Five ~ Blue Eyes
"Er will nach Florida?", fragte mein bester Kumpel nach, um sicherzugehen, dass er mich auch wirklich verstanden hatte. Ich nickte und sah kurz zu den ganzen anderen Schülern, die verteilt auf dem Pausenplatz waren.
Ashton atmete nachdenklich aus und spielte mit einem seiner Armbänder. "Was ist genau der Sinn dahinter?" Der Lockenkopf wechselte seine Sitzposition und sah mich weiterhin abwartend an. "Meine Sicherheit. Diese Leute wissen anscheinend von mir und Kay hat Angst, dass mir etwas passiert."
"Na ja, Kleine. Das kann ich aber ziemlich gut nachvollziehen."
"Du denkst, er soll gehen?" Ashton nickte und rieb sich kurz seine Schläfen. "Dir ist klar, dass er das wahrscheinlich nicht überleben wird." Ich konnte meinem Kumpel ansehen, dass sich ein Konflikt in ihm abspielte und er sah gequält durch die Gegend.
"Was soll er denn bitteschön sonst machen? Weiterhin flüchten und dann zur Krönung auch noch dich in Gefahr bringen? Noch dazu ist Kay gerissen. Er kratzt nicht so schnell ab. Das wissen wir beide. Du besser als ich", verteidigte sich Ash und ich sah ihn verdattert an.
"Ich will das aber nicht." Meine Stimme war leicht zittrig. Genau diese Worte hatte ich dem Betroffen gestern vorm Einschlafen entgegengeweint und dieser war einfach still geblieben. Er hatte mich einfach angesehen und mit seinem Finger auf meinem nackten Oberschenkel kleine Kreise gezeichnet.
Normalerweise konnte ich meinen Freund ziemlich gut lesen, aber gestern Nacht war es anders gewesen. Sein Gesicht hatte keine Emotionen abgespiegelt. Er sah so aus, als würde er sich zum Schweigen verdonnern, um zu vermeiden, dass ich noch mehr herausfinden würde.
Als ich aber das Thema gewechselt und mich einfach an ihn gekuschelt hatte, war er wieder der Alte gewesen.
Da war also etwas faul. Ganz faul. Das sagte ich dem Lockenkopf aber nicht und ich konzentrierte mich auf seine Theorien.
"Wir könnten diese Leute, die ihn nicht in Ruhe lassen, erneut denken lassen, dass er tot ist." Ich schüttelte meinen Kopf. "Die finden sowieso wieder heraus, dass es eine Lüge ist."
Da uns dieses Thema sowieso nur stresste, hörten wir auf darüber zu reden und zeitlich passend ertönte die Schulglocke. Wir gingen nebeneinander ins Schulhaus und beim Gehen starrte ich schweigend auf meine Turnschuhe.
"Mach dir nicht so einen Kopf darüber. Kay wird das schon in den Griff bekommen und noch dazu kannst du im Moment nicht wirklich etwas dagegen tun." Ashton hatte mir wohl angesehen, dass es mich immer noch beschäftigte.
Ich gab ihm keine Antwort. Ich blieb weiterhin still, nickte trotzdem kurz, um nicht unhöflich rüberzukommen. Mein Gesichtsausdruck verriet aber weiterhin, dass es mich verrückt machte und mit einem niedlichen Lächeln auf den Lippen schlang mein bester Kumpel einen Arm um meine Schultern und zog mich so näher an sich heran.
Seine Locken kitzelten die Seite meines Gesichtes und ich begann zu grinsen, als Ashton mich noch näher heranzog.
~
"Deine Mom wird dich töten." Entspannt liefen wir durch das große Einkaufszentrum und ich ließ meinen Blick durch die Läden schweben.
"Ich werde es schon überleben. Noch dazu lässt sie mich später dann nicht mehr aus dem Haus, wenn ich jetzt nach Hause gehe."
Ich betrat einen mir unbekannten Shop und überflog die verschiedenen Shirts, die dort schön sortiert hingen und lagen. "Denn Kay hat mir heute Morgen gesagt, dass ich am Abend zu Luke und Trace kommen soll."
Der verwirrte Kopf von Ashton tauchte neben mir auf und er hatte seine Augenbrauen ganz fest zusammengezogen. Sie berührten sich beinahe. "Das ist mir mal was Neues. Du bist seit Tobys Tod nicht mehr bei ihnen gewesen."
Ich zuckte mit meinen Schultern. Es stimmte. Ich hatte sie schon lange nicht mehr gesehen und vor allem hatte ich deren Wohnung seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr betreten. Um hier mal ganz ehrlich zu sein. Ich hatte es noch nie gewagt den Todesort vom kleinen Engel zu betreten.
Ich wollte und konnte nicht. Es jagte mir die schlimmen Bilder durch den Kopf und ich verstand auch nicht, wie Kay damit klarkam. Jedenfalls tat er dies und auf komischerweise beeindruckte mich das.
"Frag mich nicht. Wahrscheinlich geht es genau um unser neues Problem und Trace ist bei solchen Dingen immer ganz hilfreich. Kay meint das jedenfalls."
Ashton hielt mir ein Croptop vorne hin und schaute, ob es mir stehen würde. Er verzog sein Gesicht und legte es wieder zurück. "Sie werden dir heute also eine Menge Fragen beantworten. Sei doch froh." Ich musterte eine Jeans und spielte mit den Fransen bei den Löchern.
"Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich mehr wissen will. Das wird mich wahrscheinlich nur noch mehr durchdrehen lassen." Der Braunäugige sah mich schweigend an. Ich war mir sicher, dass er jede einzelne Zuckung meiner Lippen sehen konnte und genau wusste, dass ich einfach Angst hatte meinen Jungen zu verlieren.
Er wollte gerade etwas sagen, als er von seinem Handy unterbrochen wurde und mit einem entschuldigenden Blick ranging. "Mom?"
Ich wandte meinen Blick von ihm ab und lief zwischen den Kleidern durch. Egal wie sehr ich mich auf diese konzentrieren wollte. Immer wieder kroch Kays Situation in meinen kleinen Kopf und ich hätte mir echt eine Kugel geben können.
Mach dir nicht so einen Kopf, Ilaria...
Kurz schloss ich meine Augen und als ich sie wieder öffnete, griff ich entschlossen nach einer schönen, eleganten Hose, bei der ich mir sicher war, dass ihre beige Farbe mir schmeicheln würde und lief mit dieser in Richtung Umkleidekabinen.
Aber bevor ich in einer verschwand, ließ ich Ashton mit einer Handbewegung wissen, wo ich mich befand. Ich schielte leicht unter die Vorhänge, um zu sehen, welche noch frei war und zog dann eine auf, als ich keine Füße dahinter erkennen konnte.
Leise Musik lief. Ich kannte das Lied nicht, aber es hatte definitiv etwas Ruhiges an sich. Ich summte zur mir unbekannten Melodie und schlüpfte aus meinen Schuhen. Als ich die beige Hose trug, hob ich meinen Kopf an und begutachtete mich im Spiegel.
Sie saß ganz gut. Sie gefiel mir. Der Preis war auch ganz akzeptabel und ich war mir sicher, dass sie auch meinem Freund gefallen würde, obwohl es ihm eigentlich ziemlich egal war, was ich trug.
Laut ihm war es ihm einfach wichtig, dass ich überhaupt etwas trug, wenn ich unterwegs war.
So eine typische Kay-Aussage.
Ich bewegte mich hin und her, schaute auf meine Beine hinab und drehte mich um die eigene Achse. Ja, die würde ich kaufen. Sie war auch ganz bequem. Mein dunkelblondes Haar hing mir ins Gesicht und genau darum band ich sie mir zu einem hohen Zopf zusammen.
Als ich meinen Kopf wieder anhob und ich den Spiegel sah, setzte mein Herz komplett aus.
Ich konnte im Spiegel erkennen, wie zwei fremde Augen durch einen Spalt schielten und als diese Person bemerkte, dass ich sie sah, verschwand sie schnell wieder.
Wieso ich wusste, dass es eine wildfremde Person war?
Ich kannte niemanden, außer mich selbst, mit solch blauen Augen. Kay hatte grüne, Ashton braune.
Hastig drehte ich mich um und riss den Vorhang auf. Ich trat hervor und blickte durch den ganzen Laden, aber diese Person war weg.
Habe ich mir das nur eingebildet?
Werde ich verrückt?
"Oh wow. Die Hose steht dir mega." Ash tauchte vor mir auf und begutachtete die Hose. Er lächelte und ließ seine Augenbrauen schelmisch tanzen.
Normalerweise würde ich darauf reagieren, aber ich starrte wie ein Reh, welches mitten auf der Straße stand, durch die Gegend.
"Alles okay?" Ich brauchte eine Weile um zu merken, dass mein Kumpel mit mir redete und ich wusste nicht, ob ich ihm hiervon erzählen sollte, denn ich war mir ja nicht einmal im Klaren, ob das gerade wirklich passiert war.
"Huh? Ja. Alles gut." Ich zwang mir ein Lächeln auf meinen Mund und drehte mich einmal. "Soll ich sie also wirklich kaufen?" Ashton lachte und nickte. "Deine Beine sehen echt toll aus. Wenn du sie dir nicht kaufst, werde ich es für dich tun."
Ich grinste und tapste wieder zurück in die Umkleidekabine. Dort zog ich mir meine Jeans an und band meine Turnschuhe neu. Mit der beigen Hose über meinen Unterarm gelegt, ging ich gefolgt von Ashton zur Kasse.
Dieser stellte sich neben mich und schaute kurz auf die Uhr. "Bist du mir böse, wenn ich dich alleine lasse? Meine Mom wollte mit mir essen gehen und ich habe das vollkommen vergessen." Ungewollt zog ich eine Schnute, lächelte dann aber verständnisvoll.
"Nein, nein. Geh ruhig. Ich mache mich langsam sowieso auf den Weg zu Luke und Trace." Mein Lockenkopf sah mich dankbar an und umarmte mich, bevor er sich mit einem Kuss auf meine Wange verabschiedete.
Nur wenige Minuten nachdem Ash den Laden verlassen hatte, folgte ich seinen Schritten und steuerte auf den Hauptausgang zu.
Ich würde den nächsten Bus nehmen. Es war eigentlich nicht weit, aber ich war einfach zu faul. Ich hatte heute definitiv keine Lust zu laufen.
Als ich aber vor der Bushaltestelle anhielt, klebte ein großer Zettel über dem Fahrplan und auf diesem stand, dass dieser Bus heute komplett ausgefallen ist. Das ergab keinen Sinn, denn Ashton und ich waren mit diesem hierhergefahren.
Ich schaute also verwirrt um mich und bemerkte eine junge Dame, die ebenfalls hier stand. "Fällt der wirklich aus? Er ist doch vorher noch gefahren." Sie drehte sich zu mir, als sie realisierte, dass ich mit ihr sprach.
Sie richtete ihren Zopf und ließ ihre Tasche zu Boden plumpsen. "Das frage ich mich auch. Ich warte jetzt aber schon etwas länger auf ihn. Er ist immer noch nicht gekommen."
Ich nickte dankbar und seufzte. Dann würde ich halt doch laufen müssen. Ich hatte ja Zeit. Ich schwang den Plastiksack, mit meiner neuen Hose drin, über meine Schulter und zog meine Schultasche auf dem Boden nach.
Nach meinen ersten Schritten erklang aber wieder die Stimme von dieser Frau und ich stoppte. "Mein Mann kommt mich holen. Soll er dich auch mitnehmen?" Ich drehte mich zu ihr um und biss auf meine Unterlippe. Das wäre schon ganz toll.
Genau dann fuhr ein großer, schwarzer Jeep heran und sie begann erfreut zu lächeln, als das Fenster vom Fahrer runterging und ein Typ uns ansah.
"Hey, babe." Sie drückte ihm einen Kuss auf den Mund und sah mich dann abwartend an.
Ich wollte gerade zusagen, als sich der Mann in meine Richtung drehte. Ganz blaue Augen stachen mir entgegen und obwohl ich diese von vorhin nur ganz kurz gesehen hatte, wusste ich direkt, dass sie zu diesem Mann gehörten.
Augen konnte man nicht verwechseln. Ich jedenfalls nicht.
"Ich eh-" Ich schwankte von einem Bein auf das andere. "Es ist schon okay. Es ist nicht weit. Ich gehe einfach zu Fuß." Ich lächelte unsicher und wollte mich von dem jungen Ehepaar abwenden.
"Bist du dir sicher? Es beginnt gleich zu regnen."
Schnell wimmelte ich sie ab. "Ja. Ja, ich bin mir sicher. Ich bin wahrscheinlich sogar schneller, wenn ich laufe, als wenn ich mit euch mitfahre. Der Feierabendverkehr ist Horror." Dieses Mal ließ ich mich nicht wieder aufhalten und ging direkt los.
Mein Herz begann zu rasen, als ich das Zuschlagen einer Autotür hörte, aber ich machte mir einfach unnötig Panik.
Die Dame war einfach eingestiegen, damit sie fahren können. Das redete ich mir ein und ich wartete unruhig darauf, dass der Motor des Autos wieder ertönte, aber das tat er nicht.
Ich schielte also nach hinten und als ich sah, dass das Auto leer war, wurde ich am Handgelenk gepackt.
Noch eins?
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