17 {Wer seid ihr?}
《Aus Charlottes Leben》
Langsam erhebe ich mich. Für ein paar Sekunden muss ich überlegen wo ich bin, bis es mir wieder einfällt. Carlo Zohnfeld. Ibiza. Die Party. Das Pferd. Jean.
Ich gehe zum Fenster und reiße es auf. Schlechter kann Luft gar nicht sein. Lüftet der irgendwie gar nicht? Für einen Moment genieße ich die tolle Aussicht, bevor ich mich Jean zuwende, der vom Sofa getorkelt kommt. "Kein Morgenmensch?" fragte ich grinsend. "Nope, Nachtmensch." antwortet er und umarmt mich. Ich erwidere die Umarmung und schmiege mich an ihn. Dabei bemerke ich nicht, wie jemand in das Wohnzimmer kommt.
"Wer seid ihr?" fragt er schreiend. Ich glaube das war Deutsch.
Als Carlo merkt, dass wir gar nichts verstanden haben, versucht er es nochmal.
"Quiénes sois?"
Diesmal verstehe ich ihn, weil ich Spanisch in der Schule hatte, aber Jean schaut immer noch verwirrt drein. Der kapiert auch echt gar nichts.
"WHO ARE YOU?!" ruft Carlo schließlich aufgebracht. Ja, wie sollen wir ihm das jetzt erklären?
"We are..." setze ich an, doch Jean unterbricht mich und erklärt in fließendem Englisch, das wir aus Frankreich kommen und ihn gestern ziemlich betrunken vorgefunden haben. Der Barkeeper hätte uns dann gesagt, wo er wohnt. Carlo nickte schließlich zögerlich. "Okay, thank you."
Während er sich langsam umdreht, um sich wohl eine Kopfschmerztablette (Nein, ich mache keine Werbung für Aspirin! xD) zu holen, grinst Jean mich bedeutend an. "Wer hat das jetzt besser hingekriegt?"
"Du. Ausnahmsweise."
~♡~
Es sind gerade mal 10 Minuten vergangen, seit Carlo uns erwischt hat und schon stehen wir draußen. Der Kerl wollte wohl so schnell wie möglich allein sein.
"Jean? Was machen wir jetzt?"
"Keine Ahnung. Darauf warten das irgendwas passiert."
Fünf Sekunden später.
"Jean?"
"Ja?"
"Mir ist langweilig."
"Dein Ernst?"
"Ja."
"Wie wäre es, wenn wir einfach zum Strand gehen?"
Ich nicke und setze mich in Bewegung. Er folgt mir.
Nach tausend Umwegen kommen wir nun endlich am Strand an. Ich lasse mich in den Sand fallen. Jean geht einfach ins Wasser. Die Kulisse sieht anders aus, als die, in der wir angekommen sind. Aber es ist der gleiche Strand.
Alles strahlt in dunklen Farben. Violett, türkis, dunkelblau. Leichtes Morgenrot zieht sich über das Meer.
Schließlich entscheide ich mich, Jean hinterherzulaufen und finde mich innerhalb weniger Sekunden ebenfalls von Wasser umspült im Meer. Es gefällt mir, die Wellen zu beobachten, mitzuerleben, wie sie auf mich hinabstürzen und mich teilweise zu Boden reißen. Es ist etwas besonderes, so früh hier zu sein. Alles sieht irgendwie magisch aus. Und vielleicht ist es das auch.
"Charlie? Alles okay?" fragt Jean auf einmal. Ich wurde von einer Welle erfasst und tauche schnell wieder auf. "Ja ja, alles klar."
Er lächelt mich an. "Gut." Dann nimmt er meine Hand und zieht mich weiter rein. Zum Glück bemerkt uns hier niemand. "Diese Stelle hier ist anders als die anderen Strände, die ich bisher gesehen habe. Sie hat so etwas an sich. Etwas..."
"Magisches." helfe ich ihm auf die Sprünge. Er nickt. "Genau. Bestimmt hat das was mit dem Tal der Tränen zu tun." "Wie hast du es genannt?" überrascht blicke ich zu ihm. "Das Tal der Tränen." erwidert er. "Kasim hat mir erzählt, dass die Tränen aller Menschen durch den Wasserfall in den See geschleust werden. Ich dachte, es wäre ein guter Name. Es ist ein Tal und da Tränen dort ankommen dachte ich..."
"Ich habs kapiert. Aber das klingt doch echt schön. Das Tal der Tränen." flüstere ich. "Hätte ich ja nicht gedacht, dass ausgerechnet dir so etwas einfällt." Jean schüttelt nur den Kopf. "Auch wenn viele Menschen meine Genialität nicht erkennen, bin ich ein Genie!"
"Genie der Dummheit oder des kindischen Verhaltens?" Tja, jetzt wird er verlegen. Wo ich wieder mit seiner Fenster-Aktion ankomme. "Wenn ich das nicht gemacht hätte, wärst du jetzt alleine! Außerdem war es meine Bestimmung!"
Ich lasse mich seufzend in das Wasser fallen. "Jeder andere hätte deinen Job machen können." ziehe ich ihn auf. "Nee, der hätte den Test nämlich nicht bestanden!" kontert er schnell, als sich plötzlich alles anfängt, zu drehen. Ich sehe nur noch verschwommen, Kopfschmerzen setzen ein. "Jean... Was passiert hier?"
"Was soll passieren? Ich hab nur mal wieder eine Diskussion gewonnen, das ist alles."
"Du leuchtest!"
"Bitte was?"
Erst sind es nur die Konturen der Landschaft und Jean. Dann beginnen die Wellen um mich herum plötzlich wie verrückt um mich herum zu schlagen. Meine Haut leuchtet golden, genau wie alles um mich herum. Ich blinzle, aber es wird nur noch schlimmer.
"Was passiert hier?" Das letzte, was ich sehe ist Jeans erschrockenes Gesicht und seine Hand, die versucht mich festzuhalten. Aber genau in diesem Moment löse ich mich buchstäblich in Luft auf.
*°*°*°*°*°
Zitternd öffne ich meine Augen. Wo bin ich? Auf jeden Fall nicht mehr im Meer auf Ibiza. Aber... Wasser. Wasser ist trotzdem um mich herum. Ich liege in einem See. Im Tränensee! Ich bin wieder im Tal! Aber wo ist Jean?
Ich blicke um mich, doch neben mir schwimmt nur die Holzkiste mit den seltsamen Verzierungen. Langsam wird mir alles klar. Das, was ich gerade erlebt habe, war eine magische Ortswechselung. Wir sind vom Wasserfall in den See gesprungen und im Meer wieder aufgewacht. Und vom Meer aus bin ich wieder hierhin gekommen.
Aber Jean ist ja noch dort! Er weiß wahrscheinlich gar nicht, wo ich bin und was ich gemacht habe. Ich habe mich ins Wasser gelegt, genau wie ich am Anfang aufgewacht bin. Und dann bin ich wieder eingeschlafen. Und hier gelandet.
Da mir allmählich kalt wird, steige ich aus dem See. Mit nassen Klamotten setze ich mich auf einen Felsen und hoffe, dass Jean mir folgen wird, bevor ich erfriere.
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