Kapitel 11
Eigentlich wollte Eren den Älteren ausfragen. Wie konnte es sein, dass jemand wie Levi, jemand der so perfekt schien, der alles haben konnte, was er wollte, wie konnte es sein, dass jemand wie er Gefühle für jemanden wie Eren entwickeln konnte? Eren sah sich selber als Katastrophe. Ein emotionales Durcheinander. In einem Moment war er gut drauf, im Nächsten schrie er jeden an, der ihm im Weg stand. Levi hatte bereits alle negativen Seiten an Eren kennen gelernt. Und trotzdem entwickelte er Gefühle für den Jüngeren? Es war ihm unbegreiflich.
Wie gerne wollte er fragen, was an ihm so besonders wäre. Doch er tat es nicht. Hatte Angst, dass Levi denken könnte, er würde die Sache nicht ernst nehmen und nur Komplimente erhalten wollen.
Wie gerne wollte er fragen, ob es normal für Dämonen war sich in ihren Schützling zu vergucken. Ob es normal war, dass es Eren nicht störte. Er hatte noch immer so viele ungeklärte Fragen. „Du kannst meine Hand auch wieder loslassen, wenn du willst.", Levis leichtes Schmunzeln riss den Brünetten aus seinen Gedanken und panisch sah er auf die Hand, die noch immer von seiner festgehalten wurde. „S-sorry!", stotterte Eren und zog seine Hand weg, starrte seine kribbelnden Finger an. Was war das wieder für ein Kribbeln?
„Hast du noch was auf dem Herzen?", Levis Stimme war wie immer sehr beruhigend für Eren. „So einiges.", seufzte er und Levi tat es ihm nach, setzte sich neben den 18-Jährigen auf die Couch und sah ihm in die schönen grünen Augen. Wie er diese Augen liebte. Wie er diesen Jungen liebte.
„Dinge, über die du reden willst?" – „Nicht wirklich."
Dass Levi bereits Erens Gedanken gelesen hatte und natürlich schon wusste, was in dem Kopf des Brünetten vor sich ging, ließ er aus. Er wollte Eren nicht verunsichern. Er wollte nicht wirken, wie ein Stalker. Auch, wenn er es vermutlich immer mal wieder tat.
„Soll ich dich damit alleine lass-"
„Nein!", unterbrach Eren ihn harsch und griff unbewusst wieder nach den Händen des Dämons, welcher dies nur belächelnd hinnahm. „Na schön, dann habe ich eine Idee, was wir machen können."
Kaum hatte der Schwarzhaarige den Satz gesprochen, fanden die beiden jungen Männer sich auf einem Hochhaus wieder. Eren krallte sich völlig perplex in den Oberarm des Kleineren und sah sich mit weit aufgerissenen Augen um. „Wie- wo- was zur Hölle?!", platzte es dann aus ihm heraus und Levi schlich sich erneut ein leichtes Schmunzeln ins Gesicht.
Er vermisste es, dass Eren so offen zu jemandem war. Und dass diese Person nun er selber war, gefiel ihm. Es kam ihm vor, als würde Eren sich vor ihm nicht schämen zu sagen, was er dachte. Wenn er denn in Worte fassen konnte, was er dachte. „Vertraust du mir?", fragte Levi dann und drehte sich zu dem Größeren, welcher das schwarze Hemd an Levis Arm bereits wieder losgelassen hat.
Unsicher sah der Brünette in die Hand, die Levi ihm hinhielt, atmete einmal tief durch, nahm sie und nickte mit festem Blick. Er vertraute seinem Gegenüber blind. Levi könnte ihn von diesem riesigen Gebäude schubsen und er würde ihm vertrauen. Er würde wissen, was er da tat.
Levi zog den Größeren an sich, genoss die von Eren ausgehende Wärme und warf ihn ohne Probleme auf seinen Rücken. Noch immer hielt Eren Levis Hand. Nun war er jedoch Huckepack bei dem Schwarzhaarigen.
Jener ließ seine roten Augen aufblitzen und keine Sekunde später befanden sie sich in der Luft. Die Hände noch immer ineinander verschränkt. Eren krallte sich mit seiner freien Hand in Levis Brust, sah ein wenig ängstlich nach unten. Doch vertraute ihm. Er wusste, dass Levi ihn nicht einfach fallen lassen würde. Niemals.
„Kannst du irgendwas nicht?", fragte Eren begeistert – es erinnerte Levi an die Kindheitstage des Brünetten – über Levis Flugfähigkeiten. „Vertraust du mir?", fragte Levi erneut. „J-ja."
Dies war Levis Zeichen mit einer unmenschlichen Geschwindigkeit durch die Luft zu sausen. Den Gebäuden nur knapp auszuweichen, einen Sturzflug hinzulegen und wie eine Rakete gerade wieder hoch zu fliegen. Sich zu drehen. Auf dem Rücken liegend zu fliegen. Die ganze Zeit lachte Eren, krallte sich noch fester in Levis Hand und Brust. Schlang seine Beine fester um die Hüfte des Kleineren. Genoss jede einzelne Sekunde. Genoss das Adrenalin. Die Euphorie. Den Geruch des Dämons, als er seinen Kopf in dessen Halsbeuge vergrub und tief durchatmete. Er genoss alles. Fühlte sich frei. Sicher. Geborgen. Beschützt. Gewollt.
Der Wind rauschte den beiden um die Ohren und versaute ihre Frisuren. Doch es interessierte sie nicht. Für alle beide galt nur eines: der jeweils andere.
Für Levi war es nur wichtig Eren lachen zu hören. Und für Eren war es nur wichtig Levi bei sich zu wissen. Seine Nähe zu spüren. Ihn zu spüren.
-
Sie saßen erneut auf der Couch, sahen erneut einen Film. Irgendeinen Zombie Film, den Eren sich ausgesucht hatte. Sie saßen nebeneinander, teilten sich eine Wolldecke und schenkten ihre Aufmerksamkeit dem großen Flachbildfernseher. Jedenfalls zum Teil. Levis Blick huschte immer mal wieder zum Brünetten. Das Fliegen hatte ihm schon als kleines Kind gefallen. Das waren sie zwar nicht von Hochhäusern gesprungen – Levi hatte Eren nur ein paar Runden im Zimmer drehen lassen – doch es hatte ihm immer Spaß gemacht. Hatte ihn immer aufgemuntert. Und wie es schien, wirkte das noch immer.
Als Eren sich plötzlich wegen einem Jumpscare im Film erschreckte, rutschte er unbewusst an Levi heran. Und über die Zeit, die der Film noch dauerte, hatte er sich – ebenfalls unbewusst – an Levi rangekuschelt. Schutz vor den Zombies gesucht. Schutz gefunden. Er verstand es selber nicht genau. Doch noch nie hatte er sich so sicher bei jemandem gefühlt, wie bei dem Dämonenmann. Er verstand es nicht, doch das hieß nicht, dass es ihm nicht gefiel.
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