)Prolog(
Rauch. Überall grauer, rußiger Rauch, der ihr den Atem nahm.
Feuer. Das größte Feuer, das sie je gesehen hatte. Das, welches nun in ihrer Schule wütete und in dem sie gefangen war.
Ausatmen, einatmen, ausatmen, einatmen. Immer mehr giftiger Rauch bahnte sich seinen Weg in ihre Lungen. Bei einem weiteren, verzweifelten Versuch die von der Decke gestürzte Lampenkonstruktion von ihrem Körper zu heben, färbten sich ihre Finger plötzlich rot. Rot von Blut. Ihrem Blut. Es sickerte aus einer feinen Wunde an ihrer rechten Brust, in der ein Teil des abgebrochenen Trägers steckte.
Einatmen, ausatmen, einatmen. Das Rasseln ihrer Lungen verstärkte ihre Angst. Was passierte gerade mit ihr? Fühlte sich so sterben an? Das Schwinden der Luft zu spüren, darauf zu warten, dass der Schlaf einen empfing?
Nur wenige Flure weiter kämpften sich zwei junge Feuerwehrmänner der International Fire Fighter Organisation durch die Flammen.
»Lass uns zurückgehen! Die Chefin hat schon zweimal den Befehl zum Rückzug gegeben. Das Chemielabor ist in die Luft geflogen. Wer weiß, was wir gerade für Gifte einatmen. Diese Flammen hat das Mädchen sowieso nicht überlebt und wenn wir sie doch finden sollten, dann stirbt sie im Krankenhaus an einem Lungenkollaps.«, redete der Eine eindringlich in Englisch auf seinen Kollegen ein und fuhr auf die an seiner Brust prangende Island-Flagge klopfend fort, »Es ist dein Problem, dass du keine Lust hast, in deine verdürrte und verbrannte Heimat zurückzukehren. Aber ich möchte nach meinem Auslandsdienst schon gerne wieder nach Hause.«
Der Angesprochene verdrehte seine Augen hinter dem durchsichtigen Stück seines Helmes, wobei ihm einige blonde Locken ins Gesicht fielen.
»Dann folge doch dem Befehl der Chefin, wenn dir das Mädchen gleichgültig ist.«, gab er giftig zurück, »Ich werde so lange weitersuchen, bis ich sie gefunden habe. Sie muss ja hier irgendwo sein.«
Tapferen Schrittes bahnte er sich einen Weg durch den Schutt, betrat das nächste Klassenzimmer und sah sich seine Taschenlampe schwenkend um. Wieder nichts. Schnell lief er zum gegenüberliegenden Raum. Nichts. Während sein isländischer Kollege untätig und etwas unschlüssig auf dem Gang herumstand, arbeitete sich der Australier weiter vor. Und kam damit dem Zimmer mit dem halb bewusstlosen Mädchen immer näher.
Ein Knacken über ihm ließ ihn erstarren. Langsam hob er den Kopf und bemerkte erst jetzt den breiten Riss in der Decke. Gerade noch rechtzeitig schubste der Isländer ihn in den übernächsten Raum, bevor der Putz in riesigen Schollen herunterstürzte.
»Können wir jetzt endlich umkehren? Das ist alles akut einsturzgefährdet. Siehst du das jetzt wenigstens auch?«
»Ein Grund mehr, sie zu suchen. Den Gang da noch und wenn sie da nicht ist, verschwinden wir von hier. Okay?«
Einen Moment herrschte Stille - von dem knackenden Gebäude und den sich fast melodisch wiederholenden Funksprüchen abgesehen -, dann stimmte der Isländer mürrisch zu: »Geht aber auf deine Kappe. Ich nehme die rechten Räume, du die linken.«
Nun deutlich schneller huschten die beiden von Zimmer zu Zimmer. Ihre bordeauxfarbenen Uniformen waren grau, als sie vor die letzten Zimmer des Ganges traten. Ein stummes Nicken, dann leuchteten sie den ihnen zugeteilten Raum aus.
»Hier liegt ein Mädchen.« Die Worte drangen kaum bis zu dem Anderen durch, ob der Umgebungslaute oder der Ungläubigkeit. Als der Isländer seine Worte wiederholte, kehrte Leben in den Angesprochenen zurück. Mit großen Sprüngen überquerte er den Gang und trat neben seinen Kollegen. Als er die Teenagerin unter einer großen Deckenleuchte entdeckte, schnappte er nach Luft. Lebte sie? Langsam kniete er sich neben sie und klopfte ihr leicht auf die Wange. Einen Puls würde er durch seine dicken Handschuhe so oder so nicht spüren. Als sich ihre Augenlider flatternd ein Stück öffneten, seufzten beide Männer synchron. Sie lebte. Schnell setzte er seine Sauerstoffmaske ab und drückte sie ihr auf das Gesicht. Während er eine zweite Maske für sich an seine Sauerstoffflasche anschloss, saugte sie röchelnd die reine Luft ein. Am Leben.
Der Isländer hatte mittlerweile die Lampe beiseite geräumt, erkannte aber zu spät, dass die Wunde auf der Brust des Mädchens dadurch nicht mehr verschlossen war und sich ihr Blut nun langsam über ihr Shirt verteilte. Sein am Boden hockender Kollege bemerkte die Blutung ebenfalls, streifte ihr behutsam ihren Schal ab und wickelte diesen eilig um ihren Oberkörper. Nach dieser Prozedur glitzerten seine Handschuhe vor Blut, doch darauf konnte er nun keine Rücksicht nehmen.
Gemeinsam hoben sie das Mädchen hoch und trugen sie durch Schutt und Asche erst in die zweite und dann in die erste Etage. Am Haupteingang erlebten sie allerdings eine böse Überraschung. Die Brandschutztür war geschlossen. Dem Mädchen fiel es zunehmend schwerer, wach zu bleiben, denn immer wieder fielen ihr die Augen zu. Sie betteten sie auf den Boden.
Der Isländer betätigte durch einen Knopf am Helm sein Funkgerät, um Hilfe von draußen anzufordern. Beide lauschten seinem Funkspruch hinterher, der sich in unheilvollem Rauschen verlor.
»Mist, mein Funkgerät hat schon wieder den Geist aufgegeben.«, brummte der Isländer erbost.
Nun aktivierte sein Partner sein Gerät und wiederholte den Hilferuf. Die Antwort, die sie erhielten, war durch diverse Störungen nicht mehr als solche zu erkennen. Besorgt wechselten die beiden Männer einen Blick. Wenn von außen keine Hilfe zu erwarten war, müssten sie sich wohl oder übel selbst einen Weg ins Freie bahnen. Mit leicht zittrigen Fingern klaubte der Isländer Werkzeug aus seinen Taschen und machte sich an der Tür zu schaffen. Sein Kollege griff unbewusst zu der Australien-Flagge auf seiner rechten Brust und schickte ein Gebet gen Himmel. Ein lautes Krachen in ihrer Nähe ließ beide zusammenfahren.
»Hör auf zu beten und halte das Mädchen am Leben! Ihretwegen sind wir in dieser misslichen Lage, da soll sie nicht auf dem letzten Stück noch sterben.«, beschwerte sich der Isländer, ohne eine Sekunde von dem Schloss aufzublicken.
Der Australier unterdrückte verärgerte Widerworte und kniete sich wieder neben die schwarzhaarige Teenagerin.
»Wie geht es dir?«, stammelte er in gebrochenem Japanisch und hoffte, dass sie ihn dadurch besser verstand, als wenn er Englisch sprach.
»Gut, nein, eigentlich ziemlich schlecht«, gab sie schwach zu. Ihre Stimme glich einem Windhauch, der in einem tosenden Sturm unterzugehen schien und nur gehört wurde, wenn man sich darauf konzentrierte.
»Das verstehe ich. Glaubst du an Wunder?«
Einen Moment sah sie ihn verwirrt an aufgrund des scheinbaren Themenwechsels. Dann nickte sie langsam.
»Wenn nicht, dann solltest du nach dem heutigen Tag auf jeden Fall damit anfangen.«
Ein schmales, schüchternes Lächeln zuckte über ihr Gesicht. »Danke«, brachte sie angestrengt hervor. Erst jetzt bemerkte der Australier, wie sehr sie mit sich und der Müdigkeit rang.
Gerade als er den Gedanken zu Ende gedacht hatte, flutete helles Tageslicht den brennenden Gang.
»Ich dachte, ich sehe die Sonne nie wieder.«, flüsterte das Mädchen berührt und eine Träne rollte ihr die staubige Wange hinab.
Eilig packten die beiden Feuerwehrmänner das Mädchen und schafften sie ins Freie. In Sicherheit. Vor den Augen zig ängstlich dreinschauender Schüler wurde sie in einen Krankenwagen verfrachtet und in Richtung Krankenhaus gefahren. Die Hand des Australiers hielt sie eisern, als sich ihre Augenlider erschöpft schlossen.
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