Kapitel 19
Alles ging so schnell.
In der Ferne entdeckte Jill ein grelles Licht. Die Krankenstation. Aus irgendeinem Grund wusste sie nich mehr was genau geschehen war. Sie wusste nur, dass sie müde war, sehr müde.
Es waren nur kleine Bruchstücke, die sie mitbekommen hatte. Benommen sah sie nach oben. Taylor war dort, aber warum?
Sein Atem war hektisch, während er darauf Acht gab ihre schlaffen Gliedmaßen nirgendwo gegen zuschlagen. In ihrem Inneren verspürte sie das besondere Bedürfnis ihm zu helfen, in dem sie sich nicht so schwer machte oder selbst darauf achtete nicht anzuecken. Doch auch trotz all ihrer Bemühungen reagierte ihr Körper nicht auf ihre Anweisungen. Er hätte sie auch genauso gut fallen lassen können. Vermutlich hätte sie es nicht gemerkt.
Das Licht wurde immer unangenehm großer und greller, bis sie kurzerhand an der milchglasigen Eingangstür angekommen waren. Für einen kurzen Augenblick hatte Jill sich in der Tür gespiegelt. Bei ihrem eigenem Anblick erschrak sie. Sie sah aus wie ein Leichnam, den man in seinem Pyjama aus einem Eissee gefischt hatte.
Was war geschehen?
Mit einer kurzen Bewegung stieß Taylor die Tür auf.
Am Empfang saß eine junge Dame die gespannt ein Buch las, um nicht einzuschlafen, doch die sich öffnende Tür hatte die gesamte Aufmerksamkeit der jungen Krankenschwester auf sich gezogen. Erschrocken glitt ihr die Lektüre aus der Hand. Nun hatte Jill ihre offizielle Bestätigung dafür, wie grauenvoll sie aussah.
Sofort eilte sie los, um eine Liege zu holen. Während sie den Arzt rief, legte Taylor Jill behutsam auf das Ding. Dann strich er ihr Haar zu recht und lächelte schüchtern.
„Ich...", begann er, doch das herbei eilende Personal unterbrach ihn.
Das letzte an das sich Jill erinnern konnte war das Gesicht des Arztes der sie untersuchte. Was danach geschah verschwand.
Erschöpft öffnete sie ihre schweren Augenlider.
Der Raum in dem sie sich befand duftete nach Desinfektionsmittel. Vorsichtig wandte sich Jill nach rechts. Dort stand eine moderne Stehlampe, die das weiße Zimmer mit ihrem warmen gelben Licht erstrahlen lies. Hinter der Lampe befand sich ein großes Fenster. Draußen war es noch dunkel, während der Halbmond mystisch vor sich her strahlte.
Jill verspürte den Drang sich aufzusetzen und schaffte es sich mit aller Mühe, unter brennenden Schmerzen, diesem Verlangen nachzukommen. Erneut lies sie ihren Blick durch den Raum streifen. Diesmal stutze sie allerdings, denn sie war nicht allein.
Mit dem Oberkörper lag Taylor auf dem Bett, während der Rest seines Körpers auf dem Stuhl saß. Die Arme hatte er unter seinem Kopf verschränkt. Er schlief anscheinend. Wie lange er wohl schon so dort lag?
Erstaunt beobachtete Jill, wie sein Oberkörper immer wieder anstieg und sank, wenn er atmete. Ihre ganze Wut ihm gegenüber war schlagartig verraucht. Seine Gegenwart gab ihr das Gefühl sicher zu sein, selbst wenn er schlief. Erschöpft fielen ihre Augen wieder zu.
Als sie das zweite Mal wach wurde, war der Stuhl neben ihrem Bett leer.
War er nun doch gegangen? Nein.
Taylor stand mit dem Rücken zu ihr gedreht vor dem Fenster und sah dabei zu, wie die Sonne langsam aber sicher aus dem Nadir empor stieg. Schnell strich sich Jill ihre Haare glatt. Er muss ihre Bewegung gehört haben, denn er drehte sich im selben Moment um.
„Hey Kleines", grüßte er sie ruhig.
„Hi", sie lächelte schwach.
„Wie geht es dir?", erkundigte er sich und setzte sie zu ihr an die Bettkante.
Seine Augen strahlten, obwohl er offensichtlich nicht viel geschlafen hat. Normalerweise war er immer perfekt hergerichtet, selbst mit seinem lässigem Look wirkte er zurecht gemacht. Diesmal hingen ihm seine Haare wild im Gesicht, während er immer noch sein Schlafshirt unter einer einfachen Strickjacke trug. Eigentlich musste Jill zugeben, dass ihr sein Haar, ohne Gel, viel besser gefiel. Außerdem hatten ihn seine tiefen Augenringe verraten.
„Besser. Ich denke das Schmerzmittel wirkt", antworte sie und machte eine leichte Kopfbewegung in die Richtung der Infusionslösung.
Er nickte, doch sein Gesichtsausdruck wurde traurig.
„Taylor, was ist passiert?", fragte sie ernst und setzte sich vorsichtig auf.
„Vorgestern Nacht habe ich dich im Kühlraum gefunden und dich hier her gebracht. Sie haben deine Temperatur gemessen und sich dein Gehirn angesehen. Es scheint bis auf ein paar wenige Gefrierbrände an den Armen nichts auffälliges erkennbar zu sein. Du hast also keine bleibenden Schäden davon getragen", erklärte er und sein Blick wurde streng.
Jill runzelte die Stirn. Sie verstand all das nicht.
„Vorgestern? Habe ich etwa so lange geschlafen?"
„Es ging dir sehr schlecht. Die Pfleger haben dir ziemlich viele Beruhigungsmittel geben. Ab und an bist du auch für einen kurzen Moment wach gewesen, aber da hast du nur unverständliche Dinge gesagt und bist sofort wieder eingeschlafen."
„Warum war ich im Kühlraum?", die Frage stellte sie mehr sich selbst, als ihm.
Angestrengt versucht sie sich zu erinnern, doch ihr Erinnerungen waren wie ausradiert. Sie wollte grade etwas sagen, als eine junge Krankenschwester den Raum, mit einer neuen Infusion in der Hand, betrat.
„Morgen Gillian! Du siehst ja schon viel besser aus. Ach und hallo der schöne Herr mit den wundervollen Augen", grüßte sie die beiden und schmunzelte.
Verlegen nickte Taylor ihr zu, bevor er aus dem Fenster schaute.
Nur Jill schien etwas verpasst zu haben. Flirtete dieser Typ denn nun wirklich mit jedem? Wieder spürte sie diesen stechenden Schmerz in der Brust und versuchte schnell auf andere Gedanken zu kommen.
„Es freut mich, dass du endlich wach bist. Wie fühlst du dich?", fragte die Krankenschwester Jill ernst.
„Mir geht es schon deutlich besser."
Daraufhin nickte sie. Mit ein paar wenigen Handgriffen tauschte sie die Infusion und verlies wieder den Raum. Taylor war immer noch rot und mied den Blickkontakt mit Jill.
„Was war das denn?", fragte sie und versuchte dabei so kumpelhaft wie nur möglich zu klingen.
Man konnte sehen, wie unangenehm ihm die Situation war.
„Eigentlich wollte ich es dir nicht erzählen, aber jetzt geht es ja nicht anders. Also nachdem sie dir die starken Schmerzmittel verabreicht haben, da... da", er räusperte sich und lachte kurz auf bevor er weitersprach.
„Also da warst du ein bisschen verwirrt und hast einfach ein bisschen erzählt. Naja auf jeden Fall, während der Arzt sich dann ein paar Notizen gemacht hat, da hast du plötzlich laut von meinen Augen geschwärmt und gesagt, dass ich der schönste Junge der Welt sei und sowas halt", erzählte er mit einem breiten Grinsen.
Jill hingegen riss die Augen weit auf. In diesem Zusammenhang wollte sie besser nicht wissen, was und sowas halt, zu bedeuten hatte.
„Oh Gott, ist das peinlich!"
Beschämt hielt sie sich die Hände vor das Gesicht. Es war ihr unfassbar unangenehm, nach allem was passiert war. Klar sie war immer noch in ihn verliebt und seine ständigen Rettungsaktionen führten nicht grade dazu, dass diese Gefühle weniger wurden, doch nun hatte er sich für Daisy entschieden.
„Das lag bestimmt an den Medikamenten", beruhigte er sie und lächelte verschwörerisch.
„Nur", ergänzte Jill mit erhobenem Zeigefinger.
Sie hatte zwar versucht überzeugend zu klingen, aber es gelang ihr nicht. Nach allem was passiert war, hatte ihr benommenes Ich nichts besseres zu erzählen, als das?
„Das ist peinlich oder?", fragte sie lachend.
„Ein bisschen", erwiderte er grinsend und zuckte mit den Schultern.
„So schlimm?"
„Ach, das war das harmloseste!", gestand er.
„Oh Gott...Will ich wissen, was genau ich gesagt habe?", stöhnte sie und schlug die Decke über den Kopf.
„Nein, ich glaube nicht", bemerkte er gespielt nachdenklich.
Eine kurze Stille entstand.
„Danke", sagte Jill ernst.
Denn Taylor hatte es wieder geschafft, sie die Welt für einen kurzen Moment vergessen zu lassen. Außerdem hat er sie aus diesem Raum gerettet. Allerdings machten seine Heldentaten sein Verhalten, was er in der letzten Zeit hatte, nur schwerer für sie. Wie eine kleine Nadel stach der Gedanke, dass er sie wieder ignorieren würde, ihr ins Herz.
„Du brauchst mir nicht danken, Gillian."
Er sah sie lange und intensiv mit seinen blauen Augen an, während er offensichtlich über etwas nachdachte.
„Ich möchte dir erklären, dass es mir...", sofort unterbrach Jill ihn, da sie wusste was kommen würde.
Er brauchte sich nicht dafür zu entschuldigen, wenn er ihr gegenüber anders empfand. Sie würde es früher oder später verkraften, aber was sie jetzt auf keinen Fall wollte, war eine - Es liegt nicht an dir, sondern an mir. Du bist eine wunderbare Person, aber- Erklärung. Das würde sie nicht verkraften. Es war schon in Ordnung.
„Du musst das nicht tun. Ist schon gut."
„Nein, bitte. Hör mir zu. Das was in der Kapelle passiert ist, war meine Angst. Ich habe mein Leben immer nach einem bestimmten Plan gelebt, aber dann bist du gekommen. Ein Mensch, der es geschafft hat mich über den Tellerrand gucken zu lassen. Etwas was ich vorher noch nie getan habe. An dem Tag an dem du dich mir anvertraut hast, habe ich plötzlich gespürt, wie sehr du mir vertraust und ich wurde das Gefühl nicht los, dass es eine schlechte Idee ist. Also habe ich dich von mir gestoßen und mir eingeredet ich würde es tun, um dich zu schützen, dabei tat ich es für mich selbst, weil ich mich nicht getraut habe mich meiner Schatten zu stellen."
Jill spürte wie ihr ganzer Körper kribbelte und versuchte so gut es ging sich unter Kontrolle zu halten. Taylor sah sie mit aufrichtigen Augen an. Dann setzte er sich zu ihr auf das Bett.
„In der letzten Zeit hatte ich genügend Momente dazu genutzt mir Gedanken zu machen und mir ist klar geworden, dass diese Schule ohne dich nur halb so viel Spaß macht. Ich möchte, dass du mir alles von dir erzählen kannst und ich möchte dir auch alles von mir erzählen. Denn weisst du, seit dem mich dieses Mädchen, mit ihren grünen Augen und ihrer tollpatschigen Art, footballmäßig auf der Treppe umgehauen hat. Seit diesem Moment geht sie mir einfach nicht mehr aus dem Kopf."
Bei dem Gedanken an den Vorfall auf der Treppe, verdrehte Jill liebevoll ihre Augen.
Langsam rückte er einen wenig näher und griff ihr sachte ans Kinn. Seine weichen Fingerspitzen ließen ihre Haut prickeln. Ohne allzu lange darüber nachzudenken, streckte sie eine Hand nach seinem Arm aus und berührte ihn. Sie selbst war von ihrem plötzlichen Mut überrascht.
„Ich hab mich in dich verliebt", hauchte er.
Woraufhin sie ihn mit ihrem zauberhaften Lächeln an sah.
Im selben Moment zog Taylor sie an sich. Er wartete einen kurzen Moment und blickte ihr mit seinen blauen Augen tief in die Augen. Leicht nickte Jill ihm zu, bevor er seine weichen Lippen auf die ihre presste.
Im selben Augenblick explodierten die Schmetterlinge förmlich in ihrem Bauch. Behutsam vergrub Jill ihre Finger in seinen Haaren und erwiderte den Kuss. Sie spürte wie er lächelte und auch sie gab sich größte Mühe nicht vor Freude laut los zu kreischen.
„Ich mich auch", wisperte sie, nach dem sie beide Luft holen mussten.
Seine Augen strahlten vor Freude, noch nie hatte sie ihn so glücklich gesehen. Behutsam fuhr sie ihm durch sein Haar und er schloss die Augen. Dann schmiegte sie sich an seine warme Brust und lies den Moment auf sich wirken. Noch immer pochten ihre Lippen von dem Kuss.
Sie lauschte seinem freudigem Herzschlag und inhalierte förmlich seinen süßen Duft.
Jill liebte ihn. Und er liebte sie.
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