5
Ⓜⓘⓝⓗⓞ
Ich legte sie in den Einkaufswagen.
Ein völlig harmloses Gemüse. Ein gesundes Gemüse.
Doch kaum hatte ich das getan, hörte ich es.
Ein kehliges, viel zu zufriedenes „Oooooohhh?“
Ich stockte. Drehte mich zu Jeongin um.
Fehler. Riesenfehler.
Er lehnte sich an den Wagen, seine Hände gefaltet wie ein schmieriger Geschäftsmann, der gleich etwas Unangenehmes vorschlagen würde.
„Hyung…“
„Jeongin.“
„Was hast du denn mit der Gurke vor?“
Ich nahm eine Paprika und warf sie hinterher. „Kochen. Essen. Lebenserhaltung.“
Er nickte langsam, griff nach der Gurke, hob sie prüfend hoch.
„Mh-hmm. Klar. Aber…“ Er fuhr mit dem Finger über die Oberfläche. „Warum so eine… große? Und warum so… geriffelt?“
Ich starrte ihn an. „Gib die scheiß Gurke her."
Jeongin grinste, spielte mit der Gurke in seiner Hand.
„Ich mein ja nur… Sie sieht nach einer interessanten Wahl aus. Ein bisschen extravagant. Ein bisschen… speziell.“
„Jeongin, ich schwöre—“
„Sag mal…“ Er tippte sich ans Kinn, als würde er ernsthaft nachdenken. „Meinst du, Jisung würde sowas auch nehmen?“
Ich… erstarrte.
Jeongin beobachtete mich aufmerksam. Sein Lächeln war pure Boshaftigkeit.
„Ohhh, Hyung…“ Er legte mir eine Hand auf die Schulter.
„Soll ich dir eine kleine, süße Jisung-Gurke suchen? Oder brauchst du was… Größeres?“
Ich riss ihm das Ding aus der Hand. „Ich werde dich hier im Supermarkt zurücklassen.“
Er kicherte. „Du bist ja so rot, Minho… Also wirklich. Ich dachte, du bist ein erwachsener Mann? Ein bisschen dirty talk über deinen Crush sollte dich doch nicht so verlegen machen.“
„Ich hasse dich.“
„Oh, komm schon. Ich find’s süß. Du stehst so offensichtlich auf ihn. Vielleicht solltest du ihm mal was… schenken. Vielleicht so eine Gurke? Mit Schleife? Oder direkt was aus dem Fachhandel?“
Ich atmete tief durch.
Nicht töten. Nicht eskalieren. Tief durchatmen.
„Jeongin, wenn du nicht aufhörst, rede ich nie wieder mit dir.“
„Ohhh, wow, droh mir doch gleich mit Liebesentzug.“
Er tat, als wäre er verletzt, während er die Gurke wieder in den Wagen legte.
Ich drehte mich um und schob weiter. Doch ich wusste: Das war noch nicht vorbei.
Zu Hause bewies Jeongin erneut, dass er ein würdiger Nachfolger Satans war.
Ich wollte gerade die Einkäufe auspacken, da hielt er mir die Gurke wieder vor die Nase.
„Sag mal, Minho…“
„Leg sie weg.“
„Nee, ernsthaft. Was wäre, wenn Jisung sie dir schenken würde? Würdest du sie dann… benutzen?"
Ich ließ fast die Eier fallen.
Jeongin grinste. „Ohhh, Hyung. Ich glaube, ich hab’s endlich verstanden.“
„Du hast GAR NICHTS verstanden.“
„Doch, doch.“ Er nickte wissend. „Du willst nicht irgendeine Gurke. Du willst eine von Jisung. Eine… persönliche.“
Ich rieb mir mit beiden Händen übers Gesicht. „Ich bereue es, dich jemals kennengelernt zu haben.“
Er lachte und warf sich auf die Couch. „Soll ich ihn mal für dich fragen? So ganz subtil? ‘Hey Jisung, was hältst du eigentlich von Gurken im Schlafzimmer?’“
„DU WIRST IHN IN RUHE LASSEN, SONST BRING ICH DICH UM!“
Er kicherte und entsperrte sein Handy. „Okay, dann vielleicht einfach nur ein anonymer Tipp. ‘Hey Jisung, wenn du Minho mal glücklich machen willst, besorg eine—’“
Ich riss ihm das Handy aus der Hand.
Ich schwöre, ich stand kurz vor einem Mord.
„Weißt du, Minho…“ begann er mit zuckersüßer Stimme.
„Ich wette, Jisung ist ziemlich experimentierfreudig. Der ist doch ein offener Typ. Wer weiß, vielleicht—“
Ich schnappte mir die Tomaten aus der Einkaufstüte und schleuderte eine in seine Richtung.
„SCHLUSS JETZT!“
Jeongin lachte, wich mühelos aus und setzte sich mit überkreuzten Beinen auf die Küchentheke. „Ich will doch nur helfen, Hyung. Ich meine, du bist offensichtlich… verspannt.“
Ich atmete tief durch, ließ langsam die Schultern sinken. „Jeongin. Ich schwöre dir, wenn du nicht sofort aufhörst—“
„Oder… verklemmt?“
Mein Augenlid zuckte.
Er beugte sich vor, legte den Kopf schief, sein Blick durchbohrte mich. „Sag mal, hattest du eigentlich in letzter Zeit mal Sex? Oder bist du so gereizt, weil—“
Ich griff nach der erstbesten Sache auf dem Tisch – einer Banane – und stopfte sie ihm grob in den Mund.
„ESS UND SCHWEIG!“
Er kaute, immer noch grinsend, kaute mit absichtlich übertriebenem Genuss. „Mhm. Süß.“
Ich ließ mich auf einen Stuhl fallen, massierte mir die Schläfen.
Tief durchatmen. Tief durchatmen.
Es war Jeongin. Mein kleiner Bruder. Ich durfte ihn nicht aus dem Fenster werfen.
„Oh, apropos.“
Ich hörte es. Ich spürte es. Ich wusste, dass jetzt nichts Gutes kommen würde.
Langsam hob ich den Kopf und sah, wie Jeongin seelenruhig sein Handy entsperrte.
„Soll ich dir mal ein paar Seiten empfehlen? Jisung ist da bestimmt auch aktiv. Vielleicht findet ihr was für—“
Ich war auf den Beinen, bevor ich überhaupt realisierte, dass ich mich bewegte.
Jeongin riss die Augen auf, ließ das Handy fallen und rannte los.
Ich sprintete hinterher.
„KOMM HER, DU KLEINER PERVERSLING!“
„DAS IST VERBOTENE GESCHWINDIGKEIT, MINHO!“
Wir rasten durch die Wohnung, vorbei am Sofa, um den Couchtisch herum, an der Haustür entlang.
Ich hatte ihn fast. Fast!
Doch dann machte er eine plötzliche Kehrtwende und rannte direkt in die Küche.
Ich blieb abrupt stehen, erkannte die Falle – doch es war zu spät.
Er stand jetzt auf der anderen Seite der Kücheninsel, grinste mich herausfordernd an, die Hände auf der glatten Arbeitsplatte abgestützt.
„Na, Hyung? Du weißt, wie das läuft.“
Ich kniff die Augen zusammen. Natürlich wusste ich es.
Jeder, der je mit Geschwistern gekämpft hatte, wusste es.
Es war das ultimative Katz-und-Maus-Spiel: Einer auf jeder Seite der Insel, beide in Kampfstellung.
Wer nach rechts ging, musste schnell genug sein, um den anderen nicht entwischen zu lassen. Wer nach links ging, konnte vielleicht eine Finte nutzen.
Aber es gab eine eiserne Regel.
Die eine Regel, die niemand brechen durfte.
Die heilige Regel.
Keiner durfte über die Insel klettern.
Jeongin wusste es. Ich wusste es.
Und genau deshalb grinste er so.
Er wog sich auf den Füßen hin und her, so als würde er gleich losrennen, aber ich kannte ihn. Ich kannte seinen Rhythmus.
Also machte ich es.
Ich tat es wirklich.
Ich packte den Rand der Arbeitsplatte und schwang mich mit einem kräftigen Ruck nach oben.
Jeongins Gesicht verwandelte sich innerhalb einer Millisekunde in pures Entsetzen.
„HYUNG! DAS IST ILLEGAL!“
„NICHT, WENN ICH ES TUE!“
Er riss die Arme hoch, machte einen hektischen Schritt zurück, aber ich hatte ihn bereits im Visier.
Mit der Eleganz eines fallenden Kühlschranks warf ich mich von der Insel direkt auf ihn.
Jeongin kreischte.
Wir krachten zu Boden.
Er wand sich unter mir, versuchte sich loszureißen, aber ich hielt ihn eisern fest.
„DU HAST DIE REGEL GEBROCHEN!“ brüllte er.
„ICH BIN DIE REGEL!“
„DU BIST EIN MONSTER!“
Er strampelte wie ein wildgewordenes Huhn, aber ich hatte genug mit ihm durchgemacht, um zu wissen, wie ich ihn in Schach hielt.
Bis…
Bis er plötzlich seinen Kopf nach vorne ruckte – und mir in die Schulter biss.
„AUA! DU WILDTIER!“
„LASS MICH LOOOS!“
„HÖR AUF ZU BEISSEN, DU KANNIBALE!“
„DU HAST ES VERDIENT!“
Ich drückte ihn noch fester gegen den Boden, sein Lachen vibrierte gegen meine Schulter.
„Ergib dich!“ knurrte ich.
„NIE!“
„Dann bleibt mir keine Wahl.“
Ich nahm einen tiefen Atemzug – und begann, ihn gnadenlos durchzukitzeln.
Er schrie auf, wand sich, prustete vor Lachen.
„HYUNG! HYUNG, WARTE! DAS IST NOCH ILLEGALER ALS ÜBER DIE INSEL ZU GEHEN!“
„HÄTTEST DU MAL DRÜBER NACHGEDACHT, BEVOR DU MICH GEBISSEN HAST!“
Er japste nach Luft, seine Hände schlugen verzweifelt um sich. „ICH ERGEBE MICH! ICH ERGEBE MICH!“
Ich hörte auf, ließ mich schwer atmend neben ihm auf den Boden sinken. Sekundenlang lagen wir einfach nur da, beide völlig erledigt.
Dann… begann Jeongin zu lachen.
Er lachte so sehr, dass er sich den Bauch hielt, seine Beine auf dem Teppich strampelten.
„Hyung…“ japste er schließlich, wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. „Du bist echt süß, wenn du wütend wirst.“
Ich rollte mich auf die Seite, funkelte ihn an. „Ich hasse dich.“
„Awww, ich dich auch.“
„Ich schwöre, wenn du noch EIN Wort über Jisung sagst—“
Jeongin grinste, beugte sich leicht vor und flüsterte:
„Sag mal, hast du eigentlich schon mal über einen Prostata-Stimulator nachgedacht?“
„JEONGIN!!!“
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro