"Lieber Johnny"
Doch schließlich gewann meine Neugier und ich öffnete den schlichten Umschlag vorsichtig. Meine Hände fingen an zu zittern. Langsam zog ich ein hellblaues, gefaltetes Papier heraus und ließ den Umschlag einfach auf das feuchte Gras fallen.
Es regnete immer noch und es hatte was von einem Trauerspiel.
Lieber Johnny,
Ich las die ersten Zeilen, nachdem ich das Papier auseinandergefaltet hatte.
ich weiß nicht, was du gerade denken oder fühlen magst . . . doch du musst wissen, dass ich dir das, was in diesem Brief steht, gerne persönlich gesagt hätte. Ganz sicher bin ich mir selbst nicht, was das hier sein soll, was du jetzt vermutlich in deinen Händen hältst. Ein Abschiedsbrief? Ich hoffe es nicht.
Diese Worte verwirrten mich und gleichzeitig stieg ein unwohles Gefühl in mir auf. Was meinte sie mit Abschiedsbrief? Im Moment wollte ich nichts lieber, als dass Chiara neben mir auftauchte und mir sagte, dass das alles nur ein Scherz wäre. Ein schlechter Scherz.
Wo soll ich anfangen? Am besten ganz von vorne, an dem Tag, an dem alles begann. Ich kann mich noch gut an dein Gesichtsausdruck erinnern, als ich mich zu dir ins Gras gesetzt hatte. Als wäre ich ein Alien gewesen. Du hast nie gefragt, wieso ich das getan habe. Ich habe dich einfach dort liegen gesehen, ganz alleine, in den Ferien. Ich kannte dich ja vorher schon, zwar nur flüchtig, aber trotzdem beschloss ich kurzerhand, dir Gesellschaft zu leisten. Und ich bereue es bis heute nicht.
Unsere ganzen Gespräche, unsere Zeit auf der Wiese . . . das alles bedeutet mir so viel. Du bedeutest mir viel, Johnny. Dein Lächeln immer wenn du mich angesehen hast - ja, ich habe es bemerkt - deine Verlegenheit, die so unglaublich süß ist. Ich könnte wohl noch zahlreiche Seiten über dich schreiben, doch das alles würde nicht ausreichen, um dir zu sagen, wie sehr du mir ans Herz gewachsen bist, wie sehr ich dich liebe. Auch wenn du meine Gedanken wohl als Hirngespinste ansiehst, kann ich dir das nicht übel nehmen.
Du fragst dich sicherlich, was das hier alles soll. Ich bringe es kaum über mein Herz, dir zu sagen, dass das alles nicht mehr so sein wird. Dass ich nicht mehr jeden Tag neben dir auf unserer Wiese liegen und mit dir über Wolken reden kann.
Ich bin umgezogen, mit meiner Mutter und meinen Geschwistern. Miles hast du ja kennengelernt . . . Meine Mutter hat sich von meinem Vater getrennt. Er ist . . . er ist nicht mehr so wie früher, musst du wissen.
Und ich wünschte, es wäre nur der nächste Ort, zu dem wir gezogen wären. Doch Berlin ist nicht gerade ein Katzensprung.
Das alles kam auch für mich so plötzlich, dass ich gar keine Zeit hatte, mich richtig von dir zu verabschieden. Bevor du dich jetzt fragst, ja, ich hatte es bei unserem letzten Treffen schon gewusst. Ich konnte es dir einfach nicht sagen, ich wollte einen letzten schönen Tag mit dir verbringen. Also behielt ich es für mich, die Koffer waren bereits gepackt. Diesen Brief habe ich gleich nachdem ich nach Hause gekommen war geschrieben.
Ist das jetzt ein Abschied? Ein Lebewohl?
Bitte sag du es mir, Johnny.
In Liebe,
Chiara
Ich hatte mich nicht mehr ganz auf den letzten Abschnitt konzentrieren können, als ich die Worte wie sehr ich dich liebe gelesen hatte. Mein Herz hatte zu rasen angefangen. Sie liebte mich? Diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Und ich hatte mich nicht getraut, ihr zu sagen, dass ich ebenso empfand. Doch jetzt war es zu spät.
Oder?
Es fühlte sich an, als wären Stunden vergangen, seitdem ich nur noch regungslos auf das blaue Papier gestarrt hatte, während der Regen allmählich meine Kleidung durchnässt hatte, aber mich endlich dazu aufraffte, den Weg nach Hause anzutreten.
Chiara war weg und mit ihr ein Teil von mir.
~
. . . Would you lie with me and just forget the world?
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