vierzig
Sanft zeichneten seine Fingerspitzen feine Muster auf ihre Stirn. Ihr Kopf lag auf seiner nackten Brust, gemeinsam befanden sie sich auf seinem Bett, mit keinerlei Klamotten an ihren Körpern. Diese lag im restlichen Raum verteilt, war nur noch das Überbleibsel dessen, was vorhin geschehen war. Die geschwollenen Lippen der Beiden, die dunklen Flecken, die sie von nun an trugen, gaben dem Betrachter nur den Hauch einer Ahnung, welch eine Leidenschaft hier zuvor geherrscht haben muss.
Taehyung war so zufrieden. So entspannt. Normalerweise verschwand er direkt nach dem Akt, oder schickte seine Bettgenossin mit etwas Geld sofort wieder hinaus. Aber mit ihr war die Zeit so wertvoll, so harmonisch, dass er hier Stunden liegen könnte. Ohne sich zu bewegen, einfach nur die ganze Zeit ihren Atem auf seiner Brust spüren und sie sanft streicheln. Denn die Welt war ihm egal, wenn sie neben ihm stand, denn ab da zählte nichts anderes mehr. Nur noch sie und er.
Als er die Augen schloss, hatte er für einen Augenblick das Gefühl, wieder an einem dieser regnerischen Sommertage dort zu liegen, auf dem Boden im Gästezimmer seines Elternhauses. Viel gelacht hatte er damals, viel gelebt und sogar geliebt hat er. Und alsbald sich selbst das Wort gegeben, es nie wieder zu tun. Es war ihm egal, dass er das Wort brach, wenn er es für Sunny tun würde.
,,Das war ..", sie hielt kurz inne, ehe ein leichtes Lachen über ihre Lippen kam, das viel mehr einem schweren Ausatmen glich.
,,..so wunderschön, dass ich es nicht in Worten zusammenfassen kann."
,,Geht mir genauso, meine Schöne", hauchte er und zog sie zu sich hoch, dass sie sich in ihre Gesichter sehen konnten.
Vorsichtig streckte sie ihre Hand aus und fuhr sein Schlüsselbein entlang, seine Brust, ehe sie zurück nach oben wanderte, über die Haut an seinem Hals strich. Sie lächelte leicht, als sie die Gänsehaut sah, die ihre Berührungen verursachten. Ihre Berührungen, die sie nicht lassen konnte. Sie würde noch hunderte Male über seine Haut streicheln, seine Stimme fantasieren oder sich seine Lippen auf die Ihren wünschen können und jedes mal wäre es dasselbe Kribbeln, dasselbe Gefühl, dass dann durch ihre Adern pumpen würde. Sie hütete sich davor, es Liebe zu nennen, konnte es nicht aussprechen, obwohl die Hoffnung auf einen kompletten Neuanfang nun so nahe schien.
Was wäre, wenn sie alles verwarf, dass sie sich aufgebaut und erdacht hatte? Was wäre, wenn sie weiterhin hier liegen dürfte, ihre Hand auf seiner Wange ruhen ließe? Fragen, auf die sie keine Antwort hatte. Antworten, vor denen sie sich fürchtete. Und ein Herz, was sie regelrecht um den Verstand brachte.
,,Wie schaffst du das Alles? Ich meine als Sunny und dann als Maya? Wie bekommst du es hin, für eine Stunde, deine Identität unter einer Maske zu verstecken und.. das zu tun, was du nun mal tust..?"
,,Manchmal ist es leichter, das Unglaubliche zu glauben, als die Realität zu akzeptieren", wich sie seiner Frage geschickt aus und er schmunzelte ein wenig, zog ihr Hand von seiner Wange, nur um dann feine Küsse auf ihrer Handfläche zu platzieren. Zärtlichkeit - ebenfalls etwas, dass ihm normalerweise vollkommen fremd war. Die Betonung lag auf normalerweise; es war keine Überraschung mehr, dass sich der junge CEO für die Illusionistin in so einigen Punkten ändern würde.
,,Erzähl mir etwas mehr über dich. Wo du deinen Abschluss gemacht hast zum Beispiel."
,,Ich habe keinen", antwortete sie mit einem leisen Kichern und Taehyung sah sie verdutzt an.
,,Du hast keinen Schulabschluss?"
,,Nein. Ist das denn ein Problem? Ich meine dämlich bin ich jetzt nicht."
,,Das habe ich auch nie so gesagt, nur..", ihm fehlten die Formulierungen und sie rutschte ihm erneut etwas näher, spürte seinen regelmäßigen Herzschlag direkt neben ihrem.
,,Ein Schulabschluss ist nicht die Welt. Ein alter Bekannter von mir pflegte immer zu sagen: Die Unredlichen und die Dummen kommen in der Welt immer besser fort als die Ehrlichen und Klugen. Es fällt ihnen leichter, mit der von Unredlichkeit und Dummheit beherrschten Gesellschaft Schritt zu halten."
,,So wie er es ausdrückt, ergibt es selbst für mich Sinn."
,,Selbst für dich, du hochgebildetes Menschenwesen", zog sie seine Aussage leicht ins lächerliche und er grinste sie frech an, schlang dann seine Arme um sie und zog sie feste an sich, stand dann mit ihr auf.
,,Das hochgebildete Wesen wird dich jetzt mit in die Dusche nehmen", lachte er noch siegessicher, welches von ihrem erfreuten und protestierenden Quietschen begleitet wurde.
,,Kannst du es spielen?", fragte sie dann, als sie mit einem seiner viel zu großen Hemden an ihrem Körper in dem riesigen Wohnzimmer stand und auf den Flügel nickte. Sie wusste bereits, dass er spielen konnte, er war schon damals ein hervorragender Spieler gewesen.
Er schaute ebenfalls zu dem schwarzen Prachtstück, ehe er sie bei der Hand nahm und hinter sich her zog. Er holte mit seinem Fuß beiläufig den Hocker hervor und setzte sich, zog sie auf seinen Schoß. Er trug nur seine Boxer, sie nur ihren Slip und das durchsichtige Hemd. Der Kamin war an, in der Küche brannte ebenfalls Licht, ansonsten war es relativ dunkel in dem Apartment.
Sunny lehnte sich an seine Brust und er legte sein Kinn auf ihrer Schulter ab, fing an zu spielen. Seine Finger tanzten und huschten über die Tasten, während er sie mit den lieblichsten Melodien zu unterhalten verstand. So lange hatte er nicht mehr gespielt, dass es nun einfach aus ihm herausfloss. Sie hörte ihm so gerne dabei zu, hat es schon immer gerne getan. Und genau jetzt war es am größten, der Wunsch nach einem Dauerzustand dieser Situation. Das Einzige was sie noch störte, war dass er sie nur mit ihrer Maske kannte, mit ihrer Hülle.
Bereits drauf und dran, vollkommen kopflos und ohne an etwas Anderes zu denken, alles hinzuwerfen, fiel ihr Blick auf ein kleines Bild, das auf dem Klavier stand. So verwahrlost, so versteckt wie das Instrument unter seinem dicken Tuch gewirkt hatte, so unpassend war auch das Bild. Sie wusste direkt, wann es gemacht wurde. Schließlich hatte sie es geschossen.
,,Wer ist das?", fragte sie leise und Taehyung hielt inne, folgte erneut ihrer Frage, sah das Bild. Ihr Finger zeigte auf die zwei Personen auf dem Foto. Taehyung und seinen Vater, beim Angeln. Er räusperte sich leise und schob sie sanft von seinem Schoß, legte das Bild dann auf sein Glas, wie auch sonst immer, wenn er es sah.
,,Nichts. Niemand besonderes."
,,Aber er schien so glücklich. Und er sah dir zudem so ähnlich", hakte sie weiter nach und beobachtete jede seiner Reaktionen ganz genau. Sie wusste, dass es Taehyung mit seinem Vater Taeyang gewesen war. Sie wollte wissen, wie er über damals dachte. Sie wollte ihren Hoffnungen einen Beweis liefern, ihrem Sehnen einen Grund bieten, dass sich der Glaube an Taehyungs Unschuld doch noch bestätigen würde.
,,Erzähle mir bitte von dem Tag damals", flüsterte sie und er sah sie kurz an, ehe er seinen Blick senkte und dann starr geradeaus blickte.
,,Es war ein bedeutungsloser Tag, mit einem bedeutungslosen Mann. Wir waren alleine, mein Vater-", er sprach das Wort mit einer solchen Abneigung aus, dass es ihr die Haare zu Berge stehen ließ: ,,-war schon immer ein verkommener Versager gewesen. Ich hab den Tag gehasst."
,,Dann war der Tag aber nicht bedeutungslos", versuchte sie leise ihn zu beschwichtigen, oder vielmehr ihr Herz, welches langsam riss und anfing zu weinen.
,,Doch", antwortete er viel zu harsch und klappte die Abdeckung des Klaviers hinunter. Er schüttelte den Kopf, zischte humorlos, ehe ihm etwas entwich, dass er nicht so gesagt hätte, würde er wissen, wer sie wirklich war: ,,Eine der wohl besten Dinge in meinem Leben war der Autounfall, in dem er ums Leben kam."
Sie sah ihn an, vollkommen ausdruckslos. Doch innerlich zerbrach sie, es zerriss sie und die Wut, die mit der Zeit abgekühlt war fing wieder an zu kochen. Sie fand sich plötzlich so klein, so schwach gegenüber der Liebe, die sie immer wieder davon überzeugte, dass sie nicht immer alles unter Kontrolle haben könnte.
,,Ich muss jetzt los."
Verwirrt schob er seine Augenbrauen zusammen, doch sie war schon an ihm vorbei, auf dem Weg ihre Kleidung zu holen. Sie war fertig. Sie musste hier weg, falls sie die Maske wahren wollte.
,,Du willst sicher nicht hier schlafen?"
,,Nein."
,,Und ich soll dich wirklich nicht fahren?"
,,Das Taxi wartet unten sicher schon", verneinte sie seine Frage an seiner Türschwelle und ihre Finger krallten sich in ihren Mantel und ihre Tasche.
,,Ist gut. Ruf' mich an, sobald du zu Hause bist, ja?", seufzte er und beugte sich zu ihr, um sie zu küssen. Und sie erwiderte, auch wenn es in dem Moment das Schwerste auf der Welt war. Sie verabschiedete sich, stellte sich in den Aufzug und erst als die Kabinentüren geschlossen waren, erlaubte sie die Tränen, die schon die ganze Zeit hinaus wollten.
Sie sank in die Hocke, ihr Schluchzen wurde immer lauter. Sie verzweifelte, war selbst in die Falle ihres eigenen Business getappt. Sie hatte der Illusion vertraut, sie könne ihn lieben. Doch spätestens jetzt, spätestens wenn die Illusionen verflogen waren, kamen sie nie wieder.
Als die Kabine in der Tiefgarage hielt und sie sich aufrichtete und beinahe schon monoton die Wangen abwischte, um danach in das Taxi steigen zu können, war ihr der Ursprung ihres Handelns wieder sicher. Zu oft hat sie gezweifelt, zu oft sich hinreißen lassen und eine nicht existente Wahrheit in Berührungen hineininterpretiert, die sie doch nur spielte.
Doch jetzt - alle ihre Ahnungen bestätigten sich. Taehyung sollte leiden. Und dafür würde nun endlich der finale Countdown starten.
Sie zog ihr Handy hervor, versuchte nicht auf die Socken zu achten, die sich ebenfalls in der Tasche befanden und wieder zum Weinen bringen könnten. Stattdessen wählte sie eine Nummer, die sie lange nicht mehr angerufen hatte.
Das Taxi fuhr los, sie ließen das Gebäude hinter sich. Doch nur sie wusste, dass sie erst jetzt mit sehr viel mehr abschloss, als nur einer lange verlorenen Jugendliebe. Es war so viel mehr als das für sie, so viel mehr, als es eigentlich für eine Person erträglich war.
Die Leitung wurde frei, Sunny räusperte sich.
,,Jimin? Es ist soweit. Die letzte Show steht an."
Sunny
Ein junges Mädchen mit einem gebrochenen Herzen, dass nie so recht heilen konnte. Das was sie macht baut auf ihrem Schmerz auf, auf den Moralen die sie vertritt. Und Gerechtigkeit besitzt bei ihr einen hohen Stellenwert.
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