30 - Neuanfang
Severus trat durch das Gartentor von Remus und Sirius' Cottage und wurde sofort von der entspannten Atmosphäre des Ortes empfangen. Das Zwitschern der Vögel und das leise Lachen von Kindern erfüllte die warme Sommerluft. Remus öffnete ihm die Tür mit einem freundlichen Lächeln.
»Severus«, sagte er. »Komm rein. Harry und Elias sind im Garten. Sirius kocht.« Severus nickte knapp und trat ein. Der Duft von frisch gebackenem Brot und Kräutern wehte aus der Küche herüber.
»Es scheint, als würde Sirius sich bemühen«, bemerkte er trocken. Remus grinste.
»Er ist immer bemüht, wenn es ums Kochen geht. Wir können, bis er fertig ist, noch auf die Terrasse gehen.«
»Sicher«, erwiderte Severus, während Remus folgte. Von dort aus hatte er einen guten Blick auf den Garten, wo Harry und Elias auf dem Rasen hockten und fasziniert die Katze der Nachbarn beobachteten. Das Tier, ein kräftiger grauer Kater mit einer buschigen Schwanzspitze, schien die Aufmerksamkeit zu genießen und ließ sich geduldig von Elias streicheln. Harry lachte, als die Katze sich plötzlich streckte und mit der Pfote spielerisch nach Elias' Hand schlug. Der Anblick war so ungewöhnlich – Harrys unbeschwerte Freude –, dass Severus einen Moment lang innehielt. Er beobachtete den Jungen, der mit einem Lächeln im Gesicht schien, als hätte er die Welt um sich herum vergessen.
»Er blüht richtig auf«, sagte Remus leise und trat neben Severus. »Es ist schön, ihn so zu sehen.« Severus nickte stumm, seine Augen immer noch auf Harry gerichtet.
»Es ist erstaunlich, wie schnell Kinder sich anpassen können. Und wie viel sie ertragen können, bevor sie schließlich Frieden finden.« Remus musterte Severus aus den Augenwinkeln, bevor er sanft fragte: »Wie war dein Tag?« Severus zog eine Augenbraue hoch und überlegte kurz, bevor er antwortete.
»Interessant. Ich war in der Winkelgasse. Ich habe ... einen Kaffee mit Elara Lynden getrunken.« Remus' Augenbrauen hoben sich überrascht, und ein wissendes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht.
»Oh, die Mentalheilerin?«
»Ja, genau die«, bestätigte Severus, ohne die Andeutung in Remus' Stimme zu beachten – oder sie zu ignorieren. »Sie wollte über den Prozess sprechen. Und über Harry. Sie meint, er macht gute Fortschritte.« Remus lehnte sich gegen den Türrahmen, sein Lächeln vertiefte sich.
»Und? War das alles, was ihr besprochen habt?« Severus schnaubte leise.
»Sie meinte auch, dass ich über eine Adoption nachdenken sollte.« Remus richtete sich leicht auf, überrascht.
»Und? Hast du?«
»Vielleicht«, antwortete Severus ehrlich, seine Stimme leise. »Es ist ein großer Schritt. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich das Richtige für ihn bin.« Remus schüttelte den Kopf, sein Blick sanft.
»Severus, du bist genau das Richtige für ihn. Und ich glaube, tief in dir weißt du das auch.« Severus schwieg, seine Augen immer noch auf Harry gerichtet, der jetzt versuchte, Elias zu erklären, wie man die Katze mit einem Grashalm zum Spielen animiert. Die Szene war so friedlich, dass es schwer war, an die Schatten der Vergangenheit zu denken.
»Und was ist mit Elara?«, fragte Remus plötzlich, ein schelmisches Lächeln auf den Lippen. Severus warf ihm einen strengen Blick zu.
»Was soll mit ihr sein?«
»Oh, ich weiß nicht«, erwiderte Remus beiläufig, seine Augen funkelten vor Belustigung. »Vielleicht, dass sie dir gefällt?« Severus öffnete den Mund, um zu widersprechen, schloss ihn dann aber wieder. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, Remus zu täuschen.
»Es gibt ... eine Verbindung«, gab er schließlich zu. »Aber das ist irrelevant.«
»Ist es das?«, fragte Remus, seine Stimme ernst geworden. »Severus, du verdienst es, auch jemanden an deiner Seite zu haben. Jemanden, der dir genauso viel gibt, wie du gibst.« Severus schwieg, seine Gedanken wirbelten.
»Im Moment ist Harry meine Priorität.« Remus nickte, seine Stimme wurde sanft.
»Das ist er. Aber du solltest dir selbst erlauben, auch an dich zu denken. Harry würde sich sicher nichts mehr wünschen, als dass du glücklich bist.« Severus antwortete nicht, doch ein flüchtiges, nachdenkliches Lächeln glitt über sein Gesicht, bevor er seinen Blick wieder auf Harry richtete.
»Ich werde darüber nachdenken«, sagte er schließlich. Remus nickte zufrieden, und die beiden Männer genossen einen Moment der Stille, während sie zusahen, wie Harry und Elias über den Rasen tobten.
Sirius trat in den Türrahmen, eine Schürze umgebunden und einen Holzlöffel in der Hand.
»Das Essen ist fertig«, verkündete er mit einem breiten Grinsen. »Severus, du und Harry seid natürlich eingeladen. Keine Widerrede.« Severus hob eine Augenbraue und sah ihn an.
»Ich hatte nicht vor, zu widersprechen. Aber ich hoffe, deine Kochkünste sind inzwischen ausgereifter.«
»Hey«, entgegnete Sirius gespielt beleidigt. »Ich kann mittlerweile mehr als Bohnen auf Toast.« Remus lachte leise, und Severus schüttelte nur den Kopf, doch ein schwaches Lächeln spielte um seine Lippen. Er stand auf, strich seinen Umhang glatt und warf einen Blick zurück in den Garten, wo Harry und Elias nun zum Haus liefen. Der Anblick des Jungen, der ihn entdeckt hatte und ein breites Lächeln aufsetzte, löste etwas in ihm aus – ein warmes, unerwartetes Gefühl. Ohne darüber nachzudenken, sprach er, seine Stimme ruhig, aber bestimmt: »Ich werde ihn adoptieren.«
Sirius und Remus erstarrten, ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. Für einen Moment herrschte absolute Stille. Bevor jedoch einer von ihnen etwas sagen konnte, stürmten Harry und Elias herein, ihre Gesichter gerötet vom Spielen.
»Severus!«, rief Harry und kam zu ihm, ohne die Spannung im Raum zu bemerken. »Elias hat mir den Garten gezeigt, und die Katze der Nachbarn hat uns fast die ganze Zeit verfolgt. Sie ist so zutraulich, aber ich glaube, sie mag Elias mehr als mich.« Severus lächelte schwach und legte eine Hand auf Harrys Schulter.
»Das klingt nach einem produktiven Nachmittag.«
»Ja, war es!« Harrys Augen leuchteten, aber seine Stimme war nicht übermäßig kindlich, sondern trug eine jugendliche Begeisterung, die von seiner neu gewonnenen Freiheit zeugte. »Elias wollte mir zeigen, wie man Papierschiffe macht«, erzählte Harry mit einem kleinen Lächeln. »Aber ich hab ihm gesagt, dass ich das bestimmt nicht kann, weil ich zwei linke Hände habe. Da hat er gemeint, das ist nicht schlimm, ich muss nur mithelfen.«
»Das klingt vernünftig«, sagte Severus ruhig. »Vielleicht solltest du es nächstes Mal einfach probieren.« Harry zuckte mit den Schultern und grinste.
»Vielleicht. Er war echt hartnäckig.« Dann wandte er sich an Remus und Sirius.
»Danke, dass ich hier sein durfte. Es hat echt Spaß gemacht.« Remus hatte sich inzwischen gefasst und lächelte Harry an, während er ihm eine Hand auf die Schulter legte.
»Es war uns eine Freude, dich hierzuhaben. Ihr werdet noch mit uns essen. Jetzt solltet ihr euch aber Hände waschen, bevor wir essen. Du auch junger Mann«, sagte er mit Blick auf Elias. Harry nickte und drehte sich zu Severus.
»Ich bin gleich zurück.« Er verschwand in Richtung des Badezimmers, Elias dicht hinter ihm. Sirius wartete, bis die beiden Kinder außer Hörweite waren, dann wandte er sich an Severus, sein Gesicht voller Neugier und Ernsthaftigkeit.
»Du wirst ihn wirklich adoptieren?« Severus nickte knapp, seine Augen immer noch auf die Tür gerichtet, durch die Harry verschwunden war.
»Ja. Es ist der nächste logische Schritt. Und ... ich glaube, es ist das, was er braucht. Ein Neuanfang.« Remus' Gesicht zeigte eine Mischung aus Überraschung und Erleichterung.
»Das ist eine wunderbare Entscheidung, Severus. Wirklich.« Sirius grinste plötzlich breit.
»Du weißt, dass das bedeutet, dass wir offiziell als seine Onkel auftreten können, oder?« Severus warf ihm einen trockenen Blick zu.
»Einer von euch wird ihm hoffentlich ein besseres Vorbild sein als der andere.« Remus lachte leise, während Sirius theatralisch die Hände hob.
»Ich bin ein ausgezeichnetes Vorbild!« Bevor die Diskussion eskalieren konnte, kehrten Harry und Elias zurück. Harry trat sofort zu Severus und warf ihm einen neugierigen Blick zu.
»Was habt ihr geredet?«
»Nichts von Bedeutung«, erwiderte Severus ruhig. »Nur über das Essen. Es scheint, als hätte Sirius diesmal etwas halbwegs Genießbares zustande gebracht.«
»Hey!«, protestierte Sirius, doch Harry lachte leise und setzte sich an den Tisch, neben Severus. Während das Essen aufgetragen wurde und die Gespräche leichter wurden, konnte Severus nicht anders, als immer wieder zu Harry zu schauen. Der Junge wirkte entspannt, vielleicht sogar glücklich. Und in diesen Momenten wusste Severus, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte – für Harry und auch für sich selbst.
In der stillen Dunkelheit von Spinner's End saßen Severus und Harry nach dem ereignisreichen Tag im Wohnzimmer. Harry wirkte nachdenklich, fast zögerlich, als er plötzlich aufsah.
»Ich glaube, ich könnte heute allein schlafen«, sagte er leise, seine Stimme voller Unsicherheit, aber auch Entschlossenheit. Severus hob eine Augenbraue und betrachtete den Jungen aufmerksam.
»Bist du sicher? Es ist keine Schande, wenn du dich anders entscheidest.« Harry nickte langsam.
»Ich will es versuchen. Ich denke, ich bin bereit.« Severus legte das Buch, das er gerade gelesen hatte, zur Seite und stand auf.
»In Ordnung. Lass uns dich ins Bett bringen.« Sie gingen gemeinsam die Treppe hinauf, und Harry schlüpfte in sein neues, gemütliches Zimmer. Das weiche Licht der Nachttischlampe tauchte den Raum in ein warmes Leuchten, und Harry setzte sich auf das Bett, während Severus an der Tür stehen blieb und ihn betrachtete. Es war ein Moment des Stolzes und auch der Melancholie – Harry machte Fortschritte, aber Severus wusste, dass dieser Schritt für den Jungen nicht leicht war.
»Möchtest du, dass ich dir noch etwas vorlese?«, fragte Severus, seine Stimme ruhig. Harry schüttelte den Kopf.
»Nein, das ist okay. Ich glaube, ich bin müde genug, um gleich einzuschlafen.« Severus trat näher, setzte sich auf die Bettkante und musterte Harry mit einer Mischung aus Zuneigung und Ernsthaftigkeit.
»Es gibt etwas, das ich mit dir besprechen möchte, bevor du einschläfst.« Harry runzelte die Stirn, seine Augen wurden ein wenig größer.
»Was ist es? Habe ich etwas falsch gemacht?«
»Nein«, sagte Severus schnell, sein Ton sanfter. »Nichts dergleichen. Ich habe nur über etwas nachgedacht, das ich dir sagen möchte.« Harry legte den Kopf schief, Neugier und leichte Sorge in seinen Zügen. Severus sammelte seine Gedanken, atmete tief ein und sprach dann langsam.
»Ich habe in letzter Zeit viel über uns nachgedacht. Über dich, über deine Zukunft ... und über meine Rolle in deinem Leben.« Harry sagte nichts, er starrte Severus nur an, seine Hände fest um die Decke gewickelt.
»Ich habe eine Entscheidung getroffen«, fuhr Severus fort, seine Stimme fest, aber warm. »Ich möchte dich adoptieren. Wenn du das möchtest.« Harrys Augen wurden riesig, sein Mund öffnete sich leicht, doch kein Laut kam heraus. Tränen schimmerten in seinen Augen, und für einen Moment sah er aus, als hätte er nicht verstanden, was Severus gerade gesagt hatte.
»Ich ... du ... wirklich?« ,flüsterte er schließlich, seine Stimme zitternd vor Unglauben.
»Ja, wirklich«, bestätigte Severus, seine Augen weich, als er Harry ansah. »Du bist schon jetzt ein Teil meines Lebens, Harry. Ich möchte, dass du weißt, dass das nicht nur vorübergehend ist. Ich möchte, dass du ein Zuhause hast, das wirklich dir gehört. Eine Familie.« Die Tränen, die er zurückgehalten hatte, flossen nun frei über Harrys Gesicht, und er schluchzte leise.
»Ich ... ich hätte nie gedacht, dass jemand das für mich tun würde.« Severus zögerte einen Moment, bevor er Harry in die Arme zog. Er hielt ihn fest, seine Hand leicht auf Harrys Rücken ruhend, während der Junge seinen Kopf an Severus' Brust vergrub.
»Du verdienst das. Und ich werde alles tun, um sicherzustellen, dass du das niemals wieder vergisst.« Harry zog sich ein wenig zurück, seine Augen immer noch feucht, aber ein kleines, glückliches Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen.
»Wenn ... wenn du mich adoptierst, darf ich dann Snape heißen?« Severus war für einen Moment sprachlos, dann lächelte er schwach.
»Das wäre wohl die natürliche Konsequenz, ja.« Harrys Lächeln wurde breiter, trotz der Tränen, die immer noch über seine Wangen liefen.
»Das wäre ... das wäre toll.«
»Dann ist es beschlossen«, sagte Severus, seine Stimme leise, aber voller Überzeugung. »Du wirst Harry Snape sein.« Harry nickte, bevor er sich wieder an Severus schmiegte.
»Danke«, flüsterte er, seine Stimme kaum hörbar. Severus hielt ihn noch eine Weile, bis Harrys Atem ruhiger wurde und er schließlich in seinen Armen einschlief. Behutsam legte Severus den Jungen zurück ins Bett, zog die Decke über ihn und blieb noch einen Moment sitzen, um sicherzugehen, dass Harry wirklich friedlich schlief. Als er schließlich das Licht ausmachte und den Raum verließ, spürte Severus eine Wärme in seiner Brust, die er seit Jahren nicht mehr empfunden hatte. Zum ersten Mal glaubte er, dass er wirklich etwas Gutes in seinem Leben tun konnte – und dass er vielleicht sogar dazu bestimmt war, ein Vater zu sein.
Der nächste Morgen begann ruhig. Die Sonne strahlte warm durch die kleinen Fenster der Küche, während Severus den Tisch deckte. Harry schlenderte in den Raum, rieb sich den Schlaf aus den Augen und setzte sich an den Tisch. Auf diesem lag ein Brief mit dem vertrauten Hogwarts-Siegel. Harrys Augen weiteten sich, als er ihn sah.
»Ist das ...?«, fragte er zögerlich. Severus nickte, setzte sich ihm gegenüber und schenkte ihm eine Tasse Tee ein.
»Dein Hogwarts-Brief. Sieh nach, ob alles in Ordnung ist.« Harry griff vorsichtig nach dem Umschlag, als wäre er ein wertvoller Schatz. Er öffnete ihn langsam und zog das Pergament heraus. Während er las, wurde sein Gesichtsausdruck weicher, ein Hauch von Erleichterung trat in seine Züge.
»Ich ... ich dachte, ich müsste wieder nach Durmstrang«, sagte er schließlich leise. »Ich hatte Angst, dass es nicht anders geht.« Severus betrachtete ihn aufmerksam.
»Das wird nicht passieren. Ich habe bereits entschieden, dass du zurück nach Hogwarts gehst. Als dein Vormund – und vielleicht bald als dein Vater – habe ich das festgelegt.« Harrys Hände umklammerten den Brief, und seine Augen füllten sich mit Dankbarkeit.
»Danke. Ich weiß nicht, wie ich dir jemals danken soll.«
»Du bist nicht verpflichtet, mir zu danken«, erwiderte Severus ruhig, ein Hauch von Wärme in seiner Stimme. »Ich tue, was richtig für dich ist. Und jetzt sollten wir uns überlegen, wann wir deine Schulsachen besorgen. Die Winkelgasse wäre heute eine gute Idee.« Harrys Gesicht leuchtete auf.
»Wirklich? Heute schon?« Severus nickte und nahm einen Schluck Tee.
»Ja. Es gibt keinen Grund, länger zu warten.« Sie frühstückten in Ruhe, Harry plauderte aufgeregt über die Dinge, die er brauchte – neue Bücher, Zaubertrankzutaten und vielleicht ein paar Federn. Severus hörte ihm aufmerksam zu, während er im Stillen eine mentale Liste erstellte. Gerade als sie fertig waren, klopfte es an das Fenster. Eine stattliche Eule saß draußen, ein Brief in den Krallen. Severus stand auf, öffnete das Fenster und nahm das Schreiben entgegen. Das Tier wartete geduldig, bis Severus ihr einen kleinen Keks reichte, bevor sie davonflog.
»Wer schreibt?«, fragte Harry neugierig. Severus öffnete den Brief und überflog den Inhalt. Seine Augenbrauen zogen sich leicht zusammen, und er setzte sich langsam wieder.
»Es ist von Gideon Flint. Der Anwalt deines Vaters.« Harrys Gesicht wurde ernst.
»Was steht drin?« Severus faltete das Pergament auseinander und las laut vor: »'Im Namen meines Mandanten, James Potter, informiere ich Sie hiermit über die Übertragung des gesamten Potter-Vermögens auf Sie, Severus Snape, als Vormund und Vertreter von Harry Potter.'« Harrys Augen weiteten sich.
»Er überschreibt dir das ganze Geld?« Severus legte den Brief auf den Tisch und schwieg einen Moment. Der Gedanke, das Vermögen anzunehmen, widerstrebte ihm zunächst. Doch dann sah er Harry an – den Jungen, der so viel durchgemacht hatte, der nun eine Chance auf ein neues Leben hatte. Vielleicht war es das Beste, das Geld anzunehmen und es verantwortungsvoll zu verwalten.
»Ich werde es annehmen«, sagte Severus schließlich, seine Stimme ruhig. »Aber nur unter einer Bedingung.« Harry blickte ihn neugierig an.
»Welche Bedingung?«
»Wir werden einen Teil des Geldes im Verlies lassen«, erklärte Severus. »Für den Fall, dass dein Vater eines Tages freikommt. Er sollte zumindest die Möglichkeit haben, neu zu beginnen.« Harry war für einen Moment still, dann nickte er langsam.
»Das finde ich gut. Jeder verdient eine zweite Chance. Vielleicht kann er sich ändern.« Severus betrachtete ihn mit einem leichten Lächeln.
»Du hast ein gutes Herz, Harry. Und das wird dir im Leben helfen.« Harry lächelte zurück, und für einen Moment herrschte Stille in der kleinen Küche. Dann stand Severus auf.
»Wir sollten uns fertigmachen. Die Winkelgasse wartet.« Harry nickte begeistert und verschwand, um sich vorzubereiten. Während Severus den Tisch abräumte, hielt er inne, den Brief von Flint noch einmal betrachtend. Es war ein seltsamer Gedanke, das Potter-Vermögen zu verwalten, aber vielleicht war es ein weiterer Schritt in Richtung des Lebens, das er und Harry sich langsam aufbauten – ein Leben, das besser und heller war als alles, was sie zuvor gekannt hatten.
Die Winkelgasse war ein voll, als Severus und Harry durch das Tor des Tropfenden Kessels traten. Die Straßen waren gesäumt von Zauberern und Hexen, die mit ihren Kindern ihre Einkäufe für das neue Schuljahr erledigten. Harry sah sich mit großen Augen um. Es war eine Mischung aus Vertrautheit und Neuheit – er war schon hin und wieder hier gewesen, doch niemals in Begleitung von jemandem, der sich wirklich um ihn kümmerte. Severus hielt sich dicht neben Harry, einen Blick wachsam über die Menge gleitend.
»Wir beginnen mit deinen Büchern«, sagte er ruhig. »Flourish & Blotts ist nicht weit.« Harry nickte und folgte ihm, versuchte aber gleichzeitig, all die Eindrücke aufzusaugen. Es fühlte sich seltsam an, Dinge für sich selbst auszusuchen, ohne ständig zu überlegen, ob es zu teuer war oder ob James es als Verschwendung abgetan hätte. Doch bevor sie den Buchladen erreichten, hörte Harry eine vertraute Stimme.
»Harry!« Draco tauchte mit einem breiten Grinsen vor ihnen auf, gefolgt von seinen Eltern. Lucius und Narzissa nickten Severus respektvoll zu, während Draco sich direkt zu Harry drehte.
»Das ist ja toll, dass ihr auch hier seid.« Harry zuckte mit den Schultern und warf Severus einen kurzen Blick zu.
»Wir wollten alles heute erledigen. Hast du schon alles?«
»Fast«, sagte Draco und hielt eine Tüte hoch. »Eulenfutter für unsere neue Eule fehlt noch und ein paar Zaubertrankzutaten.« Lucius betrachtete Harry mit einem milden Ausdruck.
»Du siehst gut aus, Harry«, sagte er. »Ich hoffe, du gewöhnst dich an dein neues Zuhause.« Harry nickte zögerlich.
»Ja. Es ist ... es ist wirklich schön.« Narzissa schenkte ihm ein warmes Lächeln.
»Ich freue mich, dass du bei Severus bist. Du hast jemanden an deiner Seite, der wirklich für dich da ist.« Harry fühlte sich ein wenig überfordert, wusste aber, dass sie es ernst meinten. Draco hingegen schien nichts von der Spannung zu bemerken.
»Hast du schon eine neue Feder? Die haben bei Scribbulus dieses Jahr diese schicken neuen mit den selbstnachfüllenden Tintenpatronen. Die will ich unbedingt!«
»Noch nicht«, gab Harry zu. »Wir gehen zuerst Bücher kaufen.« Draco lachte.
»Dann sehen wir uns später. Ich zeig dir die Federn.« Harry verabschiedete sich, und sie setzten ihren Weg zu Flourish & Blotts fort. Drinnen war der Laden vollgestopft mit Schülern, die Listen in den Händen hielten, und Eltern, die über Preise und Anforderungen debattierten. Severus führte Harry durch die Reihen, bis sie die benötigten Schulbücher gefunden hatten.
»Möchtest du dir noch etwas anderes ansehen?«, fragte Severus, als sie an einer Reihe Bücher vorbeikamen, die sich mit Themen wie Drachenpflege und Quidditch befassten. Harry zögerte.
»Darf ich?« Severus hob eine Augenbraue.
»Natürlich. Such dir aus, was dich interessiert.« Es fühlte sich ungewohnt an, dass jemand Harry so viel Freiheit ließ. Nach kurzem Zögern nahm er ein Buch über Quidditch und ein weiteres über magische Kreaturen. Er hielt sie fast schüchtern in der Hand, als sie zur Kasse gingen.
»Das war's?«, fragte Severus, und Harry nickte. Doch als sie an einem Regal vorbeikamen, das Zaubertrankbücher zeigte, griff Severus ein zusätzliches Buch heraus.
»Das hier könnte dir gefallen. Es enthält erweiterte Rezepte für Zaubertränke, die im zweiten Jahr behandelt werden.« Harry nahm es, seine Augen leuchteten.
»Danke.« Nachdem die Bücher gekauft waren, führte Severus Harry weiter zur Apotheke, wo sie Zutaten für den Zaubertrankunterricht besorgten. Die Liste war lang, aber Severus hatte Erfahrung darin, effizient einzukaufen. Während sie warteten, bemerkte Harry eine Familie, die ihn mit gemischten Ausdrücken ansah – die Mutter besorgt, der Vater neugierig, und die Kinder flüsterten aufgeregt.
»Ist das ...?«, begann der jüngere Junge, doch die Mutter unterbrach ihn schnell. »Das ist unhöflich, Daniel.« Harry senkte den Kopf, aber Severus bemerkte die Szene und legte eine Hand auf seine Schulter.
»Ignoriere sie«, sagte er leise. »Die Leute reden immer, aber das hat nichts mit dir zu tun.« Harry nickte, obwohl es ihn dennoch traf. Die Familie zog weiter, und Severus sorgte dafür, dass der Rest der Einkäufe zügig erledigt wurde. Danach gingen sie zu Scribbulus, wo Draco ihnen wie versprochen die neuen Federn zeigte. Harry wählte eine schlichte Feder, aber Severus bemerkte, wie sein Blick auf eine elegante Feder mit einer glänzenden Spitze haftete.
»Diese hier?«, fragte Severus und hielt die Feder hoch.
»Sie ist schön, aber sie ist bestimmt teuer«, sagte Harry schnell.
»Das ist nicht dein Problem«, sagte Severus ruhig und fügte die Feder zu den Einkäufen hinzu, ohne eine weitere Diskussion zuzulassen. Als sie schließlich zu Ollivanders gingen, um Harrys Zauberstab überprüfen zu lassen, bemerkte Harry erneut, wie anders sich dieser Tag anfühlte. Mr. Ollivander war wie immer eigenartig, aber freundlich, und nachdem der Zauberstab als in perfektem Zustand bestätigt wurde, traten sie hinaus.
»Wir sollten noch eine Eule kaufen«, sagte Severus, und Harrys Augen weiteten sich.
»Echt?«
»Du wirst sie ohnehin irgendwann brauchen«, erklärte Severus sachlich. »Außerdem sollte es dir Freude machen, jemanden zu haben, der zu dir gehört.« Harry konnte es kaum glauben, als sie die »Magische Menagerie« betraten und eine schöne, schneeweiße Schleiereule auswählten.
»Wie möchtest du sie nennen?«, fragte Severus, während sie die Eule in einen Käfig setzten.
»Ich weiß noch nicht«, gab Harry zu, aber sein Lächeln zeigte, wie glücklich er war. Auf dem Rückweg durch die Gasse begegneten sie weiteren Bekannten – darunter Ron und Ginny Weasley mit Molly, die sich kurz mit Severus austauschte und Harry einen aufmunternden Blick schenkte. Auch Blaise und Theodore Nott hielten kurz an, um Harry zu begrüßen. Es war ein Tag voller Überraschungen und Begegnungen, und als sie schließlich zurück nach Spinner's End apparierten, war Harry erschöpft, aber glücklich.
»Das war ... der beste Tag«, sagte er leise, als er die Einkäufe in die Küche trug. Severus sah ihn an, eine Spur von Stolz in seinen Augen.
»Und das war erst der Anfang.«
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