epilog
Gedankenverloren zupfte sie an der weißen Rose in ihrer Hand, der die spitzen Dornen ab geknipst worden waren. Komplett in schwarz gekleidet, anlässlich der Beerdigung Namjoons, die heute statt gefunden hat, stand sie nun vor seinem Sarg, der noch ganz pompös mit wunderschönen Blumengestecken dekoriert war.
Es war kaum jemand hier gewesen. Im Grunde eigentlich niemand und das stimmte sie traurig. Taehyung hatte sie begleitet, wartete nun etwas abseits, bis auch sie sich vollends von dem Mann verabschiedet hatte, dem sie ihr Leben verdankte. Yoongi war ebenfalls da und wartete im Auto. Er hatte sich die ganze Zeit fehl am Platz gefühlt und war direkt nach der Zeremonie geflohen.
,,Ich hoffe du findest jetzt so etwas Ähnliches, wie Frieden. Denn den hast du verdient", flüsterte sie leise und drehte noch ein letztes Mal die weiße Rose zwischen Daumen und Zeigefinger, ehe sie diese ebenfalls auf dem Sarg ablegte. Allerdings einzeln, sie schob sie nicht in eines der Bouquets. Langsam strich sie mit ihren Fingerspitzen über das geschliffene Holz des Sarges und trat danach etwas zurück.
,,Ich werde weiter an dich denken. Dankeschön, für Alles", flüsterte sie und drehte sich dann von dem Sarg weg, schloss innerlich nun mit dem Tode Namjoons ab, der ihr nun nach der Beerdigung vielleicht auch endlich einen gedanklichen Abschluss mit den ganzen ,,was-wäre wenn-fragen" bieten würde, wenn sie Glück hatte.
,,Und..?", fragte Taehyung leise und sah seine Freundin forschend an, die sofort nickte.
,,Ich bin fertig, wir können."
,,Sicher? Ich dachte vielleicht besuchen wir noch wen, solange wir hier sind", meinte er mit einem traurigen Lächeln und zog einen kleinen Strauß mit Jasminblüten hervor, den er ihr reichte. Mit großen Augen nahm sie die Blumen an sich, die sie ihrer Mutter an ihr Grab legen würde, erinnerte sich schon alleine durch diesen intensiven, benebelnden Duft an einen der schönen Momente, mit Taeyang im Auto.
,,Dann aber auch Taeyang."
,,Deal", stimmte ihre Begleitung zu und nahm ihre Hand, verschränkte seine Finger mit ihr, zog sie über den gepflegten Friedhof weiter, an dem die Grabsteine und hellen Statuen in Reih' und Glied standen, die gepflegten Bäume, Büsche und Blumen einen Kontrast zu der tristen Atmosphäre hier bildeten.
,,Ich finde es traurig, dass Taeyang nicht neben deiner Mutter zur Ruhe gesetzt worden ist", meinte er plötzlich, überraschte sie ein wenig mit seinem spontanen Gedanken, den sie mit einem aufmerksamen Blick auf sein Profil beantwortete.
,,Eunjin hat es verhindert. Aber im Nachhinein.. er hat deine Mutter wirklich geliebt. Und am Ende konnte er nicht einmal mit ihr zusammen sein."
,,Denkst du wirklich, dass man nach dem Tod noch an seinen Körper gefesselt ist?", fragte Sunny ihn dann und drückte vorsichtig seine Finger: ,,Ich glaube schon, dass sie jetzt zusammen sind und von irgendwo anders zu uns hinab sehen."
,,Ich hoffe es", seufzte Taehyung.
,,Glaube es, dann wird es auch so sein", lächelte sie überzeugt und blieb dann stehen, um den Strauß in ihren Händen mit einem sanften Ausdruck auf den kleinen Vorsprung des Grabes zu legen. Hier lag ihre Mutter, die Frau, an die sie sich so wenig erinnern konnte, aber wegen der ihr dennoch ein Leben wie dieses möglich war. Sie mochte sich gar nicht ausmalen, wie alleine sie gewesen wäre, hätte Taeyang nicht auf sie aufgepasst.
Taehyung und Sunny machten sich zu ihrer letzten Station auf, dem Grab ihres gemeinsamen Vater, so könnte man sagen. Für den einen blutsverwandt, der erst nachdem es zu spät war bemerkte, was Familie bedeutete. Und für die andere einfach ein Mensch, der ihr Geborgenheit und Schutz bot, als sie sich nicht zu orientieren und fest zu halten wusste.
,,Hey, Papa", murmelte Taehyung dann leise und lächelte zu dem Engel hoch, der aus dem dunklen Stein geschlagen war und wie ein Wächter über dem Grab seines Vater verharrte.
,,Lange ist es her, Taeyang", bemerkte auch Sunny, die sanft mit ihrem Daumen über Taehyungs Handrücken strich und dann dem jungen Mann den Vortritt ließ, der sich vor das Denkmal hockte und mit seinen Fingern das goldene Namensschild berührte, welches die Lebensspanne des Verstorbenen festhielt.
,,Es tut mir so leid. Alles. Das hätte ich dir viel früher sagen sollen. Ich.. ich.. nein, wir vermissen dich. Und ich hab dich lieb. Ich wünschte, du wärst jetzt hier und könntest uns sehen. Bist du stolz auf uns? Auf mich?", flüsterte Taehyung leise.
,,Bin ich der Sohn geworden, den du dir gewünscht hast? Den du schon immer in mir gesehen hast?", fragte er gegen den Himmel, aus dem er sich eine Antwort erhoffte, die er niemals bekomme würde. Ihm rollten die Tränen über die Wangen und dennoch konnte er lächeln. Denn er wusste, dass er keine Antwort bräuchte. Sein Vater hatte ihm bereits vergeben, vor Jahren.
,,Das ist er ganz sicher", hauchte sie in sein Ohr, als sie sich neben ihn kniete und seinen Kopf in ihre Hände nahm, ihm von einer Seite die Tränen weg küsste, von der anderen wegwischte: ,,Ganz bestimmt."
Taehyung lehnte sein Gesicht in ihre Hand, schloss die Augen und konnte direkt wieder aufschluchzen, wenn er zurück dachte. Diese Liebe, mit der sie ihn erfüllte und beschützte, die er so sehr brauchte, die wie eine Droge für ihn war - vor wenigen Wochen war er noch der festen Ansicht gewesen, sie sei nur Zeitverschwendung. Er war so froh, endlich zu Sinnen gekommen zu sein, seinen Platz gefunden zu haben und sich nicht mehr länger vor sich selbst und seiner Vergangenheit verstecken zu müssen. Taehyung war mit sich selbst im Reinen, hatte zu sich zurück gefunden, mit der Hilfe der Frau seines Herzens, welcher er einen innigen Kuss schenkte.
Er zog ein gefaltetes Bild aus seiner Hosentasche und entfaltete es auf, legte es unter dem Namensschild, unter den wachsamen Augen des Schutzengels auf den dunklen Vorsprung des Grabes. Es war das Bild von jenem Tag, als sie Angeln gefahren waren, gemeinsam. Das Bild, welches Sunny damals geschossen hatte.
,,Wir werden uns wiedersehen, irgendwann", raunte er leise und zuversichtlich.
Dann lösten sie sich ein wenig von einander, richteten sich auf und wandten sich dem Gehen.
In eine Zukunft, eine leuchtende, warme Vision, einem wunderbaren Traum,
ein Leben voller Liebe, welche sie nie wieder zu einer Illusion machen würden.
Kim Taehyung
Er ist dort angekommen, wo er schon immer sein wollte.
- das war die Geschichte der Illusionistin und ihrer Liebe zu einem Mann, die sich nie verleugnen lassen würde.
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