#23. Bekanntgewordenes Geheimnis
Am nächsten Morgen war etwas anders. Nein, nicht nur etwas, sondern alles.
Hermine war glücklich, die schwarze Leere kleiner, als sie Flourish & Blotts zur geplanten Öffnungszeit betrat. Stille lag zwischen den Regalen, aber sie hörte jemanden im Hinterzimmer, also wollte sie sich bemerkbar machen.
„Guten Morgen! Theodore? Auberlin?", rief sie durch die Verkaufsräume, machte sich daran ihren Umhang zu öffnen. Sie kam an der Tür an und Theodore erschien mit versteinerter Miene. „Oh. Hey, hast du schon die Abrechnung von gestern gesehen? Wir haben mehr Umsatz als sonst zu dieser Zeit gemacht."
„Ja, habe ich gesehen.", antwortete er karg. So kannte sie ihn normalerweise nicht. „Geht es dir gut?"
Was sollte diese Frage? Er hatte sie merkwürdig lauernd gestellt.
„Ja. Wieso?"
„Deshalb.", sagte er, zog Dracos Taschentuch hervor und hielt es ihr entgegen. „Du hast geweint. Was hat er getan?"
„Ich... nichts.", ausweichend drängte sie sich an ihm vorbei, hing ihren Umhang auf und stellte ihre Tasche ab.
„Warum lag es dann hier?"
„Was willst du eigentlich? Du hattest doch eine Affäre mit ihm.", warf sie ihm barsch vor. Er hatte sich zu ihr umgewandt und starrte sie ausdruckslos an.
„Und was macht er dann hier? Ich habe dir gesagt, wie hart es für mich war das zu beenden. Wieso gibst du dich mit ihm ab?"
„Na hör mal. Mit wem ich mich treffe ist immer noch meine Sache.", perplex erwiderte sie seinen Blick, riss ihm schließlich das Taschentuch aus der Hand.
„Was ist aus wir sprechen über alles geworden?", dann ballte er seine Hände zu Fäusten. „Warum tust du mir das an? Ich habe dir gesagt, dass ich es nicht ertragen würde."
„Und ich bin trotzdem ein freier Mensch. Du bist in einer glücklichen Beziehung mit ... irgendwem. Glaube ich. Und ich frage dich doch auch nicht darüber aus.", trotzig verschränkte sie ihre Arme vor der Brust. Sie hatte es in Betracht gezogen, dass er es nicht gut finden würde. Und sie hatte es zu Beginn bedacht, wollte ihn eigentlich nicht derart hintergehen, aber hatte er das nicht auch mit ihr getan?
„Ja, ich habe eine Beziehung. Und wenn du mich danach gefragt hättest, hätte ich dir davon erzählt.", er lehnte sich gegen den Schreibtisch. „Ich will wissen was du mit ihm hast. Wenn du mir nicht die Wahrheit sagen kannst, sollten wir vielleicht auch nicht befreundet sein. Ich meine, was bringt es denn dann noch?"
Unwillkürlich traten Tränen in ihre Augen. Er war ihr wichtig, sehr sogar. Dass sie so nah am Wasser gebaut war kannte sie schon lang nicht mehr von sich. Sie musste diese Freundschaft retten!
„Theo... ich war auch verletzt, als ich von dir und ihm erfahren habe. Ich habe mich hintergangen gefühlt, weil du etwas mit einem Mann hattest, der mich früher beleidigte.", sie schluckte. „Draco hat... keine Ahnung, was er eigentlich vorhatte. Er hat mich oft besucht, mich provoziert und ich habe zurückgeschossen. Wie es schon immer war. Aber es war... irgendwann ist es gekippt. Es war mehr Spaß als Ernst. Und dann... war es aufregend. Ich habe es so sehr vermisst, jemanden zu haben, der mich auf diese Weise berührt und mir das Gefühl gibt... schön zu sein. Und begehrt.", zum ersten Mal gestand sie es sich ein. Zu Beginn war es nicht um seinetwillen, sondern weil sie diese Abenteuer wollte, die er ihr anbot. „Ja, er hat mir vorgeschlagen ihn abends in seinem Laden zu besuchen.", Theodores Kiefer waren fest aufeinandergepresst. „Nachdem du gegangen bist, an diesem Abend... ist noch mehr passiert. Ich habe gelogen."
„Warum?", er sah zutiefst verletzt aus. Noch nie hatte er sie so angesehen und es zerfetzte sie innerlich in Stücke.
„Es war doch gerade erst mit euch vorbei. Ich wollte es dir nicht sagen, weil ich dachte, es würde alles schlimmer machen und ich würde dich komplett verlieren.", erklärte sie kleinlaut. „Außerdem gab es zu diesem Zeitpunkt noch nichts zu sagen, es war nur ein Zwischenfall gewesen. Auf den weitere Zwischenfälle folgten, aber... versteh mich doch! Wir haben uns nur dafür getroffen und kein großes Ding daraus gemacht. Er wollte mich nicht mal küssen!"
„Nach allem, über das wir gesprochen haben, bist du wirklich die Letzte, von der ich das gedacht hätte. So wie du über ihn geredet hast und wie sauer du warst, als du von ihm und mir erfahren hast..."
Sie fühlte sich so schrecklich. Sie wollte dieses Gespräch nicht führen und trotzdem wollte sie ihn nicht einfach verlieren.
„Es tut mir leid! Ich würde es rückgängig machen, wenn ich könnte. Aber jetzt ist es zu spät.", flehend sah sie ihn an.
„Warum nicht? Du könntest einfach zu ihm gehen und sagen, dass du es nicht mehr fortführen kannst. Wenn er dich nicht küssen will, bist du sowieso nur ein Trostpflaster. Normalerweise küsst er einfach jeden, mit dem er etwas anfängt.", er machte eine wegwerfende Handbewegung, seine Worte hatten verbittert geklungen.
„Wir haben uns inzwischen geküsst.", erwiderte sie leise. „Theo, es ist anders geworden."
„Das denkst du doch nur, weil du es dir einbildest! Draco ist kein ehrlicher Mann, er benutzt dich nur! Sieh doch ein, dass du nur eine weitere Kerbe in seinem Bettpfosten bist!", wetterte er plötzlich.
„Nur weil es bei dir so war, muss es nicht bei mir genauso sein!", und das hätte sie nicht sagen dürfen. Theodore presste seine Lippen aufeinander und nickte.
„Fein. Wenn du der Meinung bist, dann ist es so. So ist es doch immer. Draco hat mal zu mir gesagt, dass du dich moralisch über alle anderen stellst und ich habe ihm widersprochen. Aber jetzt sieht das ein bisschen anders aus.", schloss er, drehte sich um und verließ das Büro.
Hinter der geschlossenen Tür fühlte sich Hermine, als hätte ihr jemand das Herz herausgerissen. Sie musste handeln, und zwar jetzt.
>*<
Draco war an diesem Tag so, als könnte er die ganze Welt umarmen. Immer wieder grinste er vor sich hin, sogar Ernie fragte ihn, was mit ihm los war, aber er hatte nur gelacht und mit dem Kopf geschüttelt.
Er wusste ehrlich nicht, was ihm eine so gute Stimmung bescherte, aber die Farben des Winters waren nicht mehr hässlich, sondern leuchtend und fröhlich. Malfoy Manor wurde abgerissen und er konnte endlich damit abschließen. Und er hatte sie geküsst. So richtig.
Sein Plan für die nächsten Wochen war klar, er würde ein Abrissunternehmen beauftragen, den Zauber auf Broomania lösen und mehr Zeit mit Hermine verbringen. Das Bedürfnis jemandem abseits von körperlichen Belangen Nahe zu sein, beschwingte ihn auf revolutionäre Art.
Kurz vor der Mittagspause erschien sie in der Ladentür, sein Herz machte einen Sprung, aber ihr Anblick war besorgniserregend. Aufgeregt sah sie sich um, ihre Hände nestelten an ihren Kleidern herum. Ernie ignorierend kam sie auf Draco zu, der an einem Regal stand und den Bestand zählte. Ohne Umschweife legte er die Liste ab und richtete seine Aufmerksamkeit auf sie.
„Was ist los?"
„Kann ich mit dir reden?", fragte sie, warf einen Seitenblick auf Ernie.
„Ernie es ist Pause, willst du-"
„Schon gut, ich verschwinde. Offensichtlich habt ihr was zu klären.", er lachte amüsiert, legte seine Schreibutensilien ab. „Ich komme in einer Stunde zurück. Falls du mich brauchst, ich esse im tropfenden Kessel zu Mittag."
„Alles klar, danke Ernie.", bestätigte Draco. Dann warteten sie, bis er sich verabschiedet hatte und gegangen war.
„Draco, ich weiß nicht was ich tun soll.", jammerte sie, griff haltsuchend nach seinen Händen. Ihre fühlten sich kalt an.
„Was ist denn passiert?", beruhigend begleitete er sie zum Sofa, worauf sie sich fallen ließen. Hermine drehte sich halb zu ihm, verschränkte ihre Finger auf ihrem Schoß.
„Theodore weiß es. Und er ist so sauer auf mich.", entkräftet sackten ihre Schultern ein wenig nach vorn. „Er hat gesagt... du würdest... mich nur ausnutzen und wenn ich ihm nicht glaube, dann ist das mein Problem."
Er wusste vor Schreck nicht, was er dazu sagen sollte. Generell nutzte er niemanden aus, weil es ihm Spaß machte. Was konnte er denn dafür, wenn er für Theodore keine tieferen Gefühle hegte?
„Ist er sauer, weil es mit uns nicht funktioniert hat?", argwöhnisch hob er eine Augenbraue, worauf sie nickte.
„Er wollte, dass ich ihm die Wahrheit über uns sage. Er hat dein Taschentuch auf meinem Schreibtisch gefunden und na ja... das ist ziemlich eindeutig zuzuordnen, weil deine Initialen draufgestickt sind."
„Hast du es ihm denn erzählt?", er musterte ununterbrochen ihr niedergeschlagenes Abbild. Und es berührte ihn.
„Ja. Er wollte mich davon überzeugen, wie schlecht du für mich bist. Dass ich zu dir gehe und es einfach beende, aber als ich erzählt habe, dass es zu spät ist und wir uns geküsst haben... oh Merlin, er ist so verletzt. Ich weiß nicht, was ich zu ihm sagen kann, wahrscheinlich macht es alles nur schlimmer."
„Bist du denn der Meinung, dass ich gut für dich bin?", damit hatte sie seine Hellhörigkeit angesprochen. Irgendwann am Anfang waren sie sich einig gewesen, dass es jedermanns Leben nur negativ beeinflussen konnte. Voller Inbrunst hatte sie das gesagt und er hatte es geglaubt, ihr sogar zugestimmt.
„Es fühlt sich gut an, bei dir zu sein. Ist das nicht alles, was zählt?", fragte sie und sah ihn an. Er wollte sie schon wieder küssen, für diese Worte, die sie ihm schenkte.
Komischerweise empfand er es so, als wäre er dafür verantwortlich, ihr zu helfen: „Soll ich mit ihm reden?"
„Was willst du ihm denn sagen?"
„Ich werde ihm das Richtige sagen. Er soll sich nicht so anstellen.", sprach er, erhob sich und reichte ihr seine Hand, um ihr aufzuhelfen.
Gemeinsam betraten sie die Buchhandlung, Theodore saß an der Kasse und blätterte in der Zeitung herum.
„Nott!", der Angesprochene zuckte zusammen, sah auf und verzog seinen Mund. „Wir reden."
„Ich werde nie wieder auch nur eine Silbe mit dir wechseln.", gab er pampig zurück. Draco ließ sich jedoch nicht dazwischenfunken.
„Das kannst du vergessen. Wir werden das jetzt klären.", damit ging er ihm voraus zum Mitarbeiterbüro, hielt die Tür offen und winkte Theodore hinein, der sich nur widerwillig erhob, ihm aber folgte.
>*<
Hermine wartete in der Leseecke. Stumm hielt sie ein Buch in der Hand, wartete darauf, dass das Gespräch endete, von dem sie nur leise Fetzen hören konnte. Theodore schien sich zuerst gewehrt zu haben, aber später hörte sie lediglich das unverkennbare Brummen von Draco. Sie hoffte wirklich, dass er es geradebiegen konnte, aber sie wurde es nicht los, dass sie Theodore gewissermaßen verpetzt hatte. Aber wenn er ihr nicht glaubte, dann vielleicht Draco?
Die Tür öffnete sich, Theo verließ das Büro wie ein getretener Hund und kam ihr gegenüber zum Stehen.
„Was sollst du sagen?", Draco sah ihn abwartend an, mit verschränkten Armen und geradem Kreuz. Das musste ihm schwerfallen, normalerweise hatte er die Haltung eines Fragezeichens.
„Tut mir leid Hermine.", murmelte er, sah sie von unten her an. Obwohl es nur wenige Worte waren, schien es ihm schwerzufallen, sie auszusprechen.
„Meinst du das auch so?", fragte sie, prüfte sein Gesicht auf Hinweise für das Gegenteil, aber sie fand keine.
„Ja. Ich habe zu schnell geurteilt. Und wir sind Freunde, oder nicht? Freunde sollten sich verzeihen.", fuhr er fort, worauf sie das Buch weglegte, sich erleichtert erhob und ihn fest in ihre Arme schloss. Er legte seine ebenfalls um ihre Schultern und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. „Ich hätte fast alles zerstört, das wir in den letzten Jahren aufgebaut haben.", wisperte er in ihr Ohr.
„Ich habe keine Ahnung, was Draco dir gesagt hat, aber ich hoffe, er ist ohne Drohungen ausgekommen.", sie sah Draco an, worauf er sachte mit dem Kopf schüttelte und sie sich gegenseitig anlächelten.
„Ich gehe wieder, wir öffnen in zehn Minuten und ich muss vorher essen.", kündigte der Blonde an, winkte Hermine, die sich noch immer in Theodores Umarmung befand.
~*~
A.N.: Ich warne euch hiermit vor; die nächsten drei Kapitel werden lang, denn es gibt noch ein bisschen was zu erzählen, haha. Immerhin ist bald Weihnachten.
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