstleratelier und versuchte ihre Gefühle auszublenden. Solange sich der andere Gott in ihrer Nähe aufhielt, durfte sich Aphrodite keinen Fehler erlauben. Für Simonetta stand zu viel auf dem Spiel.
Rasch machte der Künstler seine Modelle miteinander bekannt und nachdem der Höflichkeit genüge getan war, wandte sich Sandro seiner leeren Holzplatte zu. Gedankenverloren musterte er das Holz und auf sein Gesicht trat der gleiche Ausdruck, den Aphrodite schon bei so vielen Künstlern gesehen hatte. Nichts fürchtete ein Künstler mehr als eine leere Fläche. Gerade als sie ihn aufmuntern wollte, begann Sandro zu sprechen. Der Name Mars ließ das Blut in ihren Adern gefrieren und Entsetzen huschte über ihr Gesicht. Doch erst als der Meister die römische Version ihres Namens aussprach, fühlte sich Simonetta gefangen. Sandro Botticelli sprach voller Hingabe von den Bildern, die bisher nur er in seinem Geiste sehen konnte. Aber sie durfte Simonetta nicht als Venus verewigen lassen. Eines Tages würden die anderen Götter beginnen Fragen zu stellen und was sollte sie ihnen dann nur sagen? Eros würde sie die nächsten dreihundert Jahre mit diesem Bild aufziehen. Vermutlich würde er sich eine Kopie erstellen lassen und es in seinem Esszimmer aufhängen lassen, damit sie es bei jedem einzelnen Besuch sehen musste.
Obwohl sie am liebsten auf dem Absatz kehrt gemacht hätte, blieb sie und lauschte seinen Anweisungen. Unbehaglich verlagerte sie ihr Gewicht und musterte mit schief gelegtem Kopf das schmale Bett, auf dem Sandro sie beide drapieren wollte. Es war so schmal, dass sie unmöglich einander nicht berühren konnten. Wieso hatte sie nur gedacht, dass die Sitzungen einfach und angenehm werden würden?
„Dort drüben könnt Ihr Euch umkleiden, Madonna", endete Sandro seinen Vortrag und nickte ihr zu. Unaufgefordert begann der andere Gott seine Jacke aufzuknöpfen. Mit einem Krachen schlug sie im nächsten Augenblick auf dem Boden auf, keinen Herzschlag später folgte sein Hemd. Mit großen Augen starrte Simonetta ihn an und gerade als er mit den Bändern seiner Hose spielte, hob der andere Gott Giulianos Kopf und starrte sie durch dessen dunkle Augen amüsiert an.
„Könnt Ihr nicht warten, bis ich mich zurückgezogen habe, Messer Medici?", fragte Simonetta entgeistert und Aphrodite war überrascht, wie ernst ihre Entrüstung war. Früher hätte sie alles gegeben, um den Körper des jungen Giuliano so schnell wie möglich bewundern zu können. Was machte Simonetta nur mit ihr? Oder war es dieser mysteriöse Gott, weshalb ihr Herz wie ein ängstliches Tier in ihrer Brust raste?
„Ihr werdet noch viel mehr von mir zu sehen bekommen, wenn Ihr mich noch länger anstarrt, anstatt Euch für das Gemälde fertig zu machen, Madonna", erwiderte der andere Gott mit Giulianos seidiger Stimme kokett. „Soweit ich weiß, tragen Götter für gewöhnlich keine Kleidung. Da dieses Gemälde dem Geschmack Eures Mannes entsprechen soll, wird Sandro gewisse Details verbergen. Wenn Ihr versteht, was ich meine. Doch dafür muss ich aus meinen sterblichen Kleidern in mein sehr männliches Bettlaken wechseln. Also geht und zieht Euch um oder bleibt und genießt die Show. Euer Mann muss davon nicht unbedingt etwas erfahren oder Sandro?"
Abschätzig musterte Simonetta Giuliano von Kopf bis Fuß. Provokant grinsend richtete sich der andere Gott unmerklich auf, sodass Giulianos Körper noch besser zur Geltung kam. Für einen Sterblichen war der junge Medici wirklich zum Dahinschmelzen.
„Ich habe bereit Beeindruckenderes gesehen, Messer Medici. Dieses Angebot lehne ich dankend ab", konterte Aphrodite spitz, machte auf dem Absatz kehrt und marschierte in die Richtung, in welche Sandro sie verwiesen hatte. Durch einen Vorhang vom Rest des Raumes abgeschirmt atmete Simonetta tief durch. Dann suchten ihre Augen nach dem Kleid, welches sie tragen sollte. Sie fand es sofort. Mit einem leisen Seufzen fuhren ihre Finger prüfend über den dünnen Stoff. Jetzt konnte sie nicht mehr zurück.
Ein weiteres Seufzen unterdrückend löste Simonetta etwas umständlich die Schnürrungen ihres Kleides. Nach einer kleinen Ewigkeit flatterte ihr Unterkleid zu Boden und sie konnte endlich das dünne Kleid überziehen. Sofort fühlte sie sich leichter und irgendwie mehr wie ihr wahres Selbst.
Natürlich würde Aphrodite einen anderen Stoff bevorzugen. In ihrem göttlichen Leben hatte sie kaum etwas anderes getragen als Seide, weil sie das Gefühl so sehr liebte, wenn sich der elegante Stoff an ihren Körper schmiegte. Dieses Kleid war aus einem weniger kostbaren Material und sie war zutiefst erleichtert, dass der Stoff zwar dünn, aber blickdicht war. So konnte man ihre Figur erahnen, ohne dass das Kleid zu viel Preis gab. Aphrodite hatte schon immer verführt, indem sie die Fantasie angeregt hatte. Dieses Kleid spiegelte haargenau wider, wer sie wirklich war.
Eingehend musterte sie ihr Spiegelbild und gerade als sie den Vorhang beiseiteschieben wollte, um sich den wartenden Männern zu präsentieren, kam ihr ein aufregender Gedanke. In allen Zeiten hatte sie ihre Haare aufstecken müssen, um sich den Erwartungen der jeweiligen Gesellschaft anzupassen. Doch dies war nicht ihr wahres Ich. Bei ihrer Geburt hatten sich ihre Haare in goldenen Wellen über ihren Rücken ergossen und sie hatte sie erst zusammengebunden, als sie sich Zeus angeschlossen hatte. Damals hatte sie geglaubt, dass die anderen Götter sie leichter akzeptieren würden, wenn sie sich ihnen anpasste. Wie naiv sie gewesen war. Doch seit diesem Tag vermisste sie ihre alte Freiheit.
Einem Impuls folgend zupfte sie ein paar Klammern aus ihren Haaren und genoss das Gefühl, wie jede einzelne Strähne an ihr herabfiel. Mit wenigen Handgriffen hatte sie aus ihrer strengen Hochsteckfrisur ein locker gestecktes Kunstwerk geschaffen. Sandro würde schon eine Begründung finden. Vermutlich würde er argumentieren, dass ihr halboffenes Haar den Widerspruch zwischen Liebe und gesellschaftlicher Erwartung symbolisierte. Künstler fanden für alles eine Erklärung. Aber der wahre Grund war, dass Aphrodite Simonetta genau so verewigen wollte. Wenn sie das Bild schon für den Rest ihres Lebens verfolgen würde, dann wollte sie sich vor ihren göttlichen Freunden nicht dafür schämen müssen.
Zufrieden mit sich selbst strich Simonetta den schweren Vorhang beiseite und schritt hocherhobenen Hauptes gemächlich durch das Atelier. Der Klang ihrer nackten Füße war ungewohnt leise. Wann war sie das letzte Mal barfuß gewesen?
Der andere Gott bemerkte ihr Kommen als Erster. Als hätte er ihre Nähe gespürt, drehte er sich langsam zu ihr um und als sich ihre Blicke kreuzten, funkelte etwas in seinen Augen auf, was Simonetta nicht zu deuten vermochte. Vielleicht war er genauso neugierig darauf zu erfahren, mit wem er wirklich seine Zeit hier unter den Menschen verbrachte wie sie.
Der Ausdruck in seinen Augen sorgte dafür, dass sie sich perfekt fühlte. Das letzte Mal war sie sich über sich selbst so sicher gewesen, als Paris ihr den goldenen Apfel in die Hand legte und selbst da zweifelte sie an ihrer Schönheit, denn sie hatte ihm erst Helena als Preis versprechen müssen, damit er sich zwischen Athene, Hera und ihr entscheiden konnte. Doch dieser andere Gott sorgte mit einem einzelnen Lächeln dafür, dass ihre Zweifel verschwanden. Denn es war nicht ihre Absicht ihn zu beeindrucken und in Simonettas Körper standen ihr nicht die gleichen Mittel zur Verfügung wie in ihrem eigenen.
Gedankenverloren wandte sich nun auch Sandro zu ihr um und als er sie entdeckte, klappte ihm vor Überraschung der Mund auf.
„Habt Ihr es Euch so vorgestellt, Maestro?", fragte sie und konnte die Belustigung in ihrer Stimme kaum verbergen. Giulianos Mundwinkel zuckten. Mit tellergroßen Augen starrte Sandro Botticelli sie an, als wäre sie soeben an die Küste Zyperns gespült worden.
„Ihr seht absolut hinreißend aus, Madonna", antwortete er mit heiser Stimme. Dann drehte er sich schnell zu Giuliano und befahl mit fester Stimme, dass jeder seinen Platz einnehmen sollte.
Natürlich dauerte es eine ganze Weile, bis Sandro mit der Szene zufrieden war. Immer wieder bat er sie Kleinigkeiten in ihrer Haltung zu verändern. Manchmal kam er zu ihnen und veränderte etwas am Hintergrund oder drapierte den Stoff anders, nur um alles in seinen vorherigen Zustand zurückzuversetzen und dies im nächsten Herzschlag wieder vollkommen zu verändern. Die ganze Zeit redete er leise mit sich selbst.
Den Kohlestift nahm er erst in die Hand, als er mehrere Minuten reglos den Anblick der ganzen Szene in sich aufgesogen hatte. Simonetta war zutiefst erleichtert, dass sie für das Gemälde nur liegen musste. Vor ein paar Jahrhunderten hatte sie für einen Bildhauer tagelang in einer vollkommen unnatürlichen Haltung ausharren müssen. Noch einmal würde sie so etwas nicht ertragen. Aber die Statue war hübsch geworden. Sie stand in ihrem Garten auf dem Olymp und lieferte ihr für ihre Gartenfeste immer wieder Gesprächsstoff.
Eine Weile lagen sie still und starr wie Statuen auf der schmalen Liege und Simonetta versuchte die Gefühle auszublenden, welche die Nähe des anderen Gottes in ihr auslöste. Sein Körper war beinahe unnatürlich warm, als würde Feuer anstelle von Blut durch Giulianos Körper rasen. Nur das Kratzen von Sandros Kohlestift war zu hören.
Nach einer Weile wisperte der andere Gott: „Glaubt Ihr daran, dass wahre Liebe existiert?"
Diese Frage kam so überraschend, dass Simonetta ohne nachzudenken bejahte. Beinahe hätte sie noch etwas über die Bedeutung wahrer Liebe hinzugefügt, doch sie schluckte ihre Ansichten hinunter. Sie gehörten Aphrodite und nicht Simonetta. Wenn der andere Gott ihrem wahren Ich doch schon einmal begegnet war und er nun ihre Worte aus Simonettas Mund hören würde, dann würde er sie auf der Stelle entlarven. Nicht auszudenken, was dann mit Simonetta geschehen würde. Um ihn abzulenken, fragte sie schnell: „Und Ihr, Messer Medici? Glaubt Ihr etwa nicht an die Liebe?"
Der andere Gott schnaubte, wofür er einen Tadel von Sandro bekam. Sofort wurde er still. Doch sein Schweigen war Antwort genug und auch wenn es sie reizte ihre Kräfte bei ihm anzuwenden, hielt sie sich zurück. Selbst in Giulianos Körper strahlte er eine solche Macht aus, dass sie nur unter großen Mühen in sein Inneres hätte eindringen können.
„Wenn Ihr mich fragt, werden die beiden überschätzt", wisperte der andere Gott so plötzlich, dass Simonetta erschrocken zusammenzuckte. Sofort warf ihr der Maler einen mahnenden Blick zu und sie glitt in ihre alte Position zurück.
„Von wem sprecht Ihr, Messer Medici?", hauchte sie zurück und Sandro murmelte missmutig etwas Unverständliches.
„Mars und Venus natürlich", flüsterte der andere Gott verschwörerisch. „Es ist ein hübsches Märchen, dass Gegenteile einander anziehen. Aber nicht einmal die Göttin der Liebe vermag es einem Gott wie Mars zu Frieden zu verhelfen. Wenn er einen Sinn für Schönheit hätte, würde er nicht so viel Vergnügen dabei empfinden schöne Dinge von dieser Welt zu tilgen und was Venus angeht: Natürlich ist sie atemberaubend schön. Aber ihr Herz ist eiskalt und es braucht mehr als Krieg, um es wieder zum Schlagen zu bringen. Meiner Meinung nach ist dieses Gemälde eine einzige Lüge, eine verklärte Idee von Liebe, die keine Liebe, sondern Besessenheit ist."
Ihr Inneres gefror zu Eis, während sich Ares' Gesicht vor ihrem inneren Auge formte. Plötzlich überkam sie das überwältigende Gefühl sich vor dem anderen Gott für ihre Affäre mit Ares zu rechtfertigen und so flüsterte sie ihm ohne die Lippen zu bewegen zu, mit welchem Recht er über die beiden Götter urteile. Ihr Ton war dabei schärfer als beabsichtigt. Überrascht öffnete der andere Gott die Augen und fixierte sie berechnend. Simonetta konnte sich im letzten Moment daran hindern ihn beleidigt anzustarren. Stattdessen ignorierte sie ihn so gut sie konnte, wodurch Sandros Rüge nur ihm galt. Schnell schloss der andere Gott seine Augen. Das Lächeln auf ihren Lippen wurde eine Spur breiter.
„Vermutlich habt Ihr recht", meinte sie nach einer Weile und aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, wie seine Lider kurz flatterten. „Eine solche Beziehung führt zu nichts als Schmerz und Zerstörung. Aber vielleicht haben sie ihre Hoffnung auf Liebe vor langer Zeit aufgegeben, Messer. Wenn man keinem Philemon begegnet, verliert jede Baucis irgendwann die Hoffnung und sucht sich einen Pyramus, der sie zu Thisbe macht."
„Das klingt unbeschreiblich niederschmetternd", sagte der andere Gott nach einer Weile und er hatte den Mund bereits geöffnet, um dem noch etwas hinzuzufügen. Missbilligend mahnte Sandro den anderen Gott endlich still zu sein und die Arbeit ernst zu nehmen. Still ärgerte sich Simonetta über Sandros Eingreifen, weil sie brennend interessierte, was der andere Gott noch zu sagen hatte. Natürlich war ein Teil von ihr immer noch beleidigt, dass er ihr ihre eigenen Fehler mit Ares unter die Nase rieb. Doch sie war zu desillusioniert, um sich über ihren Mangel an wahrer Liebe zu ärgern. Dieser andere Gott hatte sie durchschaut, ohne sie wirklich zu durchschauen. Er reizte sie.
Als die Schatten langsam länger wurden, verkündete Sandro ihnen, ohne den Stift aus der Hand zu legen, dass sie für heute fertig waren. Langsam erhob sich Simonetta von ihrer Liege und bewegte ihre steifen Glieder. Ein wohliges Seufzen entwich ihren Lippen, als die Bewegung ihre Durchblutung anregte.
„Liebe ist ein großes Wort für viele hässliche Gefühle", raunte der andere Gott in ihr Ohr und er war ihr mit einem Mal so nah, dass sie erschrocken zurückzuckte. Sein warmer Atem strich über die nackte Haut ihres Nackens und Begierde durchzuckte sie. Sie wusste nicht, wann ein Mann das letzte Mal wirkliches Begehren in ihr ausgelöst hatte.
Neugierig blickte sie zu ihm auf und die tiefe Traurigkeit, die er ausstrahlte, machten ihr Herz schwer. Am liebsten hätte sie ihn in den Arm genommen und ihm einen Teil seiner Last abgenommen oder ihre Lippen auf seinen Mund gepresst und die Dinge auf die einzige Art geregelt, die Aphrodite wirklich kannte.
„Ihr irrt Euch, Messer", hauchte sie und zum ersten Mal huschte ein Hauch von Zweifel über sein schönes Gesicht. „Wahre Liebe ist kein Spiel und sie wartet gewiss nicht an jeder Ecke. Aber sie existiert. Wir sind alle die Hälfte eines großen Ganzen. Glaubt Ihr wirklich, dass so viele Dichter Pergament verschwenden würden, wenn das Gefühl eine Illusion wäre? Gefühle sind Macht, Messer und Liebe ist die stärkste Kraft auf Erden. Also solltet Ihr niemals den Fehler begehen und Venus verspotten. Sie könnte Euch eines Tages beim Wort nehmen und nichts ist schlimmer als eine verlorene Hälfte zu sein."
Langsam wich alle Farbe aus seinem Gesicht und seine Augen bekamen einen merkwürdig abwesenden Ausdruck, so als würde er in einen Strudel von Erinnerungen fallen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. All diese Dinge hatte sie ihm nicht preisgeben wollen und nun stand sie hier direkt vor ihm und hoffte inständig, dass er die Wahrheit nicht erkennen würde. Es gab so viele dumme und arrogante Götter, weshalb versuchte sie ihn von sich zu überzeugen?
Verwirrt machte sie auf dem Absatz kehrt und huschte hinter die Abgeschiedenheit des Vorhangs. Lautlos glitt das Kleid der Göttin von ihr ab und sie war zu müde, um sich mit den Kleidern abzumühen. Mit einem Seufzen gestattete sie ihrer Magie sie anzukleiden und genoss die Wärme, die ihre Kräfte auf ihrer Haut hinterließen. Als Simonetta die Augen öffnete, war sie wieder die Frau, als die sie am Morgen hierhergekommen war. In Gedanken zählte sie bis fünfhundert, dann schlüpfte sie hinter dem Vorhang hervor und verabschiedete sich von Sandro. Suchend blickte sie sich in dem kleinen Atelier um, doch ihre Augen bestätigten ihr nur, was ihre Kräfte ihr schon verraten hatten. Der andere Gott war fort.
Am Eingang wartete bereits ihr Kutscher auf sie und half ihr stumm in die Kutsche. Als sich ihre Kutsche in Bewegung setzte, ging gerade die Sonne unter und die Aura des anderen Gottes verschwand vollkommen aus der Stadt. Mit ihr wich jegliche Wärme aus Simonettas Körper. Seufzend schloss sie die Augen und ignorierte das Ruckeln der Kutsche. Ihr Kopf schmerzte und ihr Herz brannte lichterloh. Aphrodite wusste nur zu gut, was dies zu bedeuten hatte. Denn was auch immer sie fühlte, wenn sie in seiner Nähe war. Es war echt.

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