Ten ~ "Kay!"
Mit meiner Aussage über Toby hatte ich Kay nicht nur verletzt. Nein, ich hatte ihn auch mehr als nur ein bisschen wütend gemacht.
Wozu das führte?
Na ja. Kay war weg
Er hatte sich nicht mal mehr verabschiedet, aber ich war mir sicher, dass er sich noch in San Diego befand.
Natürlich fühlte ich mich mehr als nur schlecht und ich hätte mich nicht einfach so gehen lassen sollen.
Ich habe etwas gesagt, was in meinem Kopf hätte bleiben sollen.
Ich hatte Kays wunden Punkt erwähnt. Seine Angst mich genauso zu verlieren wie er Toby hatte, hockte ihm tief in seinen Knochen.
Luke und Trace hockten in der Küche und redeten wahrscheinlich über etwas, was ich niemals verstehen können würde.
Ich?
Ich hatte mir Lukes Laptop geholt und schaute gerade nach, wann der Zug nach New Orleans fahren würde.
Im Moment war es knapp 17.00 Uhr und laut dem Internet würde der Zug in 45 Minuten abfahren.
Ich hatte also Glück. Leise klappte ich den Laptop wieder zu und griff nach meiner Tasche. Ich hatte diese vorher heimlich gepackt und alles nötige darin verstaut. Sie war nicht meine, aber Trace würde mir das schon verzeihen.
Bevor ich mich zu meinen Schuhen schlich, holte ich mir noch den Pullover, den Kay hiergelassen hatte und ich band ihn mir um die Hüften.
Ich hielt mich an der Tür fest, um leise in meine Schuhe schlüpfen zu können. Es regte mich enorm auf, dass die Tür quietschte, wenn man sie öffnete. Das hieß nämlich, dass ich locker 2 Minuten brauchen würde um hier herauszukommen.
Ich drehte das Schloss auf und drückte die Türklinke runter. Mit verzogenem Gesicht öffnete ich sie langsam und trat erleichtert in den Flur.
Ich wollte die Tür gerade wieder schließen, als mir der kleine Brief in meiner Hosentasche auffiel.
Er war einfach zusammengefaltet und außen hatte ich groß Ashton darauf geschrieben. Ich legte den Brief auf eine Kommode neben der Garderobe und machte mich endgültig vom Acker.
Beim Heruntersteigen der Treppen schwang ich meine kleine Tasche über meine Schulter und ich dachte darüber nach, ob das alles wirklich eine gute Idee war.
Ich wusste, dass wenn ich mich nach draußen bewegen würde, man mich wieder finden können würde.
Es war also ganz logisch, dass ich mich so schnell wie möglich zum großen Bahnhof bringen sollte.
Bevor ich aber den Club verließ, stoppte ich in meinen Schritten. Hastig schlüpfte ich in Kays Pullover und zog mir die Kapuze tief ins Gesicht.
So sah Kay die Welt also.
Sein Geruch stieg mir in meine Nase und ich schloss kurz meine Augen.
Jetzt oder nie.
Ich schob die große Tür auf und das helle und warme Licht der Sonne strahlte mir entgegen. Es entspannte mich. Sehr sogar.
Mit sehr großen Schritten steuerte ich auf die Bushaltestelle zu und sah kurz auf die große Uhr, die am Kirchenturm hing.
Mein Blick folgte dem Turm, bis ich den Boden erreichte und den Friedhof erblickte. Ich schluckte und dachte kurz an den kleinen Engel.
Kay war definitiv dort gewesen. Gerne würde ich mich auch noch vom kleinen Toby verabschieden, aber der Bus kam schon angefahren.
Ich stieg hinten ein und machte es mir ganz im hinten bequem. Ich würde in genau 15 Minuten beim Bahnhof angekommen sein, was hieß, dass mir dann noch knappe 25 Minuten bleiben würden um Kay zu finden.
~
Für einen Montagabend waren hier ganz schön viele Leute. Obwohl. Das war doch ziemlich normal, wenn die meisten Feierabend hatten.
Den Bahnsteig für den Zug hatte ich schon längst gefunden, nur konnte ich meinen Freund nicht auffinden.
Das ließ meine Hände schwitzig werden und ich irrte wie eine Blöde umher.
Das war das Problem mit Kay. Wenn er nicht wollte, dass man ihn finden würde, würde man es auch nie können.
Ich wusste, dass er eine eher hellere Jeans und einen dunkelgrünen Pullover trug.
Das waren die einzigen Informationen, die mir in irgendeiner Weise helfen konnten, aber trotzdem war ich zu blöd.
Noch dazu musste ich auch noch auf mich selbst aufpassen. Ich durfte nicht entdeckt werden. Ich wusste, dass ich vor drei Tagen wirklich Glück gehabt hatte und ich ein zweites Mal nicht mehr so einfach entkommen können würde.
Der Lautsprecher ertönte und ließ mich etwas zusammenzucken, da ich genau unter der Anlage stand.
"Sunset Limited nach New Orleans fährt in 5 Minuten ab."
Ach echt?! Und wo zum Teufel befindet sich fucking Kay?!
Ich verdrehte meine Augen, kam aber auf den Entschluss, dass ich mich einfach mal in den Zug schleichen sollte.
Ich würde den Dieb schon noch finden. Die Abfahrt war in weniger als 5 Minuten, also joggte ich den Wagons entlang, bis ich mich nicht mehr am Bahnsteig befand und hinten bei den nicht öffentlichen Wagons abgekommen war.
Dort suchte ich nach einem offenen Spalt und als ich einen fand, wollte ich nach oben kletterte aber es ertönte eine Stimme.
Nur leider nicht diese, die ich gerne hören würde. "Hey! Was machen Sie da?!"
Fuck...
Ich zog die Kapuze noch tiefer in mein Gesicht und sprang vom Zug runter. Und was jetzt?!
Ich wusste nicht, was ich tun sollte, also nahm ich einfach meine Beine in die Hand und rannte noch weiter nach hinten.
Umso weiter hinten ich angekommen war, desto ruhiger und vor allem heißer wurde es.
Hier war ich nicht mehr im Schatten und ich erkannte, bei einem Wagon, dass er offen war und sah das als meine Chance.
Warum er offen war, interessierte mich momentan wirklich gar nicht. Ich wusste auch nicht, ob der Bahnarbeiter immer noch hinter mir her war, aber rennen schadete in so einer Situation noch nie.
Ich wurde jedoch langsamer, als ich andere Menschen bei diesem Wagon erkannte und ich konnte die Situation nicht wirklich entziffern.
Mein Herz begann zu rasen, als ich den Karamalleschopf von Kay erkannte und erleichtert wollte ich zu ihm.
Ich stoppte aber, als mir die anderen Leute auffielen, was mich verstehen ließ, dass sie ihn gefunden hatten.
Ich wollte eigentlich unbemerkt bleiben und meinem Freund nicht in die Quere kommen.
Würde ich selbstständig in den Zug kommen und warten, bis er abfahren würde, würde Kay das doch sicher alleine regeln können, oder?
Oder sollte ich mich einmischen?
Ich sah, wie Kay sich flink und definitiv gekonnt aus dem Kreis der Gruppe rettete und in den Wagon sprang.
Er wollte die große Tür zuziehen und das bedeutete für mich, dass ich mich langsam auch in den Zug bewegen sollte.
Ich begann also einen Wagon früher hochzuklettern, schloss aber meine Augen, als mich jemand am Fuß festhielt.
"Ich wundere mich, ob dein Freund weiß, dass du auch hier bist." Angsterfüllt schaute ich nach unten und erkannte diesen Typen mit den blauen Augen.
Mein erster Reflex war es ihm ins Gesicht zu kicken, was ich dann auch tat. Er stolperte nach hinten, begann dann aber auch nach oben zu klettern.
Ich hatte keine andere Wahl und kletterte auf das Dach des Zuges. Die große Tür wurde von mehreren Schlössern zugehalten und Kay hatte bei seiner wahrscheinlich längere Zeit daran gearbeitet sie aufzuknacken.
Das Ganze würde nicht gut für mich enden, denn der Zug begann langsam zu rollen.
Noch dazu hatte ich bis hierhin vergessen, dass ich Höhenangst hatte.
Toll, Ilaria.
Ich robbte also auf meinen Knien in Richtung Kays Wagon und schaute immer wieder nach hinten.
Der Typ war auch oben angekommen und hatte definitiv keine Höhenangst. Scheiße, man!
Ich versuchte schneller zu robben, wurde aber am Fußgelenk gepackt und zurückgezogen.
Der Blauäugige war über mich gelehnt und versuchte mich ruhig zu halten, damit wir nicht beide von dem beschleunigenden Zug herunterfallen würden.
Ich war nicht wirklich erfahren, was Selbstverteidigung anging, aber ich wusste, dass wenn ich ihm die Augen aus dem Spiel nehmen würde, meine Chancen schon besser sein würden.
Ich umgriff also seinen Kopf und wollte mit meinen Daumen in seine Augen drücken, aber er hatte mich durchschaut.
Er hielt meine Arme über meinem Kopf fest und das nur mit einer Hand.
Meine Kapuze war längst nicht mehr über meinem Kopf und ich wandte mich hin und her. Mein Haar wehte mir ins Gesicht, da der Zug immer schneller wurde.
Er wechselte das Gleis, was einen Ruck verursachte. Fast fielen wir herunter, aber ich nutzte diesen aus und kickte dem Mann auf mir in seine Mitte.
Als er sich krümmte, kroch ich weiter zu Kay, welcher ebenfalls noch ziemlich zu kämpfen hatte.
Er stand an der leider noch offenen Tür und versuchte die letzten zwei Menschen loszuwerden.
Die anderen lagen wahrscheinlich verteilt hinten in der Wüste, aber hoffentlich noch lebendig.
Hinter mir hörte ich ein lautes Fluchen und ich kam beim Übergang zu Kays Wagon an.
Unter dem Zug konnte ich den Sand der Wüste erkennen und ich schluckte.
Das war schon ziemlich hoch hier oben. Trotzdem musste ich da herüberspringen.
Ich rieb mir also meine Schläfen und richtete mich zittrig auf. Meine Beine zitterten wieklich wie verrückt und ich versuchte mein Gleichgewicht beizubehalten. Ich konnte den Typen hinter mir hören und schluckte ein weiteres Mal.
Reiß dich zusammen, Ilaria.
Mit diesem Gedanken sprang ich und hielt mich dann verzweifelt am anderen Wagon fest.
Im Augenwinkel erkannte ich, wie Kay einen dieser Idioten vom Zug kickte und dann vom anderen am Hals gepackt wurde.
Ich klammerte mich also an die metallartige Oberfläche des Zuges und zog mich verkrampft nach oben.
Dass ich diese Kraft überhaupt besaß, war mir bis jetzt noch unbekannt gewesen.
Es war schon extrem krass, was Adrenalin mit jemanden anstellen konnte.
Ich befand mich nun diagonal über Kay und dieser letzten Person. Es war ein eher jüngerer Typ, der nur wenige Jahre älter als mein Freund sein konnte.
Kay versuchte den Griff des anderen von seinem Hals zu lösen und ich konnte schon vorstellen, wie sich dunkle Blutergüsse an seinem Nacken bildeten.
Neben der großen Tür hing eine Leiter und meine Kreativität meinte es heute ganz gut mit mir.
Mir kam die Idee, dass wenn ich mich gegen den Typen schwingen würde, er wahrscheinlich vom Zug fallen würde.
Ich rieb mir mein wirres Haar aus dem Gesicht und hielt mich immer noch ganz fest, denn der Zug war mittlerweile schon fast bei seiner Höchstgeschwindigkeit angekommen.
Vorsichtig kroch ich also zu dieser Leiter und wollte mich unbemerkt nach unten schleichen.
Jedoch spürte ich auf einmal, wie mir die Luft abgedrückt wurde. Ich riss meine Augen auf und schielte nach oben. Der blauäugige Typ hielt mich an der Kapuze fest und wollte mich wieder nach oben ziehen.
Ich wusste, dass ich einfach aus dem Pullover schlüpfen konnte, aber dann würde ich vom Zug fallen.
Mir wurde ganz schwindelig und ich merkte, wie der Typ es langsam schaffte mich nach oben zu ziehen.
Ich hatte also keine andere Wahl und klammerte mich an der Leiter fest.
"Kay!"
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