Kapitel 1
Francesca zog ihren Mantel fester um sich und starrte auf den Bildschirm vor ihr. Die Kameras zeigten nichts Außergewöhnliches – alles schien ruhig. Dann hörte sie Schritte. Ben dachte sie. Sie drehte sich um und starrte in die Dunkelheit.
„Wer ist da?", fragte sie, obwohl sie wusste, dass es er war. Sie Sie kannte seine Schritte. Seit vier Jahren lauschte sie in die Dunkelheit und das einzige, was sie hörte, waren Bens Schritte. Gleichmäßig und ein wenig hektisch zu Anfang der Schicht. Langsamer und mit leichtem Schlurfen zum Ende.
„Du weißt ganz genau, dass ich es bin", antwortete Ben mit einem Schmunzeln.
„Pünktlich wie immer", murmelte sie und seufzte. „Es ist schon spät, Ben. Ich friere hier zu Tode. Ich bin so froh, dass wir gleich Feierabend haben." Sie zog die Beine an und sah aus wie ein kleiner Gnom auf dem Drehstuhl.
Ben setzte sich neben sie. „Hast du irgendwas Aufregendes gesehen?"
„Alles ruhig. Keine Bewegung auf den Kameras. Kein Alarm", antwortete sie. „Es war tatsächlich ziemlich langweilig. Aber irgendwie... fühle ich mich nicht gut. Vielleicht ist es die Kälte."
Ben nickte und zog sein Tablet aus seiner Tasche. „Ich will auch endlich in mein Bett. Wenn du Daniel und Marc auf den Monitoren siehst, sag ihnen, sie sollen sich beeilen."
Kaum hatte er das gesagt, kamen die beiden um die Ecke. „Na mein Freund, willst du schon wieder faulenzen?", fragte Daniel und klopfte Ben auf die Schulter.
„So wird man kein Mitarbeiter der des Monats.", fügte Marc hinzu und grinste.
„Gute Nacht, Francesca", sagte Marc. „Alles gut bei dir?"
„Ja, aber ich bin froh, dass ich jetzt Feierabend machen kann. Es passiert ja eh nix und so langsam werde ich verrückt beim Starren auf die immer dunklen Monitore. Gute Nacht!" Sie streckte ihre Beine unter ihrem Mantel hervor und schob den Stuhl mit einem Ruck nach hinten. Eben noch hundemüde hüpfte die kleine Mexikanerin jetzt mit neu gewonnener Lebenskraft auf und Marc setzte sich an ihren Platz. „Was ist eigentlich mit diesem komischen Ding? Hast du es wieder gesehen?" Noch bevor Francesca antworten konnte, kam von Ben ein leises: „Noch nicht", während er sich neben Daniel setzte. „Ich hab es zumindest nicht gesehen." Francesca hob ebenfalls die Schultern und sagte: „Ich habe heute Nacht auch nichts gesehen." Mit den Worten drehte sie sich winkend um und verließ den kleinen Wachraum, der das Sicherheitsnetz des gesamten Unternehmens beherbergte. Und das war ein ausgeklügeltes Netz.
„Daniel sagt, es sei nur eine Einbildung", fuhr Marc fort. „Er glaubt nicht an das, was wir in den letzten Nächten gesehen haben. Deswegen hab ich ihn hierher geholt. Damit er mit uns zusammen die Kameras im Auge behält."
Daniel rollte mit den Augen. „Pah, das ist doch alles Unsinn", murmelte er, als er auf den Bildschirm starrte. Diese gaben nur die immer gleichen Standbilder her. Auch die kleinen roten Lämpchen unten an den Bildschirmen, die auf Bewegung hindeuteten blieben dunkel. Da war nichts. Niemand traute sich auf dieses Gelände, der noch halbwegs bei Verstand war. Und selbst wenn ein Verrückter Fanatiker sich hier hin trauen sollte, es gab so viele Sicherheitsmaßnahmen auf dem Gelände, er käme nicht einmal über den zweiten Ring.
Die Sicherheitsmaßnahmen auf dem Gelände waren so ausgeklügelt, dass selbst die besten Hacker der Branche ins Grübeln kommen würden. Das Gelände war in mehrere Ringe unterteilt, jeder mit eigenen Sicherheitsvorkehrungen. Der erste Ring war das äußere Gelände, umgeben von hohen Zäunen und schwenkbaren Kameras, die jede Bewegung registrierten. Schon hier wurden Fahrzeuge durch automatische Schilder und Scanner überprüft, und Fußgänger mussten ihre Ausweise mit biometrischen Daten abgleichen, bevor sie Zutritt erhielten. Der zweite Ring war der kritischste, denn er beinhaltete die eigentlichen Gebäude. Hier wachten Wachen, die in ständiger Kommunikation mit den Sicherheitszentralen standen, und jede Tür, jedes Fenster und jeder Zugangspunkt war mit Bewegungssensoren und Alarmanlagen ausgestattet. Wer es bis hierher geschafft hatte, musste die Identifikation und einen umfangreichen Hintergrundcheck bestehen. Der dritte Ring schließlich war das Hochsicherheitsgebiet – der Bereich, in dem sich die Forschungslabore, Serverräume und sensiblen Daten befanden. Selbst für die Top-Mitarbeiter gab es Bereiche, die sie nur mit speziellen Freigaben betreten durften. Und selbst wenn jemand es durch all diese Ringe schaffen sollte – die Drohnen und Wärmebildkameras, die kontinuierlich das Gelände überwachten, machten einen unauffälligen Zugang beinahe unmöglich. Kein Verrückter, keine Intrige und kein Versehen konnte den dichten Sicherheitsmechanismus durchdringen. Das Gelände war ein Fort – ein digitaler Albtraum, in dem keine unbefugte Person einen Fuß setzen konnte.
„Du kannst uns ruhig glauben, Daniel", sagte Ben ernst. „Ich schwöre, ich hab es gesehen. Jeden Abend."
Gerade als Daniel antworten wollte, flackerte das Lämpchen eines Bildschirms auf und zeigte eine Bewegung in einem Bereich des Geländes, der normalerweise leer war. Alle starrten gebannt auf den Monitor.
„Schau, da!", rief Marc. „Es ist wieder da!"
Auf dem Bildschirm war nur eine vage Silhouette zu erkennen, die sich langsam über das Gelände bewegte. Die Kamera fängte die Bewegung nur in kurzen, flimmernden Momenten ein, als ob das Bild in der Dunkelheit verschwimmen wollte. Es war schwer, klare Details zu erkennen, doch das, was sichtbar war, erinnerte stark an die Form eines Menschen – groß, aufrecht, und in einer Haltung, die irgendwie vertraut wirkte. Der Körper wirkte in den Schatten fast geisterhaft, doch seine Präsenz schien den Raum zu füllen, als ob er mit der Umgebung verschmolz. Die Bewegungen, zu langsam, zu bedacht, erinnerten an jemanden, der wusste, dass er überwacht wurde. Ein kaltes Schaudern lief Ben den Rücken hinunter. Es war wie ein flimmerndes Abbild, das sich von der Realität ablöste. Doch dann war es wieder verschwunden, bevor sie wirklich glauben konnten, was sie gerade gesehen hatten.
„Es sieht aus wie der CEO", sagte Ben mit gesenktem Kopf. „Er ist weg, aber irgendwie fühlt es sich an, als ob er immer noch hier ist."
„Das ist kein Zufall", sagte Marc. „Es hat etwas mit ihm zu tun. Irgendwas stimmt hier nicht."
„Kannst du mit ihr reden, Daniel?" Ben nickte zu dem Bildschirm. „Du bist doch der Experte."
Daniel seufzte und beugte sich nach vorne, als ob er versuchte, aus der Dunkelheit auf dem Bildschirm etwas zu lesen. „Wer sind Sie? Was wollen Sie hier?", murmelte er in das Mikrofon. „Identifizieren Sie sich!"
Doch es blieb still. Kein Ton. Nur die Kameras, die auf einen leeren Bereich des Geländes starrten.
„Es bewegt sich, aber es antwortet nicht", sagte Marcellus und stand auf. „Was bedeutet das?"
„Es ist genauso wie der CEO", sagte Ben, als er auf den Bildschirm starrte. „Dieser Ort, dieses Unternehmen... es wird von seiner Präsenz beherrscht. Auch wenn er nicht mehr hier ist."
„Ich glaube nicht, dass das Zufall ist", sagte Daniel, als er die Augen verengte. „Da steckt mehr dahinter. Vielleicht sollten wir seine Tochter informieren. Der Geist – oder was auch immer das ist – hier stimmt etwas nicht und sie sollte das wissen."
„Du hast Recht", sagte Marc. „Wir müssen ihr alles erzählen. Wir können es nicht einfach ignorieren. Wir wissen nicht, was das bedeutet."
Ben nickte nachdenklich. „Wir sollten ihr alles zeigen. Sie muss wissen, was hier passiert. Das hier... ist nicht normal."
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