10. Louis
Endlich hat Liam sich mir geöffnet und erzählt, was bei dem Unfall tatsächlich passiert ist. Dass er gelähmt ist, hat mich tief getroffen. Jetzt macht auch die Absage der Tour Sinn. Niemand weiß bis jetzt, was wirklich mit Liam ist und warum er von der Bildfläche verschwunden ist. Als ich ihm erzählt habe, dass Kaden und ich uns geküsst haben, hat er seltsam reagiert, aber ich kann mir keinen Reim darauf machen. Vielleicht sollte ich ihm nicht alle Details erzählen, wenn ich mich nochmal mit Kaden treffe.
Am nächsten Tag sitzt Kaden schon im Café, als ich zur Tür herein komme. Er lächelt mich an, steht auf und kommt auf mich zu. Unsicher sieht er mich an und schaut sich dann im Raum um. Wahrscheinlich weiß er nicht, ob er mich umarmen soll oder lieber nicht. Ich nehme ihm die Entscheidung ab, indem ich ihn kurz umarme und auf die Wange küsse.
"Hallo Kaden, schön dich zu sehen." Ich freue mich ehrlich, ihn zu sehen.
"Hallo Louis, wie geht es dir?"
"Ganz gut. Das Date war wirklich schön. Hast du schon was bestellt?"
"Nein, ich bin grade erst gekommen."
"Setz dich, ich komme gleich und nehme deine Bestellung auf."
Er nimmt wieder Platz und ich gehe in den Aufenthaltsraum, um meine Tasche abzustellen und die Schürze umzubinden. Im vorbeigehen winke ich Gloria zu, die in der Küche etwas vorbereitet.
"Hi Glo, alles klar?"
"Hallo Louis, ja alles bestens. Wie siehts bei dir aus?"
Ich lehne mich an den Türrahmen und sehe sie einfach nur grinsend an. Sie kommt zu mir und umarmt mich fest. "Es tut gut, dich glücklich zu sehen. Dieser neue Mann scheint dir sehr gut zu tun. Du solltest ihn festhalten."
"Das habe ich vor. Wir haben uns geküsst."
Sie grinst und macht sich dann wieder an die Arbeit. Auch ich gehe endlich nach vorne, um die Gäste zu bedienen. Zwischendurch habe ich immer wieder kurz Zeit, um mich mit Kaden zu unterhalten. Mit jeder Sekunde die vergeht, erobert er mein Herz mehr. Gegen Mittag verabschiedet er sich von mir und ich sehe ihm nach, während er die Straße hinunter geht.
"Junge Liebe", seufzt Gloria und scheucht mich in die Küche.
"Danke für dein Verständnis, Glo", sage ich und schnappe mir ein Stück Paprika.
"Was ist mit Liam?", fragt sie und sofort fühle ich mich schuldig, weil ich ihm heute noch nicht geschrieben habe.
"Ich hatte heute noch keinen Kontakt zu ihm. Ich war viel zu sehr mit Kaden beschäftigt."
"Ist deine Verliebtheit für ihn einfach so verflogen?"
"Nein, natürlich nicht, aber er ist für einen Mann wie mich unerreichbar. Das weißt du doch so gut wie ich."
"Darf ich dir einen guten Rat geben?"
"Ich kann dich ja sowieso nicht aufhalten", sage ich und seufze leise.
"Häng dein Herz nicht an den falschen Mann und mach Kaden keine Hoffnung, wenn du in Wirklichkeit in Liam verliebt bist."
Sie hat ja Recht, aber nichtsdestotrotz ist Liam unerreichbar für mich. Kaden ist da, er ist ein ganz normaler Mann, genau wie ich. Möglicherweise kann er mich ja doch glücklich machen, wenn wir es nur lange und intensiv genug versuchen.
"Ich muss Liam schreiben", sage ich und eile aus der Küche, um mein Handy zu holen.
'Hallo Liam, bitte entschuldige, dass ich mich jetzt erst melde. Ich hatte im Café ziemlich viel um die Ohren. Wie geht es dir heute? Können wir später miteinander telefonieren? Ich vermisse es, deine Stimme zu hören.'
Ehe ich mich davon abhalten kann, habe ich die Nachricht abgeschickt. Es ist schließlich die Wahrheit. Auch wenn ich mich langsam aber sicher in Kaden verliebe, gehört mein Herz zu großen Teilen Liam. Seine Antwort kommt ziemlich schnell.
'Lou, wie schön, dass du dich meldest. Kein Problem, die Therapie hält mich auf Trab. Ruf mich einfach an, wenn du Zuhause bist. Ich vermisse es auch, deine Stimme zu hören.'
Bei seinen Worten breitet sich ein strahlendes Lächeln auf meinem Gesicht aus. Mein Herz schlägt schneller und ich merke, dass ich Liam viel mehr liebe als Kaden. Ich gehe wieder zu meiner Chefin, umarme sie fest und küsse sie auf die Wange.
"Ich danke dir, Gloria. Du bist einfach die Beste."
Nach Feierabend gehe ich nicht sofort nach Hause, sondern erst zu meinem Lieblingsplatz im Park. Unter einer Weide, deren Zweige fast bis auf den Boden reichen, steht eine Bank. Hierher verirrt sich nur selten jemand und ich kann in Ruhe über alles nachdenken. Meine Gefühle fahren Achterbahn. Ja, ich habe es genossen Kaden zu küssen, mit ihm zu reden und zu lachen. Aber wenn ich ehrlich zu mir selber bin, berührt er mein Herz nicht so sehr, wie Liam es tut. Ich brauche einen Rat und rufe deshalb Harry an. Er verspricht, in ein paar Minuten da zu sein.
"Hallo Louis", höre ich vielleicht fünf Minuten später seine Stimme.
"Hi Hazza. Ich brauche deinen Rat."
Er hat zwei Becher Kaffee in der Hand und reicht mir einen, ehe er sich zu mir setzt. "Erzähl mir was los ist."
Ich atme tief durch und fange dann an zu reden. Erzähle ihm von Kaden, dass wir ein Date hatten, und geküsst haben und dass ich mich wirklich gut mit ihm verstehe. Ich sage ihm aber auch, dass mein Herz trotzdem an Liam hängt und er mir viel mehr bedeutet als Kaden. Seufzend lehne ich den Kopf an seine Schulter und schließe die Augen.
"Was soll ich denn jetzt machen?" frage ich leise.
Harry schiebt mich ein Stück weg, um mich ansehen zu können. "Bist du in Kaden verliebt?"
Ich zögere und er nickt nur.
"Bist du in Liam verliebt?"
Alleine bei der Erwähnung seines Namens, fange ich an zu lächeln und nicke sofort. "Ja, ich bin in Liam verliebt."
"Ich glaube, du hast dir deine Frage grade selber beantwortet", sagt mein bester Freund und umarmt mich.
"Danke Hazza, du bist der Beste. Morgen werde ich mit Kaden sprechen. Heute will ich endlich mal wieder ausführlich mit Liam telefonieren. Ich glaube, es hat ihm zu schaffen gemacht, dass ich mich mit Kaden getroffen habe. Er war ziemlich geknickt, als ich ihm erzählt habe, dass wir uns geküsst haben. "
"Er scheint eifersüchtig zu sein."
"Bis jetzt hat man ihn nur mit Frauen gesehen", stelle ich fest.
"Das muss aber nichts heißen, Lou. Nur Mut, du hast nichts zu verlieren."
"Ja, du hast Recht. Ich muss dann los. Danke, dass du Zeit für mich hattest. Bitte sag Zayn einen lieben Gruß von mir. Vielleicht sehen wir uns am Wochenende mal zum Essen."
"Das würde uns freuen. Wir telefonieren, Lou."
Zuhause mache ich mir schnell Spaghetti mit Soße und setze mich mit dem Teller auf den Balkon. Ich genieße es, draußen essen zu können. Nachdem ich ein paar Gabeln gegessen habe, wähle ich Liams Nummer und hoffe, dass er sich meldet.
"Lou, wie schön, dass du anrufst", erklingt seine warme Stimme und ich fange sofort an zu grinsen.
"Hi Liam, schön dich zu hören. Wie geht es dir?"
"Mir geht es ganz gut. Es wird jeden Tag besser. Die Therapie zeigt gute Wirkung und ich komme immer besser mit allem zurecht. Klar, wenn ich Zuhause bin, wird es nochmal eine Herausforderung, aber ich schaffe das schon. Wie war dein Tag?"
"Im Café etwas stressig, außerdem war Kaden da."
"Wie läuft es mit ihm?", fragt er leise.
"Ich werde ihm morgen sagen, dass aus uns kein Paar werden wird, weil mein Herz jemand anderem gehört. Ich hätte mich gar nicht auf ihn einlassen sollen."
"Es...es gibt noch einen neuen Mann in deinem Leben?"
"Seit ein paar Wochen, ja." Liam schweigt, deshalb beschließe ich, ihm auf die Sprünge zu helfen. "Ich rede von dir, Li", sage ich und hoffe, er kann damit umgehen, dass ich in ihn verliebt bin.
Plötzlich höre ich ein Schniefen. Mist, jetzt habe ich Liam zum Weinen gebracht. "Meinst du das wirklich ernst?"
"Natürlich meine ich das ernst. Was hätte ich davon, dich anzulügen?"
"Nichts hättest du davon. Es ist nur...ich...ich bin überwältigt. Nachdem du mir von Kaden erzählt hast, dachte ich, ich würde dich verlieren. Gerade als ich angefangen habe, mir einzugestehen, dass ich dich mehr mag, als für eine Freundschaft üblich ist."
"Wir sind schon zwei Helden, nicht wahr? Wenn ich geahnt hätte, dass du etwas für mich empfindest, wäre ich nicht auf die Flirtversuche von Kaden eingegangen. Und dann erzähle ich Trottel dir auch noch davon. Es tut mir leid, Liam."
"Du konntest das doch nicht wissen. Ich habe an mir gezweifelt, weil ich noch nie in einen Mann verliebt war. Kannst du das verstehen?"
"Sehr gut sogar. Mach dir keinen Kopf deswegen. Werden wir uns denn jetzt mal treffen? Ich würde dich wirklich gerne sehen."
Liam zögert und ich merke, dass er immer noch unsicher ist. "Wenn ich die Reha abgeschlossen habe und wieder Zuhause bin", sagt er schließlich.
"Das wäre schön."
Ich will nicht mehr sagen, um ihm auf keinen Fall das Gefühl zu geben, dass ich ihn zu etwas drängen will. Wir unterhalten uns noch eine Weile und es fühlt sich viel besser an, als die letzten Tage. Endlich haben wir beide unsere Gefühle angesprochen und haben festgestellt, dass wir das gleiche empfinden.
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