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Der Alkohol brannte in meiner Kehle, als ich den Kopf in den Nacken legte und den letzten Rest der Flasche hinunterkippte. Ich hatte aufgehört zu zählen, wie viele es gewesen waren. Vielleicht drei. Vielleicht mehr. Alles verschwamm ohnehin zu einem benebelten, dumpfen Rausch.
Ich wusste nicht einmal, warum ich getrunken hatte. Oder vielleicht wusste ich es doch, wollte es mir nur nicht eingestehen. Es war einfacher, wenn der Alkohol alles zudeckte – wenn er das Chaos in meinem Kopf leiser machte.
Meine Finger rutschten vom Glas ab, als ich es auf den Couchtisch stellen wollte. Es fiel um, rollte ein Stück, aber ich war zu langsam, um es zu fangen. Ein leises Lachen entkam mir, obwohl nichts an dieser Situation lustig war.
„Du solltest echt nicht mehr trinken.“
Die Stimme war tief, weich – und kam mir bekannt vor. Ich blinzelte träge, versuchte, mich auf das Gesicht über mir zu konzentrieren. Es dauerte eine Sekunde, bis ich ihn erkannte.
Der Tänzer.
Ich erinnerte mich nicht an seinen Namen, aber das war auch egal.
Er war hübsch. Dunkle Augen, geschwungene Lippen, eine Präsenz, die den Raum einnahm. Ich wusste, dass ich ihn mal angebaggert hatte – halb aus Spaß, halb aus Neugier. Aber jetzt war nichts mehr an mir spielerisch.
„Und wer soll mich aufhalten?“ Meine Stimme klang seltsam undeutlich.
Er grinste, setzte sich neben mich auf die Couch. „Vielleicht ich?“
Seine Hand lag plötzlich an meinem Oberschenkel. Warm. Schwer.
Mein Körper fühlte sich träge an, mein Kopf zu langsam, um richtig zu begreifen, was passierte. Ich wollte etwas sagen, mich bewegen, aber meine Glieder gehorchten mir nicht so, wie sie sollten.
Sein Gesicht war nah. Zu nah.
Mein Magen zog sich zusammen, aber nicht wegen des Alkohols.
Etwas stimmte nicht.
Mein Kopf war schwer, meine Gedanken klebten wie kalter Rauch aneinander. Ich wollte mich aufrichten, aber mein Körper war zu träge, zu schwach. Der Alkohol zog mich nach unten, ließ mich tiefer in die Couch sinken.
Seine Hand wanderte höher.
Mein Magen zog sich zusammen.
"Hey", murmelte ich, wollte ihn wegschieben, aber meine Arme fühlten sich an wie Blei. "Lass das."
Er lachte leise, eine dunkle, schiefe Melodie. "Komm schon, Jisung. Letztes Mal sah das noch anders aus."
Ich schluckte, versuchte, meinen Kopf zu klären. Letztes Mal war ich halbwegs nüchtern gewesen. Letztes Mal hatte ich die Kontrolle gehabt.
Jetzt nicht.
Seine Finger strichen über mein Kinn, dann wanderte er mit seinem Gesicht näher. Ich wollte mich wegdrehen, aber ich war zu langsam.
"Nein", murmelte ich. "Ich … will nicht."
"Mach nicht so ein Theater."
Mein Herz hämmerte gegen meine Rippen, aber mein Körper reagierte nicht richtig. Mein Blick verschwamm, die Übelkeit in mir wurde stärker.
Dann – plötzlich – eine andere Stimme.
"Was zur Hölle machst du da?"
Ich hörte ein Geräusch, ein dumpfes Poltern, dann spürte ich, wie der Druck auf meinem Körper nachließ. Ich blinzelte, sah, wie jemand den Tänzer von mir wegzog.
Chan.
Komischerweise war er immer da, wenn ich Hilfe brauchte.
Mit einer schnellen Bewegung drängte er den anderen weg, stellte sich vor mich.
"Verschwinde", zischte er.
Der Tänzer hob abwehrend die Hände. "Schon gut, Mann. War nur ein Spaß."
Chan sagte nichts. Er starrte ihn nur an, kalt und eindringlich. Schließlich schnaubte der Tänzer leise und verließ den Raum.
Ich atmete aus, ein zittriges, heiseres Geräusch.
Chan drehte sich zu mir um. Sein Blick war hart, aber darunter lag etwas anderes. Etwas, das ich nicht sofort einordnen konnte.
"Warum?", fragte er. Seine Stimme war ruhig, aber scharf. "Warum hast du so viel getrunken?"
Ich zuckte mit den Schultern, oder versuchte es zumindest. "Weil ich Lust drauf hatte."
Er seufzte genervt, ließ sich auf den Couchtisch vor mir sinken. "Bullshit. Was ist passiert, Jisung?"
Ich sagte nichts.
Er musterte mich einen Moment, dann griff er nach einer Flasche Wasser auf dem Tisch, schraubte sie auf und hielt sie mir hin.
"Trink."
Ich verzog das Gesicht, aber er ließ nicht locker. Mit einem leichten Knurren nahm ich die Flasche und trank ein paar Schlucke. Das Wasser war kühl und klar, ließ den dumpfen Nebel in meinem Kopf einen Hauch leichter werden.
Chan stand auf, verschwand kurz und kam mit einem kühlen Tuch zurück. Wortlos legte er es mir auf die Stirn. Ich zuckte leicht zusammen, aber ließ es geschehen.
Er setzte sich wieder, lehnte sich mit den Armen auf seine Knie und beobachtete mich.
"Du machst es einem echt nicht leicht", murmelte er schließlich.
Ich schnaubte, ein schwaches, spöttisches Geräusch. "Tja. Ist mein Spezialgebiet."
Er schüttelte den Kopf, aber ich konnte sehen, dass sein Zorn nicht mehr so heftig war wie zuvor.
Ich schloss die Augen, ließ das kühle Tuch auf meiner Haut liegen. Mein Kopf dröhnte, mein Körper fühlte sich schwer an.
Chan war immer noch sauer auf mich.
Aber trotzdem war er hier.
Trotzdem kümmerte er sich.
Warum tat er das?
Er wirkte müde, genervt, aber auch … besorgt?
Ich verzog das Gesicht und sah weg.
„Warum?“, fragte er plötzlich. Seine Stimme war ruhig, aber bestimmt.
Ich runzelte die Stirn. „Warum was?“
„Warum bist du so?“
Ich schnaubte. „Definier 'so'.“
„So …“ Er machte eine vage Handbewegung, suchte nach den richtigen Worten. „So besessen von Sex. So verdammt abgefuckt in deinem Kopf. Warum kannst du nicht einfach … normal sein?“
Etwas in mir zog sich zusammen.
Ich ließ ein leises, bitteres Lachen hören. „Normal? Was zum Teufel heißt das schon? Willst du, dass ich mich verliebe? Ein netter Typ werde? Vielleicht noch auf Knien um Vergebung flehe?“ Ich lehnte mich zurück und sah ihn herausfordernd an. „Sorry, Chan. Ich bin nicht das, was du in mir sehen willst.“
Er verzog keine Miene.
„Das weiß ich längst.“
Mein Lächeln gefror.
„Ich will nicht, dass du dich verstellst“, fuhr er fort. „Ich will wissen, warum du so bist. Warum du jede Person um dich herum verletzt. Warum du dich selbst zerstörst. Und komm mir nicht mit irgendeinem arroganten Mist – ich will die Wahrheit.“
Die Wahrheit.
Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen.
„Du bist nicht mein verdammter Therapeut“, murmelte ich und drehte mich weg.
„Nein“, gab er ruhig zurück. „Aber ich bin auch nicht blind.“
Stille.
Meine Hände ballten sich zu Fäusten.
Warum konnte er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Warum musste er immer weiterbohren?
„Jisung.“ Seine Stimme war weich, aber bestimmt. „Sag es mir.“
Ich biss die Zähne zusammen.
Dann lachte ich leise.
„Du willst wissen, warum ich so bin?“ Ich sah ihn an, ließ mein Lächeln breiter werden – gezwungen, gespielt. „Weil es nichts anderes gibt, Chan. Weil Berührungen das Einzige sind, was mich ablenkt. Was mich vergessen lässt. Und weil es mir scheißegal ist, wen ich dabei verletze.“
Ich wartete, dass er zurückschreckte. Dass er wütend wurde, mich anschrie, mich verurteilte.
Aber er tat nichts davon.
Er sah mich einfach nur an.
Und das machte mich wahnsinnig.
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