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Kapitel 12


„Satire ist ein Instrument.
Nicht zwingend zur Peinigung, sondern zur Wahrheit."

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„Sie gehen mit mir ins Kabarett.", war das Letzte, was meinen Mund verließ. Ich wendete mich zu ihm und wiederholte mit zusammengezogenen Augenbrauen: „Wir gehen ins Kabarett?"

Das imposante Altgebäude lag mit einer erleuchteten Sandsteinfassade vor uns, gefüllt mit zahlreichen Menschen, die durch hohe Fenster beim Aperitif Trinken zu beobachten waren. Unter anderen Umstände die perfekte Aktivität für den hochkommenden Winter.

Aber nicht mit ihm.

Niemals mit ihm.

„Sie können also doch lesen. Ich habe begonnen, daran zu zweifeln.", bestätigte Mr. Colton kühl.

Hatte er gerade... einen Witz gemacht?

„Vielen Dank.", schoss ich zurück und löste meinen Blick von der im Stein eingemeißelten Serifenschrift. Kalt und monoton erwiderte ich: „Mein ganzes Leben dreht sich darum, Ihrer Bestätigung hinterher zu eifern."

Eigentlich war ich mir nicht sicher, in wie weit das eine sarkastische Lüge war... oder ob er jetzt, meine Gedanken lesen konnte. Ein Zucken in seinem Kiefer, bevor er mich ignorierte.

Seite an Seite gingen wir die Treppe zum Eingang hoch. Worüber redete man mit seinem Professor?Während meine Hand begann die Knopfleiste meines Mantels zu öffnen, versuchte ich schwermütig eine Konversation aufzubauen. „Gehen Sie oft ins Kabarett? Ich hätte Sie nicht danach eingeschätzt."

„Nein.", antwortete er kurzangebunden.

„Wieso?"

Ich lauschte, wie ein schwerer Atemzug seine Brust verließ - als wäre es ermüdend mit mir zu reden. „Ich bin viel beschäftigt."

„Wie traurig. Es sollte immer Zeit für Kunst geben.", erwiderte ich abgekühlt. Was ironisch war, da ich mir neben meinen Nachschichten und dem Studium selbst keine Zeit dafür nahm.

Er drehte sich zu mir, nachdem ich das gesagt hatte, und unmittelbar wieder nach vorne.

Statt seine Gedanken laut auszusprechen, erklärte er das Thema wortlos für beendet. Er war wirklich nicht interessiert daran, private Konversationen mit mir zu führen. Unangenehm berührt kniff ich meine Lippen zusammen. Stattdessen erklärte er, wieso er mich hergebracht hatte: „Satire und Polemik - Das Kabarett wird Ihnen zeigen, wann es sinnvoll ist, sie für gesellschaftliche und politische Streitthemen zu gebrauchen und wann nicht. Im Gegensatz zu dem strikten juristischen Gutachtenstil in Ihren Klausuren, können Sie Ihren Diskussionsstill im Moot Court leicht anpassen, aber; Es ist nur ein feiner Grad zur Geschmacklosigkeit."

„Ist das nicht gegen die Regeln? Subjektivität?", hinterfragte ich spitz. Er war doch ein notorischer Präzisist.

„Wenn man immer nach den Regeln spielt, verliert man."

Währenddessen ließ er zwei Tickets auf seinem Handy- unsere Tickets, wie ich realisierte - scannen. Wäre es gerade peinlich, mein Portemonnaie rauszunehmen und ihn zu fragen, wie viel Geld ich ihm schuldete? 

Aber er führte uns ohne zu Warten weiter und lenkte uns im Wartebereich in Richtung Stehtische. Ich atmete auf und beobachtete die Kulisse um mich herum. Gedämpftes Licht, leise Gespräche, rote Vorhänge. Ich strich meinen Mantel von meinen Schultern und nahm ihn über meinen Arm.

Danach blieb mir keine körperliche Bewegung mehr, um mich von meinen Gedanken, meiner Nervosität - nein - der Unangenehmheit dieser Situation abzulenken. Ich kam dem Fluss meiner Gedanken als Opfer zu: War das hier gerade komisch, war ich komisch, worüber sollte ich reden, Ich hasste Stille, wieso war es so still? Fuck, Eve.

Ich konnte mich nicht davon abhalten, ihn zu beobachten: seine überkreuzten Arme, die Muskeln, die darunter zusammenfuhren und sein stoischer Gesichtsausdruck.

Vielmehr zu versuchen, ihn zu entziffern.

„Satire und Sie - Es passt nicht wirklich zusammen.", sprach ich laut aus.

Er sah mich lange an, betrachtete meine Augen, als würde er abwägen, ob er mir antworten solle.

„All the world's a stage", zitierte er ruhig und mit britischem Akzent, „and all the men and women merely players."

„Shakespeare?" Ich versuchte, nicht darüber zu lachen und lächelte bloß. „Die... performative Eigenschaft der eigenen Identität. Womöglich hätten Sie tatsächlich Literaturprofessor werden sollen."

Sofort hielt ich inne. Meine Augen weiteten sich.

„Es ist faszinierend, Miss Winter. Sie scheinen alles über mich zu wissen.", kommentierte er leise.

Ich zog scharf die Luft ein und ließ meine Stimmung abklären. „Ich-", versuchte ich mich zu erklären, „Es stand online über Sie."

Wie erniedrigend. Ich hatte es in der Tat online über ihn gelesen, das und noch vieles mehr. Dass er in seinen ersten Semestern als Student in Oxford auch Literaturvorlesungen besucht hatte.

„Nichts hat mehr die Macht, einen zu überraschen, wenn man bereits alles darüber weiß.", sagte ich zuletzt und sah ihm schamlos zurück ins Gesicht. Ich ließ nicht zu, dass auch nur irgendeine Interaktion mit meinem Gegenüber mich peinlich berühren würde. Ich wich nicht vor seinem Blick zurück. „Ich musste wissen, ...worauf ich mich einlasse." Was eine Lüge. Er würde denken, ich sei besessen von ihm.

Er kam mir näher. Ich konnte seinem Blick nicht ausweichen.

„Sehen Sie, Miss Winter." Seine wohlige Stimme kam so nah. Wie schaffte er es, sich so... warm anzuhören?

Er nahm meinen Mantel von meinem Arm. Ich hielt inne und bewegte mich keinen einzigen Zentimeter, mein ganzer Körper angespannt in seiner körperlichen Nähe, während wir uns beobachteten. Seine Stimme raunte in mein Ohr: „Sie lernen. Das ist genau das, was ich Ihnen vor Ihrer ersten Debatte beigebracht habe. Lassen Sie sich niemals von Ihrem Gegenüber überraschen."

Kurz bevor er sich umdrehte, um unsere Mäntel wegzuhängen und mich zu unseren Plätzen zu führen, lobte er mich gedämpft. Zu gedämpft. Zu angenehm.

Sehr gut, Miss Winter."

Oh Gott. Ein Schauder lief über meinen Rücken.

Ich konnte für den Rest des Kabaretts nicht mehr still neben Professor Colton sitzen, denn während ich seinem breiten Rücken hinterhersah, gab es nur noch eine Frage in meinem Kopf:

Hatte Ich etwa einen Praise Kink?

***

Die dümmste Lüge ist die, mit der man sich selbst belügt.

Das waren die Worte von Friedrich Nietzsche, die ich mir vor Augen hielt, als ich eine Woche später realisierte, dass ich die Wahrheit akzeptieren musste: Elijah Colton war attraktiv.

Elijah Colton war ein Gott in der Rechtswelt.

Elijah Colton hatte die Intelligenz eines Mannes, von dem ich mich liebend gerne nachts belehren lassen würde.

Und Elijah Colton war mein Professor. Verboten, sündhaft und ein launisches Arschloch, wann immer es ihm passte. Ich betrachte es als wichtig, zu verstehen zu geben, dass das Letzte nicht mein Typ von Mann war - nur um im gleichen Atemzug zuzugeben, dass mein Typ von Mann ein nie zuvor gesichtetes Enigma sein müsste, da ich mich nie viel mit Liebe oder gar mit Sex beschäftigt hatte. Die einzige Konstanze in meinem Alltag waren bis dato Bildung, Freunde und Arbeit gewesen. Ich war angeekelt von den meisten Beziehungen, ich fand die Dating Kultur verletzend für Frauen, ich sah lieber zu und kritisierte.

Das war genau, was der Fall bleiben musste. Ich würde drei Jahre für meinen Bachelor of Laws brauchen - 3 Jahre ohne Ablenkung und ohne Schauspiel von irgendwelchen mittelständigen Männern - und von danach, meinem Master, sollte ich erst gar nicht anfangen zu reden. Kurzgefasst sträubte sich die Perfektionistin in mir davor, jeglichen anbahnenden Vorstellungen zuzuspielen.

Ich hatte keine Zeit.

Ich hatte keine Kraft.

Der Platz, der für emotionalen Balast übrigblieb, war schon meiner Familie zugeschrieben.

Deswegen wusste ich, was ich zutun hatte; Die professionelle Studentin zu bleiben, die ich von Anfang an aufgezeigt hatte zu sein. Die wenigen Vorbereitungsstunden mit Elijah Colton still zu meistern und ihn ebenso nicht umzubringen. Meine Tätigkeit beim Moot Court abzuleisten und ihn in den Jahren danach bis zu meinem Abschluss nur noch verfremdet von der letzten Reihe im riesigen Vorlesungssaal zu beobachten.

Ich hatte einen Plan. Dies war der Plan. Ich akzeptiere die Existenz von den chemischen Reaktionen, die mein Körper auf seine Anwesenheit hatte, aber ich würde sie nicht tolerieren. Ich würde nicht darauf handeln.

Ich würde nicht nur die brave Studentin sein, ich war sie bereits.

Doch es war mein verfluchter Professor Mr. Colton, der mir in den nächsten Monaten einen Strich durch die Rechnung machen musste. Mit Worten, zu denen ich nicht Nein sagen konnte.

***

In der kommenden Woche trat ich wieder einst beim Moot Court an. Mein Gegner war kein Geringer als ein junger Mann aus meinem eigenen Studiengang, bloß ein Semester über mir und Bekannter von Clara. Ich versuchte, nicht zu schmunzeln, als ich es realisierte. Bevor ich die Bühne betrat strich ich meinen Hosenanzug glatt und öffnete meine Haare, und sobald ich auf der Bühne stand, war ich nicht mehr zurückzuhalten.

„Ich möchte die Jury und das Publikum fragen: Würden Sie Ihre Seele verkaufen?" Schmunzelnd schüttelte ich meinen Kopf.

„Was sich für Sie nach einem mythologischen Schlagabtausch mit dem Teufel anhört, ist meinem Mandaten tatsächlich geschehen. Heute werde ich dafür argumentieren, warum die Persönlichkeitsrechte eines Menschen unantastbar sind - und unverkäuflich sein sollten.", begann ich meinen Einstieg.

Die weiteren 20 Minuten drehten sich um die individuelle Freiheit, Ehre und Integrität einer Person, wie sie im Grundgesetzbuch und Bürgerlichen Gesetzbuch festgehalten waren. Am Ende stand ich in den Armen von Adrian und Clara, verabschiedete mich von ihnen und lehnte alleine draußen an der Balustrade, um eine zu rauchen und währenddessen den ganzen Campus von oben betrachten zu können. Die kalte Luft fuhr um mich. Die Bäume hatten ihre Blätter verloren. Der Himmel verdunkelte. Gewinnen fühlte sich wunderbar an. Jede Person, die behauptete, nicht alles für einen Sieg zu tun, hatte einfach nur keinen Hunger. Aber ich tat es. Ich hatte die Art von Hunger für Erfolg, die nicht zu stillen war.

„Herzlichen Glückwunsch."

Ich drehte mich zu der Stimme, die ich überall erkennen würde. Ich hinderte mich, meine Augen über seine ganze Gestalt fahren zu lassen und fokussierte mich auf steine stechenden Augen.

„Dankesehr.", erwiderte ich einsilbig. Ich zog von meiner Zigarette, während Mr. Colton auf mich zukam. Ganz in Schwarz gekleidet, sah er wie das aus, wogegen ich soeben argumentiert hatte: Der Teufel. Diabolisch, intelligent, stolz.

„Interessanter Einstieg.", kommentierte er, als er sich mit beiden Unterarmen neben mich auf der Balustrade abstützte und das rege Treiben auf dem Campus verfolgte.

Ich lächelte müde, aber es erreichte nicht meine Augen.

„Es scheint nichts wichtigeres für die Menschen zu geben, als die Reinheit ihrer Seele.", erwiderte ich. Außer für Sie wahrscheinlich.

Mr. Colton hielt zerknirscht dagegen: „Für hochmoralische Menschen zumindest. Das waren die Personen in dem Saal nicht wirklich."

Ich sah zu, wie die Rauchschwaden meiner Zigarette nach oben stiegen und vom Wind verweht wurden, während ich Mr. Coltons Worte in meinem Kopf wiederholte.

„Was meinen Sie damit, Professor?", fragte ich, ohne meinen Blick auf ihn zu richten, in Angst, dass er meinen Versuch ihn auszuhören, erkennen würde.

Doch ich konnte seinen dunklen Blick bereits auf mir festgenagelt fühlen. Alles in mir wand sich danach, ihn anzusehen, doch ich fokussierte meinen Blick stoisch nach vorne, während ich einen weiteren Zug nahm. Ich wagte es nicht, mich zu bewegen.

„Nicht mehr als die natürliche Neigung des Menschen zur eigensinnigen Unmoral.", gab er mir langsam zu verstehen. Zu langsam, als mir zu bedeuten, dass er damit nicht mehr gemeint hatte. Die Rechenschaft einer elitären gewinnorientierten Universität.

„Wirklich?", fragte ich kurz und drehte mich schließlich zu ihm, „Wie pessimistisch von Ihnen."

Er hob seine Augenbrauen und gab mir ein kühles Lächeln. „Nicht im Geringsten.", raunte er, „Sie sollten bloß nicht Ihrer Naivität zu Opfer fallen, sondern stattdessen jeder Person an dieser Universität mit dem gleichen Misstrauen begegnen, wie Sie es mir von Anfang an sind."

Ich schmunzelte berechnend. „Das war nicht Misstrauen. Ich wusste vom ersten Tag an, was für eine Person Sie waren."

Er bewegte sich leicht in meine Richtung, oder stellte ich mir das bloß vor?

Mr. Colton bedeutete mir leise, jedes Wort präzisiert: „Sagen Sie mir, Miss Winter, was für eine Person bin ich?"

War das ein Spiel? Lockte er mich zu einer Antwort, um mich danach für diese wieder verbal ins Gesicht zu schlagen? Was ein seltsamer Mann.

Ich antwortete gedämpft: „Ich denke, es würde unserer Beziehung nicht helfen, wenn ich das ausspreche, Mr. Colton." Weil ich schreckliche Dinge über Sie zu sagen habe.

„Gibt es dort überhaupt noch etwas, was helfen könnte." Er sprach es nicht wie eine Frage aus.

„Ein Pessimist, schon wieder.", urteilte ich, „Es mag Sie verwundern, aber Menschen kommen tatsächlich sehr gut mit mir aus. Können Sie das selbe von sich behaupten?"

Der Wind zog um uns. Es würde noch kälter, der Himmel noch dunkler. Die Sonne ging früher unter.

„Es könnte mich nicht weniger berühren, ob Menschen gut mit mir auskommen oder nicht, insbesondere meine Studenten.", stellte er klar.

Ich versank in seinen Augen.

„Wie viel Spaß macht es, das Leben seiner Studenten zur Hölle zu machen? Rein aus Interesse gefragt.", fragte ich aus echter Neugierde. Ich wollte wissen, was ihn antrieb.

Ich konnte schlichtweg nicht aufhören, in seine Augen zu sehen. Von der Nähe hatte er mich gefangen; mit all den Fragen, die ich über seine Person hatte, in den Bann gezogen.

Er betrachtete mich Sekunden länger. „Nicht viel. Ich tue, was getan werden muss, Miss Winter. Die echte Rechtswelt ist brutaler."

Ja, jeder sprach darüber, wie toxisch die Juristerei war. Schon darüber, was für ein Leistungskampf es vor dem Examen war, aber das war der Grund, warum ich erst meinen Bachelor machen würde. Ich rollte leicht meine Augen. Denn nichts nervte mich mehr, als Person mir fortgeschritten, die mir erklären wollten, wie viel schwerer mein Leben oder meine Karrierewahl noch werden würden.

„Also sollte ich Sie von nun an als Samariter ansehen? Den einzigen Dozenten, der mir die Wahrheit verspricht und auf das vorbereitet, was danach kommt?"

Er lachte bitter auf. „Wie rührselig." Nichts weiter als zwei nichtsaussagende Wörter.

Aber ich konnte nicht aufhören. Ich lechzte nach der Wahrheit, und obwohl er so ein akribischer, brutaler, verletzend ehrlicher Mann war, schaffte er es stets die interessantesten Dinge zu verheimlichen.

„Also war alles, jede Bloßstellung, jede Niedermache, jede Absage seit Oktober, dafür da, um... was?", leitete ich mir ungläubig her, „...zu sehen, ob ich es wirklich in mir habe?"

Ich konnte noch nicht mal auflachen. Ich konnte nicht niederträchtig schmunzeln oder gar die Augen verdrehen, da mein Unverständnis für seine Beweggründe so... so schwer wiegte. Ich war nicht an eine der besten Universitäten des Landes gekommen, um mich von einem Professor zur Prüfung meines Könnens bloßstellen oder meine Chancen wegnehmen zu lassen.

„Was ist Ihr Problem mit mir?", fragte ich vehement.

Mr. Colton ließ genervt seinen Atem raus und senkte seinen Kopf zu mir nach unten, um mir in die Augen zu starren. Gott, eines Tages werde ich ihn umbringen.

„Sie müssen nicht alles als einen persönlichen Angriff verstehen, Miss Winter." Und seine Stimme war noch immer kalt, unberührt, als wäre dieser Mann freigesprochen von allen Gefühlen dieser Welt.

„Und was ist es dann, Mr. Colton?", zischte ich zurück. Unsere Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Ich konnte ihn fast schon fühlen, dort, vor mir.

„Oh, lassen Sie mich nachdenken, Miss Winter.", erwiderte er genauso erzürnt, „wahrscheinlich ein guter Gefallen."

Ich lachte, doch der Laut war hohl. „Ich denke, das ist Ihre verschobene Wahrnehmung der Realität, die da aus Ihnen spricht. Denn war es vorletzte Woche ein guter Gefallen, als Sie mich aus dem fucking Vorlesungssaal ausgeschlossen haben? Oder aber letzte Woche noch, als Sie mich gebeten haben, am Pult einen Fall vorzustellen, dessen Lesematerial Sie noch nichtmal aufgegeben hatten?"

All das und mehr waren Vorfälle, die ich nicht mehr thematisiert hatte, da es meine neue Normalität geworden war. Er hatte die Tür des Vorlesungssaales zugeschlossen - fucking zugeschlossen -, als ich sie gerade öffnen wollte. Weil ich durch den Regen gerannt war, zwei Minuten zu spät? Ich hatte an mich gehalten, mich aufzuregen oder es weiter zu thematisieren, aber all das war doch letzten Endes ein persönlicher Angriff gegen mich, und keine Haltung gegenüber all seinen Studenten. Er war derjenige, der sich etwas vormachte, wenn er das leugnete. 

Das gleiche mit dem Fall, den ich in der Vorlesung vorstellen sollte. Ein Fall, den ich oder jeder andere Student noch nie gelesen hatte. Dort bestand kein Punkt darin, mich mündlich ein Gutachten mit Falllösung in der Vorlesung vorstellen zu lassen, wenn ich nicht darauf vorbereitet war!

„Ich habe Sie ausgeschlossen, weil Sie zu spät reingekommen wären, Miss Winter.", erklärte er gewissenlos, „Das ist Ihnen aber doch schon seit meiner ersten Vorlesung klar gewesen, oder nicht?"

„Es gab ein fucking Gewitter draußen!", keifte ich zurück.

„Und so gab es das für jeden anderen pünktlichen Studenten auch.", erwiderte er missbilligend.

Ich sah ungläubig grinsend zur Seite. Dieser Mann war unfassbar. Er stellte es hin, als würde ich eine extra Behandlung erwarten.

„Also, wir können dann nach Ihnen festhalten, dass Sie rein gar kein Problem mit mir haben?", fragte ich ironisch.

„Oh, ich habe tausende Probleme mit Ihnen, Miss Winter.", verkündete er listig und sah missbilligend über meinen Kopf hinweg.

Mein Mund fiel auf, empört... empört von seiner Art! „Wie eingebil-"

Er unterbrach mich mitten im Satz, als ich mich aufregen wollte.

„Shh, Miss Winter. Das sind alles Eigenschaften, an denen wir noch arbeiten können." Seine Stimme war leise, gedämpft und was sich nach Ironie hätte anhören können, lieferte er bitterernst ab, ohne mit der Wimper zu zucken. In meinem Kopf schwirrten mehrere Wörter herum - eingebildet, arrogant, ekelerregend - aber ich hielt an mich, das alles auszusprechen.

„Ich denke, Sie haben mir genug beigebracht, Mr. Colton." Ich atmete tief durch.

„Nicht im Geringsten, wie es scheint, Miss Winter. Ihre Impertinenz gleicht genau der an Ihrem ersten Tag. Die üblichen Lehrmethoden funktionieren nicht für Sie.", brach Mr. Colton detailliert herunter.

Impertinenz", lachte ich laut und trotzig auf. „Sie müssen selbst die einfachsten Eigenschaften schwer und intellektuell anhören lassen, nicht?"

„Oh, benutze ich ein zu breitgefächertes Vokabular für Sie, Miss Winter?", fragte er zurück.

Meine Wangen erhitzten sich. Ich musste mir schon vorher etwas von irgendwelchen Typen anhören, die mir vorgaukeln wollten, dass sie schlauer und intelligenter und allgemeinwissender und gebildeter waren als ich. Aber dass mein Professor so etwas zu mir sagte, brachte mich dazu, im Boden versinken zu wollen.

„Ich kann Sie hervorragend verstehen, Mr. Colton.", behauptete ich. „Oder... oder..."

Gott Eve, hör auf zu stottern.

„Oder wollen Sie damit andeuten, dass ich nicht aus den selben gehobenen Kreisen wie Sie komme? Nur zu, seien Sie ehrlich.", beendete ich.

Er neigte seinen Kopf zur Seite und studierte mich eingehend mit einem hämischen Zucken seiner Mundwinkel. „Wie typisch, Miss Winter." Er dehnte das Wort genüsslich in die Länge. „Junge Studierende, die ihren Professoren Klassismus und benachteiligendes Verhalten vorwerfen, um ihre Enttäuschung von sich selbst zu kompensieren versuchen."

Schnell atmend öffnete ich meine zitternden Lippen einen Hauch. Meine ganze Haut wechselte von kalt zu heiß. Kläglich verzweifelt antwortete ich lauter als ich wollte: „Ich... ich bin nicht enttäuscht von mir!"

Sarkastisch hob Professor Colton auf meinen Ausbruch seine Augenbraue.

Ich hasste es, wenn er das tat... wenn er es so aussehen ließ, als würde ich lügen... weil er mich lesen könne!

Ich wartete darauf, dass er etwas erwidern würde, irgendetwas, damit ich mich weiter streiten konnte, aber es kam nichts. Vielmehr lagen in dem Heben seiner Augenbraue tausend Wörter, und eine Gewissheit; die Gewissheit, mit der er sich sicher war zu wissen, was ich fühlte und was ich dachte.

„Ich bin nicht enttäuscht von mir.", gab ich ihm leise zu verstehen und versuchte, meine roten Wangen zu beruhigen. „Sie haben doch keine Ahnung davon, was ich machen musste und mache, um zu studieren. Ich kümmere mich um alles selbst! Ich habe sogar gerade die nächste Runde im Moot Court gewonnen! Ich lerne jeden Tag. Ich ar-"

Ich stoß einen tiefen Atemzug aus und hinderte mich davon, ihm zu offenbaren, dass ich auch fast jeden Tag arbeiten ging. Denn er hatte kein Recht, das zu wissen. Er hatte kein Recht daraufhin sagen zu können, dass ich deswegen schwächeln würde. Er hatte keine Ahnung.

„Sie haben einfach keine Ahnung.", schloss ich ab und sah wieder in seine eisblauen Augen. Atemlos. Es ist als würde die Zeit anhalten, wenn ich so etwas sage.

Wann immer man denkt, dass diese rührseligen Reden nicht nur einen selbst, sondern auch die Menschen, die sie hören, vermenschlichen, sollte man sich trotzdem klar sein, dass es einen Knackpunkt an der Sache gibt. Emotionalität, Vergangenheit, Verletzlichkeit - all das sind Dinge, die unser Gegenüber berühren. Wir geben ihnen einen Splitter unserer Selbst. Eine irreparable Wahrheit. Das Etwas, das die andere Person nur einmal anstechen muss, um noch mehr über die Dunkelheit in einem zu erfahren. Es ist ein wenig wie eine Opfergabe, fange ich mich dabei zu denken. Roh und blutig, nur knapp am Atmen. Ein Splitter unserer Selbst.

Das ist, was für Verbindung zwischen Menschen sorgt, richtig? Nein, für Verständnis.

Aber vor mir... vor mir stand ein verständnisloser Mann. Nur, dass ich das vergessen hatte, oder womöglich leugnen wollte.

„Exakt, Miss Winter.", antwortete er kalt, von oben hinab, und es fühlte sich an, als würde ich mich noch kleiner machen. „Denn ich muss keine Ahnung von Ihnen haben. Sie sind meine Studentin. Das einzige, was an dieser Universität zählt, ist was auf dem Papier steht."

Er hörte sich so... brutal an. Wieder hob er seine Augenbraue, als wolle er sicher gehen, dass das in meinen Kopf ging. Ich kniff meine Lippen zu einer Linie zusammen. Hinderte mich daran, von der Enttäuschung dieser Situation zusammenzuzucken und starrte zurück in seine Augen. Wusste er, was ich gerade dachte? Zeig keine Emotion, Eve. Nur noch ein paar Minuten. Das hier ist nicht schlimm, du musst nicht weinen. Ich kniff meine Lippen noch stärker zusammen, damit er nicht sehen konnte, wie sie zitterten.

Er sah mich an, als sei er angeekelt von mir und betonte das nächste Wort mit besonderer Präzision. „Verstehen Sie das, Miss Winter?"

„Ja, Professor Colton."

Er ging. Und die Sonne war untergegangen.

Den Splitter meiner Selbst, den hatte er aber mitgenommen.

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