Zimtsterne zum Verlieben (7/10)
Weihnachten war die Zeit der Wunder. Drei Wochen vergingen wie im Flug. Drei wundervolle Wochen voller Magie und Herzflattern, in denen sie nur Augen für eine bestimmte Person gehabt hatte.
Doch die Realität war auch noch da - sie traf Vienne wie ein harter Schlag ins Gesicht, der sie von Wolke sieben direkt in einen inneren Schneesturm katapultierte.
"Nein, nein, nein!"
Die junge Frau fuhr sich verzweifelt durch die Haare und ignorierte die Tatsache, dass sie ihre sorgsam eingedrehten Locken zerstörte. Ihre Finger krallten sich in das Papier, ihr Blick war wie eingefroren auf fett gedruckte Zahl fixiert.
"Wie konnte ich das nur vergessen?"
Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, kannte sie die Antwort. Sie erinnerte sich zu gut an die endlosen Stunden, in denen sie sich über ihrem Finanzplan gequält hatte. Als Bäckerin war sie eine Unternehmerin. Doch Vienne hatte ihren Plan aus dem Fenster geworfen, um nach dem Prinzip "Aus den Augen, aus dem Sinn - wird schon gutgehen!" eine ruhige Weihnachtszeit zu haben.
Das hatte sie davon. Die rote Zahl der Mahnung sah sie so vorwurfsvoll an, wie eine Zahl auf einem Papier jemanden ansehen konnte. Die Kosten für die betriebliche Versicherung waren bereits vor Tagen fällig gewesen.
Zitternd nahm Vienne den nächsten Brief vom Stapel, der sich schon die ganze Woche dort auftürmte, wie platt gemachte Träume. Es war eine weitere Zahlungserinnerung, dieses Mal ein Gebührenbescheid von der Stadt. Weil sie in letzter Zeit zu abgelenkt gewesen war und die Briefe ignoriert hatte, stand auch diese Fälligkeit schon fast gruselig nah vor ihr, wie ein Eismonster mit scharfen Krallen.
Vienne schluckte schwer. Sie hatte Angst, den nächsten Brief zu öffnen. Als sie sich endlich dazu überwand, wurde das Monster nur noch größer. Es drohte sie zu überwältigen und zu zerquetschen.
Kraftlos sank Vienne zu Boden. Aus den Augen, aus dem Sinn ... und blind mit voller Kraft gegen die Wand.
Sie vergrub ihren Kopf in den Händen und atmete tief durch. "Ganz ruhig, Vienne ... Dezember ist ein guter Monat. Ich ... mache einfach einen neuen Plan, um zu sehen, wo ich stehe. Es ist bestimmt nicht so schlimm, wie es aussieht."
Es war sogar noch schlimmer, als es aussah. Zwei Stunden später hatte Vienne die schmerzhafte Gewissheit. Den fertigen Finanzplan zu halten, fühlte sich ungefähr so an, als hätte sie ein Blech ohne Handschuhe aus dem Ofen genommen. Die Fixkosten waren größtenteils gedeckt - so gut hatte sie kalkuliert - aber extra Gebühren und einmalige Zahlungen aufgrund der Eröffnung hatte sie vergessen. Vienne fehlten knapp zweitausend Euro - bis nächste Woche.
Die Angst kam wie eine Welle, die drohte, sie zu ersticken. Es war die Angst vor der Zukunft und vor gescheiterten Träumen. Vienne schnappte panisch nach Luft und klammerte sich an die Tischkante. Sie hatte die Bäckerei so sehr gewollt. Es war ihr Lebenstraum, doch nun ...
Geschlagen blieb sie auf dem Stuhl sitzen, während die Sonne unterging und alle Freude mit sich nahm. Sie blieb allein in der Dunkelheit zurück.
Irgendwann zündete Vienne eine Kerze an und starrte stumm ins Licht. Das Feuer flackerte und je größer es wurde, desto mehr spürte sie auch eine Regung tief in sich. Der erloschene Funken der Leidenschaft wachte auf. Es musste einen Weg geben! Sie würde nicht wegen fünf Rechnungen das Handtuch werfen, erst recht nicht so kurz vor Weihnachten!
Vienne erhob sich mit neu gewonnener Kraft.
In dem Moment klingelte ihr Handy. Davids strahlendes Lächeln leuchtete ihr in der Dunkelheit entgegen.
Doch sie durfte sich keine Ablenkung leisten. Nicht jetzt. Ihr rannte die Zeit davon. Es gab nur eine Sache, die wichtig war: Geld verdienen. Zuerst musste sie alle Rechnungen begleichen. Dann musste sie die Lohnkosten für ihre Angestellten zurücklegen, damit diese einen warmen Weihnachtsbraten auf dem Tisch und Geschenke unter dem Baum haben würden. Hier ging es um mehr als nur Geld. Es ging um Leben - für die Leute, die sich auf sie verließen, und für Vienne selbst.
Viennes Herz klopfte so schnell, dass es drohte, sie zu ersticken, als sie Davids Anruf ablehnte. Sie schaltete ihr Handy stumm und warf es in die Schublade.
"Genug Ablenkung. Fokus, Vienne", ermahnte sie sich.
Jetzt gab es nur noch sie und den Ofen. Sie musste Zimtsterne backen gehen.
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