Kapitel 29
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(SICHT VON TAYLOR, GEGENWART)
Taylor wurde unruhig.
Nachdenklich tigerte er, nun schon seit Stunden, durch das große Wohnzimmer.
An der hohen mintgrünen Kommode neben der Treppe blieb er stehen.
Auf ihr, die vielen Schnappschüsse aus der Zeit in der alles noch perfekt war. Die ganzen glücklichen Erinnerungen ließen ihn schwer Schlucken. Der brennende Kloß in seinem Hals blieb dennoch.
Die ganze Zeit hatte er krampfhaft versucht nicht hinzusehen und nun tat er es doch. Langsam hatte er den Ball zurück gelegt und nun stand er einfach nur da.
Liebevoll griff Taylor nach dem Bild, welches von einem goldenem Rahmen umrahmt war. Es stand ganz vorne.
Vorsichtig wischte er mit dem Daumen über das verstaubte Glas. Darunter strahlte ihn, ein kleiner Junge, fröhlich an. Dieses sorglose Lächeln hinterließ ein nagendes Gefühl in seinem Herzen.
Der Kleine lag in den schützenden Armen seiner wundervollen Eltern.
Jener Anblick, der Anblick von Taylors Eltern, lies sein Herz unerträglich schwer werden. Schnürte ihm die Kehle zu.
Während die Jahre verstrichen, hatte er beinahe vergessen, wie seine Eltern vor dem grausamen Mord ausgesehen hatten. Jedesmal, wenn er sich an sie zurückerinnert hatte, sah er dieses abstrakte Bild von seiner Mutter. Leblos hing ihr Körper von der Decke hinab und drehte sich langsam. Die Augen weit aufgerissen, leichenblass und unbegreiflich kalt. Langsam ließ er sich auf einer Stufe der Treppe hinabsinken.
Auf dem Bild strahlte seine Mutter, sie sah aus, wie ein warmer Tag im Sommer. Ihre dunklen Augen glitzerten erfüllt. Ein Blick zu Brandon, Dad, ließ ihn bewusst werden, wie sehr er ihm ähnelte. Diese blauen Augen und das verschmitzte Grinsen, hatte er von einem Vater.
Schmerzerfüllt verzog Taylor die Miene. Er hatte verdrängt, wie sehr seine Eltern ihn geliebt hatten. In der ganzen Zeit, hatte er versucht sie zu hassen. Sie dafür zu hassen, dass sie ihn im Stich gelassen hatten. Dafür, dass sie gemeinsam gegangen waren. Verdammt er hätte sie gebraucht!
Doch in diesem Moment, in dem er ihre Gesichter wiedersah, verschwand seine Verbitterung und hinterließ eine tiefe Trauer.
Sein halbes Leben hatte er damit verbracht seinen Hass an anderen auszulassen. Einen Schuldige zu finden. Dabei hatte er selbst angefangen zu zerstören. Taylor hatte geglaubt, dass es so irgendwann weniger wehtuen würde, doch das tat es nicht. Niemals hätten seine Eltern gewollt, dass er zum Täter werden würde.
Just in jenem Augenblick brach seine Fassade und zurück blieb der gebrochene kleiner Junge, der er nun mal war.
Leise Schritte, auf der Terrasse, zogen seine Aufmerksamkeit auf sich.
War Jill endlich zurückgekehrt?
Schwer atmend stellte er das Bild an seinen ursprünglichen Platz zurück. Ein zartes Lächeln umspielte seine Lippen, als er einen letzten Blick auf seine Eltern warf.
Dann kehrt er der Kommode den Rücken zu.
„Du hast ziemlich lange gebraucht! Eine Stunde ist schon seit mehreren Stunden vorbei", bemerkte Taylor und versuchte nicht zu vorwurfsvoll zu klingen.
Mit schnellen Schritten ging er auf die Tür zu, als er plötzlich inne hielt.
Etwas war merkwürdig. Jill hätte keinen Grund dafür so zu schleichen. Sämtliche Rezeptoren in seinem Körper schlugen Alarm. Augenblicklich versteifte sich jeder Muskel seines Körpers. Gebannt lauschte er den Schritten, um abschätzen zu können, wo sich dessen Verursacher herumschlich. Bevor es ihm jedoch gelang zu reagieren, wurde seine Umgebung in eine unnatürliche Stille getaucht. Um dann, im nächsten Moment, von einem lauten Knall erschüttert zu werden. Dicht gefolgt von dem Geräusch von brechendem Glas. Explosionsartig schossen die spitzen Scherben durch den Raum.
Schutzsuchend warf Taylor sich vor die Couch. Dabei schien sich die Welt in Zeitlupe zu bewegen. Ein intensiver Schmerz lies ihn gequält stöhnen. Das gefährlich scharfe Ende, einer großen Scherbe, hatte sich durch seine Kleidung bis in die drunterliegende Brust gebohrt.
Binnen weniger Sekunden tränkte sich sein Oberteil mit seinem heißen Blut.
Stille.
Erschrocken raffte sich Taylor unter beißenden Schmerzen auf. Zitternd tastete nach dem Fremdkörper, jedoch lies ihn bereits die flüchtige Berührung scharf einatmen. Wütend suchte er den Raum mit seinem Blick ab. Das Fenster neben der Haustür war gesprungen und auf dem Boden sah er bereits die Ursache. Auf dem kalten Grund, inmitten der Zerstörung, lag ein gewaltiger Stein. Jemand hatte ihn durch das Wohnzimmerfenster geworfen! Man hatte ihn also gefunden.
Ungläubig hob Taylor die Waffe auf und beäugte sie streng. Dann hörte er wie jemand, mit aller Kraft, gegen die Tür trat. Panisch sah er sich um. Mit solch einer Verletzung würde er weder fliehen, noch sich richtig verteidigen können. Außerdem war der einzige Ausweg aus dem Haus die Eingangstür.
Nun war er glücklich darüber, dass Jill weg war.
Mit jedem Tritt gaben die alten Scharniere, des Eingangs, knirschend nach. Das Geräusch des brechenden Holzes störte seine Gedanken. Immerhin würde Gillian entkommen können und so die Möglichkeit haben, ihr Leben in Frieden zu beenden. Der einzige Gedanke, der ihn vertröstete.
Mit einem gewaltigen Schlag fiel sein einziger Schutz geschlagen zu Boden.
In der Tür stand Alec und in seinen Augen lag Wahnsinn.
„Na Arschloch, weit bist du ja nicht gekommen!", bemerkte er breit grinsend.
Bedrohlich langsam stieg er über die Trümmern, wobei sein triumphierender Blick durch das große Wohnzimmer wanderte. Die Welt, die sich Taylor durch die fehlende Tür offenbarte, lies ihn erschaudern. Grüner Nebel. So unnatürlich schlängelte er sich über den Waldboden. Ein eisiger Windzug betrat zusammen mit Alec das Haus.
„Alec", fluchte Taylor, wobei sich sein Gesicht verfinsterte.
Seine blauen Augen, wurden beinahe weiß, während das Blut, mit dem sich sein Shirt vollgesogen hatte, eine unerträgliche Wärme hinterließ. Indes brannte der Fremdkörper so in seiner Brust, als stünde jener in Flammen.
Auch wenn Taylor seinem Angreifer nicht die Genugtuung geben wollte, so konnte er sich nicht länger auf den Beinen halten. Mittlerweile floss das Blut an seinem Arm hinunter, um dort gesammelt, an seinen Fingerspitzen, herunterzutropfen.
Erschöpft brach er an der Kücheninsel zusammen und sank zu Boden. Mit aller Kraft gelang es Taylor gegen den aufsteigenden Schwindel anzukämpfen und sich hinzusetzten.
„Du arroganter Mistkerl! Hast du tatsächlich geglaubt, dass du ich einfach so verpissen kannst?", zischte er.
„Es war der einzige Weg! Das weisst du!"
„DAS WAR ER NICHT! Ich fasse es nicht! Du hast dich für diese kleine Hure entschieden und gegen deinen einzigen Freund. Nachdem ich diese Rothaarige schon für dich getötet habe."
Mit einem wilden Blick fuhr er sich durch die Haare, während er panisch vor seinem alten Freund auf und abging.
„...Scheiße nochmal sie trug die Kette. Wie hätte ich anders handeln sollen. Früher oder später wäre es aufgefallen und sie hätten uns alle getötet. Du hast mein Leben für dieses Weib riskiert! Du hast mir gesagt du kümmerst dich darum, erinnerst du dich? In der Schule! Dann hast du verpisst! Es sah so aus, als würde ich dich decken!"
„Und jetzt, was willst du? Mich töten?", keuchte Taylor und verzog das Gesicht.
„Ich bin hier um die kleine Schlampe zu holen und um meine Loyalität zu beweisen, werde ich dich töten müssen."
„Wag es nicht sie so zu nennen! Du tust so, als würde es dir keinen Spaß zu morden, so als wärst du das Opfer."
Innerhalb weniger Sekunden, wechselte Alec seine Miene. Von der des hintergangen Freundes zu dem Monster, dass er eigentlich war.
Unbeeindruckt sah er auf Taylor hinab und lachte.
Sie beide wussten ganz genau, dass sein früher bester Freund, nicht die geringste Chance gegen ihn gehabt hätte, vorausgesetzt er wäre unverletzt. Nun sah es ganz danach aus, als wäre er dem Wahnsinnigen wehrlos ausgeliefert.
Achtlos stieg Alec über ihn hinweg, gradewegs auf die Kommode zu, auf der die Bilder standen.
Die Scherben unter seinen Füßen knirschten bedrohlich. Machtlos musste Taylor ertragen, wie dieser Sadist nach dem goldenem Bilderrahmen griff.
„Wusstest du, dass deine Eltern mit dir geflohen sind, damit du weit weg von dem Clan aufwachsen kannst? Sie wollten dich deines Geburtsrecht berauben, in dem sie dich versteckten."
In seinen braunen Augen blitzte etwas auf, er wirkte hungrig. Nun war jede kleine Spur seines ehemaligen Freundes verschwunden.
„Recht? Wohl eher Pflicht!", fauchte Taylor und rutschte etwas nach oben, in der Hoffnung so die Schmerzen etwas zu lindern.
„Traurig, dass du es so siehst. Naja, auf jeden Fall war es in gewisser Hinsicht... Verrat", erklärte Alec weiter, wohlwissend was jene Informationen in seinem Opfer auslösten.
Langsam kam er auf Taylor zu.
„Charon wollte nicht, dass ihre Feigheit auch deinen Verstand infiziert. Man wusste bereits, dass aus dir etwas Großes werden konnte. Man musste dich nur..."
„Hör auf!", brüllte Taylor, während er spürte, wie seine Sicht durch die aufsteigenden Tränen betrübt wurde.
„...brechen. Den Hass in dir entfachen, so würdest du blind allen folgen. Wie ein beschissener Schoßhund. Das traf ein. Sie haben deine Eltern ermordet, dich glauben lassen es wären andere Clans gewesen. Wohlwissend, dass du ihre toten Körper finden würdest. Dann hat man dich warten lassen, drei Tage.
Sag mir, wie ekelhaft ist der Gestank von verwesenden Leichen?", Alec Stimme war ganz tief, während er sich immer weiter in Rage redete.
„Hör auf!", wiederholte Taylor mit fester Stimme.
Er konnte es nicht ertragen. Sein Herz schmerzte. Am liebsten wäre es davon gelaufen, weit weg vor den Gedanken, vor seinen Taten. Der Ausdruck in Alecs Gesicht wurde zunehmend wilder. Fast schon wahnsinnig.
„Dann, als man sich sicher war, dass dein Geist komplett gebrochen war. Dann hat man dir die Hand gereicht", beendete er die quälende Geschichte und kam vor dem Verletzten zum stehen.
Taylor war kreide bleich und zitterte am ganzen Leib, während ein dünner Schweißfilm seine Stirn bedeckte. Verzweifelt versuchte er in Alecs Miene nach dem Jungen, mit dem er sein Kindheit verbracht hatte. Jener Jungen der für ihn zu einem Bruder geworden war - er war fort. Hass und tiefe Abneigung, erfüllten stattdessen seinen Blick, während er auf seinen alten Freund hinabsah.
„Warum tust du das?", wollte Taylor wissen.
Drohend kniete sich Alec neben ihn. Langsam beugte er sich zu seinem linken Ohr, während seine rechte Hand die Scherbe umfasste.
„Weil es einfach gut tut die Wahrheit zu sagen. Abgesehen davon tut es nichts mehr zur Sache. Ich bin nicht hier, um mit dir zur quatschen. Ich bin gekommen, um es zu beenden und das Mädchen zu holen. Wir wissen, dass sie mit dir gekommen ist", flüsterte er und übte ein wenig Druck auf den Splitter in Taylors Brust aus.
Schmerzerfüllt brüllte dieser auf, während sich das Glas tiefer in sein Fleisch bohrte. Dieses plagende Ziehen in seinem Brustkorb, trieb ihm Schweißperlen auf die Stirn.
„Du elender Mistkerl...Ich bin alleine gekommen!", zischte Taylor wütend.
Ein bitteres Lachen entwich Alecs Kehle. Am liebsten wäre ihm an die Gurgel gesprungen, hätte dafür gesorgt, dass ihm sein dämliches Grinsen verging.
„Wie hieß die Kleine noch gleich?", gespielt nachdenklich zog er seine Brauen zusammen.
Es war ihm gleichgültig, wenn er ihn tötete, doch der Gedanke daran, wie er mit seinen dreckigen Händen Jill schadete, lies sein Blut kochen. Wütend ballte Taylor seine Hände zu Fäusten, während er scharf die Luft zwischen zusammengebissenen Zähnen einsog.
Demonstrativ stand Alec auf und streckte sich gelangweilt.
„Jill. Stimmt, Gillian Mclain. Weisst du, dass ich sie getroffen habe? Sie selbst hat mir von dem Mord erzählt, ich hätte sie in dem Moment direkt selbst töten sollen, aber keine Sorge. Nach deiner Flucht habe ich sofort Charon von ihr erzählt. Er kümmert sich persönlich darum", selbstgefällig funkelte er ihn an.
Suchend lies er den Blick über den Boden wandern, während Taylor ihm hilflos ausgeliefert war.
„Ah", bemerkte Alec erfreut und hob eine weitere große Scherbe auf.
Prüfend warf er sie von der einen in die andere Hand, um dann vorsichtig mit dem Finger an der spitzen Kante entlang zu fahren. Mittlerweile hatte Taylor so viel Blut verloren, dass er nur noch verschwommene Umrisse wahrnehmen konnte. Außerdem zitterte sein Körper ununterbrochen bei der zunehmenden Kälte.
„Weißt du,Valentin, du warst schon immer ein Feigling. Lieber hast du dich den Foltermaßnahmen unterzogen, als diese rothaarige Schlampe zu töten. Bereits da war uns allen klar, dass auf deine Loyalität kein Verlass ist", angewidert schritt er auf den Jungen zu.
Das Glas glänzte gefährlich, in seiner Hand.
Taylor erwiderte nichts mehr, er hatte keine Kraft. Sein Mund fühlte sich staubtrocken an. Müde atmete er aus.
Das Letzte, an das sich Taylor erinnern konnte, war dieser brennende Schmerz in seinem Bauch, nach dem Alec ihn mit der zweiten Scherbe durchbohrte. Ein tief greifendes brennendes Stechen, lies ihn vor Schmerz erblinden.
„Grüß deine Eltern."
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