27
Ⓜⓘⓝⓗⓞ
Ich saß auf meinem Bett und starrte auf die Kisten vor mir.
Sie standen da, ordentlich gestapelt, randvoll mit allem, was ich einmal geliebt hatte. Alben, Poster, Fotokarten - Erinnerungen an eine Zeit, in der ich noch geglaubt hatte, dass diese Menschen etwas Besonderes waren.
Dass er etwas Besonderes war.
Aber jetzt?
Jetzt war es nur noch Zeug.
Bedeutungslos.
Mein Zimmer fühlte sich falsch an. Kahl. Die Wände, die früher voller Bilder gewesen waren, waren jetzt leer und weiß. Die Regale, die einst voller CDs und Merchandise gestopft waren, standen leer. Nichts Persönliches war mehr übrig.
Es war, als hätte ich mich selbst ausgelöscht.
Ich atmete tief ein und rieb mir müde übers Gesicht. Ich wusste, dass es das Richtige war. Ich konnte diese Dinge nicht mehr in meinem Leben haben. Ich konnte nicht mehr jeden Morgen aufwachen und in das Gesicht eines Mannes blicken, den ich für etwas gehalten hatte, das er nie war.
Ich musste das tun.
Aber warum fühlte es sich dann an, als würde ich mir selbst die Luft abschnüren?
Die Tür ging auf.
„Hyung?"
Jeongins Stimme war vorsichtig, fast zögerlich. Ich drehte mich zu ihm um.
Er stand in der Tür, die Augen weit aufgerissen. Sein Blick wanderte durch den Raum, von den leeren Wänden zu den Kartons, zu mir.
„Was ...", setzte er an, aber er schien nicht zu wissen, wie er den Satz beenden sollte.
Ich sagte nichts.
Seine Stirn legte sich in Falten. „Was ist mit deinem Zimmer passiert?"
Ich presste die Lippen aufeinander.
Er machte einen Schritt in den Raum, sah mich an, dann wieder zu den Kisten. Langsam kniete er sich hin und öffnete eine davon.
Ich beobachtete, wie seine Finger über die Alben strichen, über die limitierten Editionen, die ich einmal gehütet hatte wie einen Schatz.
Er zog eine meiner ältesten Fotokarten heraus. Ich wusste genau, welche es war - die erste, die ich je von Jisung gehabt hatte.
Ich erinnerte mich noch, wie ich damals fast ausgeflippt war, als ich sie aus dem Album gezogen hatte.
Jetzt sah ich sie nicht einmal an.
Jeongin tat es dafür.
„Hyung ...", sagte er leise, und in seiner Stimme lag etwas, das mir einen Kloß in den Hals trieb.
Ich schüttelte den Kopf, zwang mich zur Ruhe. „Ich wollte es einfach nicht mehr."
Er blickte mich an, seine Augen voller Fragen, aber er stellte keine einzige davon.
Stattdessen legte er die Karte zurück, schloss die Kiste wieder und setzte sich neben mich aufs Bett.
„Es fühlt sich komisch an", murmelte er nach einer Weile.
Ich lachte leise. „Erzähl mir was Neues."
Er sagte nichts.
Aber dann lehnte er sich einfach an mich. Ganz selbstverständlich.
Und zum ersten Mal an diesem Tag fühlte ich mich nicht mehr ganz so leer.
Ich atmete tief durch.
Das war es also.
All die Monate, all die Träume, all das, woran ich geglaubt hatte - es lag jetzt in diesen Kisten. Verstaut. Vergangenheit.
Jeongin sagte nichts, aber seine Anwesenheit war warm. Echt. Kein aufgesetztes Lächeln, keine Lügen. Einfach mein Bruder, der hier saß, weil er es wollte.
„Weißt du", sagte ich leise, „ich dachte immer, dass ich genau wüsste, wem ich vertrauen kann."
Jeongin sah mich an, schwieg.
Ich fuhr mit den Fingern über das Bettlaken.
„Aber das war eine Lüge. Ich habe mich von jemandem blenden lassen. Von jemandem, der ... der nie gut für mich war."
„Jisung", sagte er nur.
Ich nickte. „Ja."
Er wartete einen Moment, bevor er vorsichtig fragte: „Liebst du ihn?"
Ich schloss die Augen. Ein einziges Mal, ganz kurz. Dann schüttelte ich den Kopf.
„Ich dachte, ich würde es tun", murmelte ich. „Aber was ich geliebt habe ... war eine Illusion."
Er sah mich weiterhin an, sein Blick sanft, verständnisvoll.
Ich seufzte leise. „Aber weißt du, was das Schlimmste ist?"
Jeongin schüttelte den Kopf.
Ich sah ihn an, versuchte zu lächeln. „Nicht er hat mich am meisten enttäuscht. Sondern ich mich selbst."
Er runzelte die Stirn. „Hyung ..."
„Nein, wirklich", unterbrach ich ihn. „Ich habe zugelassen, dass jemand mich verändert. Dass jemand aus mir eine Person macht, die ich nicht sein wollte. Ich war wütend, verbittert ... Ich habe dich verletzt, Innie. Und das tut mir leid."
Er starrte mich an. Einen Moment lang dachte ich, er würde etwas sagen - mich vielleicht sogar anschreien. Aber dann zog er nur eine Grimasse.
„Das war echt scheiße von dir", sagte er.
Ich lachte leise. „Ja."
Er sah mich an, dann grinste er. „Aber wenigstens hast du's endlich kapiert."
Ich schnaubte. „Danke für dein Mitgefühl."
Er lachte, und irgendwie wurde mir warm ums Herz.
Es gab so viele Dinge, die ich bereute. So viele Dinge, die ich hätte anders machen sollen. Aber jetzt ...
Jetzt hatte ich eine zweite Chance.
Und diesmal würde ich sie nicht verschwenden.
Denn wenn ich eines gelernt hatte, dann das:
Es gibt Menschen, die dich lieben - wirklich lieben. Nicht, weil du ihnen etwas gibst. Nicht, weil du sie anhimmelst oder ihnen hinterherläufst.
Sondern einfach, weil du du bist.
Und genau solche Menschen sind es wert, in deinem Leben zu bleiben.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro