Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

Medizinschränkchen

Ihr Bein pochte beißend, als Evangeline Rebecca zum Abschied zuwinkte und die letzten Schritte bis in die Praxis alleine ging. Sie verfluchte innerlich die Verandastufen, die ihr mit schmerzendem Bein so viel höher vorkamen, als sie es noch waren, bevor sie zum Spaziergang aufgebrochen war.

Nach einer langen Tortur, bei der sie hoffte, dass sie niemand von der Straße aus beobachtet hatte, erreichte sie schließlich die Tür und lehnte sich atemlos von innen gegen sie. Die Praxis war abgedunkelt. Vermutlich war Dr. Murphy für die Pause an die frische Luft gegangen oder befand sich in einer der hinteren Wohnräume, die mit der Praxis verbunden waren.

"Dr. Murphy?" versuchte sie es einmal, schließlich konnte sie mit dem lauten Rufen niemanden wecken, wenn sie und Mr. Jenkins die einzigen Patienten in den Zimmern waren. Sie bekam ein ohrenbetäubendes Schweigen als Antwort. Doch das störte sie nicht wirklich. Ihre Augen glitten fasziniert über das Regal, welchem sie noch vor einer guten Stunde keine Beachtung geschenkt hatte. Wenn es ihr vorhin noch so leer vorkam, quillte es jetzt beinahe über. Rote, Weiße und Gelbe Pulvermischungen reihten sich aneinander. Die untersten Regalbretter hatte Dr. Murphy für seine Büchersammlungen genutzt und sie vergaß den Schmerz in ihrem Bein und fuhr ehrfürchtig mit dem Zeigefinger über die Buchrücken. Werke von Louis Pasteur, Bartolomeo Gosio, Rudolf Virchow und Giovanni Morgagni. Die meisten Namen kannte sie nicht, aber sie war sich sicher, dass ihr Vater schon einmal den Namen Rudolf Virchow erwähnt und davon geschwärmt hatte, wie viel dieser Mann für die Medizin getan hatte. Oder war es doch Bartolomeo Gosio gewesen? Sie hatte es vergessen. Sie nahm eines der Bücher wahllos aus dem Regal und richtete sich wieder auf.

Giovanni Morgagni,
De sedibus et causis morborum.
Vom Sitz und den Ursachen der Krankheiten

Las sie und schlug den Einband auf, immer darauf bedacht, den Buchrücken nicht zu brechen. Interessiert überflog sie die Seiten. Giovanni Morgagni schien großer Befürworter der Pathologie zu sein. Sie kannte sich in diesem Bereich zu wenig aus als dass sie eine eigene Meinung dazu haben könnte. Doch die nächste Seite stieß so unverhofft auf Evangeline, dass sie laut nach Luft schnappte und das Buch zuklappte. Sie kniff die Augen fest zusammen und hoffte, dass dadurch die letzten Sekunden, die sie gesehen hatte, verschwinden würden und bekam das Gefühl, dass sich das Bild stärker in ihr Gedächtnis einbrannte, je länger sie versuchte, nicht daran zu denken.

Das Abbild eines toten, männlichen Körpers. Evangeline hatte das dringende Bedürfnis sich die Augen mit der Seifenlauge auszuwaschen, die die Frauen zum Putzen der Fenster benutzten.

Ihr Herz machte einen ungesunden Sprung, als sie zu allem Überfluss zu spät bemerkte, wie jemand die Treppe, die in den Wohnbereich führte, nach unten ging. Starr stand sie mit weit geöffneten Augen vor dem Regal, das verräterische Buch in ihren Händen und Dr. Murphy, der eben in ihrem Blickfeld auftauchte, sie erst verwundert musterte und dann wissend grinste, als er sah, was sie vor sich hielt und wie sich die Röte auf ihren Wangen ausbreitete.

"Sind Sie deswegen hier unten in der Praxis geblieben und liegen nicht in Ihrem Bett?", fragte er in die Stille, die entstanden war und Evangeline hörte keine Anschuldigung in seiner Stimme. Nur ehrliche Belustigung.

Ihre Wangen leuchteten mittlerweile Rot. Sie spürte die unangenehme Hitze in ihrem ganzen Körper und sehnte sich nach der Winterluft, die auf den Straßen herrschte und sicher kühler war, als das was sie jetzt empfand.

"Ich... ich habe Sie gerufen, aber Sie haben nicht geantwortet", stammelte Evangeline leise und senkte den Blick auf ihre Schuhe. "Tut mir leid. Ich habe nicht gewusst, dass Ihre Bücher so..." Weiter traute sie sich nicht zu sprechen.

Ihre Röte verriet sie. Sie verhöhnte sie. Er wusste genau was sie meinte.

Sein leichtherziges Auflachen überraschte Evangeline. Bisher hatte er so kalt und distanziert gewirkt, wenn sie ihn sah. Hatte sie sich so sehr darin irren können?

Sie bemerkte aus dem Augenwinkel, wie er den Abstand zu ihr verringerte, seine langen Finger schlossen sich um das Buch, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan als Bücher zu lesen. Und sie verkrampfte ihre Hände.

"Sie müssen Morgagnis Werk schon loslassen, damit ich es wieder zurückstellen kann. Oder möchten Sie es behalten?" Als hätte sie das Buch verbrannt ließ sie es los und taumelte einen kleinen Schritt zurück.

"Ich mache Ihnen einen Vorschlag", redete er unbeirrt weiter, bückte sich an das unterste Regalbrett und stellte das Buch an seinen Platz. "Wir verlieren kein Wort mehr darüber was Sie gesehen haben und Sie verraten mir stattdessen was Ihnen solche Schmerzen bereitet." Als er sich aufrichtete, überragte er Evangeline mindestens um eineinhalb Köpfe. Sie war noch nie eine Frau gewesen, die sonderlich groß war und doch fiel ihr in diesem Moment auf, wie klein sie wirklich war.

"Wie kommen Sie auf den Gedanken, dass ich Schmerzen haben könnte?" verbissen versuchte sie das Zittern in ihrer dünnen Stimme zu verbergen, als sie zu ihm aufsah und in das undurchdringliche Blau blickte.
"Weil Sie trotz dessen, dass sie eben so rot wie eine überreife Tomate angelaufen sind, immer noch etwas blass um die Nase wirken und verkrampft Ihren Mund zusammenpressen", antwortete er schief grinsend und ein zweites Mal schnappte Evangeline erschrocken nach Luft. Sie war niemand, die irgendeinen Wert auf die Etikette der Großstädte legte, aber dass dieser Mann sie so vor den Kopf stieß, brachte sie beinahe zur Weißglut. Rebecca hatte Recht. Er war schrecklich.

Sein Grinsen verstärkte sich und ließ kleine Lachfältchen neben seinen Augen aufblitzen. Sie musste ihn an einem besonders guten Tag erwischt haben. Noch nie hatte sie ihn lächeln gesehen. Die letzten Tage war er lediglich hin und wieder in ihrem Krankenzimmer aufgetaucht, hatte ein paar Worte vor sich hingemurmelt während er ihr Bein und die Kopfwunde untersucht hatte und war dann gleich wieder verschwunden. Evangeline musste leider gestehen, dass ihr das neue Verhalten des Arztes mehr als nur ein wenig gefiel.

"Also?" seine Augen lagen dabei unentwegt auf ihr.

"Mein Bein. Ich habe das Gefühl, dass es immer schlimmer wird." Fast hätte sie sich mit der Hand gegen den Mund geschlagen. Sie vermied es so gut es ging, dass er ihre nackten Beine zu Gesicht bekam und nun sprudelte das Geständins wie warmer Honig aus ihrer Seele so als würde sie nur darauf warten, dass er sie berührte. Bei dem Gedanken wurde ihr wieder so warm, dass sich rote Flecken auf ihrem Hals und in ihrem Gesicht bildeten.

"Ich bin Arzt, Miss Eastbrook. Es muss Ihnen nicht peinlich sein, wenn Sie mir gestehen, dass Sie krank sind", warf er mit ernster Miene ein und sie hoffte, dass er bei dieser Vermutung blieb und nicht weiter darüber nachdenken würde, weshalb sie rot geworden war.

"Ich war eigentlich gerade dabei, mir Ihre Sammlung anzusehen, als sie mich dabei gestört haben", lenkte Evangeline von dem Gesprächsthema ab und widmete sich dem Medizinregal neben ihnen zu. "Haben Sie es nach einer bestimmten Ordnung sortiert?"

"Bisher noch nicht. Ich denke da fehlt mir ein wenig das Organisationstalent meiner Schwester." Er verschränkte seine Arme vor der Brust, als seine Augen hell aufblitzten. "Ich habe Sie also so unsittlich unterbrochen, als Sie gerade dabei waren, mein Eigentum zu durchsuchen. Das tut mir natürlich unsagbar leid."

"Ich verzeihe Ihnen...", antwortete sie gedankenverloren und nahm ein Fläschchen nach dem anderen in ihre Hand. Bei dem Fläschchen mit dunkelbraunem Pasteartigem Inhalt hielt sie inne, öffnete den Schraubverschluss und roch daran.

Perubalsam. Es roch genauso himmlisch wie Evangeline es in Erinnerung hatte. Sie dachte an ihren Vater und an die vielen Stunden, die sie zwischen den Regalen seiner Apotheke verbracht hatte. Es war nicht wirklich etwas woran sie sich erinnerte, aber es schien ihr als wäre es das selbstverständlichste der Welt. Wie das Sprechen oder essen, was sie nach dem Unfall ja auch nicht verlernt hatte.

"Was riechen Sie? Vanille oder Schokolade?", fragte sie ungeniert und hielt dem Arzt das Fläschchen hin.

Er lachte für einen Moment auf. "Ich hatte schon Patienten, die Zimt gerochen haben. Aber ich persönlich gehöre zu denjenigen, die definitiv Vanille herausriechen. Und Sie?"

"Beides. Sowohl Vanille als auch Schokolade." Sie stimmte leise in sein Lachen ein und stellte das Fläschchen zurück.

"Woher kennen Sie sich mit den Arzneimitteln aus?" Seine Frage ließ Evangelines Herz höher schlagen. Sie konnte ihm nicht die Wahrheit sagen. Ephra Murphy war ein intelligenter Mann. Wenn sie ihm gestand, dass sie vieles von ihrem Vater gelernt hatte, konnte er schnell zusammenzählen, dass ein Unternehmer wie Mr. Eastbrook es war, keine Kenntnis über die Aufgaben eines Apothekers haben konnte. Und Evangeline war nicht bereit dazu, erklären zu müssen, wieso sie gelogen hatte, wenn sie immer noch nicht wusste, wovon sie eigentlich davonlief.

"Ich kenne mich nicht wirklich aus. Aber mein Onkel ist Apotheker gewesen und ich habe viel Zeit meiner Kindheit bei ihm verbracht." Mit klammen Fingerspitzen tastete sie über das Regalbrett und folgte mit den Augen ihrer Bewegung. Sie konnte ihn nicht ansehen. Nicht, wenn sich der Lügenberg in ihr immer weiter anhäufte. Lügen über Lügen. Sie verabscheute diese Eigenschaft so sehr und war nun selbst diejenige, die aus diesem Kreis nicht mehr ausbrechen konnte.

"Lassen sie mich nocheinmal ihr Bein untersuchen. Es ist niemandem damit geholfen, wenn sich die Wunde entzündet und ich gezwungen bin, das Bein zu amputieren. Ich würde mir dafür übrigens das alte Beil von Patrick Jonas leihen. Damit sollte die ganze Prozedur so schnell wie möglich durch sein."

"Versuchen Sie gerade mir genügend Angst einzujagen, dass ich alle Ihre Fragen mit einem Ja beantworte?" Skeptisch zog Evangeline eine Augenbraue nach oben und sah in seine blaue Augen. "Funktioniert es denn?"

"Ja", presste sie knapp hervor. "Es funktioniert besser als Sie ahnen."

"Dann bin ich aber froh. Ich hätte sonst nicht mehr gewusst, wie ich Sie davon hätte überzeugen können." Gespielt erleichtert atmete er die angestaute Luft aus. "Wir erledigen das oben in Ihrem Krankenzimmer. Sie sollten sich sowieso schonen und eigentlich längst im Bett liegen."

"In Ordnung", stimmte Evangeline ihm zu und überbrückte den Abstand zur Treppe, bevor sie abrupt vor der ersten Stufe stehen blieb. Wenn schon die wenigen Stufen vor der Veranda schwierig waren, war die Treppe in den oberen Teil des Hauses eine Unmöglichkeit. Ehe Dr. Murphy ihre Unsicherheit auffallen konnte, setzte sie den ersten Fuß auf die Stufe und unterdrückte ein lautes Zischen.

Er räusperte sich dicht hinter ihr. "Wenn Sie möchten, kann ich Sie bis ins Zimmer tragen."

"Nein!", rief sie so laut aus, dass es vermutlich bis auf die Straße zu hören war. "Nein", wiederholte sie leiser und drehte ihren Kopf in seine Richtung. "Das ist sehr nett von Ihnen, Dr. Murphy, aber ich werde die kurze Strecke auch alleine schaffen. Danke." Dann umfasste sie den Handlauf und hievte sich auf die erste Stufe. Nicht auszudenken was passiert wäre, wenn er sie wirklich angefasst hätte.

Mit einem Ruck nahm sie die zweite Stufe und wäre vor Schmerzen am besten aufgesprungen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht kniff sie ihre Augen zusammen.

"Sie können mich auch einfach vorlassen und ich lege mich für eine Weile in meinem Zimmer für ein Nickerchen hin. Gegen Abend sollten Sie es ganz bis nach oben geschafft haben, nehme ich doch an." Dr. Murphys Stimme triefte vor Sarkasmus und Evangeline öffnete die Augen, nur um sie dann zu verdrehen. "Sie werden sehen, ich bin schneller oben als ein Rennpferd."

Seine Antwort ließ nicht lange auf sich warten. "Nun, wenn Sie sich dann schon einmal mit einem Pferd vergleichen; Ich bin mir sicher dass der es erst recht nicht bis nach oben geschafft hätte."

"Sie müssen aber auch wirklich immer das letzte Wort haben", rutschte etwas bissiger als beabsichtigt aus Evangelines Mund, als sie die nächste Stufe in Angriff nahm.

"Das ist nicht wahr. Ich diskutiere bloß gerne. Es ist nicht meine Schuld, wenn meinen Gesprächspartnern zuerst nichts mehr einfällt."

Evangeline musste zugeben, dass Rebecca wirklich nicht übertrieben hatte, als sie von ihrem Bruder gesprochen hatte. Und je mehr Zeit sie mit dem Arzt verbrachte, umso mehr lernte sie genau die Eigenschaften kennen, die seine Schwester- weiter kam sie nicht. Evangeline geriet unerwartet ins wanken, als sie versehentlich auf den Saum ihres Kleides getreten war. Ein spitzer Schrei entfloh ihrem Mund. Dann verlor sie das Gleichgewicht und spürte zwei schützende Hände um ihre Taille.

"Jetzt reichts." Die Leichtigkeit war vollständig aus Dr. Murphys Stimme gewichen. "Sie bringen sich hier noch irgendwann um und dass würde ich gerne in meiner Praxis vermeiden. Nur unnötiger Papierkram, um den ich mich dann zusätzlich kümmern muss." Mit einer schnellen Bewegung drehte er Evangeline um und warf sie über seine Schulter. Ihr verletztes Bein hielt er dabei so mit einem Arm fest, dass sie es sich nicht nochmal stoßen konnte.

Evangeline lief rot an, zeterte und schlug mit blanken Fäusten gegen seinen Rücken. "Sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen? Lassen Sie mich sofort runter!"

Er schnaubte nur und schien anzunehmen, dass ihr das als Antwort genügen würde. Mit wenigen Schritten erklomm er die restlichen Stufen, öffnete die Tür ihres Krankenzimmers und ließ sie auf dem Bett vorsichtig von seiner Schulter herab. Ohne ein weiteres Wort zu wechseln lief er zum  eingebauten Medizinschrank und holte eine Salbe und neue Leinentücher zum Verbinden. "Legen Sie Ihr Bein frei, Angela."

Evangeline stieß eingeschnappt die Luft aus dem Mund und folgte seiner Aufforderung widerwillig. Sie versuchte dabei zu ignorieren, dass er sie mit dem Vornamen angesprochen hatte und wie es sich wohl irgendwann einmal angehört hätte, wenn er ihren richtigen Namen benutzt hätte. Schnell schob sie diesen Gedanken beiseite. Sobald es ihr besser gehen würde, würde sie Greeneville für immer als Angela Eastbrook verlassen und niemand erfuhr von ihrer Lüge.

Dr. Murphy kam vom Regal zurück, besah sich ihr Bein mit dem ausdruckslosen Gesichtsausdruck, den sie die letzten Tage bereits bei ihm beobachtet hatte und verteilte großzügig die Salbe auf der schmerzenden Stelle, bevor er das Verband anlegte. "Sie haben für den Rest des Tages strenge Bettruhe. Wehe ich bekomme Wind davon, dass Sie dagegen verstoßen haben." Ohne sich noch einmal umzudrehen verließ er das Zimmer.

"Sie sind ein Esel, Ephra Murphy!", rief Evangeline ihm hinterher, ehe er die Tür ganz geschlossen hatte. Dann war sie allein und ließ sich erschöpft in das weiche Kopfkissen fallen.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro