8. Kapitel
Der Himmel hatte sich bereits verdunkelt und eine Brise wiegte die Baumwipfel des verbotenen Waldes sanft vor dem klaren Himmelszelt. Ich strich mir eine Strähne meines Haares aus dem Gesicht, die sich dorthin verirrt hatte. Obwohl es ein warmer Herbstabend war, fröstelte ich und mein Magen fühlte sich seltsam verknotet an. Ich hatte meinen Besen, den ich zuvor aus meinem Schlafsaal geholt hatte, unter meinen Arm geklemmt und stapfte in Richtung des hell erleuchteten Quidditchfeldes. Ich war nervös. Verdammt nervös. Was war, wenn ich Olivia enttäuschte? Wenn mich die anderen aus dem Team nicht mögen würden? Wobei, das wäre keine allzu große Überraschung... Aber wenn ich mich komplett blamieren würde? Angespannt stieß ich einen Schwall Luft aus. Ganz ruhig. Mach dir keine Gedanken. Du schaffst das schon. Beinahe hätte ich bei meinem letzten Gedanken spöttisch aufgelacht. Du schaffst das schon. Das war ein Witz bezogen auf mich. Ich war schließlich der Loser schlechthin. Ich schüttelte den Kopf, um sämtliche Gedanken aus ihm zu vertreiben. Das war eindeutig ein besserer Plan. Augen zu und durch. Sich von nichts ablenken lassen. In meinen Gedanken versunken hatte ich garnicht wahrgenommen, dass ich bereits am Feld angekommen war. Als ich auf einer der Umkleiden das Wappen meines Hauses bemerkte, lief ich zu dieser – schließlich konnte ich mir denken, dass das die richtige sein musste.
Drinnen wurde ich von einer strahlenden Olivia begrüßt. „Jane! Wie schön, dass du schon da bist! Diese Pünktlichkeit ist beim Rest vom Team deutlich nicht vorhanden..." Sie seufzte dramatisch, doch an ihrem schelmischen Grinsen konnte ich erkennen, dass es sie nicht wirklich störte. „Setz dich einfach irgendwo auf eine der Bänke, ich stelle dich den anderen vor, sobald sie da sind." Sie verschwand in einem Raum, der die Aufschrift „Kapitän" trug. Doch keine Minute später flog diese Tür wieder auf. „Das hätte ich beinahe vergessen! Hier." Sie warf mir ein gelbes Bündel zu, das ich beim Auseinanderfalten als eine Mannschaftsuniform identifizieren konnte. „Ich habe schon den Namen auf dem Rücken geändert. Wenn sie nicht ganz passt, gib mir einfach Bescheid, dann passe ich sie an." Sie schenkte mir ein weiteres ihrer strahlenden Lächeln und erneut flog die Tür hinter ihr zu. Als die Tür zu Olivias Raum das nächste Mal aufging, befanden sich fünf weitere Hufflepuffschüler in der Umkleide und ich hatte bereits meine wie angegossen passende Quidditchuniform angezogen. Sobald unsere Kapitänin den Raum betrat, verstummten sofort die Gespräche. Olivia blickte lächelnd in die Runde. „Willkommen zurück! Ich hoffe, ihr hattet angenehme Ferien und seid trotzdem nicht eingerostet! Wir wollen die anderen dieses Jahr schließlich platt machen!" Der Rest vom Team, einschließlich mir, jubelte zustimmend. Olivia wartete kurz, bis wir wieder ruhig waren. „Außerdem ist euch vielleicht aufgefallen, dass Zoey nicht hier ist und sich stattdessen ein unbekanntes Gesicht unter uns befindet. Zoey hat beschlossen, aus dem Team auszutreten, um sich auf ihre UTZs konzentrieren zu können. Deswegen wird Jane Dumbledore ihre Position übernehmen. Die Vorstellungsrunde machen wir nach dem Training. Noch Fragen?" Sie warf einen prüfenden Blick in die Runde, doch als niemand seine Stimme erhob, nickte sie zufrieden. „Dann los!"
Es war ein großartiges Gefühl, in einem Quidditchteam zu spielen. Ein unglaublich großartiges Gefühl. Ich verstand mich mit all meinen Teamkollegen gut und ich hatte einfach nur Spaß. Olivia war ein rücksichtsvoller und doch sehr anspruchsvoller Kapitän, was eine perfekte Mischung war. Nachdem wir einige Zeit lang ein paar einfachere Formationen geübt hatten, um rein zu kommen, rief Olivia uns zusammen. „Das habt ihr gut gemacht, ihr alle! John, achte bei deinen Würfen ein wenig darauf, dass du dir deinen leichten Linksdrall abtrainierst." Mit einem Blick auf mich deutete sie auf einen der beiden Jungen, die mit mir Jäger waren. Er winkte mir kurz zu, bevor er sich wieder Olivia zuwandte und nickte. „Mach ich", erwiderte er und fuhr sich mit einer lässigen Geste durch seine braun-blonden Haare. Die Blondine wandte sich dem anderen Jäger zu. „Jasper, pass auf, dass du dich nicht wieder von den Vögeln ablenken lässt, das hast du letztes Jahr wirklich gut in den Griff bekommen!" Der angesprochene dunkelhäutige Junge mit silbergrauen Drahtlocks nickte und entblößte gerade, weiße Zähne, von denen ihm allerdings ein Eckzahn am Unterkiefer fehlte. Als nächstes drehte sich sie sich zu mir. „Jane, du musst, wenn es geht, deine Muskeln im linken Arm trainieren, damit du auch diesen notfalls als Wurfarm benutzen kannst." Ich nickte leicht lächelnd. Mir war selbst aufgefallen, dass ich links schwächelte. Olivia drehte sich zu unserer Hüterin, eine groß gewachsene und kräftige Brünette, die in meinen Augen eine Naturschönheit war. „Dora, arbeite noch mehr an deinem Gleichgewicht. Wenn es nicht windstill ist, bist du manchmal ein wenig wackelig." „Mach ich", erwiderte die Angesprochene mit einem fröhlichen Lächeln. „Cara, lass dich von uns nicht ablenken. Wir machen alles, um dich zu decken, wenn du den Schnatz gesichtet hast, meine Anweisungen sind an die anderen gerichtet, damit wir dich unterstützen können." Die Blondine nickte seufzend und biss sich auf die Lippe. Sie wippte auf ihren Ballen auf und ab, wodurch ihr einige Strähnen ihres kurzen Haares ins Gesicht fielen. Als letztes wandte sich Olivia an ihren Mitreiber, auf den das Sprichwort „Klein aber oho" eindeutig zutraf. „Mitch, passe mir den Klatscher nur dann zu, wenn ich vorbereitet bin!" Sie sah ihn grinsend an und ihre Augen blitzen fröhlich. Dieser streckte ihr allerdings nur mit einem frechen Grinsen auf den Lippen die Zunge raus, woraufhin unsere Kapitänin ihn in die Seite knuffte. „Das Training ist hiermit beendet. Wir treffen uns wie letztes Jahr jeden Montag und Mittwoch nach dem Abendessen und am Sonntag nach dem Mittagessen. Versucht also bis nächsten Sonntag das eben angesprochene zu verbessern. Und denkt daran, in zwei Wochen spielen wir gegen Gryffindor!" Mit diesen Worten entließ sie uns. Ich blieb stehen, während die anderen bis auf unsere Sucherin zur Umkleide zurück liefen. „Soll ich auf dich warten?", fragte mich die schmale Blondine. Ich schüttelte den Kopf. „Ich trainiere noch ein bisschen, geh einfach schon mal", erwiderte ich und schwang mein rechtes Bein wieder über den Besenstiel. Cara lächelte mir noch einmal zu, bevor sie unseren Teamkameraden folgte.
Ich stieß mich vom Boden ab. Gierig sog ich die kühle Nachtluft ein. Sie half mir, an nichts zu denken. Vor allem nicht an das schwarze, schwere Etwas, das mein Magen war. Eine Böe zerzauste meine Haare, die ich vor dem Training in einen ordentlichen Dutt zusammengebunden hatte – der jetzt wahrscheinlich alles andere als ordentlich war. Doch es störte mich nicht. Ich war schließlich alleine. Der Mond tauchte die hoch gewachsenen Wipfel des verbotenen Waldes in ein mystisches, silbriges Licht. Ich schloss kurz die Augen. Ein entspanntes Lächeln lag auf meinen Lippen. „Was machst du denn noch hier?" Eine Stimme direkt neben meinem linken Ohr ließ mich heftig zusammenzucken, sodass ich fast mein Gleichgewicht verlor.
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