Kapitel 15
Seit Tagen hatten Jill und Taylor kein Wort mehr miteinander gewechselt. Nach dem Vorfall in der Kapelle schien er sich nun gänzlich von ihr distanziert zu haben. Auch, wenn sie es nicht zugeben wollte, so traf sie seine plötzliche Ablehnung eindeutig. Es war so, als hätte er einfach einen Schalter in seinem Kopf umgelegt, der sie plötzlich unsichtbar machte.
Schmollend lag das Mädchen auf ihrem Bett und starrte an die Decke. Jedesmal, wenn ihr Handy vibrierte setzte ihr Herz einen Schlag aus, da sie hoffte, dass Taylor ihr geschrieben hatte. Vergeblich.
Stöhnend drehte sich Jill auf den Bauch in der Erwartung, der Perspektiven Wechsel würde sie auf andere Gedanken bringen. Ein lauter Knall lies sie aufschrecken.
Panisch sah sie hoch, bevor es erneut schepperte. Das Geräusch kam vom Fenster.
Vorsichtig stand sie auf und ging dorthin.
Ihre Hand zitterte, während Gillian versuchte das Fenster zu öffnen. Zögerlich sah sie hinab.
Alec.
Überrascht streckte sie ihren gesamten Oberkörper hinaus und blickte zu ihm. In seiner Hand hielt er einen Stein, grade bereit auch diesen an ihre Scheibe zu werfen. Jedoch hielt er im richtigen Augenblick inne, kurz bevor dieses Steinchen Jills Kopf getroffen hätte.
Ein liebes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.
„Alec?", verwirrt sah sie ihren Freund an.
„Oh hi!"
„Was tust du hier?", lachte Jill und deutete auf den Stein.
Alec folgte ihrem Blick und sah in seine Hand, dabei wirkte er so unschuldig, als würde er ihn grade selbst zum ersten Mal in seinem Leben sehen. Danach sah er mit seinem Dackelblick wieder herauf.
„Ich wollte dich sehen", gestand er achselzuckend.
„Warte, ich komme zu dir."
Schnell schloss Jill das Fenster und lief zu ihrem Spiegel. Ein wenig Puder würde ihr nicht schaden, um zumindest ein wenig die Blässe zu kaschieren. Dank des Liebeskummers der letzten Tage hatte sie noch bescheidener geschlafen, als sie es ohnehin schon tat. Immerhin würde diese gelungene Überraschung sie auf andere Gedanken bringen.
Nervös zupfte Gillian noch ihre Kleidung zu recht, ehe sie aus ihrem Zimmer flitzte.
Aufgeregt eilte sie durch die Flure und hätte dabei fast jemanden umgerempelt.
„Sag mal bist du nicht mehr ganz dicht, du Gestörte?"
Demonstrativ versperrte Daisy ihr den Weg und baute sich arrogant vor Jill auf.
„Entspann dich, ich habe dich nicht einmal berührt", verteidigte sie sich.
„Zum Glück. Ich weiss, du denkst deine kleine Mitleidsshow zieht bei allen, aber das tut sie nicht. Pass gefälligst auf wo du hinrennt, verhältst, während du durch die Gänge schleichst, wie so ein Psychopath", fauchte Daisy hasserfüllt.
Ihr Worte schmerzten, auch wenn Jill die Meinung einer solchen Person eigentlich gleichgültig war. Dennoch spürte sie wie ihr Selbstvertrauen mit jeder Sekunde geringer wurde.
Wie lange müsse sie noch mit Daisy auskommen? Konnte sie sie nicht einfach in Frieden lassen? Jill hatte nie Spaß daran empfunden ihre Rivalität offensichtlich auszutragen, es war kräftezerrend und überflüssig. Sie stöhnte, während sie all ihren Mut zusammennahm, um nicht zumindest ein wenig zu verteidigen.
„Daisy, ich habe es ehrlich gesagt satt ständig deine überflüssige Person überall sehen zu müssen. Mittlerweile habe ich so viele andere Dinge die meine Aufmerksamkeit brauchen, sodass du einfach nur noch eine Zeitverschwendung bist. Also geh mir aus dem Weg!", obwohl Jill am ganzen Körper zitterte, aber fühlte sie sich gut bei diesen Worten.
Stille.
Verwundert stand sie sprachlos vor ihr, woraufhin Jill ein wenig Freude verspürte ein wenig Freude.
„Du bist armselig."
Obwohl Jill stolz auf sich war, trafen sie die Beleidigungen, da sie spürte dass Daisy nicht die einzige war, die so von ihr dachte. Auf die meisten menschen wirkte sie vermutlich tatsächlich wie eine Psychopathin, doch so etwas direkt ins Gesicht gesagt zu bekommen war hart. Schwer atmend stand sie am Fuße der langen Treppe und sah auf den Boden. Die Vorfreude auf Alec war ihr vergangen und am liebsten hätte sie sich in ihr Bett verkochen. An den einzigen Ort, an dem die Menschen sie in Ruhe ließen.
„Ist alles gut?", fragte Taylor mit ernster Miene.
Fassungslos sah Jill zu ihm hoch. Sprach er nun wirklich mit ihr? Nach all dem was passiert war.
Er hatte sie nicht nur gekränkt, sondern das was sich zwischen ihnen entwickelt hatte mit Füßen getreten. Doch das schlimmste bei all dem war, dass sie ihn nicht hassen konnte und irgendwie sorgte dieses Gefühl dazu ihn noch mehr hassen zu wollen. Die angestaute Wut sprudelte in ihr hoch.
„Natürlich ist alles gut. Ich fühle mich fantastisch. Danke der Nachfrage", fuhr sie ihn an.
Sie konnte es nicht fassen, wie er sie beinahe geküsst hatte und sie nun wie Luft behandelte. Egal, wie toll er auch sein mag, so würde sich Jill nicht behandeln lassen. Tief im Inneren spürte sie, wie sehr Taylor sie verletzt hatte, doch jetzt siegte die Wut.
Wissend, dass ein Satz von Taylor ausreichte um ihm wieder gänzlich zu verfallen, vermied sie es ihn noch zu Wort kommen zu lasse.
Schnellen Schrittes war sie nach Draußen geflüchtet und lenkte ihren gesamten Fokus wieder auf ihren unerwarteten Besucher, Alec. Während sie Taylor in der Eingangshalle stehen lies.
„Ich dachte schon du würdest nicht mehr kommen", begrüßte sie Alec.
„Quatsch, ich würde dich doch nicht stehen lassen, wurde aufgehalten."
„Hast du Lust auf eine Spaziergang?"
Strahlend nickte Jill ihm zu.
„Spazieren klingt super!"
Tatsächlich konnte sie es kaum erwarten, so viel Entfernung, wie nur möglich, zwischen sich und das Internat zu bringen. Was vor Alec nicht unbemerkt blieb. Nach einer kurzen Weile ergriff er vorsichtig Jills Hand, um sie zu stoppen.
„Was ist los? Du rennst ja buchstäblich."
Nachdenklich blickte sie auf seine Hand und spürte, wie Tränen in ihr aufstiegen. Die Art, wie liebevoll er sich zum stehen gebracht hatte, rührte sie. Es strahlte etwas von Geborgenheit aus. Das brachte sie aus der Fassung. Behutsam löste sie sich aus seinem Griff, dann sah sie ihm in die Augen.
Sie wirkten deutlich besorgt und sein sonst so Sonnenschein gleiches Lächeln war einer traurigen Miene gewichen.
„Alles gut", log Jill und vermied jeden Augenkontakt.
„Und jetzt die Wahrheit", forderte er sie sanft aus und griff nach ihrem Kinn, damit sie ihn ansah.
Jill atmete tief durch. Sie würde platzen, wenn sie sich nicht bald jemandem öffnete. Anders als Taylor war Alec immer in dem richtigen Momenten aufgetaucht. Nämlich dann, wenn sie dachte den Verstand zu verlieren. Allein ihr erstes Treffen wirkte wie ein Geschenk vom Himmel. Damals war sie vor dem Unbekannten in der Schule weggelaufen. Mittlerweile kam ihr es so vor, als sei dieses Ereignis schon Jahre her gewesen. Wäre er nicht gewesen, um sie abzulenken, wäre sie vermutlich durchgedreht.
„Ich weiss nicht, wie ich es dir erklären soll", hauchte Jill und biss sich auf die Lippen.
„Versuch es, ich bin für dich da egal, was du sagst."
Seine Worte klangen so aufrichtig und ehrlich, dass Jill beschloss sich ihm zu öffnen.
„Ich habe meine beste Freundin verloren."
Es laut auszusprechen befreite sie von einer tonnenschweren Last. Auch wenn Maybell nur eine Illusion gewesen war, so fühlte sie sich in Jills Kopf zumindest sehr real an. Und ja dieser 'Mord' hatte sie einen Teil von sich gekostet. Ein Mädchen, dass sie ihre Schwester nannte.
Der Damm war gebrochen. Unkontrollierbar flossen Jill die Tränen über die Wange. Das salzige Wasser sammelte sich an ihren Lippen und tropfte von dort auf ihr Shirt.
„Weine! Trauere über deine Freundin, Jill. Es ist wichtig mit jemanden über seine Gefühle zu sprechen", sprach Alec mit sanfter Stimme zu ihr.
„Du bist der erste dem ich davon erzähle. Es fühlt sich an, als wäre ein Teil von meinem Herzen mit ihr gestorben. Alec, ich konnte mich nicht verabschieden."
„Sie weiss, dass du sie liebst! Dafür brauchte sie keinen Abschied", hauchte er.
„Meinst du? Ich fühle mich, als hätte ich sie im Stich gelassen."
„Ich bin mir sicher. Weisst du wir können, dass Leben nicht kontrollieren, aber wir haben sehr wohl die Macht darüber zu bestimmen, wie wir in solch schweren Momenten damit umgehen. Lassen wir uns brechen? Stehen wir wieder auf, aber gestärkter? Das liegt bei dir."
Zustimmende nickte Jill. Dann strich ihr Alec zärtlich eine Strähne hinter ihr Ohr und gab ihr ein Taschentuch. Lächelns nahm Jill es an auch wenn seine plötzlichen Zuwendungen sie verunsicherten.
Langsam griff sie unter ihr Shirt und holte die Halskette von Maybell heraus. Der Anhänger funkelte auf eine ganz magische Art und Weise. Überrascht bestaunte Alec sie.
„Das ist das einzige, was mir von ihr geblieben ist", bemerkte Jill schüchtern.
„Wow, die sieht ganz besonders aus", irgendwie betonte er den Satz merkwürdig, doch dem schenkte Jill nicht weiter Beachtung.
„Ja, May war sehr besonders!"
„Das glaube ich."
-
Auf dem Rückweg zum Internat traf Jill Demi, die grade zufällig aus de Stadt kam. Leider musste Alec noch etwas erledigen, weshalb er sie nicht mehr zurückbegleitet hatte. Allerdings fand Jill es auch nicht schlimm, denn nach der Aussprache mit ihm fühlte sie sich leichter an. Er hatte es geschafft, all das was geschehen war erträglicher wirken zu lassen, dafür war sie ihm zutiefst dankbar.
„Ich kann mich gar nicht an unseren letzten Abend zu zweit erinnern. Diese Abende an denen man die halbe Nacht gequatscht hat", bemerkte ihre beste Freundin wehleidig.
„Dann lass uns das nachholen. Am besten in deinem Zimmer?"
Fröhlich einverstanden nickte Demi ihr zu.
Es fühlte sich so an, als sei Jill seit Jahren nicht mehr dort gewesen. Erleichtert lies sie sich auf das flauschige Sofa ihrer besten Freundin fallen und starrte durch den Raum.
„Willst du mir jetzt endlich mal von Taylor erzählen?"
Jill stöhnte laut. Grade hatte sie es geschafft, mal fünf Minuten nicht an ihn zu denken und nun das.
„Mh. Es ist kompliziert. In der letzten Zeit lief eigentlich alles gut. Ziemlich gut sogar, wir hätten uns beinahe geküsst", ihre Stimme wurde bei der letzten Information deutlich leiser.
Demi starrte sie ungläubig an.
„Ihr habt was? Jill, wie konntest du mir das nicht erzählen!"
Empört verschränkte sie die Arme vor der Brust.
„Genau das ist es ja! Wir haben uns beinahe geküsst und daraufhin hab ich mich ihm anvertraut. Dann hat er mich abgewiesen, beziehungsweise er wurde ganz merkwürdig. Seit dem haben wir uns nicht mehr gesehen."
Sie zuckte mit den Schultern.
„Das ist merkwürdig. Meinst du das wird wieder oder besser gesagt möchtest du das es wieder besser wird?"
„Ja, möchte ich. Er hat etwas an sich, dass mich alles vergessen lässt. Ich weiss es klingt lächerlich, aber ich glaube ich mag ihn, sehr sogar."
Demi legte den Kopf schief und sah sie ernst an.
„Du hast dich verliebt oder?"
Ertappt sah Jill sie an, dann nickte sie verlegen. Sie konnte ihre Gefühle nicht leugnen. Taylor hatte ihr den Kopf verdreht. Jede Begegnung mit ihm war einfach magisch. Ihr Körper fühlte sich viel leichter an, wenn er bei ihr war. Auch wenn Alec ihr mit der Verarbeitung von Maybells Tod geholfen hatte, so fühlte sich jede seiner Berührungen falsch an. Wenn Taylor ihr Nahe war, sollte sie das der Moment nicht vorbeiging, sie spürte dieses angenehme Kribbeln in ihrem ganzen Körper. Anders als bei Alec. Sie mochte ihn, aber nunmal nicht auf diese Weise.
„Oh Süße..." , mitfühlend nahm Demi sie in den Arm.
Höflichkeitshalber lies Jill es wenige Sekunden zu, bevor sie sich aus der Umarmung befreite, denn eigentlich mochte sie kein Mitleid. Erst recht nicht wegen eines Jungen.
„Passt schon, danke."
Sie lächelte, während ihre Freundin einfach nur mit den Augen rollen konnte. Sie kannte diese Seite von ihr schon.
„Wie sieht es denn zwischen dir und Jason aus?", wechselte Jill das Thema, um von sich abzulenken.
Während Demi ihre Mundwinkel nicht mehr unter Kontrolle bekam. Sie strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Ahnend zog Jill ihre Braue hoch.
„Erzähl", forderte sie sie auf.
„Alsoooo... Nach der Winternacht kam er noch mit hoch zu mir und... Naja er hatte vorher schon Andeutungen gemacht. Egal, auf jeden Fall als wir oben waren, haben wir uns zunächst auf das Sofa gesetzt und den Tag Revue passieren lassen, dabei kam er immer näher. Wir wussten dann beide, dass es nun passieren würde und nun ja...Er hat mich dann an sich gezogen und geküsst."
Demis Wagen röteten sich, währen Jill ihre Freude kaum verbergen konnte.
„Demi! Das ist so süß. Endlich", quickte sie und rutschte aufgeregt auf ihrem Platz herum.
Lachend zuckte die frisch Verliebte mit ihren Achseln.
Es war schon lange her, dass Jill sie so glücklich erlebt hatte. Außerdem waren sie und Jason schon immer unzertrennlich gewesen. Er war sonst eher der alberne Typ, der nie etwas ernst nahm, doch wenn Demi da war strahlte er. Jill wusste, dass er alles für sie tun würde. Bedingungslos alles. So viel Liebe hatte er für sie übrig. Er war stets aufrecht und ehrlich.
Obwohl sie sich natürlich für die beiden freute, so kam dennoch ein Hauch von Wehmut auf. Gerne wäre sie so mit Taylor, doch sie konnte ihn selbstverständlich nicht zwingen sie zu lieben. Permanent fragte sie sich, ob er seine Haltung bereute. Allerdings verhielt er sich keineswegs so, als würde er die Zeit gerne zurückspulen wollen.
Erst neulich hatte er sich zum Abendessen zu Daisy gesetzt. Lachend saßen sie dort zusammen, auch wenn Jill meinte, dass er distanzierter wirkte, konnte sie es nicht glauben.
Danach hatte sie keinen Hunger mehr und wollte sowieso am liebsten alles wieder ausbrechen, was sie vorher zu sich genommen hatte.
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