23 - Erste Sitzung
Die Nacht war still, und das weiche Licht des Mondes fiel durch das Fenster des Krankenzimmers im St. Mungo's. Severus lag im Bett neben Harrys, seine Hände über der Brust verschränkt, und sein Atem war gleichmäßig und ruhig. Der Tag war lang gewesen, und obwohl er die meiste Zeit an Harrys Seite verbracht hatte, hatten ihn die Gedanken an die bevorstehenden Herausforderungen bis spät in die Nacht wachgehalten. Nun hatte die Erschöpfung ihn endlich überwältigt. Plötzlich riss ihn ein leises, gequältes Stöhnen aus dem Schlaf. Severus öffnete die Augen, sein Körper sofort angespannt. Einen Moment lang lag er still und lauschte, bevor das Geräusch wieder erklang – diesmal lauter, ein ersticktes Keuchen, gefolgt von einem weiteren, schwachen Stöhnen. Severus war sofort auf den Beinen. Er drehte sich zu Harrys Bett um und sah den Jungen unruhig liegen. Dessen Hände krallten sich in die Decke, seine Stirn war von Schweiß bedeckt, und sein Gesicht war verzerrt vor Angst.
»Harry«, rief Severus leise, doch bestimmt, als er sich zu ihm setzte. Er legte eine Hand auf Harrys Schulter, die sich unter seiner Berührung anspannte.
»Harry, wach auf«, sagte Severus, seine Stimme ruhiger, aber drängender. Der Junge reagierte nicht, wand sich nur weiter, ein erstickter Laut entkam seinen Lippen.
»Nein ... nicht ... bitte ...«, die Worte waren kaum mehr als ein Flüstern, doch sie brachten Severus' Herz zum Stillstand.
»Harry, hör mich«, drängte er, seine Hände fester auf Harrys Schultern, doch ohne Härte. »Du bist in Sicherheit. Es ist nur ein Traum. Wach auf.« Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Harrys Augen aufschlugen. Sie waren rot und verweint, seine Atmung hektisch, während er sich umblickte, als suche er nach einem Ausweg aus einem unsichtbaren Albtraum.
»Harry«, sagte Severus sanft, aber eindringlich. »Du bist wach. Du bist in Sicherheit. Ich bin hier.« Harrys Augen fanden schließlich Severus', doch es war keine Erleichterung in ihnen. Tränen liefen ihm über die Wangen, und sein Körper begann unkontrolliert zu zittern.
»Es ... es tat so weh«, schluchzte er schließlich, seine Stimme erstickt vor Angst und Schmerz. Severus zog den Stuhl näher heran und griff vorsichtig nach Harrys Händen, die immer noch zitterten.
»Was hat wehgetan, Harry? Kannst du dich erinnern, was du geträumt hast?« Harry schüttelte heftig den Kopf, die Tränen flossen ungehindert.
»Ich weiß es nicht«, stammelte er. »Es war ... Schmerz. Überall. Ich konnte mich nicht bewegen. Es war so schrecklich ...« Severus fühlte, wie sich sein Magen zusammenzog. Er hielt Harrys Hände fest, als wollte er ihn damit vor einer unsichtbaren Gefahr schützen.
»Es war nur ein Traum«, sagte er ruhig, auch wenn die Worte ihm selbst hohl vorkamen. »Es kann dir nichts passieren. Nicht mehr.« Doch tief in seinem Inneren wusste Severus, dass es mehr war als nur ein Traum. Es war ein Fragment einer Erinnerung, ein Schatten aus Harrys Vergangenheit, der sich durch die Barriere der Gedächtnismanipulation geschlichen hatte. Harrys Schluchzen wurde leiser, doch er klammerte sich an Severus, als wäre er der einzige Anker in einem tobenden Sturm.
»Warum tut es so weh, wenn es nur ein Traum war?«, fragte er schließlich, seine Stimme war kaum hörbar. Severus schloss für einen Moment die Augen und atmete tief ein. Als er sie wieder öffnete, strich er Harry vorsichtig über das Haar.
»Manchmal speichert unser Verstand Dinge, die wir nicht verstehen können. Erinnerungen, Gefühle ... Sie können zurückkommen, auch wenn wir sie vergessen wollten.« Harry sah ihn mit großen, tränenverschmierten Augen an, sein Atem noch immer unregelmäßig.
»War es ... echt?«, flüsterte er. Severus zögerte, bevor er antwortete.
»Ich weiß es nicht, Harry. Aber wenn es das war, verspreche ich dir, dass wir uns dem stellen – gemeinsam.« Harry nickte schwach, doch seine Verzweiflung war spürbar.
»Ich will das nicht nochmal fühlen. Bitte ... ich will das nicht.« Severus' Kehle zog sich zusammen, als er den Jungen ansah. Die Worte der Mentalheilerin hallten in seinem Kopf wider. Diese Erinnerungen blockiert zu lassen, wird ihn zerstören. Vielleicht hatte sie recht. Vielleicht war es besser, Harry zu helfen, sich diesen Erinnerungen zu stellen, anstatt sie weiterhin in den Schatten seines Geistes lauern zu lassen. Severus zog Harry vorsichtig in seine Arme, hielt ihn fest, während der Junge leise weinte.
»Ich bin hier, Harry«, flüsterte er. »Und ich werde alles tun, um dich zu beschützen. Das verspreche ich dir.« Harry klammerte sich an ihn, seine kleinen Hände vergruben sich in Severus' Robe. Nach einer Weile wurde sein Atem ruhiger, und seine Tränen versiegten. Doch Severus blieb wach, seine Gedanken schwirrten um die Entscheidung, die vor ihnen lag – und um die Herausforderung, Harry den Frieden zu geben, den er so sehr verdiente.
Der Morgen im St. Mungo's begann ruhig. Das Licht der Sonne fiel durch die Fenster und tauchte das Krankenzimmer in ein warmes Leuchten. Harry war bereits wach, lag jedoch noch still im Bett, während Severus an einem kleinen Tisch in der Ecke saß und Tee trank. Als er bemerkte, dass Harry ihn beobachtete, stellte er seine Tasse ab und erhob sich.
»Guten Morgen«, sagte er ruhig. »Wie fühlst du dich heute?« Harry zuckte mit den Schultern.
»Besser, glaube ich.«
»Das ist gut«, erwiderte Severus. Er trat näher ans Bett und musterte Harry kritisch. »Die Heiler haben mir vorhin gesagt, dass du heute ein paar Schritte gehen darfst. Es wird Zeit, dass wir das ausprobieren.« Harry nickte langsam, wirkte jedoch unsicher.
»Ich weiß nicht, ob ich das schaffe«, murmelte er. Severus legte eine Hand auf die Bettkante und sah Harry mit ernster, aber sanfter Miene an.
»Das wirst du. Und ich werde dir helfen. Wir fangen langsam an, einen Schritt nach dem anderen.« Harry setzte sich vorsichtig auf, doch schon die Bewegung schien ihn zu ermüden. Severus half ihm geduldig, richtete die Kissen hinter seinem Rücken und zog die Decke zur Seite.
»Zuerst müssen wir dich anziehen«, erklärte er. Harrys Gesicht lief rot an.
»Ich ... ich kann das allein machen«, sagte er hastig.
»Bist du sicher?«, fragte Severus, seine Stimme blieb ruhig, aber bestimmend. »Du bist noch schwach. Es ist keine Schande, Hilfe anzunehmen.« Harry senkte den Blick, murmelte ein leises »Okay« und ließ Severus machen. Während dieser ihm eine Hose und ein sauberes Hemd anzog, wandte Harry den Kopf ab, seine Ohren glühten vor Verlegenheit.
»Du musst lernen, Geduld mit dir selbst zu haben«, sagte Severus, während er die Knöpfe von Harrys Hemd schloss. »Niemand erwartet, dass du alles sofort wieder allein kannst.«
»Es ist nur ... peinlich«, murmelte Harry, seine Stimme kaum hörbar.
»Ich verstehe das«, sagte Severus, und seine Stimme war ein wenig weicher. »Aber manchmal bedeutet Stärke, zu akzeptieren, dass man Hilfe braucht.« Als Harry fertig angezogen war, zog Severus einen dünnen Bademantel aus dem Schrank und half ihm, auch diesen anzulegen. Schließlich stand der Junge zum ersten Mal seit Tagen neben seinem Bett, seine Beine fühlten sich zittrig an, doch er hielt sich an Severus' Arm fest.
»Nur ein paar Schritte«, erinnerte Severus ihn. »Keine Eile. Wenn es zu viel wird, sag mir Bescheid.« Harry nickte und machte zögernd den ersten Schritt. Severus hielt ihn fest und blieb dicht an seiner Seite, während Harry langsam vorwärtsging. Seine Schritte waren unsicher, und er brauchte immer wieder kurze Pausen, doch er gab nicht auf.
»Gut gemacht«, lobte Severus, als sie den Flur erreichten. »Wir gehen noch ein Stück weiter, dann drehen wir um.« Während sie den Gang entlanggingen, warf Harry Severus einen vorsichtigen Blick zu.
»Severus?«
»Ja?«
»Was passiert heute Nachmittag?« Severus hielt inne, drehte Harry vorsichtig zu sich und sah ihn ernst an.
»Du wirst mit Elara Lynden sprechen, der Mentalheilerin. Es ist wichtig, dass du ihr vertraust und offen mit ihr redest.« Harrys Gesicht wurde blass, und er klammerte sich fester an Severus' Arm.
»Wird das ... weh tun?« Severus kniete sich vor Harry hin, damit ihre Augen auf einer Höhe waren.
»Nein. Es wird nicht körperlich wehtun. Aber es könnte schwer sein, über das zu sprechen, was passiert ist. Heilerin Lynden wird dir helfen, die Dinge zu verstehen, die in deinem Kopf durcheinander sind. Und ich werde in der Nähe sein, wenn du mich brauchst.« Harry nickte langsam, doch seine Augen zeigten deutlich seine Unsicherheit.
»Ich ... ich weiß nicht, ob ich das kann.«
»Das kannst du«, sagte Severus mit Nachdruck. »Du bist stärker, als du glaubst, Harry. Und du musst das nicht allein durchstehen. Wir alle wollen dir helfen, wieder ganz zu werden.« Harry zögerte, dann flüsterte er: »Okay.«
»Gut«, sagte Severus, während er sich wieder erhob und Harry sanft weiterführte. »Jetzt konzentrieren wir uns darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Der Rest kommt später.« Sie setzten ihren Weg fort, und obwohl Harry am Ende völlig erschöpft war, kehrte ein kleiner Funke Entschlossenheit in seine Augen zurück. Vielleicht, dachte Severus, war dies der erste Schritt auf dem Weg zur Heilung – im wahrsten Sinne des Wortes.
Am Nachmittag klopfte es leise an die Tür von Harrys Krankenzimmer. Severus, der an seinem üblichen Platz saß, erhob sich, als die Mentalheilerin Elara Lynden eintrat. Sie lächelte freundlich, trug eine dezente blaue Robe und hielt eine Ledertasche in der Hand.
»Guten Tag, Harry. Guten Tag, Professor Snape«, begrüßte sie sie mit warmer Stimme. Harry, der auf seinem Bett saß, sah sie nervös an und rückte ein wenig näher zu Severus, der beruhigend eine Hand auf die Stuhllehne legte.
»Hallo«, murmelte Harry leise. Heilerin Lynden setzte sich auf einen Stuhl neben Harrys Bett und legte ihre Tasche auf den Boden. Sie wirkte vollkommen entspannt, ihre Bewegungen ruhig und bedacht.
»Es freut mich, dich kennenzulernen, Harry. Ich bin Heilerin Lynden, aber du kannst mich gern Elara nennen.« Harry nickte vorsichtig, doch seine Hände spielten nervös mit der Bettdecke.
»Ich bin hier, um dir zu helfen«, fuhr Elara fort, ihre Stimme blieb sanft und einladend. »Und ich weiß, dass das alles sehr beängstigend sein kann. Aber ich verspreche dir, dass wir nichts tun werden, was du nicht möchtest. Es geht allein um dich.« Harry sah zu Severus hinüber, und seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
»Kann er ... kann er bleiben?« Elara lächelte und nickte.
»Natürlich. Wenn du möchtest, dass Professor Snape hierbleibt, ist das kein Problem. Es ist wichtig, dass du dich wohlfühlst.« Severus warf Harry einen kurzen, beruhigenden Blick zu, bevor er wieder Platz nahm.
»Ich bin hier«, sagte er leise. Elara richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Harry.
»Bevor wir über irgendetwas sprechen, möchte ich dir erklären, was ich mache. Es ist ein bisschen wie Magie, aber ohne Zauberstäbe. Meine Aufgabe ist es, Menschen wie dir zu helfen, die Dinge in ihrem Kopf zu verstehen, die sie traurig, ängstlich oder verwirrt machen. Manchmal verstecken sich Erinnerungen in unserem Kopf, wie Bücher in einer ganz dunklen Ecke einer Bibliothek. Und ich helfe dir, diese Bücher zu finden, wenn du bereit bist.« Harry nickte langsam, seine Augen beobachteten sie aufmerksam.
»Aber bevor wir das tun, müssen wir uns kennenlernen, findest du nicht auch?«, fragte sie, ihr Lächeln wurde etwas breiter. »Ich möchte, dass du weißt, dass ich nicht hier bin, um dich zu verurteilen. Es gibt keine richtigen oder falschen Antworten. Alles, was du sagst oder nicht sagst, ist vollkommen in Ordnung.« Elara griff vorsichtig in ihre Tasche und zog ein kleines Notizbuch und einen Stift hervor.
»Ich schreibe manchmal Dinge auf, wenn das in Ordnung für dich ist. Es hilft mir, mich an alles zu erinnern, was du mir erzählst.«
»Okay«, sagte Harry leise.
»Gut«, erwiderte Elara. »Dann lass uns ganz einfach anfangen. Wie fühlst du dich heute, Harry?« Harry zögerte, seine Hände zogen an der Bettdecke, bevor er antwortete.
»Müde.« Elara nickte verständnisvoll.
»Das ist völlig normal. Dein Körper und dein Geist haben in letzter Zeit viel durchgemacht. Müde zu sein ist ihre Art, dir zu sagen, dass sie Zeit brauchen, um zu heilen.« Sie ließ eine Pause, damit Harry das verarbeiten konnte, und sprach dann weiter.
»Ich habe gehört, dass du heute zum ersten Mal ein bisschen auf dem Flur spazieren warst. Das ist ein großer Schritt, Harry. Wie hat sich das angefühlt?« Harry sah auf seine Hände.
»Es war ... anstrengend. Aber auch gut.«
»Das klingt nach einem guten Anfang«, sagte Elara ermutigend. »Manchmal sind die kleinsten Schritte die größten Erfolge. Es zeigt, dass du stark bist.« Harrys Blick blieb gesenkt, doch ein Hauch von Erleichterung schlich sich in seine Miene. Elara lehnte sich ein wenig zurück, um ihm Raum zu geben.
»Weißt du, Harry, ich arbeite schon lange mit Kindern, die schwere Zeiten durchgemacht haben. Und ich weiß, dass es nicht leicht ist, jemandem zu vertrauen. Aber ich möchte dir helfen, so wie du möchtest, dass dir geholfen wird. Gibt es etwas, das du mich fragen möchtest?« Harry sah sie an, seine Stirn leicht gerunzelt.
»Warum ... warum muss ich mich an Dinge erinnern, die ich vergessen habe?« Elara hielt kurz inne, ihre Haltung blieb ruhig, doch ihre Augen strahlten Verständnis aus.
»Das ist eine sehr gute Frage, Harry. Manchmal versteckt unser Kopf Erinnerungen, die wehgetan haben. Das macht er, um uns zu schützen. Aber diese Erinnerungen verschwinden nie wirklich. Sie bleiben irgendwo in unserem Kopf, und manchmal tauchen sie wieder auf, wenn wir schlafen oder wenn wir etwas erleben, das uns daran erinnert.« Harry nickte langsam, und Elara fuhr fort. »Wenn wir sie zusammen anschauen, kannst du die Kontrolle über sie zurückgewinnen. Sie können dich dann nicht mehr überraschen oder so viel Angst machen. Aber wir tun das in deinem Tempo. Du bist derjenige, der bestimmt, wie schnell oder langsam wir vorgehen.« Harry sah zu Severus, der ruhig dasaß und ihm einen kleinen, ermutigenden Nicken schenkte. Dann sah er wieder zu Elara.
»Okay«, flüsterte er.
»Das ist alles, was ich brauche, Harry«, sagte Elara sanft. »Ein kleines ‚Okay' ist ein großer Anfang. Wir machen das gemeinsam.« Sie lächelte, und Harry entspannte sich ein wenig, seine Hände ließen die Bettdecke los. Severus lehnte sich in seinem Stuhl zurück, seine dunklen Augen waren auf Harry gerichtet, und ein leiser Hauch von Erleichterung zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.
Elara ließ sich Zeit, als sie mit Harry sprach. Sie hatte den Stift beiseitegelegt und hielt die Hände locker gefaltet, während sie ihn mit einer Mischung aus Geduld und Interesse ansah.
»Weißt du, Harry, ich habe gehört, dass du in Slytherin bist«, begann sie, ihre Stimme leicht und freundlich. Harry nickte vorsichtig, aber er wirkte nicht mehr so angespannt wie zu Beginn.
»Ja, bin ich.«
»Das ist toll«, sagte Elara mit einem warmen Lächeln. »Ich war in Ravenclaw. Es hat mir immer gefallen, neue Dinge zu lernen. Was magst du an Slytherin?« Harry zuckte mit den Schultern.
»Es ist ... okay, denke ich. Es ist nicht so schlimm, wie alle sagen.« Elara schmunzelte.
»Das glaube ich dir. Es gibt überall wunderbare Menschen, und ich bin sicher, dass du einige gute Freunde gefunden hast.« Harry schwieg einen Moment, dann nickte er langsam.
»Ja, ein paar.«
»Das freut mich«, sagte Elara. »Manchmal können Freunde einen wirklich durch schwere Zeiten bringen. Hast du ein Lieblingsfach in Hogwarts?«
»Zauberkunst«, antwortete Harry fast, ohne zu überlegen. »Es macht Spaß, Sachen mit dem Zauberstab zu machen.«
»Das verstehe ich gut«, sagte Elara. »Zauberkunst war auch eines meiner Lieblingsfächer. Gibt es einen Zauber, den du besonders magst?«
»Lumos«, sagte Harry nach kurzem Nachdenken. »Es ist ... irgendwie beruhigend, Licht zu machen.« Elara nickte verständnisvoll.
»Das kann ich gut nachvollziehen. Licht kann einem das Gefühl geben, dass alles ein bisschen besser wird.« Sie hielt einen Moment inne, bevor sie in einem etwas nachdenklicheren Ton sprach.
»Und was ist mit der Schule, in die du vor Hogwarts gegangen bist? Warst du gern dort?« Harry zuckte wieder mit den Schultern.
»Nicht wirklich. Es war ... langweilig.«
»Das kann ich verstehen«, sagte Elara mit einem kleinen Lächeln. »Aber hattest du dort Freunde?« Harry schüttelte den Kopf.
»Nicht wirklich. Die mochten mich nicht.«
»Das tut mir leid«, sagte Elara sanft. »Das muss schwer für dich gewesen sein.«
»Es war okay«, sagte Harry leise, seine Finger fingen wieder an, nervös an der Bettdecke zu spielen. Elara beobachtete ihn, ihre Stimme blieb sanft und unverbindlich.
»Und zu Hause? Was hast du gemacht, wenn du aus der Schule nach Hause gekommen bist?« Harry zuckte nur mit den Schultern und sah kurz zu Severus, als suche er nach einer Antwort.
»Nicht viel. Manchmal hab ich gelesen oder ... so.«
»Gab es etwas, das du gern gespielt hast? Oder hattest du ein Lieblingsspielzeug?«, fragte Elara behutsam, ihre Stimme so leicht, als wäre die Frage reiner Smalltalk. Harry schüttelte den Kopf, ohne sie anzusehen.
»Ich hatte kein Spielzeug.« Die Heilerin runzelte die Stirn, aber nur leicht.
»Gar keins? Nicht mal ein kleines Kuscheltier oder ein Spielzeugauto?« Harry schüttelte wieder den Kopf, seine Stimme war jetzt fast ein Flüstern.
»Dad hat gesagt, dass ich so was nicht brauche.« Elara hielt kurz inne, bevor sie weitersprach.
»Das klingt ... sehr ungewöhnlich. Hattest du denn Bücher? Oder etwas anderes, mit dem du dich beschäftigen konntest?«
»Ja, ein paar Bücher«, sagte Harry, seine Stimme klang unsicher. »Aber meistens war ich draußen oder hab irgendwas gemacht, damit Dad nicht wütend wird.« Severus' Gesicht wurde bei diesen Worten unmerklich härter, doch er blieb ruhig und ließ Elara die Führung übernehmen.
»Das klingt, als hättest du oft versucht, ihn nicht zu stören«, sagte Elara, ihre Stimme sanft, ohne Urteil. Harry nickte zögernd, doch sagte nichts.
»Es muss schwer gewesen sein, keine Spielsachen zu haben, während andere Kinder in deinem Alter sie hatten«, sagte Elara leise. »Das war bestimmt nicht fair.« Harrys Finger spielten wieder nervös mit der Bettdecke.
»Es war halt so«, murmelte er. Elara lehnte sich ein wenig zurück und ließ ihm Raum.
»Manchmal denken Erwachsene, sie wissen, was für Kinder das Beste ist, auch wenn sie sich irren. Aber es tut mir leid, dass du das erleben musstest, Harry. Niemand sollte sich so fühlen.« Harry sah sie kurz an, dann senkte er den Blick wieder.
»Es macht nichts«, sagte er, doch seine Stimme klang nicht überzeugt. Elara beobachtete Harry aufmerksam, ihre sanften Augen suchten immer wieder den Blick des Jungen, während sie mit ruhiger Stimme sprach.
»Harry, weißt du, manchmal denken Kinder, dass das, was sie zu Hause erleben, überall so ist. Dass es normal ist, wie ihre Eltern mit ihnen umgehen. Aber das ist nicht immer richtig. Es gibt Dinge, die nicht in Ordnung sind, selbst wenn sie immer so waren.« Harry rührte sich kaum, seine Finger spielten weiter mit der Bettdecke, doch sein Blick wurde etwas unstet. Severus beobachtete ihn aus der Nähe, sein Gesicht eine Maske aus Ruhe, doch seine dunklen Augen verfolgten jede Regung des Jungen. Elara fuhr fort, ihre Stimme blieb warm und geduldig.
»Zum Beispiel ist es nicht in Ordnung, wenn ein Erwachsener ein Kind schlägt. Oder wenn ein Kind angeschrien oder gedemütigt wird. Wenn man das Gefühl hat, immer etwas falsch zu machen, egal wie sehr man sich anstrengt – das ist nicht normal, Harry. Und es ist nicht deine Schuld.« Harrys Hände wurden still, seine Augen richteten sich auf einen Punkt in der Ferne, als würde er nachdenken. Schließlich nickte er langsam, ohne Elara anzusehen.
»Harry«, sagte Elara sanft, »kannst du dich erinnern, wann dein Vater dir das erste Mal wehgetan hat?« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, um ihn nicht zu überfordern. Harry nickte wieder, seine Schultern zogen sich leicht zusammen, als er die Bettdecke fester griff.
»Ich war ... fast vier«, murmelte er schließlich, seine Stimme zitterte leicht. Elara hielt inne, ließ ihm Zeit, bevor sie vorsichtig nachfragte.
»Möchtest du mir erzählen, was passiert ist? Du musst nicht, wenn du nicht möchtest.« Harry atmete tief ein, sein Blick flackerte zu Severus, der ihm mit einem leichten Nicken zu verstehen gab, dass er nicht allein war. Schließlich begann Harry, zu sprechen, langsam und mit stockender Stimme.
»Es war ... an einem Nachmittag. Ich ... ich wollte draußen spielen«, begann er. »Aber Dad hat nein gesagt. Ich hab nochmal gefragt, weil ich ... ich dachte, vielleicht ändert er seine Meinung. Aber ...«, Harrys Stimme brach, und Elara wartete geduldig, während er sich sammelte.
»Er hat ... er hat geschrien«, fuhr Harry leise fort. »Und dann ... hat er mich geschlagen.« Elara blieb ruhig, ihre Hände ruhten entspannt auf ihrem Schoß, während sie Harry Zeit gab.
»Hat er dich ins Gesicht geschlagen?«, fragte sie sanft. Harry nickte und hob eine zitternde Hand, um auf seine Wange zu deuten.
»Hier. Es hat so wehgetan. Ich ... bin hingefallen, und da waren Scherben auf dem Boden. Ich hab mich geschnitten, und es hat geblutet.« Severus' Finger ballten sich zu Fäusten, doch er schwieg, seine Augen auf Harry gerichtet.
»Was hat dein Vater dann gemacht?«, fragte Elara vorsichtig.
»Er ... hat mich ins Badezimmer gebracht. Hat die Schnitte ... sauber gemacht«, murmelte Harry. »Aber er war wütend. Hat gesagt, es wäre meine Schuld. Dass ich still sein soll, damit niemand was merkt.«
»Wie hast du dich dabei gefühlt?«, fragte Elara, ihre Stimme weiterhin sanft. Harry zuckte die Schultern, seine Augen glänzten, doch er weinte nicht. »
Ich ... ich hab nicht verstanden, warum. Ich dachte ... vielleicht bin ich wirklich schuld. Vielleicht war ich wirklich ... ein Problem.« Elara atmete leise ein, und für einen Moment lag nur Stille im Raum. Dann sprach sie mit ruhigem Nachdruck.
»Harry, was dein Vater getan hat, war nicht deine Schuld. Es war niemals deine Schuld. Kein Kind hat es verdient, so behandelt zu werden. Du bist nicht das Problem und warst es auch nie.« Harry sah sie an, seine Lippen bebten leicht, und schließlich wandte er den Blick ab.
»Aber ... er war immer so. Vielleicht ... wusste er nicht, wie man anders ist.«
»Vielleicht wusste er es nicht«, stimmte Elara zu. »Aber das entschuldigt nicht, was er dir angetan hat. Niemand – nicht einmal ein Vater – hat das Recht, einem Kind so wehzutun.« Harry nickte langsam, doch sein Gesicht blieb angespannt.
»Ich hab immer versucht, brav zu sein«, flüsterte er. »Damit er nicht wieder so wird. Aber es hat nie gereicht.« Severus' Hand, die sich unbewusst auf der Armlehne verkrampft hatte, lockerte sich langsam. Er lehnte sich ein wenig vor, seine Stimme war leise, aber fest.
»Harry, sie hat recht. Es war nicht deine Schuld. Es lag niemals an dir.« Harry sah ihn an, seine Augen voll von Emotionen, die er nicht in Worte fassen konnte. Schließlich nickte er schwach und ließ sich zurück in die Kissen sinken, erschöpft von der Last seiner Erinnerungen. Elara lächelte ihn sanft an, ohne aufzustehen.
»Das war sehr mutig von dir, Harry. Danke, dass du mir das erzählt hast. Wir werden daran arbeiten, dass diese Erinnerungen dich nicht mehr so belasten. Aber wir machen das in deinem Tempo, Schritt für Schritt.« Harry sagte nichts, doch er schloss die Augen und atmete tief durch. Elara stand auf und ging zur Tür des Krankenzimmers, ihre Tasche in der Hand. Severus erhob sich und folgte ihr. Sein Gesicht war angespannt, und in seinen Augen lag eine Mischung aus Sorge und Zögern. Kaum hatte Elara den Flur betreten, sprach er sie an.
»Heilerin Lynden«, begann er, seine Stimme war leise, aber fest. Elara hielt inne und wandte sich ihm zu.
»Ja, Professor?« Severus trat näher.
»War das nicht zu viel? Er ist noch so schwach, und ich ...«, er hielt inne, als suchte er nach den richtigen Worten. »Ich bin nicht sicher, ob er das alles jetzt schon verkraften kann.« Elara sah ihn mit ruhigem, durchdringendem Blick an.
»Ich verstehe Ihre Sorge, und sie ist berechtigt«, sagte sie sanft. »Aber ich habe diesen Weg nicht ohne Grund gewählt.«
»Dann klären Sie mich bitte auf«, forderte Severus mit einem Anflug von Schärfe, der mehr aus Besorgnis als aus Ärger stammte. Elara nickte leicht und verschränkte die Hände vor sich.
»Harry hat eine unglaublich schwere Last zu tragen. Seine Erinnerungen, so fragmentiert und schmerzhaft sie auch sein mögen, werden ihn weiterhin belasten, wenn wir sie nicht langsam ans Licht holen. Doch es gibt einen entscheidenden Punkt: Harry wird sich nur dann öffnen, wenn er sich sicher fühlt.« Severus runzelte die Stirn.
»Und Sie glauben, dass er sich sicher fühlt? Nach allem, was er durchgemacht hat?«
»Ja«, sagte Elara mit Überzeugung. »Und wissen Sie, warum? Ihretwegen.« Severus blinzelte, überrascht von ihrer Aussage.
»Ich ... bin nicht sicher, ob ich Ihnen folgen kann.« Elara lächelte schwach.
»Harry hat heute über etwas gesprochen, das ihn seit Jahren belastet, etwas, das er wahrscheinlich niemandem je erzählt hat. Warum glauben Sie, dass er das konnte?« Severus schwieg, seine Gedanken rasten.
»Weil Sie hier sind, Professor«, fuhr Elara fort, ihre Stimme weich. »Sie sind der erste Erwachsene in seinem Leben, der ihn ernsthaft beschützt, der ihm das Gefühl gibt, dass er wichtig ist. Harry spürt das, auch wenn er es vielleicht noch nicht in Worte fassen kann. Es ist Ihre Präsenz, die ihm erlaubt, sich langsam zu öffnen.« Severus ließ die Worte auf sich wirken, sein Blick wanderte für einen Moment zur geschlossenen Tür des Krankenzimmers.
»Aber ... was, wenn es zu früh ist? Was, wenn es ihn überfordert?« Elara trat einen Schritt näher, ihr Blick war mitfühlend.
»Das Risiko besteht, ja. Aber ich habe heute bewusst nur an der Oberfläche gekratzt. Es ging nicht darum, ihn zu konfrontieren, sondern ihm zu zeigen, dass es sicher ist, über diese Dinge zu sprechen. Dass er gehört wird. Und Harry hat mir signalisiert, dass er bereit ist, zumindest einen kleinen Schritt zu gehen.« Severus atmete tief ein und fuhr sich mit einer Hand durch das Haar.
»Ich will nur nicht, dass er noch mehr Schaden nimmt.«
»Das wird er nicht«, sagte Elara mit Nachdruck. »Aber ich möchte, dass Sie etwas verstehen. Wissen Sie, was es für einen vierjährigen Jungen bedeutet, von der einzigen Bezugsperson Gewalt zu erfahren? Von jemandem, der ihn beschützen sollte, der ihm Sicherheit geben sollte? Harry wusste nie, wie es ist, geliebt zu werden. Er war seinem Vater ‚nur' im Weg. Doch in dem Moment, als dieser ihn das erste Mal geschlagen hat, hat Harry gelernt, dass jede kleine Verfehlung Schmerz bedeuten kann. Stellen Sie sich vor, wie furchtbar allein sich ein Kind in so einer Situation fühlen muss.« Severus' Gesicht wurde noch ernster, als er sich die Tragweite dieser Worte bewusst machte.
»Ein Kind, das glaubt, dass es keinen Ort gibt, an dem es sicher ist«, fuhr Elara fort, ihre Stimme jetzt leise, aber eindringlich. »Das erzeugt eine Abwärtsspirale, Professor. Harry hat sich nie sicher gefühlt, nie gewusst, dass jemand für ihn da ist. Bis jetzt. Ihre Sorge, Ihre Fürsorge – das ist für ihn wie ein Anker. Er beginnt, zu verstehen, dass nicht jeder vermeintliche Fehler Schmerzen bedeutet. Dass er reden kann, ohne Angst vor Konsequenzen haben zu müssen.« Severus nickte langsam, die Anspannung in seinen Schultern ließ ein wenig nach.
»Ich verstehe. Aber wenn ich den Eindruck bekomme, dass es zu viel wird ...«
»Dann sagen Sie es mir«, unterbrach Elara ihn mit einem sanften Lächeln. »Wir arbeiten als Team, Professor Snape. Harrys Wohl steht an erster Stelle, und Ihre Einschätzung ist ein wichtiger Teil davon.« Severus sah sie für einen langen Moment an, bevor er schließlich kurz nickte.
»Gut. Danke, Heilerin Lynden.«
»Ich danke Ihnen«, erwiderte Elara. »Für das, was Sie für Harry tun. Es ist mehr, als Sie vielleicht selbst begreifen.« Mit diesen Worten wandte sie sich um und ging den Flur hinunter, während Severus noch einen Moment stehen blieb, die Gedanken schwer in seinem Kopf.
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