Kapitel 1: Um Entschuldigung bittet man
Das internationale Strafrecht ahndet nach den schwersten Verbrechen der Menschheit, Völkermorden und Kriegsverbrechen, und verfolgt Gerechtigkeit über nationale Grenzen hinweg.
Diese Bastion befähigt Interpol dazu, internationale Kriminalität auf allen Kontinenten zu verfolgen und führt zu der Verurteilung in Den Haag,
der Hauptstadt des internationalen Rechts.
Miss Winter,
hören Sie noch zu?
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Ich lebte in einer Ein-Zimmer-Wohnung 30 Minuten mit Bus von der Universität entfernt in einem schlechten Viertel und mit einem großen Verdacht dafür, dass mein Vermieter mir verschwiegen haben könnte, dass die Fensterwand unter der Tapete von Schimmel befallen war.
Im Gegensatz zu meinen glamourösen Antizipationen für die Zukunft fehlte es in meinem Privatleben an jeglichem legeren Luxus. Was ich, wie ich hinzufügen möchte, mit kalter Schulter akzeptieren konnte.
Ich hatte mir nach meinem Schulabschluss ein Jahr Zeit genommen, um Geld für Miete, Lebensunterhalt, Semestergebüren und Studienmaterialien als Barkeeperin zu erarbeiten, denn das deutsche Bildungssystem blieb in seinen Lücken weiterhin ein klassistischer Alptraum für jedes Arbeiterkind.
Nach außen hin war es jedoch eine Kunst für mich, gehoben auszusehen. Mich anzupassen. Besser zu sein.
Ich trug vorzugsweise Mäntel, eine klassische goldene Uhr von Casio und immer hohe Schuhe. Vor allem weil ich es mochte, größer als Männer zu sein. Es gab nichts besseres.
Ich trug nie keinen Schmuck, ich legte es darauf an, in jedem Genre belesen zu sein und abends war meine Lieblingslippenstiftfarbe Rot, Avant Garde von Mac.
Meine Liste war endlos, und selbst wenn andere sie als „oberflächlich" abtun mochten, war mir klar, dass meine Liste ihre Klasse niemals verlieren würde. Sie hatte mir mein Selbstbewusstsein gegeben. Meine Persona war unantastbar.
Fast.
Denn es schien, dass meine Liste nicht die Zeit selbst aufhalten konnte und heute war ich spät dran.
Außerdem: In hohen Schuhen über eine nasse befahrene Straße zu rennen fühlte sich erniedrigender an als man denken würde.
Es war gerade einmal der erste Tag der zweiten Woche meines Studiums, in der die tatsächlichen Vorlesung erst anfingen, und ich kam zu spät zu meiner ersten Vorlesung für die Einweisung in das Bundesgesetzbuch, weil ich einen Moment gebraucht hatte, die Fremden, die in meinem Hauseingang Crack konsumiert haben, zur Seite zu beten.
Stattdessen hatte ich mir erst eine Zigarette angemacht.
Nun war ich, inklusive der Verzögerung der öffentlichen Verkehrsmittel, 10 Minuten zu spät, als ich schnell in die Eingangshalle der Fakultät schritt. Ich war nicht nervös, ich war abgefuckt, weil ich perfektionistisch war, und am besten eine weitere Zigarette bräuchte. Ich massierte tief durchatmend meine Nasenwurzeln.
Nun 11 Minuten zu spät.
12 Minuten als ich rechts abbog.
Ich strich um meine Augen, um sicher zu gehen, dass keine Mascara vom stürmischen Herbstregen abgefärbt hatte.
13 Minuten als ich die erste Treppe hochgegangen war.
Ich zog meinen Rock auf die vernünftige Höhe zurecht und knöpfte meine Lieblingsbluse höher zu, dessen Knöpfe schon kurz vor dem Abfallen waren, bevor ich eine Hand wieder in meiner schwarzen Manteltasche verschwinden ließ und mit der anderen meinen Haaransatz glättete.
15 Minuten zu spät. Ich öffnete leise die Tür und huschte durch den Spalt hindurch, während ich schonmal meinen nassen Mantel auszog und währenddessen in meiner braunen Ledertasche nachsah, ob ich auch alles dabei hatte. Mein geliebtes, neu gekauftes Macbook strahlte mich an.
Nachdem ich fertig war, meine Tasche zu überprüfen und bereit, mich nach einer Sitzreihe umzusehen, hob ich meinen Blick.
Zu meiner Misere musste ich nun feststellen, dass keine zweihundert Studenten aller rechtswissenschaftlichen Studiengänge dort saßen, sodass mich niemand bemerken würde, doch lediglich, nun, 30 und sich all ihre Augen anscheinend bevor ich es selbst mitbekommen hatte, auf mich gerichtet hatten.
Dies konnte nicht meine BGB Vorlesung sein.
Fuck. Denn sie war es nicht. Weil sie heute gar nicht stattfand.
Ich war sogar zum richtigen Saal gelaufen. Denn ich sollte hier gerade ebenso wie meine starrenden Kommilitonen für die Einleitung in International Crime sitzen, dessen Vorlesung nur den International Law Studenten vorbehalten war. Aus dem Grunde die niedrige Zuhörerzahl. Wie hatte ich mich vertun können?
Hätte ich früher daran gedacht, hätte ich mich darauf eingestellt, dass der Dozent mein Eintreten offensichtlich mitbekommen würde und hätte mir vor dem Saal gelassen noch eine Minute genommen, um meine Worte zu einer plausbiblen Entschuldigung zu fassen, die bestmöglich kein Crack vor meiner Haustür thematisierte.
Ich straffte meine Schultern. Der Saal war stufenmäßig aufgebaut und ich war durch den oben liegenden Hinterausgang reingekommen. Ich setzte einen Fuß vor den anderen, meine Absätze halten auf dem Holzpakett wieder und kamen in der Mitte zu stehen, zwischen der linken und der rechten Sitzseite, sodass ich durch den Gang nach unten zu meinem neuen Professor sehen konnte.
„Ich entschuldige mich für die Verspätung, Profess—"
Ich stockte in meinen Worten. Alles in mir stockte und ich kniff meine Augen myrisch etwas zusammen. Was eine hochgradige Scheiße, dachte ich.
Denn als ich hinuntersah, sah ich den finster guckenden Mann, auf dessen Stelle als wissenschaftliche Assistentin ich mich beworben hatte.
Den Mann, bei dem ich Ende der Woche mein Bewerbungsgespräch hatte, damit ich nicht mehr als Barkeeperin arbeiten würde.
Den Mann, der nun mit seiner Hüfte angelehnt an dem Pult stand, dunkle Anzugshose, weißes Hemd, und mir so tief in die Seele starrte, dass ich mir sicher war, dass er mich bereits degradierend beobachtet hatte, seitdem ich es auch nur gewagt hatte, die Tür zu öffnen.
Vor mir stand Professor Elijah Colton, Prädikatsabsolvent von Oxford und Dozent für Internationales Strafrecht und Kriminalität. Und ganz sicher kein Mann mehr, der es in Erwägung ziehen würde, mir einen Job zu geben.
„Hat Ihnen niemand beigebracht, dass man sich nicht selbst entschuldigen kann, sondern nur um Entschuldigung bitten mag?"
Mein helles Lachen erklang über meine Lippen, da ich es als einen neckenden Spaß aufgenommen hatte, bis ich vernahm, dass seine dunkle Stimme kalt von Humor war. Er hatte eine Präsenz, mit der er den ganzen Saal einnahm.
Gott, wie eingebildet. Manche Studenten verzogen belustigt ihre Miene, besonders ein blonder Student zu meiner rechten Seite. Ich schickte ihm einen abgeklärten Blick zu und hob abschätzig meine Augenbraue, bis er wegsah. Sich auf die Kosten anderer zu belustigen war eine niederträchtige Charaktereigenschaft und wahrscheinlich das unattraktivste auf der Welt.
Ich sah wieder nach vorne, Professor Colton nur noch grimmiger und steifer gucken nach meinem freundlichen Lachen, als hätte er noch nie jemanden lachen hören.
Traurigerweise hatte ich ein Problem mit missbilligender Autorität.
„Ich vergaß mich, Professor Colton. Ich möchte um Entschuldigung für meine Unterbrechung bitten. Ich werde es nicht nochmal dazu kommen lassen.", erklärte ich und machte mich auf den Weg zu einer der letzten Sitzreihen, ausgerechnet der, wo ein Platz neben dem blonden Studenten frei war. Während ich mich neben ihm hinsetzte, fügte ich noch lächelnd an: "Wenn Sie über mein Zuspätkommen noch außerhalb des Unterrichts reden möchten, komme ich gerne nach der Vorlesung zu Ihnen."
Er studierte mich noch einen Moment länger, während ich ihm freundlich und selbstsicher entgegensah, meine Unterarme auf dem Tisch verschränkt. Nicht ein einziges Mal wich ich vor seinen sturmblauen Augen zurück. Ich fragte mich eher ob sein starker Wille, Augenkontakt zu halten, notorisch veranlagt war.
„Es reicht, Miss Winter."
Wie bitte?
Abgesehen davon, dass ich mir nun absolut sicher sein konnte, dass Professor Colton meine Bewerbung selbst studiert hatte und sich deswegen mein Foto und meinen Namen eingeprägt hatte, fand ich seine Abfuhr alles andere als professionell.
Er wandte sich wieder an den Kurs.
„Bevor Ihre Kommilitonin Sie ihrer Vorlesungszeit beraubt hat, war ich dabei, die Unterschiede für ihre Wahl zwischen Europäischen Strafrecht und dem Völkerstrafrecht zu erläutern."
Ein Arschloch, dessen kognitive Sozialfähigkeit eingeschränkt war, dachte ich, während ich die Word Seite auf meinem Macbook öffnete, um mitzuschreiben.
Für den Rest der Vorlesung widmete er mir keinen einzigen Blick mehr.
„In beiden Wahlen werde ich Sie lehren, mit transnationalen Bezügen in strafrechtlichen Sachverhalten umzugehen."
Seine Stimme nahm den ganzen Saal ein und es wirkte, als würden alle Studenten an seinen Lippen hängen. Besonders diejenigen, die schienen auf Männer zu stehen.
„In Europäischen Strafrecht werden Sie sich mit der Bedeutung des Europäischen Integrationsprozesses auseinandersetzen.
Die Überstaatlichkeit" — er betonte dieses Wort dermaßen langsam, als würde er sicherstellen wollen, dass wir alle verstanden, was das Wort bedeutete — „wird näher im Völkerstrafrecht betrachtet. Die Frage, wie aktuell auf überstaatlicher Ebene gestraft wird, wird hier geklärt. Wie werden das Verbrechen der Aggression von Russland betrachten, sowie das Völkerstrafrecht auf Bezug des Nahostkonfliktes."
Ich stockte bei meinen Aufzeichnungen und sah von meinem Macbook zu Professor Colton. Von dem letzten Aspekt stand nichts im Lehrplan. Das Betrachten der Strafbarkeit in aktuellen Konflikten und Kriegen auf der Welt war eigentlich nicht vorgesehen. Ich fand es nun zwar wahrscheinlich das interessanteste Thema im ganzen Lehrplan, doch war verwundert, dass er einfach so die Bewilligung hatte, den Lehrplan zu ändern und anscheinend das hinzuzufügen, für das er sich selbst interessierte — was verdammter Weise das Gleiche war wie für mich.
Student Blondie lenkte mich aber von meinen Gedanken ab, als er mich mit dem Ellenbogen anstoß.
„Das soll er zu Beginn jedes Semesters machen.", flüsterte er mir neckisch zu.
Ich sah noch nicht mal in seine Richtung, obwohl ich seinen Blick ganz genau auf mir und meinem Körper fühlen konnte. Bitte hör auf zu reden, dachte ich.
„Was genau?", erwiderte ich monton, während ich weiter fokussiert mittippte.
„Das Bloßstellen. Es ist ihm eigentlich gleichgültig, was du machst.", erzählte er raunend und kam mir dabei näher. „Er sucht sich bloß zu Beginn jedes Semesters eine willkürliche Person raus und benutzt sie als Hinsteller für seine Kritik, damit niemand auf die Idee kommt, seine Zeit zu verschwenden."
Ich drehte mein Gesicht zu ihm und lächelte.
„Schöne Geschichte."
Danach drehte ich mich wieder nach vorne und dachte, alles wäre damit geklärt und ich würde nicht auch noch aufgrund von Seitengesprächen unangenehm bei Professor Colton auffallen. Doch es fand kein Ende.
Blondie reichte mir seine Hand, die nun genau vor meinem Bildschirm hing. „Adrian Mann."
Eine wichtige Regel, die jede junge Frau vor ihrem Eintreten in die akademische oder berufliche Welt wissen sollte, war folgende;
Junge Männer Anfang 20, die sich mit ihrem Nachnamen vorstellten, waren entweder
1. anständig und taten es aufgrund ihres professionellen Benehmens
oder
2. dachten, sie könnten sich mit ihrem Nachnamen jede Person um sich herum erkaufen.
Bei dieser Regel gab es kein Mittelfeld.
Und mindestens nun sollte es klar sein, dass Blondie zur zweiten Kategorie gehörte, denn wenn ich mich nicht irrte, müsste sein Vater der Großkanzleispartner Mann sein, von Mann & Russing, einer Kanzlei für deutsches Wirtschaftsrecht.
Während ich meinen Laptop bereits in eine Hand nahm, erwiderte ich: „Eve."
Und weil sein Gehabe so befremdlich und lächerlich war, hauchte ich noch sarkastisch: „Eve Winter."
Dann stand ich auf und setzte mich wortlos in die Sitzreihe hinter Blondie, ganz allein.
Ich atmete tief durch, doch als ich von meinem neuen Platz aufblickte, fand ich Mr. Coltons durchdringenden Augen auf mir, als würde er mich für meine Show gerade tadeln.
Währenddessen beharrte er darauf, seinen Vortrag weiterzuhalten, doch ließ mich auch nicht nur ein einziges Mal aus den Augen. Während er dabei seine schwarze Krawatte lockerte, schien er herrischer als ich mir meine Dozenten gewünscht hätte.
Er war bestimmender, kritisierender, einnehmender — und ich fragte mich, ob es ihn zu einem disziplinierteren Mann machte. Von Disziplin wollte ich wenigstens lernen.
Alles, was ich wusste, auf seinen Blick zu erwidern, war mein Kinn herausfordernd auf meine Hand zu stützen und ihn eingehend zurückanzuschauen, bis er die Vorlesung für beendet erklärte, seinen Blick von meinem löste und hinter das Lesepult trat, um durch die letzten Seiten zu blättern.
Um mich herum standen alle Studenten auf und fingen an den Saal zu verlassen, aber ich lehnte mich zurück und studierte aufmerksam Elijah Colton. Über vier Sitzreihen hinweg verfolgten meine Augen seine Handbewegungen, seine akribischen Notizen, seine eiskalte Fassade.
Bevor ich mich auf die Stelle seiner wissenschaftlichen Assistentin beworben hatte, hatte ich alles über ihn gelernt, was es zu finden gab.
Zugegebenermaßen hörte sich das an, als hätte ich die Triebe einer Stalkerin oder hätte mich hoffnungslos in meinen attraktiven Professor verschossen, einen Monat bevor ich ihn überhaupt kennenlernen würde, doch dem war nicht so.
All das hatte bloß mit Einem zutun: Voraussehbarkeit.
Man konnte am besten für eine Menschen arbeiten, indem man wusste, über welche Themen er publizierte, wo und in welchen Fächern er seinen Abschluss erlangt hatte, welche Personen er verabscheute und welche Thesen er für dämlich erklärte.
Mit all diesen Informationen über Elijah Colton war ich nun bekannt, exklusive ein paar vertuschten Geheimnisse, wie warum er zum Beispiel seine Professur in Oxford aufgegeben hatte und nach Deutschland gekommen war.
Ich war vorbereitet auf diesen Werkstudentenjob und ich brauchte ihn momentan mehr als alles andere für meinen perfekten Lebenslauf, der mich aus meinem früheren Leben rausholen würde.
Das würde ich mir unter keinen Umständen kaputt machen lassen.
Als die letzten zwei Studenten den Saal verließen und die schwere Eichentür hinter sich zufielen ließen, stand ich auf, mit meinem Mantel über meinem Arm und meiner Tasche um meine Schulter gehangen.
Selbst als meine Absätze selbstsicher auf dem Holzboden erklangen, schien es keine Reaktion aus ihm zu rühren. Er sah noch nicht mal von seinen Unterlagen auf, vor denen er groß und mächtig stand.
Falls er genauso kalt im Bett sein sollte, wie in den anderen Teilen seines Lebens, schickte ich ein Stoßgebet in den Himmel für die Frauen, die unglücklicherweise in seinem Schlafzimmer landeten. Was eine Katastrophe.
Er hatte seine Hemdärmel hochgekrempelt, sodass man seine zugegeben muskulösen Unterarme sah, und sein Hemd spannte über seine Brust.
Vielleicht dachte er, ich würde nun einfach so schnell wie möglich an ihm vorbei huschen und das Weite suchen. Aber ich wusste, was ich wollte.
Unmittelbar vor seinem Pult blieb ich stehen.
„Hallo", sagte ich sanft und lächelte.
Zuerst regte er sich kaum und ließ lediglich seine blauen Augen todeslangsam hoch zu meinem Gesicht wandern, während er noch immer über sein Pult gebeugt stand, die breiten Arme an beiden Seiten abgestützt.
Dieser dunkle Blick könnte wirklich die Hölle zufrieren lassen.
Ich schenkte ihm ein furchtloses Lächeln.
Ehe ich mich versah, richtete er sich auf und ragte einen Kopf größer als ich über mir. Ich verfluchte es, nicht noch höhere Schuhe angezogen zu haben, aber normalerweise war ich größer als alle Männer in meinem Umfeld. Außer als Professor Colton.
Er sah monoton zu mir hinunter, mit einem feinen Zug von Missbilligung um seinen Mund.
Oh, lachte ich bitter in Gedanken, er war gut.
Ich hielt ihm meine Hand entgegen.
„Eve Winter", floss mein Name geschmeidig über meine Lippen.
Ohne eine Regung in seinem markanten Gesicht, sah er zu meiner ausgestreckten Hand und wieder hoch in mein Gesicht.
Die Luft war wie elektrisiert zwischen uns. Wenn ich wegsehen würde, würde es sich anfühlen, als hätte ich ein Duel um mein letztes bisschen Würde verloren.
Gott, Eve, deine Würde hatte nichts mit der Zustimmung dieses Arschloches zu tun.
Im letzten Moment ergriff Professor Colton meine Hand und ich unterdrückte es mir, nicht erleichtert aufzuatmen.
„Mein erster Eindruck war—", wollte ich fröhlich anfangen zu erklären, doch er unterbrach mich sofort.
Meine Hand, die er noch immer in seiner Hand hielt, drückte er plötzlich fest zu, als er sich vorlehnte und mir schroff ins Wort fiel.
„Miss Winter, wenn das hier ein primitiver Versuch sein sollte, meine Gunst zu gewinnen, indem Sie sich vor mir ausziehen, sollten Sie verstehen, dass ich Sie dafür durchfallen lassen würde.", raunte er mir kalt ins Ohr, sodass seine Lippen fast meinen Hals berührten.
Wie vom Stromschlag getroffen, ließ ich seine Hand fallen.
„Wie bitte?" erwiderte ich mit lauter, erzürnter Stimme.
Er lehnte sich komplett unberührt von meiner Empörung zurück, ehe sein Blick bedeutend langsam in meinen Ausschnitt wanderte.
What the fuck. Spinnte dieser Mann komplett?
Ehe ich selbst an mir hinuntersah, und realisierte, dass meine cremeweiße Bluse bis zur Mitte geöffnet war, Einblick bis zu einige Zentimeter unter meinen BH schenkte und damit perfekte Aussicht auf meine prallen Brüste.
Ich öffnete empört meinen Mund, konnte die unangenehme Röte meine Wangen hochklettern fühlen und drehte mich sofort um. Das konnte nicht wahr sein.
Mit hastigen Fingern versuchte ich meine Bluse zu schließen, doch scheiterte, als meine kribbelnden Fingerspitzen über eine Naht tasten, wo eigentlich ein Knopf sitzen sollte. Ich stöhnte innerlich.
Pragmatisch hielt ich die Öffnung meiner Bluse zu und drehte mich erneut empört um mit Feuer in meinem Blick.
„Falls Sie es nicht gesehen haben sollten, Professor Colton, der Knopf ist abgefallen und ich kann Ihnen versichern, dass ich es nicht nötig hätte, ihre Gunst mit irgendetwas anderem als meiner Arbeit zu gewinnen.", setzte ich ihm entgegen.
Doch vor ihm stehen sah er wahrscheinlich einfach nur eine junge Studentin, die zu spät zu seiner Vorlesung gekommen war, um auf sich aufmerksam zu machen, in hochhackigen Schuhen, einem Rock und einer Bluse, die kurz bevor sie vor ihm zu Stehen gekommen war, plötzlich um einiges mehr geöffnet war, während sie ihn sanft angelächelt hatte.
FUCK.
Fuck! Fuck!
„Am Rande dessen kann ich Ihnen mitteilen, dass ihre Anrede an mich vor allen Studenten unprofessionell, zynisch und ziellos war!", fügte ich hinzu, was ich ihm normalerweise niemals gesagt hätte, weil ich einschätzen konnte, mit wem ich es mir verspaßen durfte und wem nicht, doch diese ganze unangenehme Situation löste eine Kurzschlussreaktion in meinem Körper aus.
Ich atmete heftig.
Ich wartete auf seine Antwort. Ich lechzte nach seiner Antwort.
Aber während ich auf diese wartete und seine Bewegungen mit meinen Augen verfolgte, hatte er bereits sein letztes Dokument in seine Tasche gesteckt, sein dunkles Jacket angezogen und die Tasche um seine breite Schulter geschlungen.
Eisern sah er endlich zu mir nach unten und ich machte mich ein wenig größer, regte mein Kinn.
„Ihre exzentrisch emotionale Reaktion im Umgang mit mir hat soeben bewiesen, dass Sie anscheinend nicht dafür geeignet sind, als meine wissenschaftliche Assistentin zu arbeiten, Miss Winter. Wie bedauerlich.", kritisierte er mich gefühllos und umkehrte sein Pult, um einen Schritt an mich heranzutreten.
„Um präziser zu sein, stelle ich in Frage, ob Sie überhaupt mein Fach besuchen sollten, wenn Sie bereits die erste Vorlesung mit mir nicht vertragen haben.", fügte er mit gehobener Augenbraue an und trat so nah an mich heran, dass ich sein After Shave riechen konnte. So nah, dass ich meinen Kopf in den Nacken senkte und ihn unter zusammengezogenen Augenbrauen ansah.
Die Vorlesung, die ich nicht vertragen hatte? Ich?
„Ein erwachsener Mann, der sich dermaßen auf Pünktlichkeit festsetzt, ist notorisch, kontrollbesessen und ein ungezügelter Zyniker.", kritisierte ich zurück.
Für einen kurzen, hitzigen Moment dachte ich, er würde mir noch näherkommen. Ich hielt meinen schnellen Atem an, aber Mr. Colton drehte auf Anhieb um, sodass ich nur noch sein breites Kreuz sah und verließ gelassenen Schrittes den Saal.
Mit einer gefühlten Unantastbarkeit.
Arroganz.
Wie als hätte er ein Vorrecht in dieser Welt.
„Und übrigens", setzte er diesmal nicht mit einer kalten, gefühllosen Stimme nach, sondern dunkel, listig, und gefährlich langsam, „die meisten Menschen würden ihre Emotionalität gegenüber ihrem Professor viel mehr als unprofessionell ansehen, als meine Anrede an Sie, Miss Winter."
Die schwere Holztür fiel hinter ihm zu.
Und ich blieb in diesem riesigen, menschenleeren Saal zurück, atemlos. Eine Hand festgeklammert um den lasziven Ausschnitt meiner Bluse und einer handvoll tiefer, erniedrigender Scham.
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