25 {Ein nützlicher Dummkopf?}
《Aus Charlottes Leben》
Nachdenklich blicke ich in den Himmel und lasse mich auf dem Wasser treiben. Leider funktioniert der 'tote Mann' bei mir nicht ganz so gut, weshalb ich kurze Zeit später auch schon wieder unter Wasser bin.
Die Vögel zwitschern, als ich wieder auftauche. Doch sie sind die einzigen, die die Stille unterbrechen. Das Rauschen des Wasserfalls ist für mich schon fast zur Gewohnheit geworden.
Ich habe Jean gesagt, dass ich ein bisschen Zeit für mich will, er sich aber keine Sorgen machen muss.
Und so schwimme ich nun im See und lasse meine Seele baumeln.
Ich bin mir immer noch nicht sicher, wie ich Jeans Aktion mit dem Passwort finden soll. Einerseits ist es ziemlich nervig, wie er sich immer einmischt, anderseits ist es unglaublich süß, wie er sich sorgt. Es ist ein erster Schritt zur Besserung. Und ein Schritt auf ihn zu.
Nach weiteren zwanzig Minuten bin ich mir sicher, dass meine Lippen mittlerweile blau angelaufen sind, also steige ich aus dem Wasser und wickle mich in mein Handtuch. Ich ziehe mir schnell das luftige Kleid an, das ich mitgenommen habe und mache mich auf den Weg zu meinem Zimmer. Dort angekommen sehe ich als erstes Achim, der gerade den Boden saugt. "Hallo Achim!" begrüße ich ihn. "Guten Tag, Miss Dubois! Keine Sorge, ich bin sofort fertig." Er zieht den Staubsauger schnell hinter sich her, was nur darauf hinaus läuft, dass er über das Kabel stolpert. "Nur keine Eile", beschwichtige ich ihn und setze mich auf das Sofa. "Ach, fast hätte ich es vergessen. Gerade ist eine Nachricht auf Ihrem Tablet angekommen." Sofort springe ich auf und sprinte zum Tablet. Ich dachte, unser neuer Auftrag ist erst in ein paar Tagen!
Eilmeldung!
Bitte finden Sie sich in 30 Minuten pünktlich in der Versammlungshöhle ein! Wir haben etwas wichtiges zu besprechen!
Mit freundlichen Grüßen
Urlo Acorn
Okay, was hat das zu bedeuten? Ich schicke Jean schnell eine Nachricht, damit er auch Bescheid weiß und springe danach schnell unter die Dusche. Es muss einen Notfall gegeben haben.
Zwanzig Minuten später klopft es an meiner Tür. "Hey." Jean umarmt mich kurz, nimmt dann sofort meine Hand und zieht mich zur Treppe. "Hoffentlich ist es nichts schlimmes." Da bin ich mir ja nicht so sicher...
"Guten Tag. Vielen Dank, dass Sie sich alle so schnell hier eingefunden haben. Es, nun ja, es ist etwas passiert, wovon ich nie geglaubt hätte, dass es je geschehen würde. Noch nie hat es so einen Vorfall gegeben, auch bei meinen Vorgängern nicht. Deshalb weiß ich leider nicht so ganz, wie ich darauf reagieren soll", fängt Urlo Acorn an. Die meisten Botschafter schnappen nach Luft. Sie haben höchstwahrscheinlich noch nie bemerkt, dass Mr Acorn überhaupt keine Ahnung hatte, wie es weiter gehen sollte.
"Aber ich denke, es wäre gut, wenn ich erst erzähle, was eigentlich passiert ist. Wie ihr vielleicht bemerkt habt, sind gestern und heute schon viele Botschafter von ihren Missionen zurückgekehrt, es fehlen nur noch drei. Zwei davon sollten in den nächsten Stunden oder Tagen wieder zurückkommen, doch bei Safira und Abraham gibt es ein kleines Problem. Naja, es ist ganz und gar nicht klein, denn ihre Beobachtungsperson stellt ein großes Problem dar."
Jean neben mir zuckt zusammen. "Safira und Abraham sollen sich um Lilly kümmern! Wehe ihr ist etwas passiert." Wütend ballt er die Fäuste.
"Lilly von Staulingen ist kurz davor, von den Botschaftern zu erfahren. Und nicht nur das, sie hat sich sogar das magische Buch bei einer unserer kleinen Buchhandlungen gekauft! Wenn sie ins Tal gelangt kann das extreme Auswirkungen haben."
"Lilly würde uns nicht verraten", sagt Jean auf einmal. Und plötzlich liegen alle Augen auf uns. "Jean Levevre, bist du dir da ganz sicher?" Ein Mann, der direkt neben Mr Acorn sitzt, sieht in skeptisch an. "Sie ist meine beste Freundin, sie würde es niemandem verraten."
"Wenn ihr euch so nahe steht... denkst du, du könntest sie davon abhalten, noch mehr herauszufinden?" fragt Mr Acorn vorsichtig. "Ihr wollt, dass ich zu ihr reise?" Die übrigen Botschafter nicken. "Ja. Du wirst sie überzeugen, nicht weiter nachzuforschen. Charlotte, kennst du Lilly auch?" Ich schüttele den Kopf. "Okay, dann bleibst du hier und bereitest dich weiter auf den nächsten Auftrag auf. Jean wird nach Paris zurückkehren. Falls es nicht funktionieren sollte, meldest du dich bitte rechtzeitig, Jean. Ich will nicht, dass es noch schlimmer wird."
"Aber natürlich."
"Okay, dann ist es jetzt beschlossene Sache. In zwei Stunden geht's los. Die Versammlung ist hiermit beendet." Alle stehen langsam auf und begeben sich zum Ausgang. Ich stehe ebenfalls auf, doch Jean bleibt einfach sitzen. Sanft berühre ich ihn an der Schulter. "Hey, kommst du?" Er nickt. "Stimmt, wir sollten die letzten zwei Stunden nutzen."
"Wird es sehr lange dauern, bis du zurück bist?" Ich beobachte Jean, wie er seinen Koffer packt. Er hat Lilly und Oliver erzählt, er wäre bei seinen Eltern, deshalb muss es so aussehen, als würde er quasi zurückkommen. "Ich weiß es nicht. Doch Lilly davon abzuhalten, weiter nachzuforschen wird ziemlich schwierig werden. Sie ist Chemiestudentin und auch noch eine der sehr neugierigen Sorte. Und wie soll ich ihr erklären, dass ich schon wieder weggehe, wenn ich sie überzeugt habe? Ich wünschte wirklich, du könntest mitkommen." Wirklich? Wie süß.
Lachend schaut er zu mir. "Oh man, das hört sich an, als könnte ich ohne dich nicht mehr überleben."
"Sieh's positiv, du hast die Chance, Lilly und Oliver wiederzusehen. Mich wirst du in den nächsten Jahren wohl oft genug am Hals haben, wenn wir weiterhin Botschafter für Frankreich sind. Und in der Uni höchstwahrscheinlich auch", versuche ich, ihn aufzumuntern. "Du hast ja recht. Aber du musst mir versprechen, nicht wieder in dieses Loch von Trauer zu fallen, okay?" Aus dem ernsten Blick ist zu schließen, dass es ihm wirklich ernst ist. "Ich verspreche es", sage ich entschlossen. "So gefällt mir das." Lachend umarmt er mich, legt das letzte T-Shirt in den Koffer und verschließt diesen dann. "Nun denn, lass uns zum Wasserfall gehen."
Am See angekommen wartet Urlo Acorn bereits mit ein paar anderen Botschaftern auf uns.
"Denk an die Parkbank in der Nähe des Eingangs zur Uni. Es ist gerade Nacht in Paris, deshalb hält sich dort niemand auf. Abraham und Safira werden dich in Empfang nehmen. Schreibe danach bitte sofort eine Nachricht an Lilly und bitte sie, sich mit dir morgen zu treffen. Du kannst ganz normal zur Uni gehen und alles machen, was du normalerweise tust. Das erste Ziel ist, dass Lilly dir von den Vorkommnissen berichtet. Was du danach tust, liegt komplett in deiner Hand. Wir vertrauen dir." Man sieht, wie Jean die Last auf sich nimmt. Die Zukunft der Botschafter liegt in seinen Händen. Er ist gerade bestimmt komplett überfordert. "Viel Glück, Jean." Urlo Acorn zeigt auf den Wasserfall. Jean soll nun springen. Langsam setzt er einen Fuß ins Wasser, dann der nächste. Schnell reiche ich ihm seinen Koffer. Er hält sich an mir fest, damit er nicht den Wasserfall runterfällt. "Du schaffst das", flüstere ich ihm zu. Er drückt noch kurz meine Hand und springt dann.
Ich schaue noch zum See hinunter, als die anderen Botschafter bereits zurück ins Innere der Felsen gehen. "Du schaffst das", flüstere ich noch ein zweites Mal und drehe mich um, um zurück in mein leeres Zimmer zu gehen.
Dort angekommen lege ich mich auf mein Bett und schalte mein Handy an. Was soll man auch sonst tun. Es ist unglaublich, wie pessimistisch ich auf einmal bin. Nachdem ich mein Passwort eingegeben habe, was mich mal wieder an Jean erinnert, strahlt mich das Whatsapp-Symbol an, dass verkündet, dass ich neue Nachrichten haben könnte. Als ich es öffne, sehe ich, dass Jean mir geschrieben hat.
Hey, bin gut angekommen. Safira und Abraham haben nur drei Sätze mit mir gewechselt und sind dann wieder in ihr Hotel abgehauen. Was für ein toller Start. Aber du hast gesagt, dass ich es schaffe und deshalb werde ich es auch versuchen. Miss u.
Gib einfach dein Bestes, das reicht zur genüge. Ich vermisse dich auch. Solltest du nicht Lilly als erstes eine Nachricht schreiben? ;)
Die schläft eh schon. Da warst du mir erstmal wichtiger. Ich beeile mich, versprochen. Schreibe morgen nochmal.
Als echtes Mädchen muss ich natürlich sofort Rebecca kontaktieren, um sie nach ihrer Meinung zu fragen.
"Er steht auf dich. Zu 1000%", sagt diese sofort, nachdem ich ihr die Nachricht vorgelesen habe. "Mach mal halblang. Er hat nur geschrieben, dass er mich vermisst", antworte ich lachend. "Und, dass du ihm wichtig bist." Nach einer ausführlichen Analyse einigen wir uns darauf, dass Jean Interesse an mir haben könnte.
"Und? Wie läuft's bei dir so?" frage ich Rebecca. "Es geht. Gerade jobbe ich in einem kleinen Café, um schon mal Geld zu verdienen. Letztens habe ich deine Mutter in der Innenstadt gesehen! Ich hab fast einen Herzinfarkt bekommen!" Ich lache. Maman weiß nicht, dass Rebecca und ich gar nicht im Urlaub sind, es wäre also sehr unvorteilhaft, wenn die beiden sich in der Stadt begegnen würden.
"Ist Phillipe immer noch im Krankenhaus?" erkundige ich mich schließlich zögernd. "Er wird wohl morgen entlassen. Das behauptet jedenfalls Adrien. Wir haben uns letztens getroffen."
"Hat er bleibende Schäden?"
"Nein, aber im Moment läuft er noch auf Krücken." Sehr gut. Das heißt, er wird wieder wie früher. Zumindest körperlich. Seelisch hat er sich wahrscheinlich sehr verändert. Aber Veränderung ist ja nicht unbedingt schlecht. Jean wäre stolz auf mich, wenn er jetzt meine Gedanken lesen könnte.
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