Twenty Nine ~ A Mother's Pain
In Kleidern, die nicht mir gehörten, saß ich im Wohnzimmer meines neuen Zuhause. Meine Mutter stand in der Küche und mein Stiefvater hockte in seinem Büro.
Mein Halbbruder war unten und trainierte mit Kollegen. Na ja.
Klang doch eigentlich ganz normal und ruhig, nicht wahr?
Ilaria lag im Krankenhaus. Sie lebte. Das war das verdammt nochmal einzige, was man mir gesagt hatte und mehr durfte ich nicht wissen.
Nicht, weil die Ärzte es mir nicht sagen wollten, nein. Eher, weil Aaron es mir verheimlichen wollte.
Ich war nicht dumm. Ich wusste, dass Ilaria noch immer in dieser Sache verwickelt war.
Sie wusste vieles und den Schuss, den sie erben musste, war nur geschehen, um mich dazu zu zwingen hier mitzumachen.
Krank...
Mir war klar, dass wenn Ilaria es lebend aus dem Krankenhaus schaffen würde, Aaron sie hier herholt und ebenfalls versucht zu erpressen.
Sie wusste zu viel und gehen, leben lassen konnte er sie nicht mehr.
Mein Herz schlug nur ganz langsam und schwach. Äußerlich könnte man meinen, ich sei einfach sehr ruhig und gelassen, aber in Wahrheit bebte mein Inneres. Ich war aufgewühlt und definitiv überfordert.
Meine Finger vermissten deren meines Mädchens und mein Herz versuchte sich verzweifelt zusammenzuhalten.
Das alles hier war einfach nur absurd. Mein ganzes Leben war reiner Mist gewesen. Jetzt immer noch.
Ich bin in einer Familie aufgewachsen, welche nicht meine richtige war. Ich habe einem Vater und einer Mutter nachgetrauert, die nicht einmal meine echten Erzeuger waren. Ich glaubte einen kleinen Bruder zu haben, der dann aber bloß mein Cousin war.
Aber trotzdem. Auch wenn sich herausgestellt hatte, dass sie nicht meine wahre Familie waren, vermisste ich sie, denn sie hatten mir das Gefühl gegeben eine zu haben.
Das hier... Das hier mag vielleicht meine momentan echteste Familie zu sein, aber so anfühlen tat es sich ganz und gar nicht.
Ich hatte keine emotionale Verbindung zu ihnen. Meine wahre Mutter liebte mich wahrscheinlich ungemein, aber so leid es mir tat. Ich konnte das nicht erwidern. Sie war mir fremd. Sie würde nie eine wahre Mutter sein können.
Trotzdem verspürte ich gewisse Sympathie und Liebe. Diese kam aber nicht freiwillig. Es war diese unsichtbare Verbindung, die ein Kind mit seiner Mutter von Geburt an hatte.
"Hast du Hunger?" Ich schrak auf und sah der besagten Dame entgegen. Überrumpelt schüttelte ich meinen Kopf und rieb mir über mein Gesicht. "Das alles ist ganz schön verrückt, nicht wahr?"
Sie hockte sich neben mich und ihr Oberschenkel berührte meinen, als sie sich nach vorne lehnte und nach der Fernbedienung griff.
"Verrückt ist sehr untertrieben", konterte ich und sah zu, wie sie die leise Musik vom Fernseher ausschaltete. Diese war mir vorher gar nicht aufgefallen. Es wurde ganz still und ich fühlte mich unwohl.
Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. "Es tut mir leid, Kay." Überrascht über ihre plötzliche Entschuldigung hob ich meinen Blick wieder an und sah ihr entgegen.
Ich schluckte und rieb mir mit der linken Hand meinen Nacken, bevor ich nervös nickte und versuchte das alles ruhig zu verdauen.
"Ich hatte damals nicht geahnt, dass das alles passieren würde. Ich hatte einfach auf ein Leben für dich gehofft. Daniel-", als sie den Namen meines Vaters... Onkels aussprach, fühlte ich mich, als hätte man mir in den Magen geboxt.
"Er war die einzige Person, welche für mich infrage kam. Ich wollte doch einfach, dass du ein normales Leben leben kannst, aber alles ist schiefgelaufen." Ich schielte überfordert zu ihr rüber, als ich bemerkte, wie Tränen ihren Wangen herunterkullerten.
Da war sie wieder. Diese Sympathie. Ich wollte sie in den Arm nehmen, ihr sagen, dass sie das alles nicht hätte wissen und ahnen können, aber ich hielt mich zurück.
Weiteres Wimmern floss aus ihren Lippen und ich wandte meinen Blick kurz ab. Im Augenwinkel konnte ich trotzdem erkennen, wie sie sich ein paar Tränen wegwischte und mich dann wieder ansah.
"Ich weiß, dass du in mir nie eine Mutter sehen können wirst und es ist mir klar, dass du mir niemals verzeihen können wirst. Nur will ich das du weißt, dass ich immer in der Nähe war."
Sie spielte mit dem Saum ihres Oberteils und schien kurz zu überlegen. "Ich habe dir beim Aufwachsen zugesehen. Ich war immer da und jedes verdammte Mal, wollte ich aus dem Schatten kriechen, dich halten, mit dir reden. Ich wollte meine Rolle als Mutter ausleben."
Konzentriert lauschte ich ihren Worten. "Aber ich konnte nicht. Aaron wusste nicht, dass du noch lebst. Ich habe ihm vorgespielt, dich nach deiner Geburt selbst getötet zu haben. So habe ich dich dann an Daniel und Annika weitergegeben."
Sie trocknete ihre Tränen mit dem Ärmel ihres Oberteils und ich schluckte ein weiteres Mal. "Aaron hat es aber irgendwann herausgefunden. Ich dachte, da Daniel und Alex sich so ähnlich sahen, du gut als Daniels Sohn durchkommen würdest, aber trotzdem ging alles den Bach runter. Er hat es herausgefunden und mich hier oben eingesperrt."
Ihre grünen Augen bohrten sich in meine und ich spürte, wie sich ihre Hand über meine legte. "Mir wurde bis kurz nach Tobys Tod nie erzählt, dass die ganze Familie ausgeschaltet wurde." Kurz verfiel sie erneut in ein Schweigen und sah nachdenklich auf meine Hand unter ihrer.
Ich bewegte mich keinen Millimeter und ihre Hand lag frei auf meiner. Ich tat nichts dagegen. Ich schob sie nicht weg, aber ergreifen tat ich sie auch nicht. "Es tut mir so unglaublich leid."
Sie brach nun endgültig zusammen und in einem Moment wie diesem hätte ich gerne den kleinen Zwerg an meiner Seite. Sie würde definitiv wissen, wie man hier reagieren sollte.
Dyana.
Meine Mutter versteckte ihr Gesicht in ihren Händen und schluchzte darauf los. Ich sah kurz um mich und das Schwein im Büro schien nichts mitzubekommen.
Sie weinte in ihre Hände und ihre gedämpfte Stimme drang zu mir hindurch.
"Ich wünschte, ich könnte alles ändern. Besser machen. Schlussendlich bin ich dasselbe Monster wie Aaron."
Ich zögerte.
Was zum Teufel sollte ich tun?
Ich beobachtete, wie die Schuld an ihren Knochen knabberte und Mitleid floss durch meine Adern. Ich rieb mir meine Stirn und sah kurz auf meine Finger.
Ein Seufzen entkam meinem Mund, als ich die weinende und wimmernde Frau vorsichtig in meine Arme zog.
Kurz schien sie überrascht, schmiegte sich dann aber schnell an mich ran. Meine Mutter war groß, aber trotzdem kleiner als ich.
Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Handflächen und ihre Hände vergruben sich vor meiner Brust in dem Pullover von Devon.
Ich blickte geradewegs auf den Fernseher vor uns und legte meine Arme enger um sie.
Ich ließ sie weinen, schluchzen, wimmern. Ich ließ sie meine Nähe spüren. Die Nähe ihres zweiten Sohnes. Eine Nähe, die sie nie hatte zu spüren bekommen.
Flüchtig schaute ich auf sie herab und fragte mich, warum sie sich überhaupt noch hier aufhielt. Sie selbst sah doch, was für ein Bastard ihr Mann war.
Meine Mutter richtete sich langsam wieder auf und langte schüchtern nach meinen Fingern. Sie suchte nach meiner Zustimmung. Sie wollte meine Hand halten und dagegen konnte ich nichts anwenden.
Auch, wenn ich es nicht gerne zugab. Gewisse Wärme breitete sich in mir aus. Zu wissen, dass meine echte Mutter neben mir saß, atmete und verdammt nochmal lebte.
Es ließ mich so einiges vergessen...
Das Weinen war verstummt und zufrieden, erleichtert und hoffnungsvoll glitzerten mir die Augen meiner Mutter entgegen.
"Du siehst deinem Vater wirklich sehr ähnlich, Kay." Sie strich mir mein Haar aus der Stirn und musterte mein ganzes Gesicht.
"Ich bin mir sicher, er wäre der stolzeste Vater auf Erden, würde er dich jetzt sehen können."
Mir wurde der Blickkontakt etwas zu intensiv und verlegen wandte ich mich ab. "Auch ich bin es. Ich bin stolz auf dich. Deine selbstständige Entwicklung. Einfach alles."
Lieblich lächelte sie mir entgegen und rutschte wieder ein wenig von mir weg. "Auch wenn ich froh bin dich sehen zu können, dich kennenlernen zu dürfen. Ich bin mir bewusst darüber, dass du immer noch ein großes Problem hast."
Neugierig hob ich meinen Blick an. "Du musst sie sicher aus dieser Sache herausbringen."
Ich wusste sofort, dass sie von Ilaria sprach und ich spürte, wie sich mein Herzschlag verschnellerte.
Man konnte mir wohl auch in meinem Gesicht ansehen, wie sehr ich sie bei mir haben wollten und meine Mutter lächelte kläglich.
"Du bist aber nicht alleine." Sie sah mir ernst, aber zugleich fürsorglich entgegen, während ihre Hand meine Wange berührte.
"Ich werde dir helfen."
Habe ab Montag wieder Schule, was übersetzt heißt, dass es wieder nur noch einmal in der Woche Updates geben wird...
Jeden Samstag geht's mit Ilaria weiter.
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