Verhör
Ich persönlich hatte da recht wenig gegen. „Sophie Forrest, das ist Luna Brown.“ Stellte ich Luna und mich mit vollen Namen vor. Nicht unsere echten Namen natürlich, aber das mussten sie ja nicht wissen. „Wir haben euch durch die Gesichtserkennung laufen lassen. Ihre Freundin hier, hat überhaupt keine Akte und Ihre ist so schwarz, dass da nicht mal ein Name hervorgeht.“, stellte er fest und sah mich herausfordernd an. „Da ist kein Name? Nicht einmal ein Vorname oder so?“, fragte ich ihn ungläubig und ging nicht auf seine stumme Aufforderung ein, zu erklären wieso das so war. „Nein, kein Name.“ Er schüttelte den Kopf und sah mich eindringlich an, als er das sagte, was ich aufgrund seiner vorherigen Worte befürchtet hatte. „Außerdem sind Sie offiziell Tot.“, ließ er die Bombe platzen. Ich schluckte. Tynni beobachtete meine Reaktion ganz genau. Das meine Akte schwarz war. Wusste ich, wenn es allerdings soweit kam, dass mein Name geschwärzt wurde und ich offiziell für tot erklärt wurde, wurde mir klar, dass sich mich diesmal definitiv mir den falschen Leuten angelegt hatte. Mit Leuten, die die Regierung fest in der Hand hatten. Mit Leuten die jetzt genau wussten wer wir waren.
„Mit… mit wem habe ich mich da angelegt? Tynni, wem habe ich da im Wald die Kehle durchgeschnitten?“, fragte ich ihn erstickt. Mir fiel die Reaktion der Männer wieder ein, als Luna den Toten wüst beleidigt hatte und der leise Gedanke, dass Araminta etwas gesagt hatte, was wichtig war, allerdings fiel mir das gerade nicht mehr ein. So etwas hatte ich erst einmal gesehen, und ich hoffte inständig dass ich mich irrte. „Das wissen Sie wirklich nicht?“, fragte Tynni ein wenig erstaunt. Ich schüttelte nur den Kopf. Traute mich nicht, auch nur ein Wort zu sagen. Traute meiner Stimme nicht. „Wenn ich es Ihnen sage, erzählen Sie mir dann etwas über euch beide?“, wollte er wissen. „Ja, sicher.“ Stimmte ich zu. „Sie haben Erberto Santiago umgebracht. Den zweitgeborenen Sohn von Damian Santiago.“, erklärte er und nahm mir dabei den letzten Hoffnungsschimmer. „Santiago.“ Flüsterte ich entsetzt. Das war das, was Araminta gesagt hatte. Joseph war der Enkel von Damian Santiago. Das machte alles plötzlich so viel mehr Sinn. Ich hatte den Sohn einer der gefährlichsten Männer der Welt getötet. Ich hatte den Sohn des Bosses der Italienischen Mafia getötet. Erberto Santiago. Ich war sowas von am Arsch!
Tynni beobachtete meine Reaktion genau. „Jetzt sind Sie dran.“, stellte er fest. Mir war klar, dass er meine Geschichte meinte. Meine Vergangenheit. Der Grund wieso meine Akte schwarz war. Ich überlegte einen Moment, was ich ihm alles sagen konnte. Ich wollte immerhin möglichst nahe an der Wahrheit bleiben, auch wenn mir klar war, dass ich einige Dinge definitiv für mich behalten musste. Schon alleine um Lunas und mein Leben zu schützen. Ich nickte langsam nachdenklich. „Ich beantworte Ihnen ihre Fragen, zumindest fast alle, aber unter einer Bedingung, Sie sagen mir welche Organisation ihr seid und in welcher Verbindung ihr zu Santiago steht.“, schlug ich vor. Tynni dachte über meine Vorschlag nach. Er wog wahrscheinlich ab, was er wiederum mir sagen konnte und ob ich überhaupt die Wahrheit sagen würde. Schließlich fasste er einen Entschluss. „Gut. Sagt dir die Shadow-Squad etwas?“ Fragte er mich. Ich nickte.
„Ja, eine private Söldner Truppe, die meist im Auftrag der Regierung arbeitet. Ich habe von ihnen gehört, hatte aber noch nie Kontakt zu einen von denen. Zumindest nicht wissentlich.“, erklärte ich. Tynni wirkte ein bisschen erstaunt, dass ich das wusste, erinnerte sich dann allerdings wahrscheinlich an meine schwarze Akte. So eine bekam man immerhin nicht einfach so. „Nun, jetzt hast du bereits einige Mitglieder der Shadow-Squad kennen gelernt. Zu deiner Frage, wie wir zu den Santiagos stehen. Wenn wir könnten, würden wir wahrscheinlich die gesamte Familie auslöschen.“ Erklärte er. Ich nickte verstehend. So etwas hatte ich mir erhofft. „Wer seid ihr? Oder was?“ fragte Tynni mich. Ich beschloss weitestgehend ehrlich zu ihm zu sein. Ich wusste, dass die Shadow-Squad sehr auf die Anonymität ihrer Mitglieder achtete, und dass es einiges heißen musste, wenn er mir, seine Identität und die seiner Männer, mehr oder weniger verriet. Ich bezweifelt stark, dass irgend jemand von denen seinen echten Namen benutzte, aber das tat ich ja auch nicht.
„Luna und ich arbeiten meist für die Regierung. Wir haben es zumindest bis vor kurzen.“, erklärte ich und zögerte kurz, ob ich das was ich als nächstes sagte, so einfach sagen sollte. Andererseits existierte ich offiziell nicht einmal mehr. „Wir waren so etwas … nun … wir waren das Aufräumkommando.“ Tynni nickte langsam. „Also Regierungsmitarbeiterinnen die es eigentlich nicht gibt. Hat Luna deshalb keine Akte?“, stellte er nüchtern fest. Er nahm diese Information ziemlich gut auf. Das Letzte Mal, als ich jemanden das gesagt hatte, war diejenige ausgeflippt. Nun, das waren auch andere Umstände als diese hier.
„So ähnlich. Das hat auch noch andere Gründe. Ich habe darauf bestanden, dass Luna eigentlich gar nicht existiert. Sie ist … psychisch etwas … instabil. Unter normalen Umständen würde man sie für den Rest ihres Lebens weg sperren.“, erklärte ich etwas zögernd. Ich wollte nicht direkt sagen, dass Luna eine Vorliebe für Menschenfleisch hatte. Alleine um sie zu schützen. „Wieso schützen Sie eine Kannibalin?“, fragte mich Tynni. Ich sah ihn völlig erstaunt an. Er schien meine Verwunderung zu bemerken und erklärte: „Sie hat vorhin auf der Lichtung gesagt, dass sie Erberto nicht essen würde. Eine Kannibalin würde man definitiv für den Rest ihres Lebens weg sperren.“ Ich verkniffen mir ein „No shit Scherlock“. Das währe wahrscheinlich nicht allzu gut angekommen. Stattdessen sagte ich einfach nur: „Nicht schlecht kombiniert.“ Ich sah ihn beeindruckt an, bevor ich auf seine Frage antwortete. „Sie ist zum einen meine beste Freundin, zum anderen habe ich ihrer Mutter versprochen zu verhindern, dass Luna weggesperrt wird. Ich mag einige Fehler haben, aber meine Versprechen halte ich immer.“, erklärte ich stolz. Tynni sah mich skeptisch an. „Das ist alles? Da ist nicht mehr zwischen euch?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, Luna steht auf Männer und ich hab genug von Beziehungen. Meine Letzte hat versucht mich umzubringen.“ Ich schüttelte den Kopf um die aufkommenden Erinnerungen daran wieder zu verdrängen. An diese Zeit erinnerte ich mich nicht gerne.
„Wieso wurden Sie für tot erklärt?“, fragte Tynni weiter. Ich überlegte einen Moment. „Nun, ich habe mich diesmal wohl wirklich mit den falschen Leuten angelegt. Die Santiagos haben bekannter maßen ja sehr gute Beziehungen zu diversen Leuten mit viel Macht. Ich schätze mal, jetzt wo ich auf Santiagos Abschussliste stehe, hat die Regierung es eilig zu verleugnen, dass es mich je gab und dass sie je mit mir zusammen gearbeitet hat. Von Luna wollten sie sowieso nichts mehr wissen, seit dem sie wussten, dass sie Kannibalin ist. Von mir wissen sie jetzt ebenfalls nichts mehr, da ich mich mit den Santiagos angelegt habe.“, stellte ich ruhig fest, als würde ich über das Wetter reden und nicht darüber, dass es mich nun offiziell nicht mehr gab. „Das scheint Ihnen nicht viel aus zu machen?“, stellte Tynni fest. Ich schüttelte den Kopf. „Mir war klar, dass der Tag irgend wann kommen würde. Ich hatte nur gehofft, es währe erst in ein paar Jahren soweit und vielleicht aus einen etwas … dramatischeren Grund, als dass ich den falschen Typen die Kehle durchgeschnitten habe.“ „Dramatischer?“ Tynni sah mich an, als hätte ich gerade prophezeit, dass die Erde flach währe und es in zwei Jahren zu einer Zombieapokalypse kommen. Oder eben als hätte ich gerade erklärt, dass ich es bevorzugen würde, wenn ich etwas Dramatischer gekündigt werden würde.
Ich zuckte nichtssagend mit den Schultern und grinste ihn an. „Manchmal ist etwas Drama nicht schlecht.“, stellte ich fest. „Wenn Sie das sagen.“, brummte Tynni, sah allerdings nicht unbedingt überzeugt aus. „Wie alt seid ihr beiden eigentlich?“, wollte er wissen. „So etwas fragt man eine Frau nicht.“, beschwerte ich mich empört, antwortete aber wahrheitsgemäß auf seine Frage. Ich wollte seine Reaktion sehen. „Luna ist 20, ich bin 19.“ Ich musste zugeben, ich war enttäuscht. Ich hatte zumindest mit einem erstaunten Blick gerechnet. Tynni hatte seine Gesichtszüge allerdings voll unter Kontrolle. Er verzog keine Miene.
Er sah mir wohl meine Enttäuschung an, dann er hob schließlich eine Augenbraue. „Lass sich raten, schlechte Kindheit?“, fragte er schließlich ausdruckslos. „Tatsächlich nicht. Nicht jeder, der so einen Job wie ich macht, hatte eine schlechte Kindheit. Eigentlich hatten wir nie ein schlechtes Leben.“, überlegte ich. Jetzt sah er tatsächlich ein bisschen erstaunt aus.
„Wieso wart ihr in dem Wald? Und wieso habt ihr euch in diese Situation überhaupt eingemischt?“, bombardierte er mich weiter mit seinen Fragen. „Wir hatten uns verlaufen. Eigentlich waren wir auf den Weg zu einem … Termin … Luna hat unser Auto in einem Straßengraben versenkt und wir hatten beschlossen zu laufen. Dann haben wir uns allerdings verlaufen und zufällig Araminta getroffen. Wir wollten sie eigentlich nach dem Weg fragen, aber dann kam plötzlich die Leute von der Mafia und den Rest wissen Sie ja.“, erzählte ich. Die Sache mit dem Kannibalen-Treffen verriet ich mal lieber nicht. „Die Schusswunde hatten Sie aber schon vorher.“, stellte Tynni fest und sah mich herausfordernd an.
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